Innovative Vertriebsmöglichkeiten für journalistischen Online-Content deutscher Tageszeitungen: Die personalisierte E-Paper-Tageszeitung
©2014
Masterarbeit
117 Seiten
Zusammenfassung
Die grundlegende Wandlungsbereitschaft bestimmt sich aus dem gesellschaftlichen Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Diese Veränderungen betreffen auch Medienunternehmen. Wyss beschreibt diese neuartige Situation insofern, als dass Medienunternehmen damit konfrontiert werden, ihre publizistischen Leistungen neu zu überdenken, diese dem veränderten Mediennutzungsverhalten, den soziokulturellen Veränderungen, der wirtschaftlichen Umstrukturierung und neuen technischen Imperativen anzupassen und die Qualität ihrer Angebote entsprechend zu sichern. Diese Anpassungen verlangen von den Medienunternehmen ein viel stärkeres Antizipieren der Leserinteressen, als es bisher der Fall war. Die Menge an verfügbaren Informationen, hinweg über alle Medienformen und Kanäle, hat das bisherige System der Abhängigkeit des Lesers von den Medienproduzenten vollkommen umgekehrt. Die Bedürfnisse des Einzelnen stehen im Fokus, was insbesondere der Mega-Trend der Individualisierung verdeutlicht. Für die Medienunternehmen bedeutet dies eine radikale Veränderung. Die Medienprodukte werden spezialisiert, fragmentiert und personalisiert.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
5
1. Einleitung
1.1 Bedeutung der Wandlungsbereitschaft und Anpassung an die
Bedürfnisse der Rezipienten
1
Die grundlegende Wandlungsbereitschaft bestimmt sich aus dem
gesellschaftlichen Wandel von der Industrie- zur Informationsgesellschaft.
Diese Veränderungen betreffen auch Medienunternehmen.
2
Die Redaktionen
der regionalen und lokalen Tageszeitungen gelten im übertragenen Sinn als
Medienunternehmen und werden in der Untersuchung auch so betrachtet.
Dadurch ist es möglich, theoretische Grundlagen anzuwenden und Aussagen
zu treffen. Wyss beschreibt diese neuartige Situation insofern, als dass
,,Medienunternehmen damit konfrontiert werden, ihre publizistischen Leistungen
neu zu überdenken, diese dem veränderten Mediennutzungsverhalten, den
soziokulturellen Veränderungen, der wirtschaftlichen Umstrukturierung und
neuen technischen Imperativen anzupassen und die Qualität ihrer Angebote
entsprechend zu sichern."
3
Diese Anpassungen verlangen von den
Medienunternehmen ein viel stärkeres Antizipieren der Leserinteressen als es
bisher der Fall war. Die Menge an verfügbaren Informationen, hinweg über alle
Medienformen und Kanäle, hat das bisherige System der Abhängigkeit des
Lesers von den Medienproduzenten vollkommen umgekehrt. Die Bedürfnisse
des Einzelnen stehen im Fokus, was insbesondere der ,,Mega-Trend der
Individualisierung" verdeutlicht.
4
Für die Medienunternehmen bedeutet dies eine
radikale Veränderung. Die Medienprodukte werden spezialisiert, fragmentiert
und personalisiert. Die Medienunternehmen müssen Trends identifizieren,
erfolgreich umsetzen und Erlöse daraus generieren.
5
1
Anmerkung des Autors: Selbstverständlich sind bei allen Berufs-, Gruppen- und/ oder
Personenbezeichnungen beide Geschlechter angesprochen, auch wenn die gebräuchliche Form
verwendet wird.
2
Vgl. Keuper/ Hans (2003): S. 1; Mast (2008): S. 39-40.
3
Wyss (2002): S. 149.
4
Vgl. Gläser (2008): S. 336.
5
Vgl. Gläser (2008): S. 336; Huber 2007: S. 142.
6
Der deutsche Journalist und Medienwissenschaftler Michael Haller
prognostiziert drei Szenarien für die Zukunft des Mediums der Zeitung. Die
ersten beiden Szenarien gehen von einer weiteren Verschlechterung der
allgemeinen wirtschaftlichen Lage der Tageszeitungen aus. In der Folge kommt
es zu einer Verschärfung des Wettbewerbs beziehungsweise zu
strukturpolitischen Entscheidungen. Das dritte Szenario sieht eine Fokussierung
auf die Kernkompetenz des Journalismus vor. Diese Betrachtung schließt auch
eine Modularisierung der Inhalte ein. Als zusätzliches Angebot können die
Leser sich einzelne Themengebiete oder Ressorts kaufen.
6
Damit entspricht
das dritte Szenario weitestgehend dem bereits vorliegenden Trend der
Individualisierung. Diese Entwicklung stellt jedoch, im Gegensatz zu anderen
Medien, für die Zeitungen vermutlich die größte Herausforderung dar. Bei dem
Hörfunk, bei Magazinen und im Internet sind seit längerem
Individualisierungstendenzen erkennbar und auch leichter umzusetzen. Die
Spezialisierung, Fragmentierung und Personalisierung der Zeitungsinhalte
kommen einem Bruch mit dem bisherigen Zeitungsmodell gleich.
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit befasst sich mit der beschriebenen
Entwicklung. Mit Hilfe von theoretischen Elementen und Erkenntnissen aus
Leitfadeninterviews mit mehreren Vertretern aus unterschiedlichen Verlagen
und Redaktionen sollen bestimmte innovative Vertriebsmöglichkeit für
journalistischen Online-Content untersucht werden. Dabei werden diese
Möglichkeiten als zusätzliches Angebot betrachtet. Im Kern geht es um eine
grundsätzliche Machbarkeit in Form von personalisierten Abonnements.
1.2 Methodik des Vorgehens
In der wissenschaftlichen Arbeit wird zwischen den Bezeichnungen Leser,
Rezipient, Nutzer beziehungsweise User sowie Kunde in Abhängigkeit des
jeweiligen Zusammenhangs differenziert. Im Bereich der gedruckten Zeitung
wird von Lesern gesprochen, während im digitalen Bereich die Bezeichnungen
User oder Nutzer verwendet werden. Handelt es sich um theoretische und
wissenschaftliche Ansätze, wird von Rezipienten gesprochen.
6
Vgl. Haller (2005): S. 129-130.
7
Die Bezeichnung Kunde wird dort verwendet, wo betriebswirtschaftliche
Elemente im Fokus stehen. Diese Einteilung beugt, nach Ansicht des Autors,
Missverständnissen vor.
Im theoretischen Teil werden zunächst die allgemeine Lage des
Tageszeitungsmarktes, mögliche Verlagsstrategien und Herausforderungen
beschrieben. Das Ziel ist, dem Leser einen allgemeinen Überblick und die
Möglichkeit zu geben, die folgenden Elemente besser einordnen zu können. In
der Folge wird die Entwicklung der Distribution der Zeitungen analysiert. Dabei
geht es nicht um einen zeitlichen Abriss. Vielmehr soll dem Leser die
Bedeutung der Verbreitung des Internets mit seinen Möglichkeiten näher
gebracht werden. Das Kapitel 2.3 befasst sich mit der Abonnement-Struktur
deutscher regionaler und lokaler Tageszeitungen. Im Kern dieses Kapitels soll
eine Entwicklung aufgezeigt und die herausgehobene Bedeutung des
Abonnements für die entsprechenden Tageszeitungen verdeutlicht werden. Im
anschließenden Kapitel werden die Zahlungsbereitschaft der Kunden und die
Problematik von Paid Content thematisiert. Den theoretischen Teil wird eine
Analyse der Wettbewerbsvorteile der regionalen und lokalen Tageszeitungen in
der Verbindung mit den Möglichkeiten des Internets abschließen.
