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Das türkische Patentsystem und strategische Optionen für ein KMU oder Start-up: Wissenswertes über Patentangelegenheiten in der Türkei

©2014 Masterarbeit 79 Seiten

Zusammenfassung

Die heutige Wirtschaftslage zwingt Unternehmen, ihre immateriellen Güter rechtlich zu schützen. Hier gilt es, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten jeweils die optimale IP-Strategie zu entwickeln. Der optimale IP-Schutz, insbesondere der Patentschutz, hängt von vielen Einflussfaktoren, wie der Branche, der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens oder der geografischen Lage der Märkte ab. Somit ist die optimale Patentstrategie immer eine individuelle Angelegenheit. Allerdings führen das schweizerische und das europäische Patentsystem nicht immer zu einem optimalen Ergebnis. Im Vergleich dazu handelt es sich beim türkischen Patentsystem um ein noch junges, in der Entwicklung befindliches System, was Erfindern zugutekommt und für europäische Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bedeuten kann. Die vorliegende Arbeit behandelt diese Thematik. Dabei soll das türkische Patentsystem mit Blick auf ein europäisches KMU oder Start-up-Unternehmen verglichen werden. Zu diesem Zweck werden die Unterschiede zwischen dem schweizerischen und dem europäischen Patentsystem in den Bereichen Erteilungsverfahren, Wirkung des Patentschutzes, Lizenzverträge, Patentverletzung Rechtsdurchsetzung und Patentstrategie beschrieben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


IV
9.2.9 Defensivpublikation ... 49
9.3 Fallbeispiel einer schweizerischen KMU oder Start-up ... 49
9.3.1 Anmeldephase ... 50
9.3.2 Patentverwertung ... 51
9.3.3 Patentverletzung ... 51
10. Zusammenfassung ... 53
Danksagung ... 54
Literaturverzeichnis... 55
Quellenverzeichnis ... 57
Internetverzeichnis ... 57
Gesetze, Verordnungen und Rechtsprechungen ... 58
Stichwortverzeichnis ... 60
11. Anhang ... 62
11.1 Verweisungstabelle PatG/ EPÜ/ TPatRVO ... 62
11.2 Türkische Förderprogramme für Patentangelegenheiten. ... 67
11.2.1 TÜBITAK 1602 Förderprogramm ... 67
11.2.2 Weitere Förderprogramme ... 68
11.3 Türkische Patent- und Gebrauchsmusteranmeldungen gemäss NACE Klassifikation ... 69
11.4 Verteilung der Patentanmeldungen bei TPI nach Jahren ... 73
11.5 Verteilung der Patentanmeldungen bei TPI nach Anmeldeland ... 74
11.6 Verteilung der Patentanmeldungen nach IPC-Klassen ... 75

V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Entwicklung des türkischen Patentsystems ... 11
Abbildung 2: Gegenüberstellung der Prüfungsinhalte bei Patenten und Gebrauchsmustern ... 12
Abbildung 3: Ausschluss der Patentierbarkeit Gegenüberstellung ... 14
Abbildung 4: Ablaufschema türkische Patentierungsverfahren ... 17
Abbildung 5: Vorprüfungsdienste der TPI ... 18
Abbildung 6: Übersicht zu Kosten und Dauer im türkischen Patentschutzverfahren ... 41

VI
Abkürzungsverzeichnis
AO=
Ausführungsordnung
Abs.= Absatz
Art.=
Artikel
AYMK= Türkische
Verfassungsgerichtsentscheid
BGE.=
Die Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
bspw.=
beispielsweise
bzw.=
beziehungsweise
CH= Schweiz
CHF= Schweizer
Franken
CMK=
Strafprozessverordnung (Ceza Muhakemesi Kanunu)
EFTA=
Die Europäische Freihandelsassoziation
EP=
europäische
EPA=
Europäisches Patentamt
EPÜ=
europäisches Patentübereinkommen
etc.=
et cetera
EU=
Europäische Union
EuGVVO=
Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen
F & E=
Forschung und Entwicklung
HMK=
Zivilprozessordnung (Hukuk muhakemeleri kanunu)
i.V.m.=
in Verbindung mit
IGE =
Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum
IP= Intellectual
Property
IPC=
International Patent Classification
JPO= Japanisches
Patentamt

