The Bug Is The Plug: Die Präsenz der Abwesenheit
©2012
Bachelorarbeit
71 Seiten
Zusammenfassung
Das Thema, mit dem sich die Autorin in dieser Arbeit beschäftigt, fragt nach der Wirkungsweise von Präsenzerfahrungen, die in Störungsmomenten im medialen Kontext erlebt werden und dessen Bezug auf die körperleibliche Verfasstheit des Menschen. Die Ergebnisse der Studie werden schließlich hinterfragt und die Stellung des Medienbegriffs als viel versprechendes Forschungsfeld für allerlei Phänomene innerhalb der Wahrnehmungslehre und Zeichenlehre aufgezeigt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Zunächst werde ich mich im ersten Teil der Arbeit (II. Die Evidenz der Präsenz und
das Aufscheinen der Abwesenheit) mit dem Begriff der Präsenz auseinandersetzen.
Schon an dieser Stelle wird der Begriff der Abwesenheit auftauchen, der ebenso in
Bezug zur Etymologie des Begriffs der Präsenz und der erkenntnistheoretischen
Herleitung des Begriffs der Präsenz spiegelbildlich zu erläutern ist. Dazu werde ich
René Descartes Postulat cogito ergo sum
2
fokussieren, um den Stellenwert der
Präsenz als Grundbaustein der abendländischen Philosophie zu explizieren. Die
Verbrämung der Abwesenheit in den Keller des Unbewussten ist so als Folge der
Verabsolutierung der Präsenz zu denken. Doch so ganz verschwindet die
Abwesenheit nie. Sie taucht an den Grenzen des Bewusstseins auf und lässt sich in
Phänomenen wie der Fata Morgana, der Aura und nicht zuletzt auch durch
technische Medien wie den Fotoapparat, der einen längst vergangenen Augenblick
auf einem Foto festhält, wahrnehmen.
Im zweiten Teil (III. Die Mitte ist ein Dazwischen) wird sich schon der Begriff und das
Phänomen des Mediums als ein Modell der Mitte zwischen der Präsenz und ihrem
Gegenpart (Absenz) andeuten. Das Medium ist in der Wahrnehmungslehre, - zieht
man Aristoteles Überlegung zum ,Sehen hinzu, der zwischen Auge und Gegenstand
ein unsichtbares Drittes
3
vermutet, das erst das Wahrnehmen des Gegenstandes
ermöglicht und nur in der Trübung des Auges, also in seiner Fehlerhaftigkeit, selbst
erst hervortritt - , immer einerseits geprägt durch seine Position der Mitte und
andererseits durch seine Transparenz und damit seine Unbeschreibbarkeit. Denn der
Medienbegriff ist auch eine dialektische Kategorie. So bezeichnet sein Begriff
einerseits eine Mitte, die er, indem er sie bezeichnet, auch sogleich ist - andererseits
entzieht sich aber dieser Begriff der Einordnung und steht zwischen dichotomischen
Unterscheidungen.
An dieser Stelle ist es ratsam auf den spezifischen Charakter der Medialität, also der
Gleichzeitigkeit und Gegenwendigkeit von Transparenz und Opazität hinzuweisen
2
Vgl. Descartes, René, Meditationen, Meditationen, Meiner Verlag, Hamburg, 2008
3
Das Dritte ist auch ein Dazwischen. Aristoteles nennt es: metaxu. Vgl. dazu Mersch, Dieter,
Einführung in die Medientheorie, Junius Verlag, Berlin, 2005, S. 19
2
und die Verbindung zu einem Aufscheinen der Abwesenheit herzustellen. Dazu ist
Martin Heideggers Begriff des Phänomens hinzuzuziehen, um die Sich-an-ihr-selbst-
zeigende Präsenz der Abwesenheit zu beschreiben. Weiter werde ich die
Entwicklung des Medienbegriffs erst in der Wahrnehmungslehre und dann in der
Ästhetik beschreiben, um das Verhältnis des Mediums zur Stofflichkeit
beziehungsweise Materialität zu erörtern. Weitergehend wird die spezifische
Zeichenhaftigkeit des Mediums und seines Begriffes zu klären sein, der den
semiotischen Strang der Medientheorie beschreibt und dem Medium jeden
aisthetischen Gehalt abspricht. Danach möchte ich mit Hilfe einer neueren Strömung
innerhalb der Medientheorie aufzeigen, dass das Wesen des Mediums gerade in
seinem aisthetischen Bezug liegt. Gerade in der Störung, die hier als Teil des
medialen Vollzugs verstanden werden soll, ergibt sich ein Bezug zur
Gegenwärtigkeit, der ganz und gar zeigt, dass Medien nicht in bloßer Abwesenheit
verharren. Dabei werde ich Heideggers Ereignisbegriff erläutern, um die spezifische
Gegenwärtigkeit zu formulieren. Auch Marshall McLuhans These, dass Medien sich
auf das menschliche Sensorium auswirken, wird hinzuziehen sein. Ebenso wird John
L. Austin hinzugezogen, um den performativen Charakter einerseits des
Medienbegriffs und andererseits des Phänomens des Mediums zu beschreiben.
