Das Verhältnis zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern in Nonprofit-Organisationen
©2005
Bachelorarbeit
61 Seiten
Zusammenfassung
Nonprofit-Organisationen (NPO) sind oft Dienstleistungsbetriebe und das Personal, welches die Leistungen erbringt, ist von besonderer Bedeutung. Das Personal in NPO setzt sich aus einem großen Spektrum unterschiedlicher Personaltypen zusammen. Neben den auch in Forprofit-Organisationen (FPO) anzutreffenden Typen, ist ein besonderes Charakteristikum vieler Organisationen die gleichzeitige Beschäftigung bezahlter und unbezahlter Mitarbeiter/innen. Die Leistungserstellung auf freiwilliger und unbezahlter Basis scheint jedoch zunehmend an ihre Grenzen zu stoßen: Verschiedene Autoren weisen auf den Trend einer Professionalisierung hin, was als zunehmender Einsatz bezahlter Fachkräfte verstanden wird. Durch diesen Druck zur Professionalisierung und durch die gemischte Personalstruktur, ist das Konfliktpotential in NPO groß. Die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen stellt das Personalmanagement vor große Herausforderungen, welche nur mit fundiertem Wissen über die Eigenarten der beiden Beschäftigungsarten und deren Interaktionen gemeistert werden können.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
4
das Konfliktpotential in NPO gross.
9
Unterschiedliche Ziele, Einstellungen, Werte und Nor-
men, Persönlichkeitsvariablen, Informationen und Sachzwänge, sowie Organisationsstruktu-
ren und
-systeme können generelle Konflikte zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen auslö-
sen.
10
Zusätzlich unterscheiden sich Hauptamtliche und Ehrenamtliche durch ihre Antriebs-
felder. So steht bei den Hauptamtlichen die Einkommenserzielung im Vordergrund, bei Eh-
renamtlichen vor allem ,,die Nutzenstiftung auf Basis einer intrinsischen Motivation"
11
. Aus
diesem Grund, und auf Grund unterschiedlicher Qualifikationen und Einsatzmöglichkeiten
können zusätzliche, spezifische Konflikte entstehen.
12
Die effiziente Zusammenarbeit gewinnt
im Konkurrenzkampf um ehrenamtliche Ressourcen im Nonprofit-Sektor immer mehr an Be-
deutung.
13
Es ist deshalb elementar, die Unterschiede der beiden Arbeitsformen in der Orga-
nisation zu kennen. Die besondere Herausforderung, und zugleich auch Chance, liegt in der
Gestaltung einer effizienten Zusammenarbeit zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbei-
ter/innen.
1.2
Zielsetzungen
Die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen stellt das Personalmanagement vor
grosse Herausforderungen, welche nur mit fundiertem Wissen über die Eigenarten der beiden
Beschäftigungsarten und deren Interaktionen gemeistert werden können. In der Literatur fehlt
jedoch der Überblick über die bestehenden Erkenntnisse.
Für diese Arbeit lassen sich somit die folgenden vier Zielsetzungen definieren:
·
Diese Arbeit soll die Unterschiede zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen bezüglich
Motivation, Entlohnung, Einstellung, Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeiten aufzei-
gen.
·
Sie versucht dabei, einen möglichst umfassenden Überblick über die bestehende Lite-
ratur im Bereich Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt zu geben.
·
Die Chancen und Konflikte in der Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen
sollen erläutert werden.
·
Das Aufzeigen von Möglichkeiten zur Gestaltung der Beziehung zwischen den beiden
Gruppen, stellt die vierte Zielsetzung dar.
9
Vgl. VON ECKARDSTEIN (2002), S.323
10
Vgl. REGNET (2001), S. 26 ff.
11
LICHTMANNECKER (2002), S. 56
12
Vgl. SCHWARZ (1993), S. 6 f.
13
Vgl. GRAEFF/WEIFFEN (2001), S. 368
5
1.3
Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit baut sich wie folgt auf:
In Kapitel zwei erfolgen die Definitionen der für diese Arbeit relevanten Begriffe. Das Kapi-
tel drei ist dem aktuellen Stand der Forschung gewidmet und zeigt die zu diesem Thema vor-
handene Literatur. Im anschliessenden Kapitel vier folgen Ausführungen zu ausgewählten
Motivationstheorien und die Gegenüberstellung von Haupt- und Ehrenamt bezüglich Motiva-
tion, Entlohnung und Einsatzgebiet. Kapitel fünf beinhaltet den Kern der Arbeit: Unter Ver-
wendung der bisherigen Ausführungen wird das Verhältnis zwischen haupt- und ehrenamtli-
chen Mitarbeitern ausführlich dargestellt und erklärt. Die Chancen und Konfliktfelder in der
Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamt werden dabei in unterschiedlichen Unterkapiteln
genauer untersucht. Kapitel 5.3 präsentiert einige Lösungsvorschläge für das Konfliktmana-
gement. Kapitel sechs zeigt weitere Forschungsmöglichkeiten auf und mit den Schlussfolge-
rungen in Kapitel sieben wird die Arbeit abgerundet.
Im Sinne einer höheren Leserfreundlichkeit werden in der vorliegenden Arbeit die weiblichen
Endformen jeweils weggelassen. Selbstverständlich sind jedoch in allen Fällen sowohl männ-
liche als auch weibliche Personen gemeint.
6
2
Begriffsabgrenzung
In der Literatur werden dieselben Begriffe oft mit unterschiedlichen Deutungen versehen oder
unterschiedliche Begriffe für die gleichen Eigenschaften verwendet. Für den Bereich der
(weitgehend) unbezahlten, freiwilligen Tätigkeit z.B., existieren eine Fülle von unterschiedli-
chen Begriffen und uneinheitlichen Definitionen.
14
Deshalb scheint eine Begriffsabgrenzung
sinnvoll und unumgänglich.
2.1
Definition Nonprofit-Organisation
Die Bezeichnung Nonprofit-Organisation wird für Organisationen verwendet, welche nicht
profitorientiert sind. Sie unterscheiden sich vom dritten Sektor vor allem durch die Beschäfti-
gung von unbezahlten, freiwilligen Mitarbeitern.
15
Im Folgenden werden in Anlehnung an
SCHWARZ, PURTSCHERT und GIROUD, Organisationen als private NPO bezeichnet,
welche
· eine private Trägerschaft (z.B. ein Verein oder eine Stiftung) und
· eine mitgliedschaftliche Struktur haben,
· bedarfswirtschaftliche Ziele verfolgen,
· die Interessen der Mitglieder oder Klienten gegenüber dem Staat oder anderen Organi-
sationen vertreten,
· Dienstleistungen für einzelne Personen und die Gesellschaft erbringen und
· ehrenamtliche Mitarbeiter in ihren Reihen beschäftigen.
16
2.2
Definition Ehrenamt
Im Gegensatz zur Definition der NPO, erweist sich eine eindeutige Definierung des Begriffes
Ehrenamt als schwierig.
Auch BEHER, LIEBIG und RAUSCHENBACH
fanden weder in
theoretischer, noch in empirischer Literatur eine allgemein anerkannte Definition für den Beg-
riff Ehrenamt.
17
Grundsätzlich erfolgt die Definition des Ehrenamtes aus der Unterordnung
14
Für eine Übersicht vgl. BEHER/LIEBIG/RASCHENBACH (1999), S. 104 f.
15
Vgl. VON ECKARDSTEIN/BRANDL (2004), S. 299 f.
16
Vgl. SCHWARZ/PURTSCHERT/GIROUD (2002), S. 19 f.
17
Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 101 ff.
7
zur Freiwilligenarbeit (siehe Anhang Abb. 6).