VII
KOSGEB=
Präsidium zur Unterstützung und Verbesserung von kleinen und mittleren
Unternnehmen (Küçük ve Orta Ölçekli letmeleri Gelitirme daresi Bakanlii)
MK=
Türkisches Zivilrecht (Türk Medeni Kanunu)
NACE=
Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen
Gemeinschaft
Nr.=
Nummer
PatG=
Schweizerisches Bundesgesetz über die Erfindungspatente
PCT=
Patent Cooperation Treaty
PVÜ=
Pariser Verbandsübereinkunft
Rn.= Randnote
THGB=
Türkisches Handelsgesetzbuch (Türk Ticaret Kanunu)
TOGB=
Türkisches Obligationengesetzbuch (Türk Borclar Kanunu)
TPatRVO= Türkische Rechtsverordnung über den Schutz von Patentrechten (Patent
Haklarinin Korunmasi Hakkinda Kanun Hükmünde Kararname)
TPI=
Türkisches Patentinstitut
TR= Türkei
TRIPS=
Trade Related Aspects of Intellectual Properties
TRY=
Türkische Lira
TÜBITAK=
Wissenschafts- und Technologieforschungsrat der Türkei
TVOEP=
Türkische Verordnung zur Ausführung des Übereinkommens über die Erteilung
europäischer Patente
Vgl.= Vergleiche
USPTO= US-Patentamt
usw.=
und so weiter
WIPO=
World Intellectual Property Organisation

Management Summary
Die heutige Wirtschaftslage zwingt Unternehmen, ihre immateriellen Güter rechtlich zu
schützen. Hier gilt es, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten jeweils die optimale IP-
Strategie zu entwickeln. Der optimale IP-Schutz, insbesondere der Patentschutz, hängt von
vielen Einflussfaktoren, wie der Branche, der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens oder
der geografischen Lage der Märkte ab. Somit ist die optimale Patentstrategie immer eine
individuelle Angelegenheit. Allerdings führen das schweizerische und das europäische
Patentsystem nicht immer zu einem optimalen Ergebnis.
Im Vergleich dazu handelt es sich beim türkischen Patentsystem um ein noch junges, in der
Entwicklung befindliches System, was Erfindern zugutekommt und für europäische
Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bedeuten kann.
Die vorliegende Arbeit stellt die abschliessende Masterarbeit zur Erlangung des Master-Titels
im Rahmen des Studiengangs ,,Master of Advanced Studies in Intellectual Property" an der
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zürich dar. Dabei wird das
türkische Patentsystem mit Blick auf ein europäisches KMU oder Start-up-Unternehmen in der
Maschinenbau- oder Elektronikbranche untersucht, um für dieses Optimierungsmöglichkeiten
zu finden. Zu diesem Zweck werden im ersten Teil der Arbeit Unterschiede zwischen dem
schweizerischen und dem europäischen Patentsystem in den Bereichen Erteilungsverfahren,
Wirkung des Patentschutzes, Lizenzverträge, Patentverletzung und Rechtsdurchsetzung
beschrieben.
Im zweiten Teil der Arbeit werden die Vor- und Nachteile des türkischen Patentsystems mit
entsprechenden Hinweisen für strategische Optionen aufgezeigt. Der letzte Teil der Arbeit
beschreibt ein kurzes Fallbeispiel für ein fiktives KMU oder Start-up-Unternehmen mit
entsprechender Darstellung von strategischen Optionen und daraus resultierenden Vorteilen.
Bereits kleine Fehler im Patentierungsverfahren können schwerwiegende Folgen haben. Um
diese zu vermeiden, kann die vorliegende Arbeit ebenfalls als eine Patentierungsanleitung für
ein türkisches Patent dienen.