Im dritten Teil ( IV. The bug is the plug) der Arbeit werde ich das Phänomen der
Störung und die daraus resultierenden Präsenzerfahrungen herleiten. In der
informationstheoretischen Medienphilosophie bedeutet die Störung einen
Problemfall. Sie verhindert die Übermittlung von Information. Dennoch ist gerade das
Phänomen der Störung für eine Auseinandersetzung mit Präsenz besonders
ertragreich. Deutlich gemacht werden soll, wie ein positiver Medienbegriff die Störung
als Teil der Vollzugslogik von Medien konzipiert. Die Störung kann als positive
Möglichkeitsbedingung
4
für eine neue Beschäftigung mit Präsenz ertragreich sein.
Wenn eine Störung eintritt, so verschwindet die Information zu Gunsten des
Mediums, das dann als solches sichtbar wird. Das Wesen des Mediums liegt in
seiner paradoxen Gleichzeitigkeit von An- und Abwesenheit. In der Störung wird
diese Gleichzeitigkeit unterbrochen und die Materialität des Mediums präsent. Das
4
Vgl. Rautzenberg, Markus, Gegenwendigkeit der Störung, diaphanes, Berlin-Zürich, 2010,
S.145
3
Aufscheinen der Materialität in performativer Manier macht das Medium als Form
erlebbar. An der Schwelle zur Materialität wird Präsenz erfahrbar. Allerdings wird
nicht nur die Materialität des Mediums gegenwärtig, sondern auch die Immaterialität
des Sinns. Durch diesen Aspekt ist es möglich semiotische Prozesse und
aisthetisches Erleben nicht als dichotomische Paare zu begreifen, sondern als sich
gegenseitig bedingende Seiten eines Prozesses zu erkennen. Die den Menschen in
Störungsmomenten erfassende Gegenwärtigkeit sei, so Markus Rautzenberg, dem
Einbruch des Realen
5
geschuldet und nur durch den aisthetischen Gehalt des
Mediums, der hier in dem Immersionserlebnis deutlich wird, erfahrbar. Er stellt dem
osmotischen Verhältnis von semiosis und aisthesis eine dritte Figur an die Seite: die
ekstasis. In dem Erleben der totalen Gegenwärtigkeit ereignet sich ein Aus-sich-Sein.
Nun ist zu fragen, inwieweit nun das Erleben von Präsenz durch das Phänomen der
Störung die mediale Verfassung der Körperleiblichkeit beziehungsweise das
Wahrnehmen dieser Verfasstheit verändert? Im vierten Teil (V. Die Bewegung des
Aus-Sich-Seins) der Arbeit wird es um die körperleibliche Verfasstheit des Menschen
gehen und seinen Bezug zur Medialität des Mediums. Besonders hilfreich wird hier
Merleau-Pontys Phänomenologie der Wahrnehmung sein. An dieser Stelle werde ich
meine These, dass in der Bewegung (kinesis) des Aus-sich-Seins (ekstasis) die
Körperleiblichkeit des Menschen einen Moment lang an seine Grenzen kommt und
die Bewegung der ekstasis einen Zwischenbereich oder eine Schnittstelle offen legt,
an der das reflexive Körpersubjekt dem leiblichen So-Sein den Vortritt lässt und so
nur einen Augenblick lang die Welt und der Weltbezug nicht nur durch den Körper
be-greif-bar oder herstellbar scheint, ausformulieren.
Im fünften Teil (VI. Die Un-Möglichkeit der Handlung) der Arbeit werde ich mich mit
der in der Störung erlebten Präsenz auseinandersetzen und inwieweit diese einen
(Un-)Möglichkeitssinn produzieren kann. Parallel dazu wird der Möglichkeitssinn zu
hinterfragen sein, der in virtuellen Szenarien ebenso, aber auf gänzlich andere
Weise, stimuliert wird. Wieweit sich die technischen Medien und Computerspiele wie
Simple Life auf den Menschen auswirken und seinen Möglichkeitssinn von Präsenz
entkoppeln und einen anderen Materialitätsbegriff und Körperbegriff evozieren,
5
Vgl. ebd. S.61 ff.
4
werde ich erläutern. Warum der Möglichkeitssinn ebenso eine Unmöglichkeit in sich
birgt und wie diese Handlung positiv stimulieren kann, werde ich weiterführend
klären. Im letzten Punkt werde ich die Handlungsmöglichkeiten, die sich aus dem
Umgang einerseits mit Präsenz im medialen Kontext und andererseits mit virtuellen
Welten und Szenarien ergeben, erörtern. Dabei werde ich meine These, dass im
Moment des Erlebens von Präsenz eine Form von Lebendigkeit spürbar wird, die
einerseits einen gewissen Möglichkeitssinn konstituiert und andererseits das
Bewusstsein der eigenen Körperleiblichkeit zur Folge hat und so einen Begriff von
Handlung evoziert, der sich auf die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse
bezieht.
Im Schluss werde ich meine Ergebnisse hinterfragen und die Stellung des
Medienbegriffs als viel versprechendes Forschungsfeld für allerlei Phänomene
innerhalb der Wahrnehmungslehre und Zeichenlehre aufzeigen.
5
II. Die Evidenz der Präsenz und das Aufscheinen der
Abwesenheit
,,Ich war so ergriffen, dass ich
unwillkürlich murmelte: ,Rühren sie sich nicht,
ich glaube, da ist jemand. - ,Jemand? Hier? -
,Jemand schaut uns durch die Scheide an. ,Durch die Scheibe? (...)
Ich hörte aber noch, wie er sagte: ,Wissen Sie, da ist niemand. "
Maurice Blanchot
6
Der Begriff der Präsenz hat seinen Ursprung im Lateinischen prae-esse, der ein
(räumliches oder zeitliches) voraus sein
7
bedeutet. Das französische présence
bedeutet Zugegensein. Im Deutschen unterscheidet man in Bezug auf den
Oberbegriff der Präsenz zwischen den Begriffen Anwesenheit und Gegenwart, wobei
ersterer die räumliche Anwesenheit ausweist und letzterer die zeitliche Gegenwart
bestimmt. Diese Unterscheidung lässt sich sonst in keiner anderen romanischen,
lateinischen oder angelsächsischen Sprache finden. Etwas ist präsent, weil keine
Zeit vergeht bis es zur Verfügung steht, - etwas ist also unmittelbar gegenwärtig-,
und es vergeht deshalb keine Zeit, weil es anwesend, - also räumlich vorhanden -,
ist. Im Deutschen ist es schwierig die Zeit nicht durch räumliche Begriffe zu
beschreiben, genauso wenig wie den Raum durch zeitliche.
8
Im Folgenden möchte ich mich an den Begriff der Präsenz halten, der wie in der
französischen Bedeutung ein Zugegensein beschreibt, allerdings werde ich auch die
Begriffe Anwesenheit und Gegenwart synonym für diesen verwenden, nicht ohne an
manchen Stellen darauf hinzuweisen, wann es eventuell von nutzen oder vonnöten
sein kann den Begriff der Gegenwart oder den der Anwesenheit zu differenzieren.
6
Jener der mich nicht begleitete, Urs Engeler Editor, Basel/Weil am Rhein, 2006
7
Metzler Lexikon Theatertheorie Hrsg. Fischer-Lichte/Kolesch/Warstat, Stuttgart, 2005,
S.250
8
http://de.wikipedia.org/wiki/Präsenz, Zuletzt zugriffen am 17.8.2012
6
Wenn es an späteren (zeitlich) Stellen (räumlich) um das tatsächliche Erleben und
Wahrnehmen von Präsenz geht, wird sich die Differenz der beiden deutschen
Begriffe Gegenwart und Anwesenheit auflösen, da die Plötzlichkeit bzw.
Ereignishaftigkeit der Präsenz wesentlich in der Indifferenz der räumlichen und
zeitlichen Wahrnehmung besteht.
9
In der Philosophie- und Theologiegeschichte umschrieb der Begriff der Präsenz
lange Zeit die Anwesenheit oder die Präsenz Gottes.
10
Allgemeiner wurde auch der
Begriff des Seienden mit dem der Präsenz verknüpft.
11
In der frühen Neuzeit
fundierte sich in der Annahme einer unmittelbaren Evidenz das Denken von Präsenz
als Grundbaustein der abendländischen Metaphysik. Maßgeblich prägend dafür
waren René Descartes' Überlegungen zur originären Evidenz.
Descartes ging ,,in aller Regel von einem Punkt der Gewissheit aus, der dem Denken
unmittelbar verfügbar und insofern präsent ist."
12
Der Gedanke der Präsenz schien
hier nicht mehr den theologischen Impetus zu enthalten, wobei die Methode des
Zweifels einem Zweiflergott anhand gestellt wurde, der in Form des Deus ex
machina in Descartes Ausführungen Einfluss fand, um eine ursprüngliche
Anwesenheit ausfindig zu machen. Sein Postulat cogito ergo sum ich denke, also
bin ich geht aus der Frage hervor, was bliebe, wenn man an allem zweifle. Seine
Frage ist so angelegt, dass er seine Gewissheit nur im Anwesen von etwas erfüllt
sieht und somit koppelt er die Vorstellung einer Evidenz an den Gedanken von
Präsenz. Da Descartes das Geistige beziehungsweise das Denken nun die
Sicherheit gab zu existieren, kam der Dingwelt eine zweitrangige Stellung zu, weil
alles Wahrzunehmende potentiell täuschend sei.
9
Eine ausdifferenzierte Betrachtung der Zeit als philosophische Einheit wäre erhellend und
würde den Kreis der Überlegungen zur Präsenz erweitern, ist an dieser Stelle aber leider ein
zu großes Unterfangen ohne den Fehler eines zu oberflächlich geratenen Exkurses zu
machen.
10
Metzler Lexikon Theatertheorie, Hrsg. Fischer-Lichte/Kolesch/Warstat, Stuttgart, S.251
11
Seiendes (wesenhaftes Sein) -> Ousia (griech.) wurde als Anwesenheit verstanden
12
http://www.philosophie.uni-osnabrueck.de/Lavagno%20Einfuehrung%20Derrida.pdf, S.7,
Zuletzt zugegriffen 3.6.09
7
,,Das Ergebnis ist die unüberwindbare Trennung der beiden Substanzen res
cogitans und res extensa."
13
In der Konstruierung der geistigen Substanz als dem Menschen wesenhaftes formte
sich gleichwohl die ihn umgebende Welt als Objekt des Geistes und wurde
demnach Gebrauchsgegenstand des Geistes und damit des Subjekts, das so seine
Vormachtstellung gegenüber allem Sinnlich-Natürlichen behaupten konnte. Daraus
resultierten Konzeptionen vom Erkennen der Welt als etwas dem Menschen
Entgegengesetztes, Anwesendes, auf das Bezug genommen wird. Im Zuge der
Differenzierung von sinnlicher und denkender Substanz entwickelten sich
Dualismen, die der Mensch verlernte als Einheit zu denken. Die Seele schien vom
Leib unauflöslich verschieden, das Innen vom Außen, das Gute vom Bösen und die
Vernunft vom Irrationalen.
14
Das Subjekt fand sich nun einer Welt gegenüber, die ihm
nur durch seinen erkennenden und denkenden Geist Zugriff gewehrte.
Das Konzept des transzendentalen Subjekts bei Immanuel Kant im 18. Jahrhundert
evozierte nun eine Selbstreflexion des Subjekts, die das Subjekt in seine Innerlichkeit
verschloss. Im Mittelpunkt stand nicht mehr nur noch die Trennung der Entitäten und
der Weltbezug qua erkennen, sondern die Selbstreflexion des Subjekts über die
Bedingungen seines eigenen Erkenntnisvermögens. Der Fokus richtete sich nicht
mehr auf die Wesensfrage des Dings, sondern darauf wie die Erkenntnisfähigkeit des
Menschen konstruiert und bedingt ist. Dazu gehört, dass Kant die Kategorien Raum
und Zeit nicht mehr in der Verfasstheit der Objekte fand, vielmehr seien sie
Erkenntnisformen des Subjekts. Die Welt schien dem Menschen durch dessen
Verstand nicht gänzlich fassbar.
,,Denn es ist gewiß kein den Sinnen bekannter Gegenstand der Natur, von dem man
sagen könnte, man habe ihn durch Beobachtung oder Vernunft jemals erschöpft,
wenn es auch ein Wassertropfen, ein Sandkorn, oder etwas noch einfacheres wäre;
so unermesslich ist die Mannigfaltigkeit desjenigen, was die Natur in ihren geringsten
13
Jörissen,Benjamin Identität und Selbst, Logos Verlag, Berlin, 2000, S.30
14
Zu beachten gilt allerdings:
,,Es wäre aber falsch, Descartes als Urheber des Schismas von Leib und Seele zu
denunzieren, vielmehr führte diese Geschichte über die christliche Leibfeindschaft (der Geist
ist willig, doch das Fleisch ist schwach) bis auf Platon zurück.", Böhme, Gernot
Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Suhrkamp, Frankfurt/Main, 1985, S.113
8
Teilen einem so eingeschränkten Verstande, wie der menschliche ist, zur Auflösung
darbietet."
15
Dem menschlichen Zugriff entzog sich das von Baumgarten benannte und später von
Kant übernommene An-sich. Das Wesen (An-sich) der Dinge entzog sich dem
menschlichen Blick.
Das Sehen und die Sichtbarkeit (Anwesenheit) der Objekte war seit jeher die Quelle
der Wahrheit. Aus dem Wahrnehmen des Sichtbaren (Anwesenden) resultiert ein
Erkennen. Michel Foucault beschreibt in der Geburt der Klinik genau diese
Diskrepanz zwischen Aussagbarem und Sichtbarem.
,,Der Sprache fällt so eine zweifache Aufgabe zu: durch ihre Exaktheit stellt sie zwischen jedem
Abschnitt des Sichtbaren und dem ihm am genauesten entsprechenden Aussageelement eine
Korrelation her; dieses Aussageelement übt aber innerhalb seiner Beschreibungsaufgabe auch
eine Benennungsaufgabe aus, die in ein konstantes Vokabular eingefügt ist und daher
Vergleich, Generalisierungen und Subsumierungen ermöglicht."
16
Am Wesen scheitert nicht nur der menschliche Blick, sondern auch die Sprache. Das
Wesen taucht ab in ein außersprachliches, unsichtbares Terrain, das nur durch seine
Präsenz der Abwesenheit auffällt und nun samt Unvernunft denn auch sie bleibt
unerkennbar, unsichtbar, verborgen fest verschnürt durch
Rationalisierungsprozesse in den Keller der menschlichen Entwicklungsgeschichte
verscharrt und lediglich als Negativbild der triumphierenden Vernunft hervorgeholt
wird. Mit der Geschichte der Anwesenheit ist sogleich die Geschichte der
Abwesenheit beschrieben. Als ihr Gegensatz hegt sie eine Existenz im Schatten der
Anwesenheit. Die Folge der Verabsolutierung der Präsenz ist die Verbrämung der
Abwesenheit. Auch hier greift das dualistische Denken nicht zu kurz. Die
Abwesenheit wird allem Übernatürlichen, dem Menschen durch die Vernunft nicht
Zugänglichen anheim gestellt. Was nicht anwesend ist, ist nicht sichtbar, ist nicht
erkennbar ergo ist abwesend, unsichtbar, irrational.
In den Anfängen des 19. Jahrhunderts wird nun das Augenmerk auf die Sprache
gerichtet. Der Mensch wird nicht mehr als vornehmlich denkendes, sondern
15
Kant, Immanuel, Träume eines Geistersehers-Vorkritische Schriften bis 1768,
Frankfurt/Main, 1981, S. 963
16
Foucault, Michel Die Geburt der Klinik, Fischer Verlag, Hamburg, 1988; S.25
9
sprechendes Wesen verstanden. Jeglicher Welt- und Selbstbezug sei durch die
Sprache und ihre Verfasstheit vorgeprägt und vermittelt. Friedrich Nietzsche attestiert
der Sprache in Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne den Charakter
einer Universallüge. So ist die gefühlte Erkennbarkeit der Welt keine wahre
Erkenntnis, da das Denken der Welt und ihrer Dinge von vornherein begrifflich
bestimmt sei und die Bezeichnungen allein auf willkürliche Setzung beruhen.
,,Jetzt wird nämlich das fixiert, was von nun an ,Wahrheit sein soll, das heißt, es wird
eine gleichmäßig gültige und verbindliche Bezeichnung der Dinge erfunden, und die
Gesetzgebung der Sprache gibt auch die ersten Gesetze der Wahrheit"
17
Der Mensch sei formversessen und taste nur nach den Dingen. Das Anwesende als
Garant und Lieferant der Wahrheit wird in Frage gestellt, da das, worauf Bezug
genommen wird - nämlich die Bedeutung der Worte - bloß Stellvertreter der Dinge
selbst sei. Das Wesen der Dinge selbst bleibt unerreicht, liegt weiterhin in
Abwesenheit. Die Worte sind arbiträr konstruierte Beschreibungen, die auf einer
ersten falschen Übersetzung beruhen.
Die Beobachtung des Zusammenhangs zwischen dem Sehen und dem Erkennen ist
bei Nietzsche ebenso gegenwärtig wie bei Foucault. Nietzsche beruft sich auf die
Unfähigkeit des Menschen die Dinge wirklich zu erkennen. Ist es ihm doch nur
gegeben die äußere Oberfläche, die Form, zu ertasten und nicht das Wesen selbst
zu erfassen.
,,(...) ihr Auge gleitet nur auf der Oberfläche der Dinge herum und sieht Formen, ihre
Empfindung führt nirgends in die Wahrheit, sondern begnügt sich, Reize zu empfangen
und gleichsam ein tastendes Spiel auf dem Rücken der Dinge zu spielen."
18
Das Moment der Unzulänglichkeit der Sprache des Subjekts lässt sich nun auch
darin finden, dass das Subjekt im Modus des Erkennens in Bezug auf sein Selbst
noch keine Bestimmung über die Wesenverfassung des Selbst verfassen kann, denn
auch ,,das denkende Subjekt [ist, Anm. JB] ihm selbst, in der inneren Anschauung,
17
Nietzsche, Friedrich Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, in Das
Griechische Musikdrama, Gesellschaft der Freunde des Nietzsche-Archivs,1929, S.13
18
ebd. S.12f.
10
bloß Erscheinung".
19
So lässt sich die originale Unerkennbarkeit des An-sichs schon
im Menschen selbst finden. Der Mensch bleibt sich an der Schnittstelle von Körper
und Geist, Erkennbarem und Unsichtbarem, begrifflich Erfassbarem und
Außersprachlichem, selbst ein Rätsel. Hier deutet sich schon die ähnliche
Verfasstheit des Menschen und des Medialen an, die in der Alterität in sich selbst
besteht.
Die erkannte unzulängliche Verfasstheit der Sprache, ihre Unmöglichkeit das Wesen
der Dinge zu erfassen, ist ein Bild für das Scheitern des von Kant so benannten
transzendentalen Subjekts eine evidente Wahrheit dingfest und vermittelbar zu
machen. Alles Flüchtige und dem Menschen Unsichtbare entgeht ihr und verharrt im
Schattenreich der begrifflichen Unzulänglichkeit der Sprache als Negationen der
Begriffe Wahrheit und Anwesenheit. Gleichzeitig werden die technischen
Möglichkeiten zum Erkunden und vermeintlichen Erkennen der Welt immer
ausgefeilter und ermöglichen eine Kategorisierung der Welt in ihre kleinsten
Einzelteile, wie zum Beispiel die zu der Zeit entstehende Botanik sichtbar macht.
Hier
zeichnet sich eine Bewegung vom ,,diskursiv-historischen zum formal-
kalkulatorischen Denken"
20
ab. Nicht nur in den Geisteswissenschaften, sondern
gerade in den entstehenden Naturwissenschaften lässt sich eine Zergliederung,
Sezierung und Domestizierung beobachten, die die Dinge und die Welt nun mit Hilfe
der neu erworbenen Technik und ihren Instrumenten verfügbar machen sollen.
Adorno und Horkheimer charakterisieren später in der Dialektik der Aufklärung
21
das
Zusammenfallen der Erkenntnis der Unerkennbarkeit des Seins und den Einsatz der
menschlichen unvollkommenen Vernunft als Herrschaftsmittel über dieses
unerkennbare Sein als sublimierte Mythologie.
Die Repräsentationalismuskritik setzt sich in Ferdinand de Saussures
Auseinandersetzung mit der Sprache als Zeichensystem fort. Die Überlegungen zur
Sprache im 19. Jahrhundert führen zu einer starken Verunsicherung des Menschen.
19
Klimmer, Christophe, Subjektdezentrierung und ethischer Negativismus, Tectum-Verlag,
Marburg, 2008, S.32f
20
Rötzer, Florian (Hrsg), Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Suhrkamp,
Frankfurt/Main, 1991, S.157
21
Adorno/Horkheimer, Dialektik der Aufklärung, Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 1971
11
Dass Begriffe in der Welt Anwesendes repräsentieren und durch den
Ähnlichkeitsbezug alles Seienden
22
ihre Bedeutung vermittelt wird, wird nun einer
Kritik unterzogen, die darauf fußt, dass die Repräsentation selbst ungenügend ist und
,,immer nur einen vermittelten Zugang zur Welt eröffnet".
23
Das cartesianische
Subjekt scheint durch die erkannte willkürliche Setzung der Begriffe und die Grenzen
der Erfassbarkeit der Welt und des Selbst nicht mehr Herr im eigenen Haus zu sein.
Die semiotische Ebene der Sprache spielt in de Saussures Ausführungen eine
ausschlaggebende Rolle. De Saussures Zeichenmodell zeichnet sich darin aus,
dass er den Begriff als Zeichen denkt, dessen Doppelseitigkeit aus dem Signifikat,
der Bedeutung bzw. Vorstellung, einerseits und dem Signifikanten, dem begrifflichen
Laut andrerseits, besteht. Die Trennung des Signifikanten vom Signifikat zementiert
jene Unerkennbarkeit der Welt, da die Welt nur durch die Sprache zugänglich ist. Der
Welt- und Selbstbezug, der immer noch auf der Wahrheit und ihrer Anwesenheit
basiert, ist nun durch die nachgewiesen abgekoppelte Sphäre der Sprache gestört.
Damit scheint auch der Begriff der Präsenz als Fundament der abendländischen
Metaphysik zu wackeln. Die Abwesenheit der Erkennbarkeit des Wesens scheint
sich in Form eines Schleiers über alles Anwesende zu legen und die Verunsicherung
des Menschen in Bezug auf sich und die Welt auszustellen. Von nun an sind
Anwesenheit oder Präsenz nicht mehr ohne das Bewusstsein einer Leere zu denken.
Die Melancholie der Abwesenheit zieht sich wie der Ariadne Faden durch das
Labyrinth des menschlichen Geistes.
In den Künsten entfesselte der Verlust der Präsenz im metaphysischen Sinne eine
revolutionäre Kraft, die Wahrnehmung und das Erleben der Welt neu zu gestalten:
Im Lord Chandos Brief verfaulen dem Verfasser die Worte wie modrige Pilze im
Mund. In der Malerei wird auf die Zentralperspektive verzichtet und die
Gegenständlichkeit des Bildes hervorgehoben. Auch Bilder sind dem Menschen kein
Auge mehr in eine andere Welt, sondern vielmehr (bloß) farbige Leinwände, die
durch ihren Selbstbezug entstehen und dem Rezipienten nicht mehr als Fenster
dienen, sondern als Spiegel seines subjektiven Reflexionshorizonts. In den
22
Vgl. Heidegger, Martin, Sein und Zeit, Niemeyer Verlag, Tübingen, 1967, S.3
23
vgl. Fischer-Lichte, Ästhetik der Performativität, Suhrkamp, Frankfurt/Main, 200, S. 255
12
darstellenden Künsten fällt die vierte Wand und die leibliche Ko-Präsenz von Akteur
und Zuschauer
24
rückt in den Mittelpunkt: die frühe Avantgarde-Bewegung nimmt
ihren Lauf.
Der Präsenzbegriff erfährt in den Geisteswissenschaften eine Neuinterpretation
durch Martin Heidegger, die sich in der ,,Radikalkritik einer philosophischen Tradition,
die in Kategorien von Substanz und Ursprung denkt,"
25
äußert. Heideggers Resultat
seiner Zeitkritik mündet in einer Apologie des Ereignisses
26
. Sein Ereignis-Denken ist
eng an einen Präsenzbegriff gebunden, der nicht mehr die Frage nach einem
Wesens-was stellt die somit auch einen Ursprung indirekt voraussetzt-, sondern
nach einem Wesens-dass das in erster Linie von einem Ereignis im Jetzt ausgeht
und diesen Augenblick außerhalb der Zeit als ein Aufscheinen des Seins des
Seienden versteht.
27
In der Ontologisierung der Gegenwart
28
steht Heidegger in der
phänomenologischen Tradition seines Lehrers Edmund Husserl.
29
Heideggers Kritik
der abendländischen Transzendentalphilosophie manifestiert sich in seiner Kritik der
kantschen Zeitform. ,,Der Augenblick als zeittranszendierende Zeitform als Zeit
ohne Zeit"
30
wird Brutstätte der Wahrheit. Sein Ereignisdenken liegt der
ontologischen Differenz von Sein und Seiendem, - im Seienden bleibt das Sein selbst
verborgen - , zugrunde:
,,Dass das Wesen des Seyns nie endgültig sagbar ist, bedeutet keinen Mangel, im
Gegenteil: das nichtendgültige Wissen hält den Abgrund und damit das Wesen des
Seyns gerade fest. Dieses Festhalten des Abgrundes gehört zum Wesen des Daseins
als der Gründung der Wahrheit des Seyns. Festhalten des Abgrundes ist zugleich das
Einspringen in die Wesung des Seyns dergestalt, dass dieses selbst seine
Wesensmacht entfaltet als das Er-eignis, als das Zwischen für die Notschaft des
Gottes und die Wächterschaft des Menschen. Das Erdenken des Seyns, die Nennung
24
ebd.
25
Drewes,Miriam, Theater als Ort der Utopie- Zur Ästhetik von Ereignis und Präsenz,
transcript Verlag, Bielefeld, 2010, S. 285
26
ebd.
27
ebd. S.277
28
ebd.
29
Vergleiche hierzu Husserls Modell der Intentionalität des Bewusstseins in Husserls Ideen
zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Meiner Verlag,
Hamburg, 2009
30
Drewes,Miriam, Theater als Ort der Utopie- Zur Ästhetik von Ereignis und Präsenz,
transcript Verlag, Bielefeld, 2010, S.279
13
seines Wesens, ist nichts anderes als das Wagnis, den Göttern hinaus zu helfen in das
Seyn und dem Menschen bereit zu stellen die Wahrheit des Wahren
."
31
Der durch die Sprachtheorie attestierte Präsenzverlust wird bei Heidegger einer
Dekonstruktion unterzogen, denn im Mangel der vollkommenen Erkenntnis des Seins
vollzieht sich jene Wahrheit des Wesens, die sich im Ereignis auftut. Das Ereignis
denkt Heidegger also als ein Zwischen, eine Schnittstelle, von göttlicher Notation in
menschlicher Obhut.
32
Diese Auffassung einer Wächterschaft des Menschen über die göttliche Notation
findet in der Renaissance ihren Ursprung. Die Verbundenheit mit der Welt durch das
Erkennen der Ähnlichkeit alles Seienden stand im Mittelpunkt.
33
Die Zeichen seien in
der Welt schon vorhanden und von Gott deponiert. Der Mensch habe die Aufgabe
durch intensives Studium die Dinge zu sich sprechen zu lassen und Zeichen zu
erkennen, so sei ihm die Ordnung der Welt zugänglich, die Zusammenhänge
entschlüsselbar und zu seinem Nutzen verwendbar.
,,Erkenntnis der Welt verläuft dergestalt als Prozeß der Wahrnehmung und
Interpretation der von Gott auf den Dingen niedergelegten Zeichen."
34
Die Zeichenstruktur ist dreigliedrig: sie umfasst ein Bezeichnendes, ein Bezeichnetes
und ,,das dritte Element, durch welches das Bezeichnende auf das Bezeichnete
bezogen ist, muß daher als Ähnlichkeit bestimmt werden (...)".
35
Das dritte Element
ist besonders interessant, da sich hier schon ein Medienbegriff im Sinne Aristoteles
andeutet, der hinsichtlich des Sehens auch ein Drittes anführt, durch das eine
Vermittlung von Gegenstand und Auge möglich wird. Dieses Dritte sei unsichtbar und
nur indirekt zum Beispiel durch eine Trübung wahrnehmbar.
36
Aristoteles
bezeichnete dieses Dritte als metaxu, das eine Mitte, ein Zwischen-Seiendes, meint.
In Bezug auf frühere Wahrnehmungslehren, so schreibt es Dieter Mersch in seiner
31
Drewes,Miriam, Theater als Ort der Utopie- Zur Ästhetik von Ereignis und Präsenz,
transcript Verlag, Bielefeld, 2010, S.280
32
Dergestalt bleibt Heideggers Metaphysikkritik einer mystischen Dimension verhaftet.
33
Vgl. Fischer-Lichte, Erika, Semiotik des Theaters, Gunter Narr Verlag, Tübingen, 2007,
S.12
34
ebd. S.13
35
ebd. S.13
36
Vgl. Mersch, Dieter, Einführung in die Medientheorie, Junius Verlag, Berlin, 2005, S. 19
14
Einführung zur Medientheorie, nannte Aristoteles es auch Diaphane, das ein
Durchscheinendes ist.
37
Die Idee, dass sich das Wesen des Dinges in seinem Namen oder Zeichen mitteilt,
ist auch in Walter Benjamins Aufsatz über die Sprache
38
wieder zu finden. Und auch
hier taucht die Vorstellung im Zusammenhang mit der schöpferischen
Namensgebung auf. Hierbei ist der Name das reine Medium, denn in der Benennung
seien noch Spuren des Göttlichen enthalten:
,,Gott macht die Dinge in ihrem Namen erkennbar. Der Mensch aber benennt sie
maßen der Erkenntnis."
39
Nur im schöpferischen Akt der Sprache
40
tritt die Sprache als Medium im Modus der
Unmittelbarkeit auf und ist nicht nur bloß erkennend, sondern auch schöpferisch.
Benjamin versteht die Medialität der Sprache in ihrer Unmittelbarkeit. Allerdings ist
,,die Sprache ihrem mitteilenden Wesen, ihrer Universalität nach, da unvollkommen,
wo das geistige Wesen das aus ihr spricht, nicht in seiner ganzen Struktur
sprachliches, das heißt mitteilbares ist."
41
Die Sprache ist Medium und Mittel zugleich. Mittel ist sie da, wo sie unvollkommen,
das geistige Wesen im sprachlichen Wesen nicht mehr berücksichtigt. Sie ist Mittel
zum Zweck. Vollkommen ist die Sprache als Medium, indem sie in ihrer
Unmittelbarkeit der Benennung oder Namensgebung die göttliche Sprache der
Schöpfung erahnen lässt und selbst deckungsgleich mit dem auszudrückenden
geistigen Wesen wird. Man könnte an dieser Stelle auch einen Medienbegriff
erkennen, der in der Transparenz seiner Medialität begründet liegt, allerdings wäre
dann die Sprache hier kein Medium mehr, sondern eben ein unvollkommenes Mittel,
ein Kanal - und genau diesem informationstheoretischem Konzept widerspricht
Benjamins Vorstellung von Medialität.
37
ebd., S.19
38
Vgl. Benjamin, Walter, Sprache und Geschichte, Reclam, Stuttgart, 2005
39
Rautzenberg, Markus, Die Gegenwendigkeit der Störung, Diaphanes, Berlin-Zürich, 2009
S.185
40
Vgl. dazu: ,,Gott sprach und es ward."
41
Benjamin, Walter, Sprache und Geschichte, Reclam, Stuttgart, 2005, S.35
15
,,Sprache ist für Benjamin ausschließlich dann Medium, wenn sie unmittelbar,
also eben kein Mittel ist, durch das eine Botschaft, ein Gehalt etc. transportiert
werden könnte."
42
Vielmehr lässt sich hier ein Performativitätsmodell ablesen, in der die Benennung
gleichsam das ist, was sie benennt - oder nach Austin das tut, was sie sagt, indem
sie es sagt.
43
,,Und dann gibt es ein Sprechen, das, indem es Spricht, etwas tut, ein
Sprechen, das handelt und wirkt."
44
Diese Unmittelbarkeit versteht Benjamin als die Magie der Sprache. Die
benjaminsche Sprachmagie ist also ,,Performativität par excellence"
45
.
Im Heidegger schen Ereignisbegriff wird die spezifische Ereignishaftigkeit von
Performativität ontologisch ausgeleuchtet. Das Sich-Ereignen des Ereignisses hat im
Zwischen der göttlichen Notation und der menschlichen Obhut statt. Dieses
Zwischen ist auch die Schnittstelle der semiotischen Struktur der Zeichen und des
aisthetischen Erlebens der Wirkung, an der sich Performativität ereignet. Dabei
berücksichtigen sowohl Benjamin als auch Heidegger die ästhetische Ebene der
Medialität, obschon sie gänzlich anders vorgehen.
42
Rautzenberg Markus, Die Gegenwendigkeit der Störung, Diaphanes, Berlin-Zürich, 2009
S.187
43
Vgl. ebd., S.186
44
Derrida, Jacques, Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen,
Merve-Verlag, Berlin, 2003, S.19
45
Rautzenberg Markus, Die Gegenwendigkeit der Störung, Diaphanes, Berlin-Zürich, 2009
S.186
16
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (eBook)
- 9783958208872
- ISBN (Paperback)
- 9783958203877
- Dateigröße
- 1.1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Freie Universität Berlin
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Oktober)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- plug präsenz abwesenheit
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing