Lade Inhalt...

Men in Action: Maskulinität im Actionmodus des amerikanischen Films der 1980er Jahre

©2013 Bachelorarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Anfang der 1980er Jahre: das Vietnamkriegstrauma sitzt tief, die USA stecken in einer Krise – einer Maskulinitätskrise, die auch im Film zu einem präsenten Thema wird. Als Errettung aus diesem Trauma steigt eine neue Filmfigur empor: Ein Mann, dessen überaus muskulöser Körper ihn zu einem gewalt- und leidensbereiten Menschen macht. Ein Mann, der seinen körperlichen Exzess ausstellt und dessen Muskeln, dessen hard body unbestreitbar macht, dass er im Alleingang die USA retten kann und wird. Sein Körper ist der Nationalkörper und dieser wird gesundet und gestählt. Schauspieler wie Sylvester Stallone, Chuck Norris, Arnold Schwarzenegger und Mel Gibson sind die neuen hypermaskulinen Helden, die in Action- Filmen von Rambo bis Terminator die maskulinen Tugenden Mut, Loyalität, Ausdauer, Patriotismus, physische Kraft und Durchhaltevermögen sowie Einfallsreichtum verkörpern.Was ist also Maskulinität, so wie sie sich in dieser exzessiven Zurschaustellung ablesen lässt? Diese Arbeit versucht sich diesen Körpern durch Filmanalysen und unter Zuhilfenahme historischer, psychoanalytischer, semiotisch-politischer, aber auch phänomenologischern Theorie zu nähern.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2
erster Linie eine Abgrenzung zur Feminität. Jedoch handelt es sich hierbei
ausschließlich um eine sozial konstruierte Geschlechterrolle (gender), also einen
,,Effekt einer historisch spezifischen gesellschaftlich-kulturellen Denk-, Gefühls-, und
Körperpraxis"
1
und nicht um eine biologische Zuschreibung. Die Begriffe
Mann/Männlichkeit und Maskulinität sind also keineswegs kongruent; es kann
festgestellt werden, dass es aus sozialer bzw. kultureller Sicht mehr oder weniger
maskuline Männer gibt, je nachdem wie groß die Übereinstimmung mit den jeweils
gesellschaftlich etablierten Mustern und Normen ist. So beschreibt Brian Baker in
seinem Buch ,,Masculinity in Fiction and Film"
2
unter Zuhilfenahme von Steven
Cohans
3
Definition der hegemonic masculinity:
[Masculinity] is a ,,regulatory fiction" of normality which articulates various
social relations of power as an issue of gender normality. It appears to
accomodate other forms of masculinity, including ,,young", ,,effeminate",
and ,,homosexual", but subordinates them into a power hierarchy, with the
,,hegemonic" variant at the top.
Die hier erwähnten Machthierarchien lassen sich in Bezug auf die USA um zwei
weitere Kategorien erweitern: Religion und Ethnizität. Somit steht der weiße,
heterosexuelle, gesunde, christliche Mann an erster Stelle der amerikanischen
hegemonic masculinity.
4
Doch selbst Männer, die nicht dieser Spitzengruppe
angehören, können sich noch über Frauen und Kindern positionieren, denn sie
befinden sich innerhalb einer im Wesentlichen patriarchalisch geordneten
Gesellschaft, also einer
1
Andrea Maihofer, Geschlecht als Existenzweise. Einige kritische Anmerkungen zu aktuellen Versuchen zu einem
neuen Verständnis von ,,Geschlecht". In: Institut für Sozialforschung (Hrsg.), Geschlechterverhältnisse und Politik.
Frankfurt am Main 1995, S. 182.
2
Brian Baker, Masculinity in Fiction and Film. New York 2008, S. 33.
3
Steven Cohan, Masked Men. Bloomington 1997.
4
In dieser Arbeit soll die Thematik auf den weißen, heterosexuellen Mann eingegrenzt werden, da dieser an der
Spitze der maskulinen und patriarchalen Machtstruktur steht und der häufigste Protagonist in den
amerikanischen Filmen im Actionmodus der 1980er Jahre ist.

3
[...] manifestation and institutionalization of male dominance over women
and children in the family and the extension of male dominance over women
in society in general. It implies that men hold power in all the important
institutions of society [...].
5
Die Verbindung von Maskulinität und Patriarchat macht es zwingend notwendig
Maskulinität nicht nur als etwas Individuelles zu begreifen, sondern sie zugleich als
politische Größe und Bezugspunkt der amerikanischen patriarchalen Gesellschaft zu
sehen. Spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Beginn des Kalten
Krieges ist Maskulinität auch verknüpft mit amerikanischer Ideologie. Eine Krise
innerhalb der hegemonialen Maskulinität ist somit auch eine Krise des Patriarchats
und demnach auch ein innen- und außenpolitisches sowie ein gesellschaftliches
Problem. Gleichermaßen erhebt der hegemoniale Charakter von Maskulinität nur
dann erfolgreich einen Anspruch auf Autorität, wenn das Zusammenspiel von
Patriarchat als institutioneller Macht und kulturell erwünschtem Ideal gegeben ist:
Nevertheless, hegemony is likely to be established only if there is some
correspondence between cultural ideal and institutional power, collective if
not individual.
6
Kultur spielt folglich eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung und Verteidigung
dieser Hegemonie; sie muss im besten Falle also die maskulinen Normen beinhalten
und replizieren.
2.1 Die Darstellbarkeit von Maskulinität im Film und die Besonderheit des
Actionmodus
Das amerikanische Maskulinitätskonzept und seine ihm immanenten Normen fließen
auch in die Filmkultur ein und werden dort ebenfalls zur maskulinen Norm der
filmischen Welt. Diese Annahme bedeutet jedoch nicht, dass Film als Abbildung der
Realität gesehen wird:
5
Gerda Lerner, The Creation of Patriarchy. New York 1986, S. 239.
6
Robert W. Conell, Masculinites. Berkeley und Los Angeles 1995, S. 77.

4
Dennoch spiegelt Film Realität auf eine spezifische Art und Weise: durch
Betonung, Interpretation, Verzerrung, Kommentierung, Fiktionalisierung,
Dramatisierung, Raffung, Dehnung etc.. Der Film erschafft (s)eine eigene
filmische Realität, die auf die vermeintlich wirkliche Realität verweist, von
ihr aber unterscheidbar ist. Aber auch der Film ist durch ,,soziales Handeln"
(Weber) hervorgebracht worden und lässt sich als ,,soziale Tatsache"
(Durkheim) analysieren. [...] Gerade der kommerzielle Film macht dies
besonders deutlich, denn er wird sehr bewusst auf die (angenommenen)
Wünsche und Bedürfnisse des Publikums hin produziert.
7
Im Sinne der hegemonic masculinity bedeutet dies aber, dass eine Form von
Maskulinität - überlicherweise die, die im hegemonialen Konstrukt den vordersten
Rang einnimmt - gegenüber den anderen Abstufungen herausgehoben werden muss.
Konkret heißt das für die Darstellung von Maskulinität im Film, dass sich diese in der
Aufführung von maskulin konnotierten Eigenschaften wiederfindet und dass diese
Eigenschaften denjenigen entsprechen, die dem amerikanischen Maskulinitäts-
konzept immanent sind. Solche Zuschreibungen und Eigenschaften lassen sich
filmisch nur aus der Handlung ableiten.
8
Ein entscheidendes Indiz, an dem maskuline
Eigenschaften festgemacht werden, ist der maskuline Körper selbst. Der Körper des
Schauspielers ist der Träger von maskulinen Zeichen und Zuschreibungen und wird
entsprechend inszeniert. Eine Untersuchung von Maskulinität im Film lässt sich
besonders gut an Filmen im Actionmodus erarbeiten. Dieser Actionmodus produziert
Maskulinitätsbilder in einer derart exzessiven Weise, dass die sonst nur schwer
aufzudeckenden Normen sichtbar werden. Filme im Actionmodus der 1980er Jahre
nehmen hier einen Sonderstatus ein; sie sind die erste Welle von postmodernen und
mit Pop-Kultur durchdrungenen kommerziellen Filme dieser Art und sie sind
außerdem in einer Zeit angesiedelt, die eindeutig als massive maskuline Krise
Amerikas betrachtet werden kann. Hier muss jedoch kurz darauf hingewiesen
7
Christian Hißnauer|Thomas Klein (Hrgs.), Visualität des Männlichen. Skizzen zu einer filmsoziologischen Theorie
von Männlichkeit In: dies.:, Männer-Machos-Memmen. Männlichkeit im Film. Mainz, 2002, S. 31.
(Hervorhebungen im Original)
8
Vgl., S. 34.

5
werden, warum in dieser Arbeit der Begriff Actionmodus und nicht die Begriffe
Actionfilm/Actionkino verwendet werden.
Die Zusammenfassung von solch heterogenen Filmen, die sich nicht nur in Erzählform
und Setting unterscheiden, sondern oftmals selbst Hybridformen anderer gängiger
Genres sind, erscheint nicht sinnvoll. Als Herangehensweise bietet sich dagegen der
gemeinsame Modus dieser Filme an, der sich vor allem durch seinen Umgang mit dem
Narrativ und durch seine Figuren auszeichnet. Filme im Actionmodus sind modernes
Kino der Attraktionen
9
, also Filme in denen Spektakel, Sensationsästhetik und -
technik, sowie das Zurschaustellen von Körpern den Vorrang haben. Dabei werden
sowohl das Narrativ, als auch die Figuren im Wesentlichen über ihren Schau- und
Spektakelwert definiert. Für die Figuren bedeutet dies eine Bewertung über ihr
Handeln, ihre Fähigkeiten und ihren Körper. Tiefergehende Charakterisierung oder
eine psychologische Entwicklung der Figur spielen in diesen Filmen nur eine
untergeordnete Rolle.
10
Das Maskulinitätsbild, das aus dem Actionmodus heraus lesbar wird, entspricht in
weiten Teilen jenem hegemonialen Konzept von Maskulinität, das eine Gesellschaft
zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt als Bezugsgröße zur Verfügung hat.
Hegemonie ist selbst aber nicht statisch, sondern bedeutet stets auch das Ringen um
Autorität; Autorität wiederum ist eine angreifbare Kategorie und stellt nur eine
,,historisch bewegliche Relation"
11
dar. Daher ist es notwendig, sich die ­ im
Folgenden notwendigerweise stark vereinfacht dargestellte ­ historische Entwicklung
des amerikanischen Maskulinitätskonzepts und das darin erkennbare Ringen um diese
Autorität näher anzusehen.
9
Tom Gunning, The Cinema of Attractions. Early Films, Its Spectator and the Avant-Garde. In: Thomas Elsaesser
(Hsg.) Early Cinema. Space, Frame, Narrative. London 1997.
10
Siehe auch Thomas Morsch, Medienästhetik des Films. Verkörperte Wahrnehmung und ästhetische Erfahrung
im Kino. München 2008, S. 189ff.
11
Robert W. Conell, Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten. Opladen, 1999, S. 98ff.

6
2.2 Die historische Entwicklung des amerikanischen Maskulinitätskonzepts
Versucht man das amerikanische Maskulinitätskonzept historisch zurückzuverfolgen,
so findet man seine Wurzeln im 18. Jahrhundert. Dort stößt man auf zwei Kategorien
von Männerfiguren ­ Pioniere und Kriegshelden ­ die sowohl ganz konkrete historische
Generationen als auch abstrakte Konzepte amerikanischer Maskulinität prägten.
Anhand der historischen Vorbilder, wie bespielsweise Davy Crockett, Daniel Boone,
John Brown und Paul Revere, wurden innerhalb des Fiktionalen Destillate des
Maskulinen geschaffen, allen voran James Fenimoore Coopers ,,Lederstrumpf" aus
dem gleichnamigen Romanzyklus (1821-1841). Diese Figur und Nachfolger -- die
Cowboys der Groschenromane und später der Westernfilme -- können gleichsam als
Gussform betrachtet werden, in der die historischen Normen des Maskulinen zu
einem amerikanischen Konzept von Maskulinität verfestigen. Dieses beruht auf den
folgenden Grundansichten/Grundannahmen:
1) Der weiße Mann ist der dominierende und höherwertige Bewohner der USA und
genießt mehr Freiheiten und Rechte als alle anderen. 2) Er ist in seinem Kern Krieger
und Beschützer. 3) Wertvolle Eigenschaften sind: Mut, Loyalität, Ausdauer,
Patriotismus, physische Kraft und Durchhaltevermögen/Durchhaltewillen sowie
Einfallsreichtum und eine christliche Moral. 4) Alles, was dieser idealen männlichen
Individualität Einhalt gebieten könnte, wird abgelehnt. Hierzu gehört vor allem das
Unbehagen gegenüber jeglichen Konstrukten, die auf Grund ihrer Größe, Komplexität
und Verwaltungsstruktur dem maskulinen Individuum Grenzen setzen - zum Beispiel
das Leben in der Großstadt oder große Firmenkonzerne und die damit verbundene
Bürokratisierung.
12
Die erste große Erosion dieses Konzeptes lässt sich in den 1940/1950er Jahren
feststellen. Trotz des erfolgreichen Kampfeinsatzes im Zweiten Weltkrieg kehrten
die Soldaten mit Erfahrungen zurück, die vollkommen neu- und einzigartig waren und
massive Auswirkungen auf den männlichen Körper hatten. Die Massenvernichtung von
Menschen und die Folgen der Atombombe hinterließen ein Trauma sowohl im
historischen wie auch im psychologischen Sinne:
12
Vgl. Brett E. Caroll, American Masculinities: A Historical Encyclopedia, Volume 1. Thousand Oaks 2003, S. 489-
491.

7
The systematic unmaking of bodies in the extermination camps and the
atomic bombings [...] denies any possibility of self-protection. The terribly
familiar Holocaust image of piled body parts testifies to a form of
dismemberment far more debilitating than the trauma any single body can
sustain. The very idea of the body's wholeness is subsumed by the operations
of the bureaucratic nation state and its technologies of power in their most
obscene form. The loss of hair and teeth simultaneously invokes a more
familiar and mundane fear of the male body's dissolution through aging, just
as the security of economic expansion, consumerism, suburbanism, and the
nuclear family comes to seem threatening to masculine identity in the
postwar era. World War II opens this void and the Cold War refuses to allow it
closure.
13
Auch privat kam das amerikanische Maskulinitätskonzept ins Wanken. An der
Heimatfront hatten Frauen die Männer in der Arbeitswelt ersetzt. Zwar holte der
Baby Boom der 1950er Jahre die meisten Frauen an den heimischen Herd zurück,
doch die Nachkriegsindustrie verwandelte das Leben vieler Männer in eben das
gefürchtete industrielle, hyperbürokratische Monster, welches die männliche
Freiheit in eine Vorstadtidylle aus Reihenhaus und Kleinfamilie sperrte. Auch
politisch erwuchs Druck: Der Kalte Krieg und die Angst vor kommunistischem
Gedankengut in den eigenen Reihen führten zu einer neuen Qualität an Konformität
und bewusster Anpassung des Sozialverhaltens.
14
Aufbegehren hatte eine sofortige
Degradierung der Maskulinität -- durch Feminisierung oder Hinweise auf Homo-
sexualität -- zur Folge. Oder um es mit Senator McCarthy zu sagen: ,,If you want to
be against McCarthy, boys, you've got to be either a Communist or a cocksucker."
15
Am Ende der 1950er Jahre entwickelte sich eine neue Dichotomie aus soft und hard,
die ihren Ursprung in der neuen politischen Welteinteilung hatte:
13
Katherine Kinney, Friendly Fire. Oxford 2000, S. 107-108.
14
Vgl. Brian Baker, Masculinity in Fiction and Film, S. 5.
15
Eric F. Goldman, The Crucial Decade ­ and After: America 1945-1960. New York 1960, S. 142.

8
Presumably one is ,soft' if one insists that the danger from domestic
Communists is small, while one is ,hard' if one holds that no distinction can
be made between international and domestic Communism.
16
Die soft/hard Dichotomie ging schnell über das Politische hinaus und wurde zu einer
Bezeichnung, die eine Einteilung vornahm in Männer, die sich in ihrem
stromlinienförmigen Arbeits- und Familienalltag durch die Konformität mit der
Massengesellschaft ,,entmännlichen"
17
(soft) und Männer, die nach dem original
amerikanischen Maskulinitätskonzept leben (hard). Für letztere bot das Kino
jahrzehntelang Bestärkung durch das Leitbild John Wayne, der sowohl privat als auch
im Film unantastbare Integrität - weil maskuline Authentizität - ausstrahlte:
By the early ´60s, the Duke, through his movies and political stands, had
already approached his present status as a cultural icon representing
traditional American values of patriotism, courage, confidence, leadership,
and manliness. The name of John Wayne was invoked as a verbal shorthand
to describe the character of the American warrior-gentleman and to
represent for young American males the elements of manhood.
18
Gemäß diesem Männerbild war der Vietnamkrieg eine neue Chance, Härte zu
beweisen. Vietnam schien ein überschaubarer Konflikt zu sein, in dem man seinen
Mann stehen konnte, seine Ideologie und sein Land verteidigte und aus dem man
heldenhaft nach Hause zurückkehren würde.
19
Überspitzt gesagt kam dieser Krieg
gesellschaftlich zu einem günstigen Zeitpunkt, erodierte das Konzept von
Maskulinität doch im eigenen Land durch das Aufkommen der sexuellen Revolution,
der Frauenbewegung, der Zivilrechts- und der Schwulenbewegung immer mehr. Die
16
Daniel Bell, Interpretations of American Politics. In: Daniel Bell, The Radical Right. New York 1960, S. 142.
(Hervorhebung im Original)
17
K.A.Cuordileone, Politics in an Age of Anxiety: Cold War Political Culture and Crisis in American Masculinity
1949-1960 In: K.A. Cuordileone, Manhood and American Political Culture in the Cold War. New York 2005, S. 523.
18
William J. Searle, Search and Clear: Critical Responses to Selected Literature and Films of the Vietnam War.
Bowling Green 1988, S. 18.
19
Vgl. Brenda M. Boyle, Masculinity in Vietnam War Narratives. A Critical Study of Fiction, Films and Nonfiction
Writing. Jefferson 2009, S. 6.

9
gleichsam archaische Kategorie des Kriegers, das Soldatentum, war die letzte rein
männliche Domäne die noch blieb.
20
Doch die Wiederherstellung und Stärkung des
originalen Maskulinitätskonzepts scheiterte gleich doppelt: Was als schnell lösbarer
und überschaubarer Konflikt begann, entwickelte sich zu einer militärischen und
menschlichen Katastrophe, die zudem allabendlich in die Häuser der Amerikaner als
televised war geliefert wurde; täglicher body count getöteter amerikanischer
Männer inklusive. Vietnam war kein John Wayne Film.
We have seen the John Wayne thing to be many things, including quiet
courage, unquestioning loyalty, the idea of noble contest, and a certain kind
of male mystique...But its combat version, as far as men in the rap group
were concerned, meant military pride, lust for battle, fearless exposure to
danger and prowess in killing.
21
Der Verlust der dem Maskulinitätskonzept immanenten moralischen Komponente und
der physischen Dominanz über die vermeintlich unterlegenen und im Sinne der
hegemonialen Maskulinität weniger männlichen Vietnamesen wurde allzu deutlich.
Komplette Kontrollverluste wie beim Massaker von My Lai verstärkten das Gefühl des
Wegbrechens von Maskulinität auf persönlicher, politischer und gesellschaftlicher
Ebene und führten zur Auflösung des Wayne'schen Leitbilds.
22
Besonders deutlich
lässt sich dieser Befund an den Reaktionen zu dessen Pro-Vietnamkriegsfilm T
HE
G
REEN
B
ERETS
(1968) ablesen, der sowohl vom Publikum als auch von der Kritik
23
zerrissen und als altertümliche, tumbe Propaganda verstanden wurde.
Doch die 1970er Jahren wurden noch katastrophaler für die USA und das originale
amerikanische Maskulinitätskonzept: der traumatische Verlust des Vietnamkrieges,
20
Vgl. Susan Jeffords, The Remasculinization of America. Bloomington 1989, S. 62.
21
Robert Lifton, Home from the War: Vietnam Veterans. New York 1985, S. 219.
22
T
HE
G
REEN
B
ERETS
[dt. Die Grünen Teufel]; John Wayne| Ray Kellog, USA 1968.
23
Zwei exemplarische Kritiken aus der Zeit, die die Kritikermeinungen widerspiegeln sind Roger Eberts Kritik in
der Chicago Sun Times auf: http://www.rogerebert.com/reviews/the-green-berets-1968 (Zugriff: 27. August
2013) und Renata Adlers Rezension in der New York Times auf:
http://www.nytimes.com/books/97/03/23/reviews/wayne-movie.html (Zugriff: 27. August 2013).

10
die Anzahl an toten und verkrüppelten Soldaten, Watergate, die Geiselnahme von
Teheran ­ ein Schlag folgte dem nächsten. Gleich drei Präsidenten nacheinander
(Nixon, Ford, Carter), die allesamt Leitbilder amerikanischer Maskulinität hätten
sein sollen, wurden diskreditiert und mussten in Schande ihr Amt verlassen. Auch das
Kino stand vor großen Veränderungen: Das alte Zensursystem verwässerte in den
1960er Jahren immer mehr, bis es schließlich abgeschafft wurde. Damit kollabierte
auch das alte Studiosystem und machte den Weg frei für Independentfilme (New
Hollywood etc.)
24
mit neuen Männertypen, die orientierungslose, fragmentierte
Subjekte darstellten, deren Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist.
25
Nach dem Amtsantritt Ronald Reagans Anfang der 1980er Jahre kam es zu einer neuen Ära,
die viele Parallelen zu den 1950er Jahren aufwies. Beide Dekaden können als
Nachkriegsjahrzehnte verstanden werden, die zwar einerseits friedlich verliefen, andererseits
aber mit den Folgen eines Krieges zu kämpfen hatten und sich gleichzeitig in massiver
Alarmbereitschaft durch den Kalten Krieg befanden. Auch innenpolitisch waren beide
Jahrzehnte ähnlich. Das Land hatte eine neue konservative und harte Vaterfigur in Reagan
gefunden, ähnlich zu Eisenhower. Und erneut gab es einen Aufstand der Frauen. Das Women's
Liberation Movement der 1950er Jahre hatte sich in den 1980ern zu einer maturierten
feministischen Bewegung gewandelt.
26
Und auch das Kino bot neuen Imaginationsraum. Die
Massenunterhaltung boomte durch das Aufkommen von Blockbustern und billigeren
kommerziellen Produktionen für den VHS-Markt und auch der männliche Filmheld war wieder
gefragt.
27
24
Vgl. David Savran, Taking it Like A Man: White Masculinity, Masochism, and the Contemporary American
Culture. Princeton 1998, S. 163ff.
25
Thomas Morsch, Muskelspiele, Männlichkeitsbilder im Actionkino. In: Christian Hißnauer |Thomas Klein
(Hrgs.), Männer-Machos-Memmen. Männlichkeit im Film. Mainz 2002, S. 51.
26
William J. Palmer, The Films of the Eighties. A Social History. Carbondale and Edwardsville 1993, S. ixff.
27
Siehe Susan Jeffords, Hard Bodies. Hollywood Masculinity in the Reagan Era. New Brunswick, 1994.

11
3. Maskulinität im Actionmodus des amerikanischen Films der 1980er
Jahre
Die Filme der 1980er Jahre, die sich des Actionmodus bedienen sind keineswegs eine
Neuerfindung. Vielmehr sind sie und ihre männlichen Helden eine Weiterentwicklung
der Filme der 1970er Jahre Filme von Clint Eastwood, Charles Bronson, Steve
McQueen etc. in denen maskuline ,,Tugenden und Verhaltensmuster wie
Souveränität, Entschlossenheit, Härte und Unabhängigkeit"
28
exponiert wurden. Die
Skepsis gegenüber Institutionen, tradierten Werten und sozialen Normen sowie das
Handeln außerhalb der gesellschaftlichen Normbereichs teilen sich die Protagonisten
der 1980er mit ihren Vorgängern. Jedoch lassen sich eindeutige Unterschiede und
Fortentwicklungen in anderen Punkten erkennen. Zum einen setzen die Figuren der
1980er Filme der Desorientierung und Ziellosigkeit ihrer Vorgänger ein klar
entschlossenes Handeln im Dienste ihrer eigenen moralischen Vorstellungen von
Vernunft und Gerechtigkeit entgegen. Zum anderen wird in diesen Filmen eine neue
Art von Männerkörper verhandelt; dieser gibt der dem Maskulinitätskonzept
immanenten Norm von physischer Kraft und Ausdauer einen neuen, exzessiven
visuellen Wert.
29
Um dem Konzept der amerikanischen, hegemonialen Maskulinität und seiner
Darstellung in diesen Filmen näher zu kommen und es auf eine wissenschaftlich
fruchtbare Weise fassen zu können, muss für die folgende Analyse eine Auswahl
getroffen und der Gegenstand der Studie auf bestimmte Filme und Schauspieler
eingegrenzt werden. Diese Arbeit beschränkt daher sich auf die Filme der
erfolgreichsten kaukasischen/weißen
30
Action-Akteure der 1980er Jahre, die den
neuen gestählten Bodybuilding-Körper mit dem amerikanischen Heldenkonzept
28
Thomas Morsch, Muskelspiele, Männlichkeitsbilder im Actionkino. In: Christian Hißnauer/ Thomas Klein (Hrgs.),
Männer-Machos-Memmen. Männlichkeit im Film. Mainz, 2002, S. 51.
29
Vgl.
30
Diese Arbeit konzentriert sich auf ein Konzept von hegemonialer Maskulinität, das per definitionem eine
kaukasische Ethnizität verlangt. Deshalb werden Schauspieler wie Eddie Murphy ausgeschlossen und Danny
Glover nur peripher in Betracht gezogen.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (eBook)
9783958208650
ISBN (Paperback)
9783958203655
Dateigröße
2.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Freie Universität Berlin
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
action maskulinität actionmodus films jahre
Zurück

Titel: Men in Action: Maskulinität im Actionmodus des amerikanischen Films der 1980er Jahre
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
45 Seiten
Cookie-Einstellungen