9
1. Einleitung
Die Türkei verzeichnet wirtschaftlich seit Jahren hohe Wachstumszahlen und ist seit längerem
ein Kandidat für den EU-Beitritt, sodass sehr enge Beziehungen zur Europäische Union
bestehen. Wirtschaftliche Vorteile ergeben sich unter anderem aus Bevölkerungszahl,
Bevölkerungsdurchschnittsalter und der geografischen Lage. Zurzeit wird in Istanbul am
grössten Flughafen der Welt gebaut, welcher möglicherweise den Frankfurter Flughafen als
Warenumschlagplatz entlasten oder sogar ablösen könnte, sodass die Türkei wegen des
Warentransits für IP-Rechte weiter an Bedeutung zulegen wird.
Die genannten Vorteile kombiniert mit dem Bestreben der türkischen Regierung, aus der
Türkei ein Industrieland zu machen, führten zu einer Reform des Immaterialgüterrechts, um so
die eigene Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken und ausländische
Investitionen anzuziehen. Dieses Bestreben der türkischen Regierung zeigt sich auch in der
Einführung grosszügiger Förderprogramme zur Stärkung des eigenen Patentsystems. Um die
Entwicklung des türkischen Patentsystems zu beschleunigen, werden staatliche
Förderprogramme im IP-Bereich angeboten, die eine Erstattung eines Grossteils der
anfallenden Kosten durch den Staat ermöglichen. Zurzeit besteht das
Unterstützungsprogramm 1602 von TÜBITAK. Dies ist ein Förderprogramm, mit dem die
Regierung das Ziel verfolgt, die Anzahl von einheimischen Patentanmeldungen zu erhöhen.
Davon können türkische Staatsbürger, Unternehmen mit Sitz in der Türkei, Universitäten etc.
profitieren. Zusätzlich zum TÜBITAK 1602 gibt es noch weitere Programme zur Förderung der
IP-Rechte und zum Aufbau von neuen Unternehmen in der Türkei (hierzu ausführlich im
Anhang).
Die genannten Vorteile eröffnen europäischen Unternehmen neue strategische Möglichkeiten,
um ihre IP-Angelegenheiten zu optimieren. Die angebotenen Möglichkeiten werden derzeit
hauptsächlich von grösseren internationalen Unternehmen mit entsprechenden IP-Abteilungen
wahrgenommen. Für die meisten KMU und Start-up-Unternehmen bildet vermutlich die
türkische Sprache eine grosse Barriere.
Obwohl es sich beim türkischen Patentsystem ähnlich wie beim schweizerischen um ein mit
dem EPÜ harmonisierten Patentsystem handelt,
1
bietet das türkische Patentsystem
strategische Optionen, welche weder beim PatG noch beim EPÜ möglich sind. Im Folgenden
werden daher die Vor- und Nachteile des türkischen Patentsystems für kleinere Unternehmen
dargestellt und so ein Zugang zu diesem Rechtsbereich in der Türkei vereinfacht.
Einer der grössten Vorteile des türkischen Patentsystems für ausländische Unternehmen sind
die vergleichsweise günstigen Preise, die zur Patenterlangung durch das türkische Patent
Institut (TPI) verlangt werden. In dieser Arbeit werden die Preise zum besseren Verständnis in
Schweizer Franken (CHF) statt in Türkischen Lira (TRY) angegeben. Dafür wird der aktuelle
Währungskurs vom 2.3 verwendet. Ausserdem ist zu erwähnen, dass alle in dieser Arbeit
verwendeten männlichen Sprachformen die Frauen ebenfalls einschliessen.
Der strukturelle Aufbau der Arbeit lehnt sich an das Inhaltsverzeichnis des Buches ,,Das
türkische Patentrecht" von Kaya Köklü, welches als Vorlage für das Inhaltsverzeichnis diente.
1
Atalay, S. 82, Yusufoglu, S. 87

10
2. Entstehung des türkischen Patentsystems
Das türkische Rechtssystem basiert auf dem schweizerischen sowie dem französischen
Recht. So handelt es sich beim ersten türkischen Patentgesetz, dem
Erfindungsurkundengesetz von 1879 um eine wörtliche Übersetzung des französischen
Patentgesetzes von 1844.
2
Die Neuheitsprüfung der Patentanmeldungen wurde ab dem Jahre
1968 eingeführt. Dabei wurden die ausländischen Patentanmeldungen zur Prüfung nach Den
Haag ins Internationale Patentinstitut geschickt und die inländischen Patentanmeldungen
durch türkische Universitäten geprüft. Die Zwangslizenzregelung wurde erst im Jahre 1995 im
türkischen Patentrecht integriert. Eine der grössten Schwächen des damaligen türkischen
Patentgesetzes war, dass der Gesetzgeber versäumt hatte, die Regelung von Unterlassungs-
und Beseitigungsansprüchen aufzunehmen.
Dies führte dazu, dass die ausländischen Unternehmen sich statt auf den Patentschutz auf die
Bestimmungen zum unlauteren Wettbewerb im türkischen Handelsgesetzbuch THGB
beriefen, sodass das türkische Patentrecht an Attraktivität einbüsste. Aufgrund des Dialogs
zwischen der Türkei und der Europäischen Union Ende der 80er Jahre wurde das nicht
zeitgemässe Patentgesetz der Türkei nach fast 116 Jahren durch die im Jahre 1995
reformierte Patentrechtsverordnung ersetzt.
Zurzeit kann ein Patent für die Türkei entweder durch ein nationales, europäisches oder durch
eine PCT Anmeldung angemeldet werden.
3
2
Köklü, S. 25­29
3
Orucoglu, S. 29

11
2.1 Entwicklung des türkischen Patentsystems
Die folgende Übersicht zeigt die Entwicklungsstationen des türkischen Patenrechtsystems.
4
23.03 1879 Inkrafttreten des türkischen Erfindungsurkundengesetzes (Ihtira Berati Kanunu)
20.03.1883 Inkrafttreten der Pariser Verbandsübereinkunft PVÜ
02.06.1911 Inkrafttreten Washingtoner Fassung der PVÜ
06.12.1925 Inkrafttreten Haager Fassung der PVÜ
29.05.1930 Beitritt der Türkei zur Haager Fassung der PVÜ
02.06.1934 Inkrafttreten der Londoner Fassung der PVÜ
21.05.1955 Mitgliedschaft der Türkei beim Internationalen Patent Institute in Den Haag
07.02.1957 Beitritt der Türkei zur Londoner Fassung der PVÜ
14.07.1967 Inkrafttreten der Stockholmer Fassung der PVÜ
14.07.1967 Gründung der WIPO
1968
Einführung der Neuheitsprüfung in das türkische Patentsystem
19.06.1970 PCT-Vertragsabschluss in Washington
14.08.1975 Beitritt der Türkei zur WIPO
07.10.1975 Inkrafttreten des IPC-Vertrags
20.11.1975
Beitritt der Türkei zum PVÜ in der Fassung von Stockholm unter Ausschluss
der Art.1 bis 12
07.10.1977 Inkrafttreten der EPÜ
24.06.1994 Eröffnung des türkischen Patentinstituts (TPI)
01.02.1995
Beitritt der Türkei zur Stockholmer Fassung der PVÜ einschliesslich Art.1 bis
12
03.02.1995 Beitritt der Türkei zum TRIPS-Übereinkommen
27.06.1995 Inkrafttreten der türkischen Patentrechtsverordnung
05.01.1996 Beitritt der Türkei zum PCT
01.10.1996 Beitritt der Türkei zur Internationalen Patentklassifikation (IPC)
01.11.2000 Beitritt der Türkei zum EPÜ von 1973
09.01.2001
Inkrafttreten der türkischen Verordnung zur Ausführung des Übereinkommens
über die Erteilung europäischer Patente
13.12.2007 Beitritt der Türkei zum EPÜ 2000
Abbildung 1: Entwicklung des türkischen Patentsystems
2.2 Türkische Patentrechtsverordnung TPatRVO Nr. 551
Bei der türkischen Patentrechtsverordnung orientierte sich der Gesetzgeber mit Rücksicht auf
die rückständige einheimische Wirtschaft überwiegend an dem damals neu in Kraft getretenen
spanischen Patentgesetz aus dem Jahre 1986.
Die Patentverordnung ist umfangreich und regelt neben den patentrechtlichen Fragen auch
arbeitnehmererfindungsrechtliche sowie gebrauchsmusterrechtliche Fragen.
5
Es ist jedoch
4
Erbay, S. 33, 44­45, Kayatekin, S. 16­22, 45, 103, Köklü, S. 24­39, 42, Noyan, S. 7­21, Orucoglu,
S. 12­20, Sperrle, Anmeldeverfahren/Schnittstellen CH-PatG/EPÜ/PCT, S. 7, Weibel, Int.
Übereinkommen "TRIPS", S. 2, Yusufoglu, S. 7, 12­14, 18, 37
5
Köklü, S. 42­43

12
festzuhalten, dass es sich dabei um eine Verordnung und nicht um ein Gesetz handelt. Dies
hat unter anderem Einfluss auf die strafrechtlichen Bestimmungen.
Basierend auf einem Urteil des türkischen Verfassungsgerichts
6
, wurden die strafrechtlichen
Urteile, welche wegen Verletzung von Verordnungvorschriften ergangen sind, für
verfassungswiedrig erklärt, was zur Folge hat das zurzeit strafrechtliche Bestimmungen, unter
anderem bei systematischen Patentverletzungen auf Basis der TPatRVO in der Türkei nicht
unter Strafe gestellt werden dürfen.
Die Patentverordnung ermöglicht lediglich, Unterlassungs- sowie Schadensersatzansprüche
gegen mögliche Rechtsverletzer geltend zu machen. Zurzeit wartet der türkische
Patentgesetzentwurf auf die Verabschiedung durch das Parlament. Es wird jedoch immer
unwahrscheinlicher, dass das entsprechende Patentgesetz in 2014 verabschiedet wird, was
die Durchsetzung strafrechtlicher Sanktionen in patentrechlichen Fragen frühstens in 2015
ermöglichen wird.
7
Da der entsprechende Gesetzesentwurf bis zur Verabschiedung noch
geändert werden kann, wird der aktuelle Gesetzesentwurf in dieser Arbeit nicht detailliert
aufgenommen.
2.3 Prüfungsinhalte bei der Anmeldung türkischer Patente und
Gebrauchsmuster
Die Prüfung bei der Anmeldung von Patenten und Gebrauchsmustern erfolgt nicht
inhaltsgleich. Im Folgenden werden die Prüfungsinhalte gegenübergestellt.
8
Patent Gebrauchsmuster
Neuheit
wird überprüft
wird überprüft
Erfindungshöhe
wird überprüft
wird nicht überprüft
Gewerblich Anwendbarkeit
wird überprüft
wird überprüft
Verfahren und Erzeugnisse daraus
schutzfähig
kein Schutz
9
Chemische Erzeugnisse
schutzfähig
kein Schutz
Recherche und Sachprüfung
Pflicht
nicht vorgesehen
Schutzdauer
7 Jahre (ohne
Sachprüfung)
20 Jahre (mit
Sachprüfung)
10 Jahre
Abbildung 2: Gegenüberstellung der Prüfungsinhalte bei Patenten und Gebrauchsmustern
6
AYMK Antrag auf Nichtigkeit gemäss Art.73/A Abs.1c i.V.m Art.136 TPatRVO
7
Interview des Autors vom 2. April 2014 mit Karahan Fatih, Patentexperte des TPI
8
Orucoglu, S. 86­88, Tüzüner, S. 157­160, Tamer, S. 16, 19, Türkische Patentinstitut, S. 5
9
Yusufoglu, S. 40

13
3. Hauptmerkmale des türkischen Patentrechts
3.1 Erfindungsbegriff
Der Begriff der Erfindung wird in Art.5 TPatRVO mit ,,Durch Patente werden Erfindungen
geschützt, die neu sind, über den Stand der Technik hinausgehen und gewerblich anwendbar
sind."
10
beschrieben und bildet somit einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die
Grundvoraussetzungen für die Anerkennung als Erfindung sind Neuheit, erfinderische
Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit. Die Notwendigkeit der Technizität ergibt sich aus
der Formulierung ,,über den Stand der Technik" wobei bspw. Kunstwerke nicht über den Stand
der Technik gemessen werden, sodass diese Voraussetzung dort nicht gegeben ist. Zu
erwähnen ist noch, dass die Art.5 bis 10 TPatRVO nahezu wörtlich den Art.52 bis 57 EPÜ
entsprechen.
11
Der Erfindungsbegriff wird in Art.6 TPatRVO ähnlich wie in Art.1a, 1b, 2 PatG und Art.52
Abs.2, Art.53 EPÜ durch einen Negativkatalog mit nicht patentfähigen Gebieten ergänzt. Der
Negativkatalog in Art.6 TPatRVO ist lediglich eine beispielhafte Auflistung und keine
abschliessende, wie es im EPÜ der Fall ist. Dies führt dazu, dass die Punkte, die in Art.6
TPatRVO nicht aufgeführt wurden, als patentfähig betrachtet werden können. Die endgültige
Entscheidung dazu wird in der entsprechenden Einzelprüfung getroffen.
12
Bei Computerprogrammen sind Köklü und Yusufoglu der Ansicht, dass die Formulierung in
Art.1 Abs.2 TPatRVO zum selben Regelungsgehalt wie im EPÜ führt, sodass ein
Computerprogramm im notwendigen Zusammenspiel mit der Hardware patentrechtlich
geschützt werden kann, wobei die Herausforderung bei Computerprogrammen die Erfüllung
der Erfindungshöhe darstellt.
13
10
Köklü, S. 231
11
Köklü, S. 45, Tamer, S. 13
12
Köklü, S. 47
13
Atalay, S. 97, Köklü, S. 49­50, Orucoglu, S. 97, Yusufoglu, S. 105­106, 108

14
3.2 Ausschluss der Patentierbarkeit Gegenüberstellung zwischen TPatRVO,
PatG und EPÜ
Die folgende Übersicht zeigt die Gebiete auf, welche kein Patentschutz bieten.
14
TPatRVO PatG
EPÜ
Art.6 Abs.1a: Entdeckungen, wissenschaftliche
Theorien und mathematische Methoden
Art.1 Abs.2
Art.52 Abs. 2a
Art.6 Abs.1b: Pläne, Regeln und Verfahren für
gedankliche Tätigkeiten, geschäftliche Tätigkeiten
oder Spiele
Art.1 Abs.2
Art.52 Abs.2c
Art.6 Abs.1c: Werke der Literatur und Kunst,
wissenschaftliche Werke, ästhetische
Formschöpfungen und Computerprogramme
Art.1 Abs.2
Art.52 Abs.2c
Art.6 Abs.1d: Nichttechnische Methoden zur
Sammlung, Verarbeitung, Wiedergabe und
Übermittlung von Informationen
Art.1 Abs.2
Art.52 Abs.2d
Art.6 Abs.1e: Verfahren der Diagnostik sowie
Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen
Behandlung des menschlichen oder tierischen
Körpers
Art.1a,
Art.2 Abs.2a
Art.53 Abs.1c
Art.6 Abs.2a: Erfindungen, deren Gegenstand
gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten
verstösst
Art.2 Abs.1
Art.53 Abs.1a
Art.6 Abs.2b: Pflanzensorten und Tierrassen oder
im Wesentlichen biologische Verfahren zur
Züchtung von Pflanzen oder Tieren
Art.2 Abs.2b
Art.53 Abs.1b
Abbildung 3: Ausschluss der Patentierbarkeit Gegenüberstellung
3.3 Materielle Schutzvoraussetzungen
Die materiellen Schutzvoraussetzungen definieren die gesetzlichen Voraussetzungen für die
Erteilung eines Patents. Diese werden in Art.5, 7, 8, 9 und 10 TPatRVO geregelt und
entsprechen bis auf kleine Abweichungen Art.52 Abs.1, Art.54, 55, 56 und 57 EPÜ.
15
Demnach müssen patentfähige Erfindungen im türkischen Patentrecht erfinderische Tätigkeit,
gewerbliche Anwendbarkeit und Neuheit vorweisen.
16
Die Voraussetzung der erfinderischen Tätigkeit wird in Art.9 TPatRVO geregelt und entspricht
der Definition der Erfindungshöhe in Art.1 Abs.2 PatG und Art.56 EPÜ. Demnach muss
gemäss TPatRVO eine Erfindung neben Neuheit auch aus Sicht eines
Durchschnittsfachmanns etwas Überraschendes aufweisen.
17
14
Atalay, S. 94­97, Kayatekin, S. 34, Noyan, S. 213­214, Stump, S. 74
15
Köklü, S. 60
16
Kayatekin, S. 33­34, Yusufoglu, S. 38
17
Kayatekin, S. 41­42, Köklü, S. 64, Noyan, S. 210­211

15
Die gewerbliche Anwendbarkeit wird im Art.10 TPatRVO geregelt und entspricht der
wörtlichen Übersetzung von Art.57 EPÜ sowie Art.1 Abs.1 PatG.
Die Neuheit wird in Art.7 Abs.1 TPatRVO geregelt und entspricht zum grössten Teil Art.7 PatG
sowie Art.54 Abs.1­3 EPÜ. Einen Unterschied bildet jedoch die unschädliche Offenbarung
nach Art.7b PatG und Art.55 EPÜ, welche eine Neuheitsschonfrist von sechs Monaten
vorsieht.
18
Die TPatRVO sieht gemäss Art.8 Abs.1 ähnlich wie das US-Patentrecht eine
Neuheitsschonfrist von zwölf Monaten vor.
19
Für Ausstellungen beträgt die Neuheitsschonfrist
gemäss Art.50 TPatRVO ebenfalls zwölf Monate, dabei spielt es keine Rolle, ob die
Ausstellung in der Türkei oder im Ausland stattfand.
20
In der Praxis stellt sich die Frage, wenn ein Hersteller ein Produkt mit einer bestimmten
Erfindung auf den Markt bringt und dann nachträglich dafür ein Patent beantragt, ob die
Neuheit zerstört wurde oder nicht? Die türkische Regelung orientiert sich an der europäischen
Regelung, welche der Öffentlichkeit die Möglichkeit einräumt, betreffende Erfindungen, welche
nicht von aussen sichtbar sind, in einem Labor untersuchen zu lassen. Wenn diese Umstände
gegeben sind und die Erfindung erkannt werden kann, dann ist die Neuheit zerstört.
Die Regelungen betreffend Veröffentlichungen im Internet in Bezug auf Neuheit entsprechen
denen im EPÜ. Von Bedeutung sind hier Fragen, wie die Öffentlichkeit das Wissen erhalten
hat, das Datum der Veröffentlichung, unter welchen Umständen und wie lange das Wissen für
die Öffentlichkeit zur Verfügung stand.
21
Da es sich bei der TPatRVO um ein harmonisiertes Patentsystem mit dem EPÜ handelt, sind
die Regelungen betreffend der Neuheit für nicht veröffentlichte Anmeldungen die gleichen wie
die schweizerischen Regelungen.
22
3.4 Rechtsinhaber
Im türkischen Patentsystem gilt wie im schweizerischen und im europäischen das
Erfinderprinzip. Dies besagt dass, als Ausdruck der Achtung des Erfinderpersönlichkeitsrechts
dem Erfinder oder seinem Rechtnachfolger ohne weiteres das Recht auf das Patent zusteht.
Die gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich in Art.11 TPatRVO. Somit kann das
Erfinderpersönlichkeitsrecht weder im türkischen noch im schweizerischen Patentsystem einer
juristischen Person zugerechnet werden.
23
3.5 Anmeldungen durch einen Nichtberechtigten
Die türkischen Bestimmungen bezüglich Anmeldungen durch Nichtberechtigte sind gegenüber
Art.29 PatG und Art.61 EPÜ nur teilweise identisch. Während nach Art.3 PatG und Art.60
Abs.1­2 EPÜ die Bestimmungen nur für Anmeldungen gelten, erstrecken sich Art.12 und 13
TPatRVO auch auf bereits erteilte Patente.
24
18
Yusufoglu, S. 235
19
Kayatekin, S. 39, 41, Orucoglu, S. 68­72, 108, Tamer, S. 16, Weibel, US Patentrecht, S. 5­7
20
Köklü, S. 62, Noyan, S. 208­210, 229­230, Orucoglu, S. 34­35, 109, Yusufoglu, S. 229, 239
21
Atalay, S. 3­4, 11­15, Sperrle, Das Einspruchsverfahren beim EPA Skript 1, S. 25­27, Yusufoglu,
S. 198­200, 206­207
22
Pedrazzini, S. 122, Von Büren, Rn.52, Yusufoglu, S. 210, 214, 303
23
Heinrich, S. 106 Rn.5, Köklü, S. 66­67
24
Heinrich, S. 266, Rn.3, Kayatekin, S. 73