Die Untersuchung der grundsätzlichen Machbarkeit von personalisierten
Abonnements erfolgt im praktischen Teil. Im Kapitel 4.1 werden drei
verschiedene Abonnement-Formen dargestellt und mit Hilfe der Aussagen der
Interviewpartner eingeordnet und bewertet. Dem schließt sich die Betrachtung
der Voraussetzungen und Rahmenbedingungen an. Dabei möchte der Autor
anhand einiger Elemente untersuchen, ob in den Redaktionen bestimmte
positive Bedingungen bereits vorliegen und dadurch eine erfolgreiche
Umsetzung der betrachteten Abonnement-Formen begünstigt werden würde.
Zum Abschluss des praktischen Teils wird eine Chancen- und Risiko-
Betrachtung erstellt. Eigentlich sollte sich das Kapitel 4.3 mit dem
Kostenrechnungsverfahren des Target Costing befassen. Jedoch hätte eine
entsprechende Themenbehandlung den Rahmen der Untersuchung
überstiegen. Grundsätzlich bietet sich das Target-Costing-Verfahren für
innovative und noch nicht produzierte Produkte aus, weil die Kosten retrograd
kalkuliert werden. Daher sind vor Produktionsbeginn noch Anpassungen
möglich.
8
Die gesamte wissenschaftliche Untersuchung wird durch das Fazit des Autors
abgeschlossen.
2. Die Leser und die regionale und lokale Tageszeitung
2.1 Die Tageszeitung
Die Tageszeitungen gehören zur periodischen Presse und werden dem
Teilmarkt Print zugeordnet. Innerhalb der periodischen Druckmedien (Zeitung
und Zeitschrift) wird nach Aktualität, Periodizität, Universalität und Publizität
unterschieden.
7
Die unterschiedlichen Zeitungsprodukte lassen sich nach verschiedenen
Kriterien einteilen:
8
a) nach der Erscheinungsweise (Tages-, Sonntags- oder
Wochenzeitung),
b) nach der Vertriebsart (Abonnement- oder Kaufzeitung),
c) nach dem Vertriebsgebiet (lokal, regional oder überregional),
d) nach der Finanzierung (Verkaufs- oder Werbeerlöse beziehungsweise
Gratis) und/ oder
e) nach dem Transport (gedruckt oder digital).
Grundsätzlich gilt die Zeitung als Basismedium und zeichnet sich durch eine
aktive Nutzung der Leser aus. Daher sind parallele Tätigkeiten, neben dem
Lesen der Zeitung nur sehr begrenzt möglich. In diesem Sinne ist sie von
anderen Medien, beispielsweise Radio oder TV, zu unterscheiden. Diese
Medien gelten auch als ,,Nebenbei-Medium" und können passiv konsumiert
werden.
9
7
Vgl. Beck (2012): S. 100-101; Gerpott (2006): S. 309.
8
Vgl. Gläser (2008): S. 120-121.
9
Vgl. Gläser (2008): S. 120.
9
Für die vorliegende wissenschaftliche Untersuchung soll die Definition des
Statistischen Bundesamtes von einer Zeitung verwendet werden:
,,alle periodischen Veröffentlichungen, die in ihrem redaktionellen Teil der
kontinuierlichen, aktuellen und thematisch nicht auf bestimmte Stoff- oder
Lebensgebiete begrenzten Nachrichtenübermittlung dienen, also in der Regel
mindestens die Sparten Politik, Wirtschaft, Zeitgeschehen, Kultur, Unterhaltung
sowie Sport umfassen und mindestens zweimal wöchentlich erscheinen."
10
Regionale und lokale Tageszeitungen (Lokalzeitungen) fallen auch darunter.
Diese haben für die Lokalthemen entweder einen separaten Teil (Buch) oder
richten ihren inhaltlichen Schwerpunkt danach aus. Ihre Verbreitung bestimmt
sich hauptsächlich im lokalen Raum eines Teils eines Bundeslandes, eines
Landkreises, einer Kommune oder als sublokaler Raum eines bestimmten
Stadtteiles. Dabei kann es auch zu Überschneidungen kommen. Hiermit
unterscheiden sie sich von den bundesweit verfügbaren überregionalen
Tageszeitungen.
11
Weiterhin wird in dieser wissenschaftlichen Arbeit
angenommen, dass auch elektronische beziehungsweise digitale Zeitungen
(Online-Zeitung oder ePaper) unter diese Definition fallen. Von Bedeutung ist,
dass sie die gleichen Kriterien (Aktualität, Periodizität, Universalität und
Publizität), wie die gedruckten Zeitungen, erfüllen, aber nicht zwangsläufig in
Papierform vertrieben werden.
2.1.1 Der deutsche Tageszeitungsmarkt im Gesamtüberblick
In Deutschland hat die periodische Presse die öffentliche Aufgabe zur
demokratischen Meinungs- und Willensbildung beizutragen. Aus diesem Grund
wird sie besonders durch das Grundgesetz geschützt und unterliegt keiner
Lizenzpflicht (Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz
12
). Für die Regulierung sind die
Bundesländer im Rahmen der Landespressegesetze zuständig. Der Bund hat
die Rahmengesetzgebungskompetenz.
13
10
Statistisches Bundesamt (1990): S. 654.
11
Vgl. Kretzschmar/ Möhring/ Timmermann (2009): S. 30 und 72; Pürer/ Raabe (2007): S. 15-16.
12
Vgl. Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland.
13
Vgl. Beck (2012): S. 342.
10
Die Struktur der deutschen Tagespresse hat ihren Ursprung in der deutschen
Pressetradition und in den pressepolitischen Entscheidungen der alliierten
Siegermächte nach 1945. Typisch für den deutschen Pressemarkt ist die hohe
Anzahl an regionalen und lokalen Abonnement-Zeitungen. Bis 1948 wurden
178 Zeitungen mit 753 Ausgaben lizenziert. Diese hohe Ausgabenvielfalt kann
als Ursprung der regionalen Zeitungsstruktur angesehen werden.
14
Bedingt durch die am Anfang dargestellte Veränderung der Gesellschaft und
deren Mediennutzung passen sich die Verlage daran an und erweitern ihr
Produktportfolio. Das klassische Printprodukt steht zwar weiterhin bei vielen
Verlagen im Mittelpunkt, jedoch wird zunehmend der journalistische Content
auch über weitere Kanäle vertrieben. Einer dieser Kanäle ist die Online-
Verbreitung in Form eines ePapers. Dabei handelt es sich um die
Digitalisierung der gedruckten Zeitung und deren Bereitstellung auf der in vielen
Fällen verlagseigenen Webseite.
15
Die aktuelle ePaper-Tageszeitungsauflage beträgt 538.438 Exemplare (Stand I.
Quartal 2014 IVW), was eine respektable Steigerung von 60,6 Prozent zum I.
Quartal 2013 ausmacht. Die verkaufte und gedruckte Tageszeitungsauflage
beträgt im gleichen Zeitraum 19,4 Millionen. Demnach entspricht der Anteil der
verkauften ePaper-Auflage 2,8 Prozent. Im Bereich der regionalen und lokalen
Abonnement-Zeitungen betrug die ePaper-Auflage 222.523 Stück (II. Quartal
2013). Die verkauften und gedruckten lokalen und regionalen Abonnement-
Zeitungen hatten im gleichen Zeitraum (II. Quartal 2013) eine Auflage von 12,9
Millionen. Der Anteil der ePaper entsprach daher 1,7 Prozent.
16
Die Bestrebungen, den journalistischen Content auch über weitere
Vertriebswege zu verbreiten, entstehen unter anderem durch den schon länger
anhaltenden Auflagenrückgang der Tageszeitung (von 1993 bis 2013 Rückgang
der verkauften Auflage um 8,4 Millionen beziehungsweise -32 Prozent).
17
14
Vgl. Beck (2012): S. 136; Pürer/ Raabe (2007): S. 111.
