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Wirkung von Musik: Eine Bestandsaufnahme bisher vorliegender wissenschaftlicher Erhebungen

©2005 Studienarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Musik gehört in unserer Kultur zum Alltag. Sie umgibt uns von morgens bis abends, erwünscht oder unerwünscht, bewusst oder unbewusst, im Vordergrund oder als akustischer Hintergrund. Jeder weiß, oder hat es zumindest schon einmal gehört, dass Musik uns beeinflussen kann und teilweise auch soll. Doch nur wissenschaftliche Studien beweisen letztlich die umstrittene Wirkung von Musik. In dieser Arbeit werden sämtliche bisher veröffentlichte Studien, Experimente und Untersuchungen ab dem frühen 19. Jahrhundert zusammengefasst, die die Wirkung von Musik auf unseren Organismus nachweisen. Ziel der Arbeit ist es, einen umfassenden Einblick in die bisher bewiesene Wirkung von Musik zu geben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4
Schließlich gebe ich im fünften Kapitel einen kurzen historischen Überblick
über die Erforschung von Musikwirkung bevor ich beginne, sämtliche Studien,
Experimente und Untersuchungen aufzulisten, die ab dem frühen 19.
Jahrhundert die Wirkung von Musik nachweisen. Zum Abschluss werde ich
drei Experimente aussuchen um aufzuzeigen, wie diese angeordnet sind und
welcher Hilfsmittel es dabei bedarf.

5
2. Der Begriff der Musik
2.1 Definition von Musik
Musik ist ein sehr alter Begriff, der in unterschiedlichen Kulturen für
verschiedene Dinge steht. An dieser Stelle seien einige Definitionen genannt:
,,Die Musik ist eine Zufluchtsstätte für individuelles Erleben und zugleich eine
Form der Kommunikation."
1
,,Musik ist ein Phänomen, das sich in wechselseitiger Beeinflussung von
Individuum und Gesellschaft bildet und definiert. Sowohl als Prozess als auch
als Produkt manifestiert sich Musik in der Kultur, die das Medium und die
Rahmenbedingung für Individuum und Gesellschaft darstellt."
2
,,Musik ist eine symbolische Sprache. Sie ist begründet auf einer spezifischen,
nichtinhaltlichen, formalen, konnotativen Beziehung zwischen Musik und dem
subjektiven Erleben und Fühlen. Musik klingt in der Art und Weise, wie man
erlebt und fühlt."
3
,,Musik nahezu aller Sparten und Stile umgibt uns von morgens bis abends, sie
beeinflusst uns, motiviert uns positiv oder negativ, schafft Hörerwartungen und
bestimmte Formen des Hörverhaltens, prägt Aversionen und Präferenzen,
Musikgeschmack und Musikverständnis."
4
Der Duden definiert Musik als:
1.
,,(Ohne Plural) die Kunst, Töne in melodischer, harmonischer und
rhythmischer Ordnung zu einem Ganzen zu fügen; Tonkunst.
2.
Kunstwerk, bei dem Töne und Rhythmus eine Einheit bilden."
5
Musik galt im antiken Griechenland zunächst als zusammenfassender Begriff
für die Ton-, Dicht- und Tanzkunst. In verschiedenen Kulturen und Epochen
wurde er später differenziert, doch alle (auch heute noch aktuellen)
Definitionsversuche haben folgende Bestimmungen gemeinsam:
-
Musik ist primär hörbar,
-
Musik ist im Gegensatz zum Naturlaut vom Menschen absichtsvoll und
nach gewissen Gesetzen gestaltet,
1
Van Deest, H.: Heilen mit Musik, 1997, S. 20, zweiter Abschnitt.
2
Bruhn/Oerter/Rösing: Musikpsychologie, 1985, S. 4, zweiter Abschnitt.
3
Bruhn/Oerter/Rösing: Musikpsychologie, 1985, S. 260, erster Abschnitt.
4
Bruhn/Oerter/Rösing: Musikpsychologie, 1985, S. 269, zweiter Abschnitt.
5
Duden: Fremdwörterbuch, 2001, S. 657, mittlere Spalte, Mitte.

6
-
Musik als bewusst gestaltetes Phänomen hat im Gegensatz zur Sprache
meist keine eindeutig zeichenhafte Bedeutung,
-
Musik ist vielfach eine kommunikative Aktion im weitesten Sinn.
6
2.2 Entstehung von Musik
In der Physik besteht Musik lediglich aus Schallschwingungen, so wie jedes
andere Geräusch, das der Mensch wahrnimmt, auch. Mit Hilfe von
Erfahrungen ist unser Gehör und unser Gehirn in der Lage, aus diesen
Schallwellen Musik herauszufiltern. Der menschliche Gehörsinn ist, im
Zusammenspiel mit unserem Gehirn, in der Lage, aus einzelnen Tönen Musik
wahrzunehmen. Dies ist allerdings nur durch die Kooperation mit unseren
Erfahrungen möglich.
Goldfische, zum Beispiel, können auch Töne wahrnehmen, es fehlt ihnen
jedoch die musikalische Erfahrung; das heißt, sie können in den Tönen keine
Melodie, Rhythmus oder Harmonie erkennen.
Wenn in einem Raum ein Musikinstrument gespielt wird, entstehen
Vibrationen in den Luftmolekülen, das heißt, sie schwingen hin und her und
versetzen damit auch andere Teilchen in Bewegung. Wie hoch oder tief ein
Ton wahrgenommen wird hängt davon ab, wie oft die Teilchen in der Sekunde
hin und her schwingen. Schwingen die Teilchen 20 mal pro Sekunde hat der
Ton eine Frequenz von 20 Hertz. Dies ist die tiefste Frequenz, die das
menschliche Ohr wahrnehmen kann. Die höchsten Töne haben Frequenzen bis
zu 20 000 Hertz. Spielen mehrere Instrumente gleichzeitig dann überlagern
sich die Wellen.
Die Lautstärke eines Tones hängt davon ab, wie stark die Luftteilchen
zusammen gedrückt werden. Je stärker dieser Druck ist, desto stärker wird
Druck auf das Trommelfell ausgeübt und die Töne werden entsprechend laut
wahrgenommen. Diese Schwingungen setzen sich im Raum fort und dringen
an unser Ohr.
7
6
Bertelsmann Lexikon: Band 10, 1997, S. 244, unten.
7
Vgl. Jourdain, R.: Das wohltemperierte Gehirn, 1998, S. 371.

7
3. Wahrnehmung von Musik
3.1 Das Hör- und Gleichgewichtsorgan
Das Hörorgan liegt zusammen mit dem Gleichgewichtsorgan gut geschützt in
der Felsenbeinpyramide des Schläfenbeins. Beide Organe sind in
verschiedenen Strukturen des Innenohrs lokalisiert und haben unterschiedliche
Funktionen:
1.
Das Gehör dient der Aufnahme von Schallreizen; seine Sinneszellen
sind in der Schnecke enthalten.
2.
Das Gleichgewichtsorgan registriert Körperlage und Körperbewegung
im Raum; seine Sinneszellen befinden sich im Vorhof und in den
Bodengängen.
8
3.2 Aufbau des Ohres (Abb. 1 im Anhang)
Das Ohr wird in das äußere Ohr, das Mittel- und das Innenohr unterteilt.
3.2.1 Das äußere Ohr
Zum äußeren Ohr gehört die Ohrmuschel, welche eine von elastischem
Knorpel geschützte, muschelförmige Hautfalte ist, die die Mündung des
äußeren Gehörganges umgreift und die Aufgabe hat, Schallwellen aufzufangen.
Der äußere Gehörgang stellt ein von der größten Vertiefung der Ohrmuschel
nach innen verlaufendes, etwa drei Zentimeter langes Rohr dar, das einen leicht
s-förmigen Verlauf zeigt. Er enthält Drüsen, die das Ohrenschmalz bilden, und
einzelne Haare. Sie schützen vor eindringenden Fremdkörpern. Das
Trommelfell ist eine schrägstehende, schwingungsfähige, runde Membran am
inneren Ende des Gehörganges. Es bildet die Grenze zwischen äußerem Ohr
und Mittelohr.
9
8
Vgl. Schäffler, A./ Schmidt, S.: Biologie, Anatomie und Physiologie, 1999, S. 189 bis 190.
9
Vgl. Schäffler, A./ Schmidt, S.: Biologie, Anatomie und Physiologie, 1999, S. 190.

8
3.2.2 Das Mittelohr
Das Mittelohr wird von der Paukenhöhle gebildet, die an vier Stellen mit
Öffnungen versehen ist. Drei von ihnen, und zwar das Trommelfell, das ovale
und das runde Fenster, finden ihren Abschluss in einer zarten, elastischen Haut,
während die vierte Öffnung die Mündung der Eustachischen Röhre, die
sogenannte Tube, darstellt, die ihrerseits mit dem Rachen kommuniziert. Quer
durch diese Tube zieht sich die Kette der Gehörknöchelchen: Hammer, Ambos
und Steigbügel, von denen der Hammer dem Trommelfell anliegt. Die
Schallübertragung erfolgt durch das Mittelohr. Das Trommelfell schwingt mit
dem fortzuleitenden Ton als resonierende Membran mit, überträgt die
Bewegungen auf die Knöchelchenkette (insbesondere auf den Steigbügel), die
dann die Bewegungen zum inneren Ohr weiterführt.
10
3.2.3 Das Innenohr
Das Innenohr (auch Labyrinth genannt) ist im härtesten Knochen des
Menschen, dem Felsenbein, geschützt untergebracht und besteht aus mehreren
Abteilungen (Vorhof, drei Bogengängen und Schnecke), welche mit
Flüssigkeit gefüllt sind. Im Vorhof und in den Bogengängen liegen die
Sinnesrezeptoren des Gleichgewichtsorgans. Die Schnecke enthält die
Sinnesrezeptoren für das Gehör.
Die knöcherne Schnecke, die äußerlich dem Bau eines Schneckenhauses
ähnelt, stellt einen mit Flüssigkeit gefüllten Kanal oder, besser gesagt, einen
Hohlraumkomplex, dar. Eine Zwischenwand teilt den Schneckenkanal in zwei
Etagen. Oben liegt die Vorhoftreppe, diese beginnt am ovalen Fenster und geht
an der Schneckenspitze in die unten gelegene Paukentreppe über, die am
runden Fenster endet. Von der knöchernen Schnecke wird die häutige
Schnecke umgeben. Dieser ist ein membranöser, ebenfalls mit Flüssigkeit
gefüllter Schlauch. In ihr befindet sich die Basilaarmembran mit den
Sinneszellen. Der feinhäutige Schneckenkanal beherbergt also das eigentliche
Hörorgan. Die in ihr angeordneten Sinneszellen für das Gehör heißen
Haarzellen.
10
Vgl. Schäffler, A./ Schmidt, S.: Biologie, Anatomie und Physiologie, 1999, ebd.

