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Autismus bei Kindern: Ein Leitfaden für ergotherapeutische Behandlungsansätze

©2007 Diplomarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Seit dem Kinohit „Rain Man“ mit Dustin Hoffmann oder „Das Mercury Puzzle“ hat das Krankheitsbild Autismus viel Interesse in der Öffentlichkeit geweckt, welches weit über den Kreis der Fachleute hinausgeht. Ein Vorteil dieser Popularität ist, dass Eltern, deren autistisches Kind durch unangepasstes Verhalten auffällt, vermutlich mit mehr Verständnis in der Öffentlichkeit rechnen können wenn der Name der Störung genannt wird. Nachteil besteht darin, dass durch die Kinofilme der Begriff Autismus eine Verallgemeinerung der Störungssymptomatik erhält. Denn obwohl die sozialen und kommunikativen Schwierigkeiten, die starren und zwanghaften Verhaltensweisen ein Leben lang in irgendeiner Form erhalten bleiben, unterscheiden sich Schwere und Ausmaß der Verhaltensprobleme der betroffenen Menschen deutlich. In der Literatur findet man wenige Beschreibungen von Therapieeinheiten bei Autismus. Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Fragen, wie erfahrene Ergotherapeutinnen eine gut gelungene Therapieeinheit bei autistischen Kindern beschreiben, und ob bei den Therapieansätzen Parallelen zu erkennen sind. Diese Arbeit soll dazu beitragen, dass die speziell im Fachbereich Pädiatrie tätigen Ergotherapeutinnen in ihrer Arbeit unterstützt werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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1.1. Problemdarstellung
In der Literatur (z.B. Weiß, 2002 und Poustka et al, 2004) findet man viel Theorie
über Behandlungsansätze bei Autismus, aber wenig Beschreibungen von Therapieeinheiten.
Durch den bereits oben angeführten Bekanntheitsgrad werden Therapeutinnen zunehmend
mit dem Krankheitsbild Autismus konfrontiert. Diese Arbeit soll dazu beitragen, dass die
speziell im Fachbereich Pädiatrie tätigen Ergotherapeutinnen in ihrer Arbeit unterstützt
werden.
,,Allerdings müssen die Therapeuten mit den besonderen Bedingungen der Behandlung
von Kindern mit Autismus vertraut sein. Ergotherapeutische Maßnahmen können zu neuen
Erfahrungen und einer Schärfung der Sinne durch den Umgang mit vielfältigen Materialien
und deren konstruktive Verwendung führen." (Poustka et al
. 2004: 57)
Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema:
,,Ergotherapeutische Behandlungsmethoden bei autistischen Kindern" und dazu stellen sich
die Fragen, ,,Wie beschreiben erfahrene Ergotherapeutinnen eine gut gelungene
Therapieeinheit bei autistischen Kindern und sind Parallelen bei diesen Therapieansätzen zu
erkennen
1.2. Autismus
Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Sie beruht auf einer
angeborenen, unheilbaren Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des
Gehirns, welche sich bereits im frühen Kindesalter bemerkbar macht. Die Kernsymptomatik
bei allen autistischen Behinderungen äußert sich in Problemen bei der Kommunikation mit
anderen Menschen sowie in grundlegenden Unterschieden in der Verarbeitung von
Sinneseindrücken, welche zu Verhaltensauffälligkeiten verschiedenster Art sowie zu
stereotypen oder ritualisierenden Verhaltensweisen führen können. Das Ausmaß und die
Auswirkungen dieser Probleme sowie die spezielle Form, in der sie sich zeigen, sind sehr
unterschiedlich. (vgl. Dzikowski 1996:18)
1.3. Historisches
Im Mittelalter herrschte die Ansicht, dass Kinder mit Verhaltensstörungen von
Dämonen besessen oder ganz von Gott inspiriert waren ­ der Umgang mit ihnen dürfte
dementsprechend variiert haben. Im 18./ 19. Jahrhundert wurden diese Menschen in großen,

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stationären Einrichtungen untergebracht, unter ihnen auch Patienten mit autistischen
Störungen. Bis ins 20. Jahrhundert hatte man jedoch keinen Namen für diese Krankheit.
(vgl. Weiß 2002: 12)
Autismus wurde erstmals in den 40er Jahren beschrieben. Leo Kanner, ein Arzt aus
Österreich, der später in die Vereinigten Staaten auswanderte, behandelte mehrere Kinder,
die wenig Kontakt zu anderen Menschen aufnahmen und Veränderungen ihres Tagesablaufs
sowie ihrer Umgebung nicht ertragen konnten. (Poustka et al. 2004: 7)
Kanner konzentrierte sich bei den Symptomen auf zwei zentrale Eigenschaften:
1. Beharren auf Unverständlichkeit der täglich wiederholten Routinehandlungen.
2. Extreme soziale Isolation, die innerhalb der ersten zwei Lebensjahre beginnt.
Diese Einschränkungen sorgten für Verwirrung, da bei vielen Kindern die typisch
autistische Struktur gefunden, aber nicht die 2 Kriterien, mit denen nur Fälle des klassischen
Autismus diagnostiziert werden. Der österreichische Psychiater Hans Asperger, entdeckte
etwa in der gleichen Zeit, unabhängig von Kanner, bei einer Gruppe von Jugendlichen eine
Struktur abnormen Verhaltens, für die er die Bezeichnung ,,autistische Psychopathie" wählte,
worunter er eine Abnormität der Persönlichkeit verstand. (vgl. Aarons 2000: 21f)
Die Wahl des Wortes ,,autistisch" für das besondere Verhalten der beschriebenen
Kinder geht in beiden Fällen auf den Psychiater Eugen Bleuler zurück, der diesen Begriff
1911 prägte. Er verwendete diesen Ausdruck allerdings im Zusammenhang mit einem
Zustand der bei schizophrenen Menschen auftritt. Das Wort leitet sich vom griechischen
,,autos" (
)
her, das ,,selbst" bedeutet. Gemeint ist damit der Rückzug eines Menschen
aus der sozialen Umwelt und damit eine Einengung auf sein eigenes Selbst. (vgl. Weiß
2002: 13)
1.4. Klassifikation und Symptomatik
Die beiden wichtigsten Diagnosemanuale mit internationaler Anerkennung und
Verbreitung lauten DSM ­ IV (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer
Störungen) und ICD ­ 10 (International Classification of Mental Diseases). Beide ordnen
übereinstimmend sowohl die Autistische Störung als auch das Asperger Syndrom den
tiefgreifenden Entwicklungsstörungen zu. (vgl. Weiß 2002: 14)

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Da in Österreich eher die Kriterien des ICD ­ 10 verwendet werden, wird in der Arbeit
ausschließlich dieses Manual verwendet.
1.4.1. Formen des Autismus
Autismus wird in der ICD ­ 10, dem Klassifikationssystem für Krankheiten der
Weltgesundheitsorganisation, als tiefgreifende Entwicklungsstörung mit dem Schlüssel F 84
aufgeführt. Im deutschsprachigen Raum wird hauptsächlich zwischen zwei Formen des
Autismus unterschieden.
Zum ersten der frühkindliche Autismus F84.0, auch Kanner Syndrom oder Infantiler Autismus
genannt, dessen auffälligstes Merkmal neben der Verhaltensabweichung eine stark
eingeschränkte Sprachentwicklung ist. Vor dem dritten Lebensjahr manifestiert sich eine
auffällige und beeinträchtigte Entwicklung in mindestens einem der folgenden Bereiche:
1. rezeptive oder expressive Sprache, wie sie in der sozialen Kommunikation verwandt wird
2. Entwicklung selektiver sozialer Zuwendung oder reziproker sozialer Interaktion
3. funktionales oder symbolisches Spielen
www.autismus-online.de
(07/01/22)
Die zweite Hauptform des Autismus ist das Asperger Syndrom F 84.5.
Das Asperger Syndrom unterscheidet sich vom frühkindlichen Autismus v.a. durch die
durchschnittliche bzw. überdurchschnittliche sprachliche sowie kognitive Entwicklung, die mit
einer motorischen Entwicklingsverzögerung einhergeht. Der Beginn der Erkrankung ist bei
dieser Störung in der Regel etwas verzögert. (vgl. Weiß 2002:26)
Eine weitere Variante ist der atypische Autismus F 84.1.
Dieser entspricht den Richtlinien für den frühkindlichen Autismus, jedoch mit verspätetem,
atypischen Erkrankungsalter und bzw. oder fehlender Symptome aus einem der drei oben
angeführten Störungsbereiche. (vgl. Poustka et al 2004:16)
Unter Experten gilt seit neuem eine weitere Unterscheidung des frühkindlichen
Autismus, den ,,high ­ functioning autism" (HFA) bzw. der ,,low ­ functioning autism" (LFA).
Beide Termini gelten als eine noch nicht offizielle diagnostische Untergruppe des Autismus.
(vgl. Weiß 2002:13)

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Als HFA bezeichnet man Menschen mit frühkindlichem Autismus, die keine geistige
Behinderung (IQ> 70) aufweisen und nach einer zunächst verzögerten Sprachentwicklung
meist gute verbale Fähigkeiten besitzen. Mit LFA werden Menschen mit frühkindlichem
Autismus bezeichnet, die geringe sprachliche Fähigkeiten und eine Intelligenzminderung
vorweisen. (Poustka et al 2004:11)
Ferner sollte man Abgrenzungen zu folgenden Störungen vornehmen:
Tourett ­ Syndrom, Hyperkinetische Störung, Rett ­ Syndrom, Entwicklungsstörungen,
Hospitalismus, Elektiver Mutismus, Reaktive Bindungsstörung, Kindliche Schizophrenie,
Landau ­ Kleffner Syndrom, Expressive Sprachstörung, Kombinierte Rezeptiv ­ Expressive
Sprachstörung und Intelligenzminderung mit emotionaler Verhaltensstörung. (Weiß 2002:27)
Das Aufzählen und Beschreiben aller Differentialdiagnosen würde den Rahmen der Arbeit
sprengen.

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Eine Tabelle soll eine noch bessere Veranschaulichung der Symptome bieten.
frühkindlicher Autismus
( HFA und LFA)
Asperger-Syndrom (AS)
erste
Auffälligkeiten
ab dem 10.-12. Lebensmonat
ab 3. Lebensjahr
Blickkontakt
selten, flüchtig
selten, flüchtig
Sprache
in der Hälfte der Fälle Fehlen einer
Sprachentwicklung; ansonsten
verzögerte Sprachentwicklung,
anfangs oft Echolalie, Vertauschen
der Pronomina
frühe Entwicklung einer grammatisch
und stilistisch hoch stehenden
Sprache, oft pedantischer Sprachstil,
Probleme beim Verstehen von
Metaphern
Intelligenz
teilweise geistige Behinderung,
teilweise normale Intelligenz
normale bis hohe Intelligenz, teilweise
Hochbegabung
Motorik
keine Auffälligkeiten, die auf den
Autismus zurückzuführen sind
häufig motorische Störungen,
Ungeschicklichkeit,
Koordinationsstörungen
Tab
1:
www.autismus-online.de
1.4.2. Früherkennung
Ein großes Problem des Autismus ist die Erkennung bzw. die Diagnoseerstellung der
Krankheit (ICD ­ 10), da zwischen Autismus und Entwicklungsverzögerungen mit den
entsprechenden Auffälligkeiten unterschieden werden muss. Diese können sich äußern
durch unstillbares Schreien (Schreibabys), motorische Unruhe, allgemeine Passivität oder
auffälligem Blick- und Körperkontakt. Je früher allerdings die Störung diagnostiziert wird,

9
desto früher kann mit der geeigneten Therapie begonnen werden. (vgl. Ensslen/ Berner
2001:288)
1.4.3. Häufigkeit
Die Studien weisen keine einheitlichen Daten auf, da unterschiedliche
Untersuchungsansätze bzw. Definitionen vorliegen. In der USA wird die Diagnose
frühkindlicher Autismus wesentlich häufiger (20/ 10.000) als im europäischen Raum (3-4/
10.000), (vgl. Mailloux 2004: 396) gestellt.
In Österreich sind etwa 48.500 Kinder vom Autismus betroffen, bei denen ca. 13.600
die Diagnose ,,frühkindlicher Autismus" gestellt wurde.
Burschen sind im Vergleich zu Mädchen 4:1 überrepräsentiert.
www.autistenhilfe.at
(06/12/12)
1.5. Ursachen
Meist spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die Hauptursachen liegen aber in einer
neurologisch ­ hirnorganisch beeinträchtigten Fehlfunktion des Gehirns, die sich in einer
Störung der Wahrnehmungsverarbeitung auswirkt, sowie in der genetischen Komponente.
(vgl. Müller ­ Teusler 1999:89)
In den folgenden Abschnitten werden einzelne Ursachengruppen beschrieben, dabei
gilt für alle beschriebenen Ursachen: Liegt eine der genannten Störungen vor, muss diese
nicht zur Entwicklung eines Autismus führen und umgekehrt muss ein autistischer Mensch
nicht zwangsläufig die beschriebene Störung haben. (vgl. Dzikowski 1996:39)
Im Folgenden wird die von Dzikowski (1996) vorgelegte Gliederung bezüglich der
Verursachungstheorien zugrunde gelegt. Er unterscheidet 6 große Gruppen.
1.5.1. Genetische Verursachungstheorie
Früher war man lange auf der Suche nach ,,der Ursache" von Autismus, bereits 1944
wurden von Asperger genetische Einflüsse vermutet. Heute nimmt man an, dass mehrere
Gene beteiligt sind, die v.a. während der Entwicklung des Gehirns aktiv sind, und dass
verschiedene Faktoren bei der Genese beteiligt sind (multifaktorielle Verursachung).
Verschiedene Arbeitsgruppen, speziell um Poustka und Gillberg, beschäftigen sich damit,
bestimmte Regionen auf Chromosomenveränderung zu identifizieren. Dabei scheinen das
Chromosom 7, das Chromosom 15 und das Geschlechtschromosom eine wichtige Rolle zu
spielen. Die endgültigen Ergebnisse bleiben abzuwarten. (vgl. Weiß 2002:21)

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Auch Familien ­ und Zwillingsstudien ergeben eindeutige Hinweise, dass die
Erkrankung einem genetischen Faktor zugrunde liegt. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei
einem autistischen Zwillingskind auch der andere Zwilling betroffen ist, beträgt bei eineiigen
Zwillingen ca.95, 7 % und bei zweieiigen Zwillingen 23,5%. Das Erkrankungsrisiko für
Geschwister von autistischen Kindern liegt bei etwa 3%. (vgl. Spiel/ Gasser 2001:228)
1.5.2. Neurologische Verursachungstheorie
Die Wissenschaft geht davon aus, dass bei autistischen Menschen strukturelle und
funktionelle Störungen des zentralen Nervensystems vorliegen, die eine Folge der
genetischen oder anderen vorgeordneten organischen Prozesse sind. Die Forschung hat
ergeben, dass die meisten Betroffenen eine neurologische Auffälligkeit zeigen, z.b.
Unregelmäßigkeiten der elektrischen Hirnströme oder Störungen in der Grob ­ und
Feinmotorik. Die Befunde sind aber ebenso uneinheitlich, wie diejenigen zur Genetik. (vgl.
Poustka et al 2004:32)
1.5.3. Psychologische Verursachungstheorie
Auf Grund von Untersuchungen mit betroffenen Zwillingen und Familien mit
autistischen Kindern weiß man, dass Umweltfaktoren nur einen geringen Einfluss auf die
Entstehung der Erkrankung haben. Autismus entsteht bestimmt nicht durch familiäre
Konflikte oder Erziehungsfehler und ist kein seelisches Leiden. (Krämer 1998:4)
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein konsequenter und verständnisvoller Umgang mit
dem Kind unwichtig wäre. Im Gegenteil, eine sorgfältige Förderung durch die Eltern kann
einen sehr positiven Effekt auf die Therapie und auf das Verhalten des Betroffenen ausüben.
(vgl. Poustka et al 2004:33)
1.5.4. Chemische und biochemische Verursachungstheorie
Die chemischen und biochemischen Verhaltenstheorien entstanden etwa Mitte der
sechziger Jahre. Mit der Weiterentwicklung der Untersuchungsmethoden und der Kenntnisse
über die chemischen Abläufe im menschlichen Körper wurden die dazugehörigen Studien
immer genauer und bedeutender und heute werden diesem Bereich richtungsweisende und
erfolgversprechende Möglichkeiten zugesprochen. (vgl. Dzikowski 1996:43)
Der Serotoninspiegel ist z.B. verantwortlich für die Bereiche Schlaf, Essen, Stimmung
und Schmerz. Bei Menschen mit Autismus finden sich bezüglich des Serotoninspiegels
häufig Abweichungen, dieses Phänomen kann jedoch auch bei Menschen mit geistiger
Behinderung auftreten. Hingegen ist der Zusammenhang zwischen Autismus und einer
veränderten Dopamin - Aktivität, die verantwortlich für die Motorik und Kognition aber auch

11
für das Ess ­ und Trinkverhalten ist, wesentlich spezifischer und ein deutlicher Hinweis auf
eine autistische Störung. (vgl. Weiß 2002:23)
1.5.5. Informations ­ und/ oder Wahrnehmungsverarbeitungsstörung
Trotz unterschiedlicher Meinungen zu den Primärursachen bei Autismus herrscht fast
völlige Übereinstimmung, dass es sich bei diesem Krankheitsbild um eine Besonderheit in
der Wahrnehmungsverarbeitung handelt, das heißt, nicht die Wahrnehmung an sich ist
gestört sondern die wahrgenommenen Eindrücke werden anders bewertet und verarbeitet
als gewöhnlich. (vgl. Poustka et al 2004:34)
Die Ursache der Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen ist hingegen umstritten, die
Thesen umfassen die bereits angeführten Verursachungstheorien wie (bio-) chemische,
psychologische, neurologische oder genetische Faktoren. Aber auch andere Krankheiten
werden als mögliche Ursache vermutet. (vgl. Dzikowski 1996:56)
1.5.6. Verursachungstheorie im Zusammenhang mit anderen Krankheiten
Ein möglicher auslösender Faktor kann eine Erkrankung sein, die normalerweise
völlig unabhängig von autistischen Verhaltensweisen auftritt. Dazu gehören Röteln der
Mutter, frühkindliche Spasmen, Folgen der Pockenschutzimpfung, die Tuberöse Sklerose
und andere diverse Erkrankungen wie z.B. das fragile X ­ Syndrom. Auszuschließen ist auf
jeden Fall, dass eine der genannten Erkrankungen der alleinige Verursacher sein kann,
allerdings können bestimmte Krankheiten als auslösender Faktor betrachtet werden. (vgl.
Aarons 2000:34)
Der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Verursachungstheorien wird im
Konzept der Faktorentheorie nochmals deutlich. In Abbildung 1 wird dargestellt, welche
Ursachen gemeinsam wirken können und welche Folgen sich daraus ergeben. (vgl.
Dzikowski 1996:207)

12
Abbildung 1: Das faktorentheoretische Modell (Dzikowski 1996:208, in Anlehnung an Kehrer)
chemischer ­
biochemischer Faktor
Hirnorganische
Auffälligkeiten
Informations ­ und/ oder
Wahrnehmungsverarbeitungsstörung
bestimmte Krankheit
frühkindlicher Autismus
soziale ­ familiäre Situation als
verschlimmerndes Agens
Autismus mit Kommunikation ­
und Beziehungsstörungen
späte Erkennung und Behandlung
Autismus mit starken Leistungsdefiziten
(Hospitalismuserscheinungen und
Sekundärproblematik)
Genetische Disposition

13
1.6. Soziale Interaktion/ Kommunikation
Die Schwierigkeit bzw. Unfähigkeit autistischer Kinder, adäquate Beziehungen zu
ihren Mitmenschen einzugehen, ist eines der beiden schon von Kanner (1943) besonders
herausgestellten Merkmale, die kennzeichnend für diese Störung sind. Neben dem Beharren
auf Unveränderlichkeit der täglichen wiederholten Routinehandlungen ist es diese extreme
soziale Isolation (oft auch ,,autistische Einsamkeit" genannt), die Kanner als zentral für diese
Störung ansah. (vgl. Weiß 2002:133)
Noch mehr als die Besonderheiten in den Bereichen Sprache und Interessen, die in
den ersten Lebenswochen und Monaten noch nicht sichtbar sind, kommt es häufig zu dem
Problem, welches die Eltern autistischer Kinder das Leben mit ihnen von Anfang an
besonders schwer macht. In vielen Fällen wird schon das Verhalten des Säuglings von der
Mutter als abwesend erlebt, so dass es in einer frühen Mutter ­ Kind ­ Beziehung durch das
fehlen einer angemessenen Reaktion des Kindes auf die Kommunikationsangebote seiner
Mutter zusätzlich zu einer sekundären Beziehungsstörung kommen kann. (vgl. Weiß
2002:134)
1.7. Verlauf und Prognose
Der Verlauf einer autistischen Störung ist ganz individuell und ist abhängig von der
Störungsart, Begleiterkrankungen, Beginn der Therapie oder sonstigen Schwierigkeiten.
Aufgrund ihrer guten geistigen Fähigkeiten haben Betroffene mit dem Asperger ­ Syndrom
jedoch die besseren Chancen ein relativ normales und selbstständiges Leben zu führen.
(vgl. Poustka et al. 2004:28)
Im Alter von 0 ­ 2 Jahren kann sich Autismus durch Schlafprobleme, Schwierigkeiten
bei der Nahrungsaufnahme und wenig bis keine Sozialisation äußern. Auch kann sich die
Krankheit durch Berührungs- oder Geräuschprobleme bemerkbar machen. Fast immer
verzögert sich die Sprach- und Laufentwicklung. Im Vorschulalter entwickelt sich das Vollbild
der Erkrankung, das sich in extremes Beharren auf Gleichförmigkeit und im repetitiven Spiel
äußern kann. Die meisten Kinder beginnen in dieser Phase mit einer sehr einfachen
Kommunikation. Während des Schulalters bis zur Jugend kann die Schwere der Krankheit
etwas nachlassen, so dass ein begrenzter sozialer Kontakt möglich sein kann.
(vgl. Poustka et al. 2004:29)
Bei entsprechender Förderung durch die Umwelt sind Entwicklungsfortschritte bis ins
Erwachsenenalter möglich. (vgl. Bartels 2003:16)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783958208728
ISBN (Paperback)
9783958203723
Dateigröße
3.9 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
2
Schlagworte
autismus kindern leitfaden behandlungsansätze
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