15
Vgl. Korzer (2013): S. 8-9
16
Vgl. IVW (2014): S. 7; Keller/ Eggert (2013): S. 26; Keller/ Eggert (2013): S. 74-75.
17
Vgl o.V. (2013): S. 380, gemäß IVW/ Schütz.
11
Aktuell haben die Tageszeitungen im ersten Quartal 2014 im Vergleich zum
ersten Quartal 2012 5,7 Prozent an Auflage eingebüßt. Im gleichen Zeitraum ist
die Auflage der Abonnement-Zeitungen um 3,9 Prozent und diejenige der
Kaufzeitungen um 13,1 Prozent gesunken. Die meisten Tageszeitungen im Jahr
2013 (II. Quartal 2013) sind lokale und regionale Abonnement-Zeitungen (313).
Die Auflage der lokalen und regionalen Abonnement-Zeitungen sinkt seit 1995
kontinuierlich. Begonnen hat die Auflage 1950 mit 10,2 Millionen und hatte ihren
Höhepunkt 1995 mit 18,1 Millionen. Im zweiten Quartal 2013 hatten die lokalen
und regionalen Tageszeitungen eine Auflage von 12,94 Millionen. Auf Grund
dessen trifft der Auflagenrückgang die Abonnement-Zeitungen im Verhältnis
stärker als die Tageszeitungen im Einzelverkauf (Anzahl: acht, Auflage: 3,36
Millionen).
18
Damit einher geht ein Reichweitenrückgang um -4,9 Prozentpunkte
von 2010 auf aktuell 64,7 Prozent (2013) bei den Tageszeitungen. Bei den
regionalen Abonnement-Zeitungen sinkt die Reichweite um -5,3 Prozentpunkte
von 2010 auf aktuell 51,6 Prozent (2013).
19
Der Markt für Zeitungen ist zweigeteilt. Daher spricht man auch von der Zeitung
als ,,Koppelprodukt" beziehungsweise bezogen auf die wirtschaftliche
Existenzsicherung von einem ,,Zwei-Säulen-Modell".
20
Das Produkt Zeitung wird
auf dem Rezipienten- und dem Werbemarkt abgesetzt. Beide Märkte sind
miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig.
21
Auf dem
Rezipientenmarkt werden Güter in Form von journalistisch aufbereiteten
Informationen angeboten. Die Abnehmer sind in erster Linie die privaten
Haushalte. In diesem Teilmarkt sind besonders die demographischen
Entwicklungen (ältere Bevölkerung) und gesellschaftlichen Veränderungen
(divergierendes Mediennutzungsverhalten der einzelnen Generationen)
spürbar. Der Werbemarkt stellt grundsätzlich die wirtschaftliche Basis für die
Verlage dar, gleichwohl befindet sich dieser im Wandel.
22
18
Vgl. Röper (2014): S. 258, basierend auf Untersuchungsergebnissen des FORMATT-Institut Dortmund;
o.V. (2013): S. 378, gemäß BDZV/ Schütz; o.V. (2013): S. 378, gemäß IVW II. Quartal 2013; o.V. (2013): S.
383, gemäß BDZV; Beck (2012): S. 342; IVW (2014): S. 7; IVW (2012): S. 7.
19
Vgl. o.V. (2013): S. 389, gemäß Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (ag.ma) Berichtsbestände 2010-
2013.
20
Vgl. Kepplinger (1982): S. 65.
21
Vgl. Schütz (2009): S. 537.
22
Vgl. Henkel (2000): S. 18.
12
Die Nachfrager auf dem Werbemarkt sind hauptsächlich Unternehmen und in
geringerem Umfang staatliche Einrichtungen. Private Haushalte treten in Form
von Schaltungen für Kleinanzeigen auf dem Markt als Nachfrager auf.
23
Im Jahr
2000 lag der Anteil der Regional- beziehungsweise Rubrikanzeigen im
Printbereich bei ca. 60 Prozent. Im Jahr 2012 lag der Werbeanteil bei 46,3
Prozent. Daher gibt es heute keine ,,goldene Regel" der Verlage
beziehungsweise
das ,,traditionelle duale Finanzierungsmodell der
Tageszeitung" nicht mehr, wonach die Anzeigen zwei Drittel des Umsatzes
ausmachen.
24
Das Problem bei dieser Entwicklung ist, dass zwar die Vertriebserlöse einen
mehrheitlichen Anteil der Erlösstruktur (55,5 Prozent) ausmachen, aber auch
ein Viertel der Kostenstruktur (25,7 Prozent) verursachen. Daher ist die
Quersubventionierung der Redaktionen in Form von Anzeigen entsprechend
interessant für die Verlage. Im Jahr 2012 stellten die Anzeigenkosten 15,1
Prozent dar und trugen mit 37,4 Prozent zu den Erlösen bei. Zu beachten ist,
dass die Anzeigen keine redaktionellen Kosten verursachen und ihr Anteil an
den Herstellkosten eher gering ist.
25
Gründe für den starken Rückgang der
Anzeigenerlöse sind die Dotcom-Krise 2002, die Finanzkrise 2009 und die
Abwanderung der Rubrikenmärkte in das Internet.
26
Die Kopplung beider
Märkte wird durch Beck gut beschrieben: ,,Wer eine hohe Auflage hat, erzielt
einen hohen Verbreitungsgrad und wird damit für Anzeigenkunden attraktiv. Die
steigenden Werbeeinnahmen ermöglichen der betreffenden Zeitung, sich eine
größere, bessere Redaktion zuzulegen und damit das Blatt attraktiver machen
das bringt mehr Leser und damit auch wieder mehr Werbeeinnahmen."
27
Dieser
Effekt wird in der Literatur ,,Anzeigen-Auflagen-Spirale" genannt und geht auf
Kantzenbach/ Greiffenberg (1980) zurück.
28
23
Vgl. Henkel (2000): S. 18.
24
Vgl. Engländer (2001): S. 290; Keller/ Eggert (2013): S. 41-42; Sjurts (2005): S. 33; Röper (2014): S. 254;
Backhaus (2005): S. 114.
25
Vgl. Keller/ Eggert (2013): S. 42; Beck (2012): S. 115.
26
Vgl. Thomä (2013): S. 1; Sjurts (2005): S. 32-33.
27
Beck (2011): S. 95.
28
Vgl. Kantzenbach/ Greiffenberg (1980): S. 198-200.
13
Dabei wird davon ausgegangen, dass Qualitätsverbesserungen, beispielsweise
bei der Tageszeitung, zu einer höheren Auflage führen. Diese Erhöhung trägt
zur besseren Kostendegression (Fixkostendegressionseffekt) und zur Senkung
des Tausender-Kontakt-Preis bei. Wird angenommen, dass die Tageszeitung
ihre Anzeigenpreise beibehält, kommt es zu einem Mengeneffekt. Führt die
Tageszeitung eine Erhöhung der Anzeigenpreise durch, entsteht ein
Preiseffekt. Beide Effekte führen letztlich durch die erhöhte Auflage zur Umsatz-
und Gewinnsteigerung.
29
Nach der Betrachtung der Erlösseite soll nun die Kostenstruktur dargestellt
werden. Im Rahmen der Zeitungsherstellung wird grundsätzlich zwischen drei
Kostenarten unterschieden: technische Herstellkosten, Redaktionskosten und
Vertriebskosten. Die jeweilige Kostenstruktur, bestehend aus den drei
Kostenarten, kann zwischen den Verlagen beziehungsweise Redaktionen stark
variieren. Die Kosten teilen sich in fixe (mengenunabhängig) oder variable
(mengenabhängig) Kosten auf. Die Redaktionskosten sind unabhängig von der
Auflage, aber abhängig vom Umfang der redaktionellen Beiträge. Die
Herstellkosten sind im Rahmen der Druckvorbereitung autonom. Beim späteren
Druck sind sie gebunden an die Auflage. Mehrheitlich abhängig von der Auflage
sind die Vertriebskosten, da der Handel und die Zusteller nach der Stückzahl
abgerechnet werden.