18
Trotzdem entstehen beim Versuch einer kla-
ren Zuordnung Problemzonen und Überschneidungen (siehe Anhang Abb. 9). Abb. 1 zeigt
eine ausführliche Unterteilung der Formen gemeinwohlorientierten Engagements und den, mit
einer Hervorhebung markierten, für diese Arbeit relevanten Bereich.
Abbildung 1: Formen gemeinwohlorientierten Engagements
Formen gemeinwohlorientierten Engagements
erwerbsmässig ausgeübte Tätigkeit
nicht erwerbsmässig ausgeübte Tätigkeit
in der Familie
im sozialen Nahraum
ausserhalb des sozialen Nahraumes
Engagement für sich (Selbsthilfe)
Engagement für andere
mit organisatorischer Anbindung
(als Gruppenmitglied)
ohne organisatorische Anbindung
(als Einzelperson)
mit geringem zeitlichen
Engagement (evtl. einmalig)
mit erheblichem zeitlichem
Engagement (regelmässig)
in formal legitimierten Funktionen
in nicht formal legitimierten
Funktionen
Quelle: BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999) S. 146
BEHER, LIEBIG und RAUSCHENBACH definieren den Begriff des Ehrenamtes anhand
verschiedener Dimensionen. Er positioniert sich zwischen:
· Unbezahlter und bezahlter Arbeit
· Geringem und erheblichem zeitlichen Engagement
· Engagement für sich und für andere
· Engagement innerhalb und ausserhalb des sozialen Nahraums
· Arbeit mit oder ohne organisatorische Anbindung
18
Vgl. HANHART et Al. (2000), S. 17
8
· Selbstbestimmtes Engagement und Übertragung von hoheitlichen Aufgaben
· Arbeit mit und ohne Qualifikation
· Personen- und sachbezogener Arbeit
· Einfacher Mitgliedschaft und tätigem Engagement
· Formal und nicht formal legitimierten Funktionen.
19
Diese sehr breite Definition wird in den meisten Publikationen in diversen Dimension stärker
eingeschränkt. Als eine Zusammenfassung der am häufigsten verwendeten Definitionen soll
das Ehrenamt fortan als konkrete Tätigkeit definiert sein, die
· freiwillig und
· ohne regelmässiges Einkommen
· für einen externen Nutzen für Dritte oder die Gesellschaft,
· im Rahmen einer Organisation,
· häufig mit zeitlich beschränktem Einsatz und
· ohne zwingend fachspezifische Ausbildung
erbracht wird.
20
Dabei ist der freie Wille des Individuums zur Ausübung und Aufrechterhaltung der Tätigkeit
von besonderer Bedeutung. Die Person darf weder beruflich zu dem Engagement verpflichtet,
noch durch einen monetären Geldfluss motiviert werden, der ihren Aufwand kompensiert und
ein regelmässiges Einkommen garantiert.
21
So bezeichnet GOLL Ehrenamtliche als nebenbe-
rufliche Nicht-Arbeitnehmer, da kein rechtlicher Arbeitsvertrag zwischen der Person und der
Organisation besteht.
22
Der Begriff Ehrenamt lässt auf ein Amt schliessen, in das man gewählt oder dafür ernennt
werden muss.
23
In der Literatur wird sehr oft nicht zwischen Ehrenamt und Freiwilligen un-
terschieden, weil Ehrenamtliche immer auch Freiwillige sind.
24
So versteht z.B. auch
BADELT ehrenamtliche Arbeit in erster Line als Arbeitsleitung, ,,der kein monetärer Gegen-
fluss gegenübersteht, die also nicht mit Geld bezahlt wird"
25
. Gemäss WINKLER und einer
Studie von WENG bestehen jedoch durchaus gewisse Unterschiede zwischen Ehrenamtlichen
19
Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 106
20
Vgl. GOLL (1991), S. 151 ff.; WESSELS (1994), S. 13 f.; HÖFLACHER (1999),S. 52;
BACHSTEIN (1997), S. 2; HANHART et al. (2000), S. 17 ff.; VON ROSENBLADT (2000), S. 16;
MAYERHOFER (2001), S. 266; WENG (2002), S. 27
21
Vgl. WINKLER (1988), S. 46; LICHTSTEINER (1995), S. 32; HÖFLACHER (1999), S. 53;
BADELT (2002), S. 574 ff.
22
Vgl. GOLL (1991), S. 144 ff.
23
Vgl. WINKLER (1988), S. 41 f.
24
Vgl. HANHART et Al. (2000), S. 19 f.
25
BADELT (2002), S. 573
9
und Freiwilligen (siehe Anhang Tab. 4).
26
So erhalten Ehrenamtliche z.B. durch eine Wahl ihr
Amt und führen z. T. eine Führungsfunktion aus, während Freiwillige ohne offizielle Wahl
für die Leistungsebene engagiert werden.
27
.
In dieser Arbeit werden im Folgenden die spezifischen Eigenschaften des Amtes nur dann
ausgeführt, wenn dadurch eine andere Betrachtungsmöglichkeit entsteht.
2.3
Definition Hauptamt
Das Hauptamt grenzt sich vom Ehrenamt durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der
Organisation und der Person und durch den Aspekt der Einkommenserzielung ab.
28
Haupt-
amtliche müssen mit ihrer Tätigkeit Einkommen erzielen, um ihren Lebensunterhalt sichern
zu können.
29
Gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht sind die Voraussetzungen für die Entstehun-
gen eines Einzelarbeitsvertrages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Lohnes seitens des
Arbeitgebers und zur Leistung von Arbeit seitens des Arbeitnehmers.
30
Personen, die freiwil-
lig Leistungen erbringen, ohne sich vertraglich dazu verpflichtet zu haben, sind somit nicht
Hauptamtliche.
26
Vgl. WINKLER (1988), S. 46; WENG (2002), S. 202 ff.
27
Vgl. SCHMID/SOUSA-POZA/WIDMER (1999), S. 40 ff.; HANHART et Al. (2000), S. 93 f.
28
Vgl. GOLL (1991), S. 135 ff.
29
Vgl. SCHÜTTE (2000), S. 129
30
Vgl. AEPPLI (1997), OR Art. 319 Abs. 1
10
3
State of the art
Für diese Arbeit wurden zuerst zwölf wissenschaftliche Zeitschriften untersucht. Mit dem
Einbezug von gegen 50 Büchern und einer umfassenden Internet-Recherche wurde versucht,
die dünne Literaturbasis entsprechend zu ergänzen. Es kann nun gesagt werden, dass fundierte
empirische Studien über die Problemfelder zwischen Haupt- und Ehrenamt weitgehend feh-
len. Der Grossteil der Aussagen in der Literatur basieren nicht auf eigenen, sondern auf weni-
gen fremden Studien.
Bisher wurde vor allem die Motivation von Ehrenamtlichen in der Literatur ausführlich disku-
tiert. Häufig konzentrierte sich die Forschung auf spezifische NPO-Bereiche mit z. T. wider-
sprüchlichen Ergebnissen. Eine Verallgemeinerung erweist sich unter diesen Umständen als
schwierig, ein globaler Überblick über die bisherigen Studien fehlt. Behindert wird ein Über-
blick durch die unterschiedlichen Charakteristika der verschiedenen NPO-Typen und der
schon angedeuteten Begriffsproblematik. Dies kritisieren auch BEHER, LIEBIG und
RAUSCHENBACH in ihrem sekundäranalytischen Vergleich zum Begriff des Ehrenamtes.
31
Als weiteres Hindernis für eine Verallgemeinerung kommt die Parteinahme vieler Autoren für
oder gegen die Beschäftigung Hauptamtlicher hinzu. Zudem wurden häufig die Ausführungen
und Empfehlungen aus Sicht eines Ehrenamtlichen oder eines Hauptamtlichen geschrieben.
Es fällt auf, dass dieses Thema von vielen Autoren ausschliesslich literarisch behandelt wur-
de. Die Artikel wurden häufig für eine praktische Anwendung geschrieben. In deutschspra-
chiger Literatur wurde die Beziehung zwischen Haupt- und Ehrenamt häufiger direkt unter-
sucht, während in englischsprachiger Literatur die Erkenntnisse vor allem indirekt als Neben-
produkte anderer Untersuchungsziele entstanden.
In dieser Arbeit wird trotzdem versucht, eine Verallgemeinerung zu erzielen. Tabelle 1 stellt
einen Überblick über die gefundene Literatur zum Verhältnis zwischen Haupt- und Ehrenamt
in NPO her und wagt eine literarische Einordnung. Viele der aufgeführten Quellen enthalten
jedoch nur in untergeordneten Kapiteln Ausführungen, welche für diese Arbeit von Relevanz
sind.
31
Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 175 ff.
11
Tabelle 1: Literatur zum Verhältnis zwischen HA und EA
Quelle: Eigene Zusammenstellung
12
4
Hauptamt vs. Ehrenamt
NPO haben ein ,,hohes Ausmass an Personalintensität"
32
. Die Handlungsfähigkeit, die Leis-
tungsqualität, die Wettbewerbsposition und der Zielerreichungsgrad sind stark von den Fä-
higkeiten und Zielen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern abhängig.
33
Die Fähigkeiten
und Ziele der Mitarbeiter werden jedoch von der ,,Dualität von Ehrenamtlichen und Haupt-
amtlichen"
34
gestört, da gemäss ZAUNER und SIMSA der Unterschied zwischen den beiden
Gruppen ein ,,Wesensunterschied, ein notwendiger Widerspruch"
35
ist.
Die Unterschiede zwi-
schen den beiden Gruppen, deren spezifischen Eigenschaften, sowie die daraus resultierende
Personalstruktur gilt es u. a. beim Personalmanagement zu berücksichtigen.
Haupt- und Ehrenamt können jedoch auf Grund von Verwischungen nicht immer klar vonein-
ander unterschieden werden: Aufwandsentschädigungen und Arbeitsentgelte für ,,Ehrenamtli-
che" und zusätzliche, ,,ehrenamtliche" Tätigkeit von Hauptamtlichen verhindern das Ziehen
einer scharfen Trennlinie. Verschiedene Autoren beobachten daher einen zunehmend flies-
senden Übergang von Profi- zu Laienarbeit, von bezahlter zu unbezahlter Arbeit und umge-
kehrt.
36
In verschiedenen Studien wurde trotz der obgenannten Erschwernisse versucht, die beiden
Gruppen statistisch zu erfassen. Durchschnittlich gesehen sind, laut einer Untersuchung der
ehrenamtlichen Tätigkeit in 35 Staaten, 43 % ehrenamtlich und 57 % hauptamtlich in einer
NPO tätig (siehe Abb. 2).
37
Der Anteil der NPO, welche bezahlte Angestellte beschäftigen,
beträgt je nach Untersuchung zwischen 57 und 75 %.
38
Der Prozentsatz variiert stark zwi-
schen den verschiedenen NPO-Bereichen (siehe Anhang Abb. 7).
39
BLANDOW stellte in
einer anderen Studie fest, dass 60 % aller Arbeitsleistungen in einer sozialen Organisation von
Hauptamtlichen erbracht werden.
40
Auf der anderen Seite beschäftigen, gemäss einer Studie
von ZIMMER, PRILLER und HALLMANN, 93 % aller befragten NPO Ehrenamtliche.
41
32
EPKENHANS (2004), S. 167 f.
33
Vgl. WITT/STURM (1998), S. 305 ff.; VON ECKARDSTEIN (2002), S. 16 f.;
ZAUNER/SIMA (2002), S. 452; LICHTMANNECKER (2002), S. 19
34
RIDDER/NEUMANN (2003), S. 120
35
ZAUNER/SIMA (2002), S. 448
36
Vgl. BENDELE (1988), S. 72; RAUSCHENBACH/MÜLLER/OTTO (1988), S. 233;
BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 147; SCHÜTTE (2000), S. 130 f.;
MOTSCH (2002), S. 150 ff.
37
Vgl. SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 16
38
Vgl. SAUER (2000), S. 67; RÜCKERT-JOHN (2000), S. 38;
ZIMMER/PRILLER/HALLMANN (2003), S. 42; SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 15;
39
Vgl. z.B. RÜCKERT-JOHN (2000), S. 38; SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 24
40
Vgl. BLANDOW (1988), S. 146
41
Vgl. ZIMMER/PRILLER/HALLMANN (2003), S. 43
13
Abbildung 2: Anteil Haupt- und Ehrenamtlichen in NPO (Durchschnitt von 35 Staaten)
n = 39,5 Millionen
Unbezahlte
Mitarbeiter
43%
Bezahlte
Mitarbeiter
57%
Quelle: Übersetzt nach SALAMON/SOKOLOWSKI/LIST (2003), S. 16
4.1
Motivation und Entlohnung
Übereinstimmende Ziele zwischen Ehrenamtlichen und NPO stellen eine Voraussetzung dar,
damit Ehrenamtliche im Sinne der Organisation handeln.
42
Um Handlungen von Haupt- und
Ehrenamt bewusst lenken zu können, müssen deren Motivationsgründe genauer betrachtet
werden: Motivation entsteht aus den Anreizen, die eine Person von einer bestimmten Situati-
on erfährt, und die sie dazu bringt, bestimmte Ziele zu verfolgen.
43
Die Literatur kennt viele
verschiedene Motivationstheorien. An dieser Stelle sollen jedoch nur für diese Arbeit relevan-
te Aspekte der Motivation betrachtet werden.
Individuelles Verhalten, sei es gewohnheitsbedingt, impulsiv oder das Resultat eines kogniti-
ven Prozesses, kann sowohl extrinsisch, als auch intrinsisch motiviert sein.
44
Extrinsische
Motivation ist das Resultat externer Belohnungen oder Sanktionen, intrinsische Motivation
wird hingegen ohne externe Anregungen generiert. Die einzige Gegenleistung für intrinsisch
motiviertes Handeln ist die Aktivität selbst und hat somit Selbstzweck-Charakter.
45
Intrinsi-
sche und extrinsische Motivation können neutral, positiv oder negativ korreliert sein. Bei ei-
ner positiven Korrelation kann eine materielle Belohnung die intrinsische Motivation verstär-
ken.
Kritiker warnen jedoch vor einer Überschätzung der Möglichkeit, mit der Aussicht auf
42
Vgl. VON ECKARDSTEIN/MAYERHOFER (2003), S. 78
43
Vgl. LINDNER (1998), S. 2; VON ROSENSTIEL (2000), S. 206
44
Vgl. FISCHER/WISWEDE (2002), S. 40 ff.
45
Vgl. DECI (1975), S. 23 ff.
14
Belohnung oder der Furcht durch Bestrafung eine Leistungssteigerung zu unterstützen.
46
Zum
Beispiel hat DECI gezeigt, dass externe Entschädigungen nicht nur die extrinsische Motivati-
on fördern, sondern auch gleichzeitig die intrinsische Motivation reduzieren können.
47
Dieser
Verdrängungseffekt durch eine negative Korrelation, wird als so genannter Crowding-Out-
Effekt bezeichnet. Gemäss FREY tritt er in Situationen auf, in denen das Individuum die Ent-
schädigung als Verstärkung externer Kontrolle und Bestimmung oder als Anzeichen der Un-
zufriedenheit über die geleistete Arbeit wahrnimmt. Zudem verdrängt extrinsische Entschädi-
gung intrinsische Motivation, wenn die Entschädigungen im Vergleich zur sozialen Referenz-
gruppe als unfair betrachtet werden. Werden intrinsisch motivierte Handlungen extrinsisch
entschädigt, erwarten Individuen mit der Zeit, dass weitere, bisher intrinsisch motivierte
Handlungen, entschädigt werden.
48
Vor allem in NPO sind die Mitarbeiter stark intrinsisch
motiviert. Das Crowding-Out-Potential ist dementsprechend gross.
49
So können z.B. Prämien
und Belohnungen für Ehrenamtlichen das Helfen-wollen oder die Freude an der Arbeit selbst
verdrängen. Die meisten Motivationsinstrumente lassen sich jedoch in eine extrinische, als
auch in eine intrinsische Komponente zerlegen. So können z.B. die erwähnten Prämien und
Belohnungen auch als Anerkennung aufgefasst werden.
50
Zu beachten ist jedoch immer auch
der Glaube an Abmachungen und Erwartungen über gegenseitige Verpflichtungen. Dies wird
als psychologischer Vertrag bezeichnet und entsteht in Bereichen ohne ausdrückliche Verein-
barungen.
51
Vor allem Anreizsysteme können als psychologische Verträge angesehen werden.
Verletzt eine Partei einen psychologischen Vertrag, vermindert sich die intrinsische Motivati-
on der Gegenpartei.
52
Im Extremfall kann dies sogar zu einer negativen Einstellung gegenüber
der Organisation führen.
53
Eine spezielle Form der Motivation ist der Altruismus, welcher die
Motivation aus dem Geben erfährt.
54
In einem anderen Ansatz unterschieden HERZBERG, HAUSNER und SNYDERMAN in der
so genannten Zweifaktoren-Theorie zwischen Hygienefaktoren und Motivatoren. Dieser The-
orie zufolge können z.B. gute Arbeitsbedingungen als Hygienefaktoren eine Unzufriedenheit
verhindern, aber nur die intrinsischen Motivatoren sind in der Lage, Zufriedenheit herzustel-
len. Motivatoren sind direkt mit der Arbeit selbst verknüpft, wie z.B. Anerkennung der Leis-
46
Vgl. FREY/OSTERLOH (1997), S. 313 ff.
47
Vgl. DECI (1975), S. 129 ff.
48
Vgl. FREY (1997), S. 431 ff.
49
Vgl. VON ECKARDSTEIN/BRANDL (2004), S. 300
50
Vgl. FISCHER/WISWEDE (2002), S. 102
51
Vgl. FARMER/FEDOR (1999), S. 350 ff.
52
Vgl. FREY/OSTERLOH (1997), S. 309
53
Vgl. LIAO-TROTH (2001), S. 437
54
Vgl. FISCHER/WISWEDE (2002), S. 139 ff.
15
tung, herausfordernde Tätigkeit, vermehrte Verantwortung und Möglichkeiten zum Aufstieg,
zu Wachstum und zur Entfaltung.
55
Als weitere relevante Motivationstheorien sollten auch die Prozesstheorien betrachtet werden,
bei denen die Nutzenmaximierung im Vordergrund steht.
56
Zu diesen Theorien gehört u. a.
das Instrumentalitätskonzept von VROOM. Gemäss dieser Theorie multipliziert jedes Indivi-
duum vor der Entscheidung über das Ausführen oder Unterlassung einer Aktivität, die mögli-
chen (intrinsischen und extrinsischen) Outputs mit der Wahrscheinlichkeit, dass die Outputs
ihm tatsächlich zugute kommen.
57
Die Handlung wird entsprechend den Prozesstheorien nur
dann ausgeführt, wenn das Individuum erwartet, dass es sich in irgend einer Form lohnt.
LICHTMANNECKER untersuchte den Stellenwert von Motivationsinstrumenten bei Haupt-
und Ehrenamt aus Sicht von Verbandsführungen (siehe Abb. 3). Bei den Hauptamtlichen wird
der Eigenverantwortung und der Entscheidungsfreiheit, sowie dem Sinn der Arbeit der höchs-
te Stellenwert eingeräumt. Die finanziellen Anreize finden sich in diesem Ranking erst auf
Platz fünf. Bei den Ehrenamtlichen zeigt sich ein leicht anderes Bild: Der Sinn der Arbeit, der
Führungsstil und die Ehrungen sind die häufigsten Nennungen. Die geringere Ausprägung bei
der Eigenverantwortung und der Entscheidungsfreiheit zeigt, dass der Verbandsführung eine
Führung der Ehrenamtlichen notwendig erscheint.
58
Diese Ergebnisse lassen auf Unterschiede
in der Motivation von Haupt- und Ehrenamt schliessen (siehe auch Anhang Tab. 7).
55
Vgl. HERZBERG/HAUSNER/SNYDERMAN (1959), S. 113 ff.
56
Vgl. VON ROSENSTIEL (2000), S. 371 f.
57
Vgl. VROOM (1964), S. 18
58
Vgl. LICHTMANNECKER (2002), S. 88 f.
16
Abbildung 3: Stellenwert des Einsatzes von Motivationsinstrumenten aus Sicht der Verbands-
führung
38
13
46.3
56.3
3.4
22.6
3.4
0.8
45.9
2.8
64
17.3
20.5
54.7
36.9
31.3
10.1
22.6
3.4
24.4
0
10
20
30
40
50
60
70
Eigenverantwortung, Entscheidungsfreiheit
Fachkompetente Einweisung
Führungsstil als Motivator
Sinn der Arbeit
Gestaltung des Arbeitsplatzes
Fort- und Weiterbildung
Aufstiegsmöglichkeiten
Betriebliche Sozialleistungen
Ehrungen
Finanzielle Anreize
in %
hauptamtliche Mitarbeiter
ehrenamtliche Mitarbeiter
Quelle: WITT et Al. (1998), S. 26
In einer Studie von BIERHOFF wurde die altruistische und die egoistische Komponente von
Haupt- und von Ehrenamtlichen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Ehrenamtliche im
Durchschnitt fast zu gleichen Teilen sowohl eine altruistische, wie auch eine egoistische Mo-
tivation haben, während bei den Hauptamtlichen die egoistische Einstellung etwas überwiegt
(siehe Anhang Abb. 8).
59
Die unterschiedlichen Ergebnisse bei Haupt- und Ehrenamtlichen
bei den erwähnten Studien scheinen eine separate Betrachtung der Motivation der beiden
Gruppen notwendig zu machen.
4.1.1
Motivation und Entlohnung von Ehrenamtlichen
Bezüglich der Motivation von Ehrenamtlichen ist gemäss verschiedenen Autoren von kom-
plexen, individuell verschiedenen Motivationsbündeln auszugehen, welche zwischen Altru-
ismus und Egoismus angesiedelt sind.
60
Dabei nehmen die Beweggründe aus persönlichem,
eigennützigem Interesse im Zuge der Individualisierung unserer Gesellschaft zu.
61
59
Vgl. BIERHOFF (2002), S. 29
60
Vgl. BAXMANN (1999), S. 83; BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (2000), S. 13;
WENG (2002), S. 177 ff.; REHBERG (2005), S. 112
61
Vgl. BEHER/LIEBIG/RAUSCHENBACH (1999), S. 7 ff.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2005
- ISBN (eBook)
- 9783958208704
- ISBN (Paperback)
- 9783958203709
- Dateigröße
- 4.4 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Oktober)
- Schlagworte
- verhältnis mitarbeitern nonprofit-organisationen