9
Diese sind jeweils auf ganz bestimmte Frequenzen abgestimmt und wandeln
die mechanischen Schwingungen des Labyrinthwassers in Sinnesenergie um.
Diese wird über den Hörnerv zur Hirnrinde fortgeleitet, wodurch uns die Töne
über Geräusche bewusst werden.
11
3.3 Die Hörfunktion
Auf das Ohr eintreffende Schallwellen werden von der Ohrmuschel
aufgenommen und durch den äußeren Gehörgang zum Trommelfell geleitet.
Das Trommelfell wird durch die Schallwellen in Schwingungen versetzt, die
sich auf die Gehörknöchelchenkette übertragen und schließlich das ovale
Fenster erreichen. Die Steigbügelschwingungen am ovalen Fenster versetzen
die Flüssigkeit der Vorhoftreppe in Schwingungen, durchlaufen diese als
Wanderwellen bis zur Schneckenspitze und laufen von dort die Paukentreppe
hinab zum runden Fenster, wo sie verebben. Die Wanderwellen in der
Flüssigkeit der knöchernen Schnecke versetzen auch die Basilaarmembran
innerhalb der häutigen Schnecke in Schwingung. Dadurch werden zwischen
den Haarzellen auf der Basilaarmembran und der gallertigen Membran
Bewegungen erzeugt, die dazu führen, dass die Härchen der Sinneszellen
verbogen werden. Aufgrund dieses mechanischen Biegungsreizes werden die
Haarzellen erregt, die ihre Reize an die basal gelegenen Nervenfasern
weitergeben. Diese Nervenfasern vereinigen sich später mit den Nervenfasern
des Gleichgewichtsorgans zum VIII. Hirnnerv und ziehen zum Hörzentrum im
Großhirnschläfenlappen.
Es ist bekannt, dass das Gehirn Musik unterschiedlich aufnimmt. Die linke
Gehirnhälfte nimmt den Rhythmus wahr und verarbeitet diesen, während die
rechte Melodien wie Muster oder Modelle verarbeitet. Man fand zudem heraus,
dass musikalische Bilder prinzipiell in der rechten Hirnhälfte und musikalische
Informations- oder Lernprozesse in der linken Hirnhälfte lokalisiert zu sein
scheinen.
12
11
Vgl. Schäffler, A./ Schmidt, S,: Biologie, Anatomie und Physiologie, 1999, S. 190 bis 191.
12
Vgl. Schäffler, A./ Schmidt, S.: Biologie, Anatomie und Physiologie, 1999, S. 191 bis 192.

10
4. Wirkung von Musik im täglichen Leben
4.1 Wirkung auf den Organismus
,,Die Wirkung von Musik auf den Menschen kann zum einen Teil
wissenschaftlich exakt gemessen, zum Teil jedoch nur subjektiv geschildert
und zu einem weiteren Teil- nach heutigem Ermessen- nur erahnt werden."
13
An jedem von uns kann man täglich Reaktionen auf Musik beobachten, denn
allein in Deutschland werden mehr als zehn Millionen Menschen mehr als drei
Stunden täglich mit Musik beschallt. Reaktionen während des Musikhörens
können Wippen mit den Beinen, Trommeln mit den Fingern, rhythmische
Bewegung unseres Körpers, Im- Takt- Wiegen mit dem Kopf oder Schlagen
der Handflächen auf den Oberschenkeln sein; es gibt keine Einschränkungen.
Oft stellen wir hinterher fest, dass dies nicht bewusst geschah. Reize, die über
Musik transportiert werden, sind ausschlaggebend für diese Verhaltensweisen;
manche Autoren sprechen sogar von der Manipulation unseres Körpers und
unserer Psyche durch Musik. Musik kann wortwörtlich ,,in unsere Körper
fahren", denkt man z.B. an afroamerikanische Musik, die zu Erregung, Ekstase
und Rausch führen kann.
14
Doch wovon hängen diese Wirkungen ab? Klar ist, und dass betont jeder
Autor, Musiktherapeut oder Forscher, dass es nicht die eine Wirkung von
Musik schlechthin gibt. Ob und inwiefern sie auf uns wirkt hängt von
verschiedenen Eigenschaften der Musik ab: Tempo, Lautstärke, das Ausmaß
der auftretenden (bzw. als solche empfundenen) Dissonanzen und die
Klangqualität.
Wird Musik dauerhaft laut, schnell und dissonant gespielt kann sie eine
Überstimulierung hervorrufen und eine Produktion von zu viel Adrenalin
auslösen, was zu Überspannung, herabgesetzten Immunreaktionen,
Verdauungsproblemen und sogar zur Schwächung des Energiehaushaltes
führen kann. Wird Musik gespielt, die langsamer als unser Herzschlag
(zwischen 68 und 70 Schlägen pro Minute) ist und nicht lauter als 70 Dezibel,
so wirkt diese ausgesprochen positiv auf unsere Gesundheit.
Diese Art der Musik finden wir im Barock bei Bach, Händel und Vivaldi und
13
Van Deest, H.: Heilen mit Musik, 1997, S. 28, erster Abschnitt.
14
Vgl. Liedtke, R.: Vertreibung der Stille, 2004, S. 144 bis 148.

11
in der Klassik bei Mozart, Haydn und Beethoven.
Viele Autoren sind davon überzeugt, dass grundsätzlich Musik mit mehr als 70
Hertz aufputschend und Musik mit weniger als 70 Hertz beruhigend wirkt.
Auffällig hierbei ist, dass ein Tempo von 60 Hertz die stärkste Reaktion des
menschlichen Körpers hervorruft. Dabei kommt es zur stärksten Entspannung
und zu einer Entkrampfung. Die einzige Erklärung hierfür liegt in der Theorie,
dass 60 Hertz die ursprüngliche Herzfrequenz des Menschen vor der Zeit des
Zivilisationsstresses war.
15
Therapeutisch nutzbare Wirkungen von Musik sind folgende:
16
Zielbereich
Reaktion
Körper Herz- Kreislauf
Senkung von Herzfrequenz und Blutdruck,
Gegenregulierung von
Herzrhythmusstörungen
Atmung
Minderung der Atemarbeit, Harmonisierung
des Atemrhythmus
Stoffwechsel
Senkung des Stresshormonspiegels,
Herabsetzung des Energieverbrauchs,
Herstellen der Schlafbereitschaft
Wahrnehmung
Erhöhung der
Schmerzempfindlichkeitstoleranz
Motorik
Herabsetzung der Muskelspannung,
Lösen von Muskelkrämpfen
Medikamentenbedarf Reduktion des Schmerzmittelverbrauchs
Psyche Psychomotorik
Minderung motorischer Unruhe,
Verhinderung von Muskelzittern
Subjektives Befinden Weniger/ keine Angst, Reduziertes
Schmerzempfinden, Gestärktes Vertrauen/
Selbstvertrauen, Emotionale Entspannung
Ablenkung/ Tagträumen
Medikamentenbedarf Reduktion des Psychopharmakaverbrauchs
15
Vgl. Van Deest, H.: Heilen mit Musik, 1997, S. 31 bis 33.
16
Vgl. Bruhn/ Oerter/ Rösing: Musikpsychologie, 1993, S. 93.

12
4.2 Musik und Emotionen
Doch ob unsere körperlichen Reaktionen wirklich nur an der Musik liegen,
oder es zudem ausschlaggebend ist, was sich in dem Moment in unseren
Köpfen abspielt, darüber streiten sich die Wissenschaftler bis heute. Die
Autoren Delius und Fahrenberg z.B. gehen 1966 davon aus, dass körperliche
Vorgänge und psychische Prozesse gleichzeitig geschehen. Auch Stokvis
(1958) beschreibt, dass ,,Affekterleben und Affektausdruck" zusammen
gehören.
17
Bruhn, Oerter und Rösing veröffentlichen 1985, dass Emotionen:
-
Wahrnehmungen von Musik beeinflussen,
-
Emotionale Effekte von Musik bestimmen und
-
Die Hörumwelt über Motivationsbildung und resultierendes Verhalten
beeinflussen.
18
Durch die anatomische Verknüpfung zwischen Gehör, Thalamus und
limbischem System ist bereits die Voraussetzung für den engen
Zusammenhang emotionaler und vegetativer Prozesse gegeben. Der Reiz wird
über das Rückenmark aufgenommen und über das Zwischenhirn zur Hirnrinde
weitergeleitet. Die Hirnrinde arbeitet ebenfalls im schlafenden Zustand, was
darauf hindeutet, dass Musik auch dann wirkt, wenn wir uns der Musik nicht
bewusst sind. Die Hirnrinde beeinflusst das vegetative Nervensystem, welches
auf Puls, Blutdruck, Atmung und Hautwiderstand wirkt. Allerdings spiegelt
sich nur die Intensität des Erlebnisprozesses in der physiologischen Reaktion
wieder, jedoch nicht die Qualität dessen. ,,Somit können wir an den
biologischen Parametern (wie Hautwiderstand, Atmung, Blutdruck,
Pulsfrequenz, Muskelspannung, hirnelektrische Aktivitäten usw.) nicht
ablesen, ob etwas als belastend oder als glücklich erregend empfunden wird."
19
Um es anders zu sagen, die körperlichen Reaktionen hängen nicht von der Art
der Musik ab, sondern von ihrem emotionalen Gehalt.
20
Musik kann zu Ekstase, Entspannung, Trance und ähnlichen Zuständen führen.
Die allgemeine positive Wirkung von Musik findet weitreichenden Einsatz wie
z.B. in der Musiktherapie oder in der Medizin. Doch an dieser Stelle sei auch
kurz erwähnt, welche negativen Emotionen Musik hervorrufen kann.
17
Vgl. Harrer, G.: Grundlagen der Musiktherapie, 1975, S. 80.
18
Vgl. Bruhn/Oerter/Rösing: Musikpsychologie, 1985, S. 181.
19
Harrer, G.: Grundlagen der Musiktherapie, 1975, S. 81, erster Absatz.
20
Vgl. Liedtke, R.: Vertreibung der Stille, 2004, S. 150.

13
Immer wieder standen Musikstücke in den vergangenen Jahrhunderten in der
Kritik, bei denen Musiker während oder nach der Darbietung starben, wie z.B.
in England Schuberts ,,Unvollendete" oder Tschaikowskys ,,Pathétique", die
als Todessymphonien galten. In den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
wurde das ungarische Stück ,,Trauriger Sonntag" von Reszö Seress verboten,
weil die ,,melancholische Melodie nachweislich eine Selbstmordwelle zur
Folge hatte, ähnlich wie lang zuvor in der Literatur Goethes `Leiden des jungen
Werther`".
21
Solche und ähnliche Gegebenheiten sind durch alle Jahrhunderte hindurch zu
verzeichnen, wobei bei den meisten nicht deutlich wird, was hierbei
Aberglaube und was Tatsache ist.
Den Zusammenhang zwischen Emotionen und Musik erklären sich viele
Wissenschaftler auf unterschiedliche Art und Weise. Es hat sich allerdings die
Diskrepanztheorie als eine der wichtigsten heraus kristallisiert. Diese Theorie
besagt, dass Emotionen abhängig von Erfahrungen sind, das heißt wir reagieren
auf Erlebnisse mit Emotionen. An dem folgenden Beispiel lässt sich die
Theorie gut erklären:
Wir sind mit einem guten Bekannten zum Essen verabredet. Nun können
verschiedene Dinge passieren:
a)
Unser Bekannter erscheint nicht. Es entstehen negative Emotionen
(Wut, Trauer, Enttäuschung...) da etwas Unerwartetes geschehen ist.
b)
Der Bekannte kommt. Unsere Emotionen halten sich zurück, sind
neutral, denn unsere Erwartung hat sich erfüllt.
c)
Der Bekannte bringt überraschend eine Person mit, die wir sehr mögen.
Wir haben das nicht erwartet und sind positiv überrascht.
Mit dieser Theorie lässt sich auch erklären, warum Menschen ständig andere
Emotionen verspüren. Wir fühlen uns auf Dauer nur wohl, wenn immer wieder
kleine, emotional positive Ereignisse auftreten. Wir werden deprimiert bei
ständigen Rückschlägen oder Missgeschicken.
Auch Musik baut in uns Erwartungen auf, die dann entweder erfüllt werden
oder nicht. Je länger die Auflösung solcher Erwartungen zurück gehalten wird,
desto stärker sind die dann entstandenen Emotionen. Liedtke konnte dies
anhand der Titelmelodie zu Pink Panther beweisen.
22
21
Liedtke, R.: Vertreibung der Stille, 2004, S. 171.
22
Liedtke, R.: Vertreibung der Stille, 2004, S. 183.

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Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2005
ISBN (eBook)
9783958208735
ISBN (Paperback)
9783958203730
Dateigröße
5.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Kassel
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
wirkung musik eine bestandsaufnahme erhebungen
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