30
Eine Besonderheit der Medienunternehmen ist die Fixkostendegression der
Produktion. Sie ist unabhängig von der gedruckten und vertriebenen Auflage,
aber abhängig von der Seitenzahl (umfangsvariable Kosten). Diese ,,First-Copy-
Costs" umfassen alles, was zur Produktion des ersten Exemplars
beziehungsweise Prototyps notwendig ist (,,Blaupausen-Industrie"). Sie können
auf die gesamte Auflage umgelegt werden und der jeweilige Fixkostenanteil
sinkt mit steigender Auflage. Diese Verteilung der Fixkosten ist auch aus
anderen Industriebereichen bekannt (,,Economies of Scale").
31
29
Vgl. Keuper/ Hans (2003): S. 10-11; Wirtz (2011): S.175-17; Kantzenbach/ Greiffenberg (1980): S. 198-
200; Heinrich (2001): S. 240-242.
30
Vgl. Beyer/ Carl (2004): S. 65-66; Pürer (2007): S. 288-289; Beck (2012): S. 114.
31
Vgl. Heinrich (2001): S. 96; Keuper/ Hans (2003): S. 7; Beck (2012): S. 115.
14
Ein Problem, unter anderem auch in der Zeitungsbranche, ist die
überdurchschnittlich hohe Fixkostenintensität.
32
Daher sind Verlage bemüht
eine möglichst hohe Auflage zu erreichen. Die Gesamtkosten erhöhen sich
zwar mit steigender Auflage, - verantwortlich dafür sind die variablen Kosten,
weil sie von der Höhe der Auflage abhängen - jedoch verteilen sich die hohen
Fixkosten auf mehr Exemplare. Deshalb sinken letztlich die gesamten
durchschnittlichen Kosten. Die Verlage versuchen nun gemäß ökonomisch
sinnvollem Handeln die Auflage auf ein Maximum auszuweiten. Im Gegensatz
zu anderen Industriebereichen, in denen die Fixkostendegression ihre Grenze
durch technische Kapazitäten hat, bestimmt bei Medienunternehmen die
Nachfrage eben jene Grenze der Fixkostendegression. Die Ausweitung der
Auflage in Verbindung mit der Nachfrage bestimmt eine Markteintrittsbarriere
für neue Konkurrenten, weil sie nicht sofort ihre Auflage maximieren können
beziehungsweise wirtschaftlich nicht in der Lage sind, die vorherrschenden
niedrigen Durchschnittskosten zu unterbieten.
33
Im Extremfall führt die Situation
zur Herausbildung von Monopolen (,,Theorie der natürlichen Monopole").
34
Von 1954 bis 2012 ist die Anzahl der Verlage um 46,6 Prozent gesunken (von
624 auf 333).
35
Im Jahr 2014 beträgt der Marktanteil der fünf größten
Verlagsgruppen im Bereich der Tageszeitungen 42,9 Prozent. Die Axel
Springer SE (BILD, B.Z., Die Welt und Welt Kompakt) hat in diesem Bereich
den größten Marktanteil (15,5 Prozent, -1,5 Prozentpunkte zu 2012). Im Bereich
der Abonnement-Zeitungen beträgt der Marktanteil der fünf größten
Verlagsgruppen 36,0 Prozent (+1,7 Prozentpunkte zu 2012). Die Verlagsgruppe
Stuttgarter Zeitung/, Die Rheinpfalz/, Südwest Presse hat mit 11,7 Prozent den
höchsten Marktanteil in diesem Bereich. Am deutlichsten ist es bei den
Kaufzeitungen. Dort beträgt der Marktanteil der fünf größten Verlagsgruppen
97,8 Prozent. (+0,6 Prozentpunkte zu 2012). In diesem Bereich hat ebenfalls
die Axel Springer SE den höchsten Marktanteil (78,2 Prozent).
36
Daher lässt
sich feststellen, dass in zwei von drei Bereichen die horizontale Konzentration
wächst.
32
Vgl. Zerdick u.a. (2001): S. 166.
33
Vgl. Beck (2011): S. 25 und 92-94; Heinrich (2001): S. 97-98; Beck (2012): S. 115; Keuper/ Hans (2003): S. 8-9.
34
Vgl. Beck (2011): S. 26.
35
Vgl. Schütz (2012): S. 571.
36
Vgl. Röper (2014): S. 254, 255 und 259, basierend auf Untersuchungsergebnissen des FORMATT-Institut
Dortmund.
15
2.1.2 Mögliche Verlagsstrategien als Reaktion auf die neue Situation
Wegen der bisher dargestellten Situation auf dem Tageszeitungsmarkt, dem
veränderten Mediennutzungsverhalten und durch die Substitutionsgefahr des
Internets besteht die Notwendigkeit nach einer Strategieänderung
beziehungsweise einer Strategieanpassung.
37
Die Autoren Schönbach und Peiser stellen zwei grundsätzliche
Strategiemöglichkeiten zur Attraktivitätssteigerung einer Zeitung vor. Zum
einem halten sie die Strategie der ,,Imitation von Medien, die mehr Erfolg zu
haben scheinen [...], mit den Mitteln der Zeitung und eine verstärkte Werbung
genau dafür." (Anpassung) für sinnvoll. Aktuelle Ausprägungen dieser Strategie
sind Online-Zeitungen oder das ,,unbundling"-Konzept aus den USA. Das
Konzept sieht vor verschiedene Teile einer Zeitung separat beziehungsweise
Ausgaben nur an bestimmten Tagen zu abonnieren. Dies führt zu einer
individuellen Interessenssammlung von Themengebieten.
38
Zum anderen besteht die Möglichkeit die Strategie gemäß dem ,,Riepl´schen
Gesetz"
39
zu verfolgen. Dabei fokussieren sich die Medien beziehungsweise die
Zeitungen auf das, was sie jeweils am besten anbieten können. Speziell im
Bereich der Tageszeitung soll eine Abkehr von der aktuellen Machart hin zu
einer Orientierungsfunktion durch Hintergrundinformationen und kontinuierliche
Berichterstattung erfolgen.
40
37
Vgl. Sjurts (2005): S. 38; Korzer (2013): S. 28.
38
Schönbach/ Peiser (1999): S. 110.
39
Anmerkung des Autors: Die These von Riepl (1972) besagt, dass kein bestehendes oder etabliertes
Medium durch ein neues oder moderneres Medium ersetzt wird. Es ist ,,genötigt", sich andere Aufgaben
und Verwertungsmöglichkeiten zu suchen. Vgl. Riepl (1913): S. 5.
40
Schönbach/ Peiser (1999): S. 110.
16
Der erste Strategietyp der Anpassung wird von den Autoren Sjurts und
Büsching priorisiert.
41
Die Autorin Sjurts stellt klar, dass sich die Tageszeitungsverlage derzeit in einer
Wettbewerbsentwicklung befinden, in der sie sich zwischen Produktentwicklung
oder Diversifikation entscheiden sollten. Im Fall der Produktentwicklung sollten
die Verlage versuchen mittels Produktvariationen neue Absatzmöglichkeiten
und Kunden zu erreichen. Das bekannteste Beispiel ist die Einführung des
Tabloid-Formates für jüngere Leser. Die Möglichkeit der Diversifikation (,,Nicht-
publizistische Diversifikation"
42
) beschreibt die Bemühungen der Verlage neue
Geschäftsmodelle umzusetzen. Dazu gehören Buch- beziehungsweise CD-
Kollektionen oder die Betreibung journalistisch-fremder Geschäftsfelder, zum
Beispiel Call-Center. Das Ziel ist die Verringerung der Abhängigkeit vom
Werbemarkt, die Förderung der Leser-Blatt-Bindung und das Erreichen neuer
Leser.
43
Büsching legt sich nicht auf einzelne Maßnahmen fest, jedoch ist für
ihn von Bedeutung neue Geschäftsmodelle aufzuspüren und den Abbau von
Beharrlichkeiten voranzutreiben.
44
Der zweite Strategie-Typ wird von Breyer-Mayländer priorisiert.
45
Nach seiner
Meinung müssen Zeitungsverlage auf die Umstände mit ihren ,,spezifischen
Kernkompetenzen" reagieren. Die Zeitungen haben Kompetenzen im Bereich
Inhalt, Regionalität und Vermarktung. Der Bereich Inhalt bezieht sich auf die
Aufbereitung redaktioneller Inhalte. Dabei liegt der Schwerpunkt auf
eigenrecherchiertem und lokalem beziehungsweise regionalem Material. Der
Bereich der Regionalität bestimmt die regional hohe Bekanntheit. Die lokale
Verwurzelung soll gewinnbringend genutzt werden. Der letzte Bereich der
Vermarktung soll sicherstellen, dass bestehende Vermarktungsstrukturen auch
auf neue Möglichkeiten übertragen werden können.
46
41
Vgl. Sjurts (2005): S. 43-44; Büsching (2005): S. 54
42
Meier (2013): S. 174.
43
Vgl. Sjurts (2005): S. 43-44; Beck (2012): S. 118; Bonhorst (2005): S. 123; Kopp (2006): S. 206-207.
44
Vgl. Büsching (2005): S. 54.
45
Vgl. Breyer-Mayländer (2001): S. 25-26.
46
Vgl. Breyer-Mayländer (2001): S. 25-26.
17
Die Kernkompetenzen sind für Verlage von erheblicher Bedeutung und können
den individuellen Wettbewerbserfolg sichern. Jedoch müssen diese mit Core
Assets, das heißt mit wertvollen, individuellen, materiellen und immateriellen
Vermögensgegen-ständen, zum Beispiel mit Mitarbeitern, Marken oder
Reichweiten, verbunden werden.
47
Eine Möglichkeit beide Strategiemöglichkeiten zu verbinden, ist unter
Umständen das ,,Mass Customization". Piller definiert die Möglichkeit wie folgt:
,,Mass Customization (kundenindividuelle Massenproduktion) ist die Produktion
von Gütern und Leistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt, welche die
unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte
treffen, zu Kosten, die ungefähr denen einer massenhaften Fertigung eines
zugrundeliegenden Standardproduktes entsprechen. Die Informationen, die im
Zuge des Individualisierungsprozesses erhoben werden, dienen dem Aufbau
einer dauerhaften, individuellen Beziehung zu jedem Abnehmer."
48
Die Charakteristik des ,,Mass Customization" ist daher die Fertigung von
Produkten, die exakt den Kundenbedürfnissen hinsichtlich der
Produkteigenschaften entsprechen. Der Erstellungsprozess verläuft in sechs
Schritten. Der erste Schritt ist die Erhebung der Kundenwünsche. Dabei ist es
wichtig, dass dieser Vorgang für den Kunden ohne hohe Komplexität oder
Mühe abläuft. Der nächste Schritt besteht in der Konstruktion des
kundenindividuellen Wunsches beziehungsweise Produktes. Ist das Produkt zu
komplex oder zu unspezifisch, sind bestimmte Teile separat im ,,Mass-
Customization"-Prozess zu erstellen. Anschließend folgt die Beschaffung der
Materialien, was entweder durch die Redaktion, freie Journalisten oder andere
Dienstleister erfolgen soll. Die Produktion obliegt dann der Redaktion und ist
der nächste Schritt in der Prozesskette. Die ,,Nachkaufphase" bildet gegenüber
dem Kunden den Abschluss. Hierbei soll der Kundendienst zur Verfügung
stehen und die Redaktion soll im Rahmen eines ,,Learning Relationship"
Feedback sammeln und für künftige Aktionen verwenden. Der letzte Schritt
bezieht sich auf innerbetriebliche Aktivitäten und befasst sich mit
auftragsneutraler Beschaffung und Vorfertigung.
49
47
Vgl. Wirtz (2011): S. 198; Beck (2012): S. 118.
48
Piller (2000): S. 206.
49
Vgl. Piller (2000): S. 207-208.
18
Dadurch können in Zukunft Anfragen schneller bearbeitet und gegebenenfalls
bei Großereignissen, beispielsweise bei Wahlen oder Sportereignissen, dem
Kunden ein auf seine Bedürfnisse abgestimmtes Produkt angeboten werden.
50
Piller setzt zwar die Bedeutung der Kostenoption mit dem
Differenzierungsverfahren gleich, aber er geht davon aus, dass der Preis
ungefähr dem Preis eines vergleichbaren oder zugrundeliegenden
Standardgutes entsprechen soll. Er begründet dies durch Effizienzvorteile, weil
die Produktion auf Bestellung stattfindet und außerdem die Potenziale der
Informations- und Kommunikationstechnologie eine effiziente und
kostenorientierte Durchführung ermöglichen.
51
Das Problem der Preisbildung ist, dass der Redaktion durch die Erhebung der
Kundenwünsche, die individuelle Fertigung und die Bereitstellung eines
Kundendienstes unter Umständen erhebliche Kosten (Personal-, Schulungs-
und Infrastrukturkosten) entstehen. Deswegen ist es zunächst fraglich, ob die
nach Piller genannten Kostenvorteile die finanziellen Nachteile
beziehungsweise Risiken auffangen. Im Einzelfall muss die Redaktion selbst
beurteilen, bis zu welchem Grad sie ihre redaktionellen Inhalte individualisieren
will und kann. Eine gesonderte Online-Redaktion könnte das ,,Mass
Customization" wahrscheinlich am besten umsetzen, da diese schon in den
meisten Fällen die Inhalte entsprechend an die Online-Bedürfnisse anpassen
beziehungsweise erstellen, den Kontakt zu den Lesern über die sozialen
Netzwerke pflegen und dort auch gezielt einzelne Artikel vermarkten.
Zusammenfassend könnte das ,,Mass Customization" ein Leitfaden bei der
Umsetzung sein. Eine vollständige und detailgetreue Übernahme der Vorgaben
nach Piller sind wahrscheinlich im Bereich der regionalen und lokalen
Tageszeitungen bisher nicht wirtschaftlich.
2.1.3 Herausforderungen für die Zeitungsverleger
In diesem Kapitel sollen die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen für
die Zeitungsverlage dargestellt werden. Diese gelten gleichermaßen für
regionale und überregionale Tageszeitungen.
50
Vgl. Piller (2000): S. 208.
51
Vgl. Piller (2000): S. 208-209.
19
Die Herausforderungen, die sich auf den Werbe- und den Rezipientenmarkt
beziehen, sollen an dieser Stelle nicht erneut aufgegriffen werden. Vielmehr
geht nun um das veränderte Mediennutzungsverhalten der Leser (Selektierung
und die Zielgruppe der jungen Leser) sowie um Produktanpassungen
beziehungsweise Produktänderungen auf Seiten der Zeitungsverlage
(Individualisierung, Digitalisierung der Medienprodukte und stärkere
Ausrichtung nach dem Leser). Zunächst sollen die Herausforderungen bezogen
auf die Mediennutzung durch die Leser betrachtet werden.
Die Rezipienten stehen heute einem Überangebot an Informationen gegenüber.
Das Angebot an Nachrichten übersteigt die Nachfrage beziehungsweise die
Aufnahmefähigkeit der Rezipienten (Informationsasymmetrie). Die Rezipienten
haben die Strategien ,,selektive Nutzung", ,,Ausklammerung" und
,,Verweigerung" zur Auswahl.
52
Diese Einteilung von Ratzke hat nach Ansicht des Autors zwei Besonderheiten.
Zum einen geht er von einer Selektion durch den Nutzer aus. Dabei sieht er
nicht die Menge an Informationen als Ursprung, sondern die Veränderungen in
der Medienlandschaft. Den Nutzern stehen mehr Medien zur Verfügung, jedoch
wird der Medienkonsum durch ein bestimmtes Zeitkontingent begrenzt.
53
Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse von 2013 beträgt der
Anteil der selektiven Printaffinen 49 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen. Bei
den 30- bis 44-Jährigen beträgt der Anteil 45 Prozent. Damit ist es auch kein
spezielles Verhalten einer bestimmten Altersgruppe. Lediglich 20 Prozent sind
bei den 14- bis 29-Jährigen umfassend printaffin. Bei den 30- bis 44-Jährigen
steigt der Anteil auf 33 Prozent.
54
Zum zweiten rückt der ,,Uses-and-Gratifications Approach" (auch Nutzen- oder
Belohnungsansatz
55
) in den Mittelpunkt und unterstellt unter anderem dem
Publikum eine aktive Mediennutzung.
52
Vgl. Ratzke (1982): S. 424-425.
53
Vgl. Püschel (2001): S. 47.
54
Vgl. AWA 2013 (2013): S. 12.
55
Vgl. Soziologisches Institut der Universität Zürich (1997).
20
Der Ansatz geht davon aus, dass: ,,der Mensch die Massenmedien als
,Gratifikationsinstanzen`, das heißt als Quellen zur Befriedigung von bestimmten
Interessen, Wünschen, letztlich: von Bedürfnissen benützt."
56
Es lassen sich folgende Kernmerkmale bestimmen:
57
1. Das Publikum übernimmt die Rolle als aktives Element.
2. Die Rezipienten handeln zielgerichtet.
3. Die Inhalte der Massenmedien werden zur Bedürfnisbefriedigung
konsumiert.
4. Die unterschiedlichen Inhalte und deren vermuteter Nutzen stehen in
Konkurrenz zueinander und werden durch die Rezipienten bewertet und
gegeneinander abgewogen.
Nach Ansicht des Autors wird hierbei ein grundsätzliches Problem erkennbar.
Das Medium Tageszeitung beansprucht für sich die Einordnung als General-
Interest-Medium und hat zum Ziel ein breites Themenfeld abzudecken.
58
Mit
dieser breiten Abhandlung von Themen beabsichtigt sie eine breite Leserschaft
für sich zu gewinnen. Hierbei werden nun die gegensätzlichen Positionen
deutlich. Der Verlag beziehungsweise die Redaktionen stellen eine
größtmögliche Anzahl an Artikeln, die aus ihrer Sicht für den Leser relevant
sind, zur Verfügung. Die Leser sind jedoch von der Anzahl der Angebote
überfordert und selektieren unter anderem aus.
Die Autoren Schwarzer und Spitzer kommen zu dem gleichen Ergebnis: ,,(...)
früher, als die Redakteure durch ihre Auswahl bestimmten, welche
Informationen den Lesern zugänglich gemacht wurde, kann der Leser heute
durch einfaches Hin- und Herklicken selber entscheiden, wo er sich welche
Inhalte beschafft (...) Heute dominiert der Leser und kontrolliert seinen Zugang
zur Information. Der Markt für Informationen und Nachrichten hat sich endgültig
vom Verkäufer- zum Käufermarkt gewandelt."
59
56
Burkart (2002): S. 221.
57
Vgl. Burkart (2002): S. 223; Renckstorf (1977): S. 15.
58
Vgl. Beck (2012): S. 106.
59
Schwarzer/ Spitzer (2013): S. 55.
21
Der Medienökonom Meyer-Lucht kommt abschließend zu einer interessanten
Einschätzung. Nach seiner Meinung ist die mitunter wichtigste Eigenschaft der
digitalen Kommunikation die Adressierbarkeit einzelner Inhalte durch
Verlinkung, zum Beispiel in den sozialen Netzwerken. Dadurch befinden sich im
Internet nicht Publikationen untereinander in Konkurrenz, sondern vielmehr die
einzelnen Artikel. Das Internet ermöglicht eine lose Verbindung von Inhalten,
welche sich über die verschiedenen bisherigen Publikationsgrenzen
hinwegsetzen.
60
Fortsetzend soll nun speziell auf die Mediennutzung der Zielgruppe der
jüngeren Mediennutzer (14-bis 29-Jährige) im Rahmen der ARD/ ZDF-
Langzeitstudie Massenkommunikation
61
von 2010 eingegangen werden. In
Bezug auf die Tagesreichweite hat die Tageszeitung bei den 14- bis 29-
Jährigen einen Anteil von 26,1 Prozent. Nur Bücher, Zeitschriften und Videos
beziehungsweise DVDs haben in der Altersgruppe eine noch geringere tägliche
Reichweite. Die höchsten Tagesreichweiten in der Altersgruppe haben das TV
mit 77,2 Prozent und das Internet mit 73,5 Prozent. Die Tagesreichweite der
Tageszeitung in der Gesamtgruppe (BRD Gesamt) beträgt 44,3 Prozent.
62
Weiterhin ist interessant, dass, wenn eine Grenzsituation simuliert wird, nur ein
Viertel der 14- bis 29-Jährigen die Tageszeitung vermissen würde. Gerade ein
Prozent würde sich die Tageszeitung wählen, falls jene sich für ein Medium
entscheiden müssten. Die Anteile aller Teilnehmer sind etwas höher. In der
simulierten Grenzsituation würden 42 Prozent die Tageszeitung vermissen und
elf Prozent sich für sie entscheiden (BRD Gesamt). Weiterhin kann mittels der
Angaben für die Nutzungsdauer und das Zeitbudget eine entsprechende
Rangordnung erkennbar sein. Die Tageszeitung hat im Jahr 2010 bei der
Gruppe der 14- bis 29-Jährigen eine Nutzungsdauer von zehn Minuten pro Tag.
Im Jahr 2000 lag diese noch bei 16 Minuten pro Tag.
63
60
Vgl. Meyer-Lucht (2010a): S. 25.
61
Anmerkung des Autors: Die Studie Massenkommunikation ist weltweit einzigartig und wird
regelmäßig durchgeführt, um die Mediennutzungsgewohnheiten im Intermediavergleich aufzufassen.
1964 wurde sie erstmals durchgeführt und seit 1970 aller fünf Jahre wiederholt. Im
Betrachtungsschwerpunkt ist die Nutzung der tagesaktuellen Medien TV, Radio, Tageszeitung und
Internet. Standardmäßig werden alle Personen ab 14 Jahren erfasst. Quelle: Engel/ Ridder (2010): S. 1-2.
62
Vgl. Engel/ Ridder (2010): S. 5-6.
63
Vgl. Eimeren/ Ridder (2011): S. 5, 8-9.
22
Eine ähnliche sinkende Tendenz hat die Nutzungsdauer in der gesamten
Teilnehmergruppe (BRD Gesamt). Die Nutzungsdauer lag im Jahr 2010 bei 23
Minuten pro Tag, allerdings betrug im Jahr 1970 diese noch 35 Minuten pro
Tag.
64
Abschließend lassen die Informationen über das Zeitbudget eine interessante
Interpretation der Angaben zu. Die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen hatte
2005 ihren Höhepunkt bei der täglichen Mediennutzung mit neun Minuten und
55 Sekunden. Aktuell beträgt das Zeitbudget neun Minuten und 23 Sekunden
(2010). In der gesamten Gruppe ist ebenfalls 2005 ein Höhepunkt mit genau
zehn Minuten zu erkennen. Im Jahr 2010 ergibt sich ein tägliches Zeitbudget
von neun Minuten und 43 Sekunden. Daher lässt sich feststellen, dass sich
zwar das Zeitbudget vermutlich in dem genannten Bereich einpendeln wird
(Tendenz zur Sättigung), jedoch die zeitliche Nutzungsdauer für die
Tageszeitung sinkt. Es kommt damit zu einer intermediären Verschiebung,
wobei vermutlich die Tageszeitung weitere zeitliche Einbußen hinnehmen
muss, weil das Internet und das Fernsehen schon aktuell vermehrter genutzt
werden.
65
Die intensive Nutzung anderer Medien ist begründet durch deren
bessere und aktuellere Berichterstattung sowie die Möglichkeit zur
,,individuellen und interaktiven Rezipientenansprache". Dadurch sinkt die
Präferenz der Leser gegenüber der Zeitung.
66
Dass diese Entwicklung auch
generationsbedingt ist beziehungsweise Auswirkungen auf die folgenden
Generationen hat, zeigen entsprechende Kohortenanalysen.
67
Jedoch soll
hierauf nicht weiter eingegangen werden.
Im nun folgenden Abschnitt sollen die Herausforderungen der Anbieter
(Tageszeitungsverlage) dargestellt werden. Nach Ansicht des Autors gibt es
zwei wesentliche Herausforderungen. Zum einen werden unter dem Dach der
Digitalisierung die Individualisierung beziehungsweise Differenzierung der
Medienprodukte gefördert. Zum anderem besteht die Notwendigkeit einer
stärkeren Ausrichtung nach den Lesern und deren Interessen.
64
Vgl. Eimeren/ Ridder (2011): S. 5, 8-9.
65
Vgl. Engel/ Ridder (2010): S. 9-10; Schröder/ Schwanebeck (2005): S. 21; Büsching (2005): S. 39.
66
Vgl. Büsching (2005): S. 41.
67
Vgl. Institut für Demoskopie (2004): S. 22, nach Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalysen AWA
1980-2003; Schulz/ Bruttel/ Becker (2010): S. 147-148, nach BA Presse 1980, BDZV-Jahrbuch 1990 MA
(Medienanalyse) Tageszeitungen 2000 und 2009.
23
Seit dem 21. Jahrhundert entstehen mit hoher Dynamik neue Medienmärkte,
die die bislang gekannten Strukturen, Prozesse und Regeln verändern.
Begleitet wird der Prozess durch ständig neue und moderne Entwicklungen im
Bereich der Informationstechnologie (IT). Die neuen Medienmärkte sind
gekennzeichnet von Individualisierung, Interaktion und multimedialen
Fähigkeiten. Dadurch stehen die ,,traditionellen" Medien unter starkem
Wettbewerbsdruck.
68
Der wirtschaftliche Erfolg wird an dem Geschäftsmodell und der Annahme und
Nutzung im täglichen Gebrauch (Domestizierung) gemessen. Für die
Medienunternehmen bedeutet die Digitalisierung eine mehrfache Verwendung
und Verwertung der redaktionellen Inhalte, Differenzierungsmöglichkeiten der
Angebote sowie eine selektive Nutzung der Inhalte durch die Rezipienten. Zu
beachten ist, dass die selektive Nutzung das vorherrschende Modell der
Mischfinanzierung bei den publizistischen Medien negativ beeinflusst, weil die
Mediennutzer gezielt Werbung vermeiden können. Entsprechende digitale
Maßnahmen setzen Investitionen voraus und führen teilweise zur
Umstrukturierung des Medienunternehmens. Weiterhin steigt der
Konkurrenzdruck, da die Inhalte plattformneutral vertrieben werden und es zur
Konvergenz von vorher unterschiedlichen Mediensektoren kommt. In diesem
Zusammenhang treten dann auch die finanziellen Herausforderungen der
Digitalisierung hervor.
69
Wie bereits angedeutet, ist die Annahme und Nutzung durch die Rezipienten im
täglichen Gebrauch ein Erfolgskriterium. Verschiedene Autoren messen der
Interaktivität und Individualisierung der Medieninhalte beziehungsweise
Medienprodukte dabei eine entscheidende Rolle bei der zukünftigen
Entwicklung der Verlage zu.
70
68
Vgl. Treichel unter anderem (2005): S. 397-398.
69
Vgl. Beck (2012): S. 303-306.
70
Vgl. Friedrichsen (2010): S. 15-16; Treichel u.a. (2005): S. 413.
24
Ein Problem bei der Individualisierung ergibt sich aus der vorher beschriebenen
Selbstbestimmung der Zeitungen (General-Interest-Medium). Grundsätzlich
bietet die Digitalisierung Möglichkeiten für eine stärkere Fokussierung auf
Individualinteressen beziehungsweise spezielle Zielgruppensegmentierungen,
insbesondere auf die jüngere Zielgruppe. In dieser Form könnten Inhalte der
Redaktion und die Anzeigen der Werbekunden gezielter angeboten werden.
Diese Fokussierung würde auch der aktuell verstärkten Kosten-Nutzen-
Bewertung entsprechen, da Ressourcen effizient und effektiv eingesetzt
würden. Zu beachten ist jedoch, dass die bisherigen individualisierten Konzepte
unterschiedlich erfolgreich waren und die in der Medienbranche besonders
ausgeprägte Fixkostendegression (First-Copy-Costs) eine Individualisierung
beziehungsweise Differenzierung zusätzlich erschwert.
71
Eine stärke Individualisierung und Differenzierung bedarf zudem einer stärkeren
Fokussierung auf die Leserinteressen. Wie bereits angedeutet, ergibt sich diese
Notwendigkeit durch den Wandel der Medienbranche von einem klaren
Anbietermarkt zu einem Konkurrenz- und Wettbewerbsmarkt. Alle
Entscheidungen des Verlages beziehungsweise der Redaktion werden daher
durch die Ergebnisse der Publikumsforschung beeinflusst.
72
Die verstärkte
Ausrichtung auf die Leserinteressen wird unter anderem als strategische
Maßnahme zur Kundenbeziehungspflege eingesetzt. Die Kundenbeziehung
nimmt eine bedeutende Position ein, da die Bindungs- und
Zahlungsbereitschaft der Leser tendenziell durch die Verfügbarkeit von
kostenlosen und anscheinend gleichwertigen Informationsinhalten abnimmt.
Diese Entwicklung führt zu einer stärkeren Zielgruppensegmentierung, da mehr
Informationen über die Leser zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass
Produkte auf Grund der Informationen über die Leser beziehungsweise
Lesergruppen spezifischer und individueller werden.
73
71
Vgl. Noelle/ Schulz (2004): S. 154; Wilkinson (2004): S. 234; Breyer-Mayländer (2005): S. 142-143; Beck
(2012): S. 106.
72
Vgl. Wyss (2002a): S. 167-168.
73
Vgl. Huber (2007): S. 144-146.
25
Für Mast stellen ebenfalls die Fokussierung der Leser und die in der Folge
auftretenden Individualisierungstendenzen die größten Herausforderungen
dar.
74
Nach ihrer Einschätzung wird es zu wesentlichen Strukturveränderungen
kommen, die auch den Berufsstand des Journalismus betreffen. Die immer
kleineren und homogeneren Zielgruppen machen zwar ein gezieltes Aufgreifen
von Publikumsinteressen möglich, jedoch gerät der Journalismus in einen
starken Feedbackprozess. Das Publikum wird verstärkt kontrollieren und
kritisieren. Dadurch werden die redaktionellen Beiträge zur direkten
Dienstleistung für ein bestimmtes Publikum.
75
Trotzdem werden die Pflege der
Zielgruppe und das Anbieten entsprechender redaktioneller Inhalte über alle
Kanäle hinweg zusätzlich Umsatzpotenziale generieren.
76
2.2 Distributionswege früher und heute
Der materielle Pressevertrieb erfolgt derzeit über drei verschiedene
Hauptstufen. Es wird zwischen Abonnement, Einzelverkauf und dem Leserzirkel
als Sonderform unterschieden.
77
Zunächst soll die Vertriebsform des
Abonnements kurz dargestellt werden. Im nächsten Kapitel wird dann auf diese
Vertriebsform genauer eingegangen.
Das Abonnement ist typisch für die deutschen regionalen und lokalen
Tageszeitungen und bestimmt deren hauptsächliche Vertriebsmöglichkeit.
Zudem ist es grundsätzlich eine Verkaufsform, die stabile Einnahmen
garantiert. Der Leser geht eine vertragliche Bindung ein und verpflichtet sich in
einer festgelegten Regelmäßigkeit die Tageszeitung abzunehmen und ein
entsprechendes Entgelt dafür zu bezahlen. Die Zustellung erfolgt entweder per
Hauszustellung durch Zeitungsausträger oder durch die Pressepost. Die
Pressepost ist ein Geschäftsfeld der Deutschen Post. Hierbei bietet sie
vergünstigte Dienstleistungen (Zustellung) für Zeitungen und Zeitschriften an.
78
74
Vgl. Mast (2011): S. 5.
75
Vgl. Mast (2011): S. 5-7.
76
Vgl. Walther (2009): S. 106.
77
Vgl. Wirtz (2011): S. 180; Pürer/ Raabe (2007): S. 291.
78
Vgl. Beck (2011): S. 89-90; Pürer/ Raabe (2007): S. 290; Beck (2012): S. 119; Schütz (2009): S. 546.
26
Das Abonnement gehört zu dem direkten Distributionsweg und unterscheidet
sich gegenüber der Herstellung für einen anonymen Markt im Fall des
Einzelverkaufs dadurch, dass der Abnehmer (Abonnent) namentlich bekannt
ist.
79
Der Einzelverkauf von Tageszeitungen (Straßenverkaufszeitungen) ist
eine weitere Vertriebsform und wird maßgeblich durch die Handlungen der
Pressegrossisten beeinflusst. Die Verlage übergeben im Rahmen einer
indirekten Distribution den Vertrieb an einen Grossisten. Dieser hat in seinem
jeweiligen Gebiet das Alleinauslieferungsrecht. Die Einzelhändler können die
entsprechenden Titel nur über den Grossisten beziehen.
80
Als Ausgleich des Ungleichgewichtes zwischen Einzelhandel und
Pressegrossist haben die Einzelhändler das Recht nicht-verkaufte Exemplare
zurückzugeben (Remittenten). Die Rückgabe erfolgt entweder in Form von
Verrechnungsnachweisen, einer Rücksendung der Kopf- beziehungsweise
Fußleiste oder durch Rückgabe des kompletten Exemplars. Damit bleibt das
Absatzrisiko beim Verlag. Jedoch ist zu beachten, dass der Verlag an der
Rückgabe ein Interesse hat, da ansonsten Rückschlüsse über die nicht-
verkauften Exemplare gezogen werden könnten. Anzeigenkunden wären in der
Lage nachzuvollziehen, wie viele Exemplare wirklich verkauft und potenzielle
Werbekunden erreicht wurden. In der Folge hätten sie in Verhandlungen mit
dem Verlag über Anzeigenpreise eine bessere Position. Eine weitere
Besonderheit bei den Pressegrossisten ist, dass sie keine Produkte aus
politischen oder sonstigen Gründen vom Vertrieb ausschließen dürfen. Diese
Gefahr für die Pressefreiheit könnte bestehen, da fast alle Pressegrossisten
eine monopolartige Stellung besitzen. Neben dem Vertrieb durch den
Einzelhandel gibt es noch die Bahnhofsbuchhandlungen. Diese haben das
Privileg Presseerzeugnisse auf dem Bahnhofsgelände zu verkaufen. Daher
nehmen sie eine Sonderstellung ein. Zudem werden sie direkt von den
Verlagen beliefert.
81
79
Vgl. Wirtz (2011): S. 223; Lehr (1999): S. 38.
80
Vgl. Beck (2011): S. 88.
81
Vgl. Lehr (1999): S. 36; Wirtz (2011): S. 224-225; Beck (2012): S. 120-121; Beck (2011): S. 88-89.
27
Im Zusammenhang mit den Pressegrossisten sind zwei Besonderheiten zu
erkennen.
Zum einem versuchen die Verlage die hohen Kosten durch die
Handelsspannen der Grossisten (circa 17 Prozent für regionale
Tageszeitungen) zu umgehen, indem sie sich bemühen eine direkte Distribution
mit dem Einzelhandel aufzubauen.
82
Zum zweiten sinkt die Anzahl der Grossisten kontinuierlich. Zum Jahreswechsel
2003/ 2004 gab es 78 Grossisten in Deutschland. Diese bedienten 95 Gebiete
beziehungsweise 115.945 Verkaufsstellen. Dabei wurden 3,5 Milliarden
Exemplare verkauft und die mengenmäßige Remission betrug 35,1 Prozent.
Zum Jahreswechsel 2008/ 2009 gab es 73 Grossisten. Die Anzahl der
bedienten Gebiete ist um acht auf 87 gesunken beziehungsweise 120.531
Verkaufsstellen wurden bedient. In dem Zeitraum wurden nur noch 2,9
Milliarden Exemplare verkauft und die mengenmäßige Remission wuchs auf
37,7 Prozent. Dieser Negativtrend setzte sich 2013 fort. Die Anzahl der
Grossisten betrug 61 und diese bedienten 77 Gebiete beziehungsweise
115.929 Verkaufsstellen. Die verkauften Exemplare beliefen sich auf 2,1
Milliarden und die mengenmäßige Remission stieg weiter auf 41,1 Prozent.
83
82
Vgl. Beck (2012): S. 120; Heinrich (2001): S. 227.
83
Vgl. Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. (2003): S. 1;
Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. (2008): S. 1;
Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. (2013): S. 1.
28
2003
2008
2013
Anzahl
Grossisten
78 73
61
Gebiete
95 87
77
Verkaufte Ex.
3,5 Mrd.
2,9 Mrd.
2,1 Mrd.
Belieferte
Verkaufsstellen
115.945
120.531
115.929
Remission
(mengenmäßig)
35,1%
37,7%
41,1%
Tab. 1: Entwicklung der Grossisten in Deutschland 2003-2013 (Quelle: Eigene Darstellung nach
Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. (2003): S. 1;
Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. (2008): S. 1;
Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V. (2013): S. 1.)
Die eingangs dargestellten Situationen im Tageszeitungsmarkt (Auflagen- und
Reichweitenrückgang) lassen die Vermutung zu, dass sich die Auswirkungen
auch auf angrenzende beziehungsweise angeschlossene Teilmärkte ausbreiten
und es damit zu einem branchenweiten Problem wird. Dass die Anzahl der
verkauften Exemplare sinkt, ist in Verbindung mit dem Auflagenrückgang der
gedruckten Zeitung nachvollziehbar. Allerdings steigt im gleichen Zeitraum die
mengenmäßige Remission entsprechend. Dies bedeutet, dass trotz
Reduzierung der Auflage fortlaufend weniger Tageszeitungen im Einzelhandel
nachgefragt werden. Nach bisheriger Bewertung spricht nichts gegen eine
Umkehrung oder Verlangsamung des Prozesses. Daher ist in der Zukunft mit
steigender mengenmäßiger Remission zu rechnen. Dies führt wiederum zu
steigenden Kosten für Produktion, Transport, Lagerung und Vernichtung der
Remittenten und belastet die Verlage zusätzlich.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2014
- ISBN (eBook)
- 9783958208384
- ISBN (Paperback)
- 9783958203389
- Dateigröße
- 971 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität der Bundeswehr München, Neubiberg
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Oktober)
- Note
- 1
- Schlagworte
- innovative vertriebsmöglichkeiten online-content tageszeitungen e-paper-tageszeitung
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing