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Factoring als alternative Finanzierungsform für den Mittelstand

©2007 Diplomarbeit 57 Seiten

Zusammenfassung

Seit der Einführung genauer Bonitätsbeurteilungsverfahren (Rating) in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre sind mittelständische Unternehmen, deren Finanzierung klassischerweise fast ausschließlich bankenorientiert war, besonders von der restriktiveren Kreditvergabepolitik der Banken betroffen. Immer mehr dieser Unternehmen sehen sich dadurch gezwungen, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen. Eine dieser alternativen Finanzierungsformen, die seit Jahren kontinuierlich wächst, ist das Factoring. Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob das Factoring als Finanzierungsform von mittelständischen Unternehmen als Alternative zur klassischen Mittelstandsfinanzierung genutzt werden kann. Die zweistelligen Wachstumsraten des deutschen Factoringmarkts in den letzten Jahren zeigen, dass bereits viele mittelständische Unternehmen das Factoring als ergänzende oder alternative Finanzierungsform entdeckt haben. Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten der klassischen Mittelstandsfinanzierung ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


IV
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Mittelstand nach quantitativen und qualitativen Definitionsmerkmalen 4
Abb. 2: Anteil der Unternehmen mit Gewinnen und Verlusten
5
Abb. 3: Ertragslage im Mittelstand
6
Abb. 4: Das Factoring-Dreieck
10
Abb. 5: Beziehung zwischen Factoring-Kunde und ­Institut
13
Abb. 6: Umsatzentwicklung im Factoring 2002 ­ 2006 (in Mio. Euro)
19
Abb. 7: Abgrenzung des Factorings zum Zessionskredit
21
Abb. 8: Insolvenzen und Forderungsverluste in Deutschland 2001 ­ 2007
25
Abb. 9: Die Bilanz vor und nach Factoring
28
Abb. 10: Musterrechnung eines Textilunternehmens
30
Abb. 11: Kosten und Nutzen des Factorings
31

1
1.
Problemstellung und Ziel der Arbeit
In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs bis in die Mitte der 90iger Jahre war es für
mittelständische Unternehmen in Deutschland unproblematisch, ihre Betriebsmittel-
finanzierung mit Bankkrediten zu realisieren. Das Angebot an Kreditmitteln übertraf die
Nachfrage bei den Unternehmen.
In der zweiten Hälfte der 90iger Jahre änderte sich der Markt. Der deutsche Kreditmarkt
befand sich im internationalen Vergleich in der Krise, welche einen umfassenden
Veränderungsprozess auslöste. Die Banken stellten ihr Firmenkundengeschäft in Frage
und wurden durch die die neuen internationalen Richtlinien zur Eigenkapital-
hinterlegung bei Bankkrediten (Basel II) dazu gezwungen, ihr gesamtes Kreditportfolio
auf den Prüfstand zu stellen. Als Entscheidungsmittel für die Kreditvergabe wurden
genaue Bonitätsbeurteilungsverfahren (Rating) eingeführt, und die Einheitszinsen bei
den Kreditkonditionen durch risikoabhängige Zinsen ersetzt.
Mittelständische Unternehmen, deren Finanzierung klassischerweise fast ausschließlich
bankenorientiert war, sind seitdem besonders von der restriktiveren Kredit-
vergabepolitik der Banken betroffen. Oftmals können die Unternehmen die neuen
Kriterien bei der Kreditvergabe nicht erfüllen, wodurch der Kreditzugang erschwert,
verteuert und teilweise verhindert wird. Auch die anderen Formen der klassischen
Mittelstandsfinanzierung, die Eigenfinanzierung und der Lieferantenkredit, können
oftmals nur begrenzt zur Finanzierung eingesetzt werden. Immer mehr mittelständische
Unternehmen sehen sich dadurch gezwungen, alternative Finanzierungsmöglichkeiten
zu suchen. Eine dieser alternativen Finanzierungsformen, die seit Jahren kontinuierlich
wächst, ist das Factoring.
Gegenstand dieser Arbeit ist die Frage, ob das Factoring als Finanzierungsform von
mittelständischen Unternehmen als Alternative zur klassischen Mittelstandsfinanzierung
genutzt werden kann. Da Factoring neben der Finanzierungsfunktion auch andere
Komponenten beinhaltet, wird des Weiteren untersucht, welche zusätzlichen
Anwendungsmöglichkeiten sich aus diesen Komponenten für ein mittelständisches
Unternehmen ergeben können.
Zur Beantwortung dieser Fragen werden in Kapitel 2 die Bedeutung des deutschen
Mittelstands, die klassischen Formen der Mittelstandsfinanzierung und ihre Grenzen

2
beschrieben. Kapitel 3 vermittelt dem Leser das zum Verständnis der weiteren Arbeit
notwendige Grundwissen über Factoring. In Kapitel 4 wird zunächst eine Abgrenzung
des Factorings zur klassischen Mittelstandsfinanzierung vorgenommen und werden die
Potentiale, Auswirkungen, Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen des Factorings für
den mittelständischen Anwender aufgezeigt. Kapitel 5 fasst die Ergebnisse der Arbeit
zusammen und gibt einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung des Factorings als
Finanzierungsalternative für den deutschen Mittelstand.

3
2.
Der Mittelstand in Deutschland
2.1.
Bedeutung des Mittelstands
Für mittelständische Unternehmen, die in der Factoring-Literatur immer wieder als
typische Factoring-Kunden erwähnt werden
1
, existiert keine allgemeingültige
Definition. Aufgrund der Vielfalt der zu erfassenden Unternehmen hinsichtlich ihrer
Branche, Rechtsform und Größe, fällt es schwer, den Begriff ,,Mittelstand" zu
definieren.
2
In der wissenschaftlichen Forschung in Deutschland hat sich die Definition des Bonner
Institutes für Mittelstandsforschung (IfM) als allgemein akzeptiert durchgesetzt, nach
der mittelständische Unternehmen nach quantitativen und qualitativen Kriterien
abgegrenzt werden.
3
Gemäß den quantitativen Kriterien zählt ein Unternehmen zum
Mittelstand, wenn es einen Jahresumsatz von weniger als 50 Mio. Euro erzielt und
weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigt. Zu den qualitativen Kriterien werden die
Einheit von Eigentum und Unternehmensführung, eine enge Beziehung von
Unternehmer und Mitarbeitern, eine enge Verbindung von Unternehmen und
Unternehmer und die Konzernunabhängigkeit gerechnet.
4
Überführt man diese Definition in die Praxis, spricht man gemäß dem IfM Bonn
zusammenfassend von mittelständischen Unternehmen, wenn bis zu zwei natürliche
Personen oder ihre Familienmitglieder bis zu 50% der Anteile eines Unternehmens
halten und diese natürlichen Personen der Geschäftsführung angehören.
5
Eine korrekte
Erfassung des Mittelstands kann jedoch aufgrund der oben beschriebenen
Definitionsschwierigkeiten nur bedingt erfolgen.
6
1
Vgl. Bette (1999), S. 2; Schwarz (2002), S. 26, 60.
2
Vgl. Wolter/Hauser (2001), S. 27.
3
Vgl. Günterberg/Wolter (2002), S. 21.
4
Vgl. ebd.
5
Vgl. Wolter/Hauser (2001), S. 33.
6
Vgl. ebd., S. 30.

4
Unternehmen mit bis
500 Beschäftigten
Unternehmen mit über
500 Beschäftigten
Konzern-
Unternehmen
Abb. 1: Mittelstand nach quantitativen und qualitativen Definitionsmerkmalen
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Wolter/Hauser (2001), S. 31.
Der Mittelstand hat eine herausragende Bedeutung für die deutsche Volkswirtschaft.
7
In
Deutschland sind nach der oben genannten Definition des IfM Bonn mehr als 99% aller
Unternehmen dem Mittelstand zuzurechnen. Diese etwa 3,5 Mio. Unternehmen
produzieren knapp die Hälfte der Bruttowertschöpfung des Unternehmenssektors
8
und
tätigen 50% aller Unternehmensinvestitionen. Sie beschäftigen etwa zwei Drittel aller
Arbeitnehmer und bilden 73% aller Fachkräfte aus, womit sie zu Recht als Jobmotor der
deutschen Wirtschaft bezeichnet werden.
9
2.2.
Klassische Formen der Mittelstandsfinanzierung
Der deutsche Mittelstand finanziert sich traditionell über Eigenkapital, Bankkredite
10
und Lieferantenkredite.
11
Die Hauptquelle der Mittelstandsfinanzierung ist das
Eigenkapital, welches durch Einbehaltung von Gewinnen (Gewinnthesaurierung) oder
7
Vgl. ebd., S. 29.
8
Vgl. KfW (2007), S. V.
9
Vgl. KfW (2006), S. 5, 11.
10
Vgl. KfW (2006a), S. 6.
11
Vgl. Deutscher Factoring-Verband e. V. (2006), o. S.

5
durch Kapitalgeber erhöht wird.
12
Die meist gewählte Form der Finanzierung über
Eigenkapital ist die Gewinnthesaurierung.
13
Diese Art der Selbstfinanzierung ist jedoch
abhängig von der Ertragskraft und der Höhe der Kapitalentnahmen, bzw.
Gewinnausschüttungen.
14
Wie Abbildung 2 verdeutlicht, war das Selbstfinanzierungs-
potential über Gewinnthesaurierung aufgrund der schwachen Ertragslage des Mittel-
stands in den letzten Jahren beschränkt.
Abb. 2: Anteil der Unternehmen mit Gewinnen und Verlusten
Quelle: http://www.smittelstand.de/images/diagnose_2004_02.gif, 03.05.2007
Da sich die deutsche Wirtschaft aktuell in einer Phase des Aufschwungs befindet, stellt
sich die Frage, ob dieser Aufschwung die Ertragslage verbessert und somit das
Selbstfinanzierungspotential des Mittelstands über Gewinnthesaurierung erhöht hat.
Eine Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung im Frühjahr 2007 hat
gezeigt, dass tatsächlich eine Verbesserung der Ertragslage stattgefunden hat. Es
berichten nunmehr 18,7% der KMU über eine steigende Ertragslage (Vorjahr: 14,1%),
wohingegen sich die Quote der sinkenden Erträge um rund fünf Punkte von 37,3% auf
32,0% vermindert hat.
15
12
Vgl. KfW (2003), S. 65.
13
Vgl. ebd.
14
Vgl. ebd., S. 48.
15
Vgl. Verband der Vereine Creditreform e. V. (2007), S. 14.

6
Abb. 3: Ertragslage im Mittelstand
Quelle: Verband der Vereine Creditreform e. V. (2007), S. 14.
Trotz dieses Rückgangs ist der Anteil der Unternehmen mit gesunkenen Erträgen weiter
auf hohem Niveau.
16
Demzufolge ist für den Mittelstand das Potential der
Selbstfinanzierung durch Gewinnthesaurierung aktuell, wie in den vergangenen Jahren,
beschränkt.
Neben dem beschränkten Selbstfinanzierungspotential stehen auch andere Faktoren der
Eigenfinanzierung im Wege. So sind die Einnahmen des Unternehmens oft die einzige
Erwerbsquelle für die Familie des Unternehmers, wodurch die Entnahme-
entscheidungen häufig aufgrund persönlicher und nicht betriebswirtschaftlicher
Überlegungen getroffen werden müssen.
17
Weiterhin unterliegen die Gewinne des
Mittelstands konjunktur- oder wettbewerbsbedingten Schwankungen mehr als dies z. B.
bei Großunternehmen der Fall ist. Dies resultiert aus dem oftmals beschränkten
Produkt- und Kundenportfolio von mittelständischen Unternehmen, wodurch im
Gegensatz zu Großunternehmen, Diversifikationsstrategien zum Ausgleich von
Umsatzeinbußen nur begrenzt umgesetzt werden können.
18
Auch die Eigenkapitalbeschaffung durch neue Kapitalgeber kann nur begrenzt in die
Praxis umgesetzt werden. Die traditionell persönliche Bindung des Unternehmers an
sein Unternehmen beeinflusst die Wahl der Rechtsform, wodurch zumeist die
Rechtsform der GmbH gewählt wird. Für diese Entscheidung spricht zusätzlich die
Haftungsbeschränkung auf die Gesellschaftereinlage.
19
Viele Unternehmen verfügen
aufgrund der gewählten Rechtsform und/oder zu geringen Umsatzgrößen über eine
mangelnde Emissionsfähigkeit, wodurch sie keine Aktien an Kapitalgeber ausgeben
16
Vgl. ebd.
17
Vgl. Krimphove/Tytko (2002), S. 7.
18
Vgl. Krimphove/Tytko (2002), S. 7.
19
Vgl. ebd.

7
können und ihnen der Weg zum Kapitalmarkt versperrt ist.
20
Generell scheidet der
Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle für den Großteil der mittelständischen
Unternehmen aus, da sie die Mindestanforderungen im Eigen- und Fremdkapitalbereich
nicht oder nur zu sehr hohen Kosten erfüllen können.
21
Die oben genannten Faktoren erklären, warum der Bankkredit bei der Beschaffung
externer Finanzmittel für mittelständische Unternehmen eine dominante Position
einnimmt. Aber auch bei dieser Finanzierungsquelle stoßen viele Unternehmen an
Grenzen. Über einen langen Zeitraum war es für sie einfach, günstige Bankkredite zu
erhalten.
22
In den letzten Jahren wurde ihnen der Kreditzugang jedoch zunehmend
erschwert, was zumeist mit den neuen Baseler Eigenkapitalvorschriften (Basel II) in
Verbindung gebracht wird.
23
Durch diese Vorschriften wurde die aufsichtsrechtlich
vorgesehene Eigenkapitalhinterlegung der Bank an das Rating des Kreditnehmers
gekoppelt. Dieses Rating ist eine Weiterentwicklung und Systematisierung der
Kreditwürdigkeitsprüfung der Banken und soll transparent und nachvollziehbar sein.
Mittelpunkt der Prüfung ist die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit des
Kreditnehmers als Grundlage für die Berechnung des Kreditrisikos.
24
Demnach muss
die Bank für Unternehmen mit ,,schlechtem" Rating prozentual mehr Eigenkapital
bilanziell hinterlegen, als für Unternehmen mit ,,gutem" Rating.
25
Mittelständische Unternehmen sind in Deutschland meist unzureichend mit
Eigenkapital ausgestattet.
26
Auch ist es für sie oft schwer, die neuen Bedingungen für
die Informationsbereitstellung an den Banken zu erfüllen.
27
Da dies zwei wesentliche
Komponenten des Ratings sind, führt das neue Rating-Verfahren zu einer
Verschlechterung der Bonität vieler Unternehmen in Vergleich zu den alten Verfahren
der Kreditwürdigkeitsprüfung.
28
Ebenso trug die schlechte Ertrags- und Kostensituation
der Banken, verbunden mit einem hohen Wertberichtigungsbedarf dazu bei, dass sich
20
Vgl. Ahrweiler/Börner (2003), S. 7.
21
Vgl. ebd.
22
Vgl. KfW (2006b), S. 45.
23
Vgl. Deutscher Factoring-Verband e. V. (2006a), o. S.
24
Vgl. Lubitz (2003), S. 141.
25
Vgl. von Boehm-Bezing (2002), S. 162 f.
26
Vgl. KfW (2006a), S. 1; Bette (1999), S. 2: Mayer (1997), S. 104.
27
Vgl. Deutscher Factoring-Verband e. V. (2006a), o. S.
28
Vgl. KfW (2003), S. 45 f.

8
die Kreditinstitute auf ertragsreiches Geschäft konzentrierten und ihr Kreditangebot für
KMU verringerten.
29
Eine Untersuchung der KfW Bankengruppe bestätigt die geänderte Kreditvergabepolitik
der Kreditinstitute. Sie ist der Frage nachgegangen, ob sich aus Unternehmersicht der
Zugang zu Bankkrediten im Zeitraum von 2001 bis 2005 verändert hat.
30
Die Befragung
zeigt, dass seit 2002 der Anteil der Unternehmen, die eine Verschlechterung beim
Kreditzugang melden, abnimmt, während der Anteil an Unternehmen, die einen
erleichterten Kreditzugang melden, steigt. Von diesen Tendenzen profitieren aber
vornehmlich große Unternehmen, die ihre Eigenkapitalquote verbessern konnten,
während sich kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als 10 Mio.
Euro, begründet durch ihre geringe Eigenkapitalausstattung, weiterhin in einer
schwierigen Kreditsituation befinden.
31
Bei den weiteren Begründungen für den
verschlechterten Kreditzugang fällt auf, dass die betroffenen Unternehmen immer
seltener melden, überhaupt keinen Kredit zu bekommen oder mit zu hohen
Anforderungen an den Sicherheiten konfrontiert zu werden. Dagegen treten gestiegene
Anforderungen an die Informationsbereitstellung für die Banken stärker als
erschwerender Faktor bei der Kreditaufnahme in den Vordergrund, was auf die
Einführung des Ratings zurückzuführen ist.
32
Das Rating-Verfahren hat für Unternehmen mit unzureichender Bonität weitere
negative Folgen. Neben dem geringeren Kreditangebot wurden die Einheitszinsen, die
seit vielen Jahren vorherrschten, durch bonitätsabhängige Zinsen ersetzt.
33
Demnach
werden von mittelständischen Unternehmen, die eine geringe Bonität ausweisen, für
einen Kredit wesentlich höhere Zinsen verlangt, als von Unternehmen mit einer guten
Bonität.
34
Eine weitere Form der klassischen Mittelstandsfinanzierung ist der Lieferantenkredit,
welcher oftmals ergänzend zum Bankkredit in Anspruch genommen wird.
35
Beim
29
Vgl. Deutsche Bundesbank (2002), S. 40, 43, 45.
30
Vgl. KfW (2006b), S. 45.
31
Vgl. ebd.
32
Vgl. KfW (2006b), S. 45.
33
Vgl. Keiner (2001), S. 94.
34
Vgl. ebd.
35
Vgl. Deutscher Factoring-Verband e. V. (2006a), o. S.

9
Lieferantenkredit gewährt der Lieferant seinen Kunden einen Kredit, indem er ihm ein
Zahlungsziel einräumt. Dieser Kredit ist eine übliche Form der Waren-
umschlagsfinanzierung und wird meist für 30 bis 90 Tage gewährt. Zahlt der Abnehmer
vor Ablauf des Zahlungsziels, kann er Skonto, eine Art von Rabatt, abziehen.
36
Im
Vergleich zum kurzfristigen Bankkredit ist diese Finanzierungsform sehr teuer. Lautet
die Zahlungsbedingung z. B. ,,Zahlung innerhalb von 10 Tagen mit 2% Skonto,
innerhalb von 30 Tagen netto" und nimmt das Unternehmen dieses Zahlungsziel in
Anspruch, verliert es 2% vom Rechnungsbetrag als Skonto und zahlt damit für 20 Tage
Zinsen. Rechnet man diese Zinsen auf ein Jahr, bzw. 360 Tage hoch, ergibt dies einen
Zinssatz von 36 % p. a.
37
Betrachtet man die oben beschriebenen klassischen Formen der Mittelstands-
finanzierung im Überblick, kommt man zu dem Ergebnis, dass diese
Finanzierungsinstrumente für mittelständische Unternehmen oftmals nicht oder nur
schwer einsetzbar sind. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird untersucht, ob das
Factoring als Alternative zu diesen Finanzierungsformen genutzt werden kann.
36
Vgl. de Maizière (2002), S. 410 f.
37
Vgl. ebd.

10
3.
Grundlagen des Factorings
3.1.
Definition des Factorings
Betrachtet man den Kern des Factoring-Geschäfts, lautet die kürzeste Definition für das
Factoring: Factoring ist der käufliche Erwerb von Forderungen.
38
Eine umfassendere Definition, die Factoring in seiner in Deutschland üblichen Form
beschreibt, lautet: Factoring ist der fortlaufende Kauf von kurzfristigen Forderungen aus
Warenlieferungen oder Dienstleistungen gegen Mehrfachabnehmer.
39
Diese Definition
grenzt somit Einzelforderungen und langfristige Forderungen aus und erfasst nur auf
eine gewisse Dauer angelegte Geschäftsverbindungen, in deren Rahmen stets neu
entstehende Forderungen des Factoringkunden laufend angekauft werden. Der Deutsche
Factoring-Verband e. V., der ca. 95 % des deutschen Marktvolumens über seine
Mitglieder abdeckt fügt hinzu, dass Factoring der kurzfristigen Umsatzfinanzierung und
dem hundertprozentigen Schutz vor Forderungsausfällen dient. Weiterhin gehört zum
Factoring ein effizientes Debitorenmanagement.
40
Abb. 4: Das Factoring-Dreieck
Quelle: http://www.commerzfactoring.de/basiswissen/wasistfactoring.html, 04.05.2007.
38
Vgl. Bette (1999), S. 15; Bette (2001), S. 46.
39
Vgl. Borgel (1997), S. 148; Bette (1999), S. 15; Bette (2001), S. 46.
40
Vgl. Deutscher Factoring-Verband e.V. (2006b), o. S.

11
Sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung sieht man in dem Factoring-
Geschäft einen Forderungskaufvertrag. Dies wurde durch die grundlegende
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1978
41
bestätigt. Demzufolge ist das
Factoring den Regelungen über den Kaufvertrag gemäß §§ 433 ff. BGB zuzuordnen.
42
Die Erfüllung des Kaufvertrags durch den Forderungsverkäufer erfolgt durch die
Abtretung der Forderung an den Factor, der seinen Teil des Kaufvertrages durch
Zahlung des Kaufpreises der Forderung erfüllt.
43
3.2.
Funktionen des Factorings
3.2.1.
Finanzierung
In Absatz 3.1 wurde bereits erwähnt, dass Factoring ein Kaufgeschäft ist. Demnach
erscheint der Begriff der Forderungsfinanzierung in diesem Zusammenhang als
missverständlich.
44
Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch ein anderes Bild.
Tatsächlich tritt aus der Sicht des Forderungsverkäufers ein Finanzierungseffekt ein.
Dieser entsteht durch den Verkauf der Forderungen sobald diese entstanden sind; das
Unternehmen wandelt seine Forderungen in liquide Mittel um. Aufgrund dieses Effekts
ist es betriebswirtschaftlich gesehen legitim, von einer Finanzierungsfunktion im
Factoring zu sprechen.
45
3.2.2.
Versicherung
Durch den Ankauf einer Forderung übernimmt die Factoring-Gesellschaft (Factor) das
Ausfallrisiko dieser Forderung zu 100%.
46
Das Risiko ihrer Uneinbringlichkeit
aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geht rechtlich und wirtschaftlich
durch den Verkauf auf den Erwerber der Forderung über.
47
Aus der Sicht des
Factoringkunden ist es nur bedingt richtig, von einer Versicherung der Forderung zu
sprechen, da er die Forderung verkauft hat.
48
Der Effekt der Risikoübertragung ist
jedoch vergleichbar mit der Warenkreditversicherung, die ebenfalls das Ausfallrisiko
41
Vgl. BGH-Urteil v. 7.6.1978.
42
Vgl. Bette (1999), S. 48 f.
43
Vgl. Bette (2001), S. 50; Bette (1999), S. 25.
44
Vgl. Bette (1999), S. 17.
45
Vgl. ebd.
46
Vgl. Brink (1997), S. 198; Bette (1999), S. 17; Schwarz (2002), S. 30.
47
Vgl. Bette (1999), S. 17.
48
Vgl. Brink (1997), S. 198; Bette (1999), S. 17.

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Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783958208742
ISBN (Paperback)
9783958203747
Dateigröße
3.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Krefeld
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
factoring finanzierungsform mittelstand
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