16
Das entsprechende Vindikationsrecht
25
nach Art.12 und 13 TPatRVO erstreckt sich neben
Anmeldungen und erteilten Patenten auch auf widerrechtliche Entnahmen. Eine
widerrechtliche Entnahme liegt vor, wenn der Gegenstand des Patents wie Beschreibungen,
Zeichnungen und sonstige Einrichtungen ohne Einwilligung des Berechtigten entnommen
wurde. Der entnommene Teil muss weder aus dem gesamten Inhalt eines Patents bestehen
noch identisch mit dem Erfindungsgedanken des Verletzten sein. Eine Ausnahme bildet dabei
die Kombinationserfindung
26
. Solange der Patentinhaber nicht im bösen Glauben gehandelt
hat, muss die Vindikationsklage gemäss Art.13 Abs.3 TPatRVO innerhalb von zwei Jahren
nach Veröffentlichung der Patenterteilung erfolgen. Bei Handlungen im bösen Glauben kann
die Vindikationsklage bis zum Ablauf der Schutzdauer geltend gemacht werden.
27
25
Mit Vindikation wird der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegenüber dem nichtberechtigten
Besitzer bezeichnet. (http://www.lexexakt.de/glossar/vindikation.php)
26
Damit eine Kombinationserfindung vorliegt, müssen die Merkmale bzw. Merkmalsgruppen in einer
funktionellen Wechselwirkung zueinander stehen bzw. einen über die Summe ihrer Einzelwirkungen
hinausgehenden kombinatorischen Effekt aufweisen. (http://www.epo.org/law-practice/legal-
texts/html/caselaw/2013/d/clr_i_d_9_2 _1.htm)
27
Kayatekin, S. 31­32, Köklü, S. 70

17
4. Türkisches Patenterteilungssystem
Anders als PatG und EPÜ verfügt die Türkei über ein zweigliedriges Patenterteilungssystem.
Der Anmelder hat während des Anmeldeverfahrens gemäss Art.59 TPatRVO die Möglichkeit,
zwischen den zwei alternativen, Patenten mit und ohne Sachprüfung zu wählen.
28
Das
zweigliedrige Patenterteilungssystem hat zum Ziel, ein möglichst grosses Publikum
anzusprechen und so den Patentschutz zu fördern.
Die Abbildung 4 zeigt die Patenterteilungsverfahren im türkischen Patentsystem.
29
Anmelder
TPI
Anmeldung Vorbereitung
Anmelden der Patentanmeldung
Formalprüfung
Formmängel Benachrichtigung / Prüfung
wird gestoppt
Mängelbehebung / Einwand
Bestätigung über die Erfüllung der
formellen Vorschriften
Änderung
Rechercheantrag
Recherchebericht
Veröffentlichung der Recherchebericht
Auswahl Patentart (Umwandlung)
Anmelder
TPI
Änderungs
veröffentlichung der
Patentart
Abweichende
Meinung /
Änderungen
Veröffentlichung der
Anmeldungsänderung
Patent mit
Sachprüfung
TPI
Anmelder
Abweichende
Meinung /
Änderungen
Gebühren für
Erstellung der
Patenturkunde
Patent ohne
Sachprüfung
Änderungs
veröffentlichung der
Patentart
Dritte Personen
Einspruch
Einwand
Einspruchserklärung
Sachprüfungsbericht
Meldung der
Sachprüfungsbericht
Bericht
i.O
Bericht
nicht i.O
2. Sachprüfung
mi t Änderungen
Veröffentlichung der
Anmeldungsänderung
2. Sachprüfungsbericht
2. Meldung der
Sachprüfungsbericht
3. Sachprüfung
mi t Änderungen
Bericht
nicht i.O
Veröffentlichung der
Anmeldungsänderung
3. Sachprüfungsbericht
3. Meldung der
Sachprüfungsbericht
Bericht
i.O
Bericht
nicht i.O
Bericht
i.O
Zurück
weisung
Gebühren für
Erst ell ung
der
Pat.urkunde
Veröffentlichung der
Patenturkunde
Versendung der Urkunde
Benachrichtigung
Beurteilung
Veröffentlichung der
Änderung
Entscheidungsdokument
Veröffentlichung der
Patenturkunde
Versendung der
Patenturkunde
28
Köklü, S. 86
29
Vgl. Türkische Patentinstitut, S. 24
Abbildung 4: Ablaufschema türkische Patentierungsverfahren

18
4.1 Vorprüfung
Da während einer Patentanmeldung der Stand der Technik von grösster Bedeutung ist,
empfiehlt sich die Durchführung einer Vorprüfung vor der Anmeldung, damit die
Patentanmeldung passend zum Stand der Technik verfasst wird. Hierzu werden vom TPI zwei
günstige Dienste angeboten ­ nämlich eine Recherche in verschiedenen Patentämtern und
eine Recherche für Erfindungen, die in der Türkei Schutz geniessen ­ (siehe Abbildung 5).
Dienste für Vorprüfung
30
Dienst Umfang Preis
EPOQUE-
Dienst
Patentrecherche in verschiedenen Patentämtern
140 TRY
~ 61
CHF.
TPI-Dienst
Patentrecherche für Erfindungen, die in der Türkei Schutz
geniessen
30 TRY
~ 13 CHF
Abbildung 5: Vorprüfungsdienste der TPI
Beim Verfassen der Patentansprüche nach Art.47 TPatRVO ist zu beachten, dass sie Teil der
Beschreibung sein müssen.
31
Das Patentsystem bietet unter bestimmten Voraussetzungen die
Möglichkeit, in einer Patentanmeldung mehrere unabhängige Ansprüche zu schützen.
32
Die Thematik der Disclaimer, also der Negativabgrenzung, wird im türkischen Patentsystem
unter bestimmten Voraussetzungen ähnlich wie im EPÜ zugelassen.
33
4.2 Das nationale Anmeldeverfahren
Bei Anmeldung ist gemäss Art.44 TPatRVO der Erfinder zu nennen. Falls der Anmelder nicht
der Erfinder ist, muss bei der Anmeldung die Übertragungsform des Anmelderechts
angegeben werden. Im Unterschied zu PatG oder EPÜ muss gemäss Art.42 Abs. 3 TPatRVO
die Anmeldegebühr innerhalb von sieben Tagen an das TPI bezahlt und die Quittung nach
Art.42 Abs.1f TPatRVO zu den Anmeldeunterlagen gereicht werden. Wenn die
Anmeldegebühr nicht innerhalb dieser Frist bezahlt wird, gilt die Anmeldung ohne eine
Wiedereinsetzungsmöglichkeit als zurückgenommen.
34
Gemäss Art.138 Abs.1c PatG sowie
Art.38 Abs.1 AO- EPÜ beträgt diese Frist einen Monat.
Grundsätzlich ist für im Ausland ansässige Personen gemäss Art.171 TPatRVO eine
Vertretung durch einen Patentanwalt sowie die Verwendung von vorgeschriebenen
Formularen zwingend.
35
Die restlichen einzureichenden Unterlagen wie die Beschreibung oder
die Ansprüche müssen die Formerfordernisse nach Art.5 bis 17 AO-TPatRVO und die
physischen Eigenschaften nach Art.18 bis 25 AO-TPatRVO erfüllen. Obwohl die Türkei nicht
Mitglied des Londoner Sprachenübereinkommens
36
ist, können die Anmeldungen nach Art.42
30
Vgl. Türkische Patentinstitut, S. 8­9
31
Yusufoglu, S. 45
32
Kayatekin, S. 49, Türkische Patentinstitut, S. 13
33
Atalay, S. 93, Köklü, S. 78
34
Kirkoyun, S. 24, Köklü, S. 79, Noyan, S. 224, Orucoglu, S. 33
35
Kayatekin, S. 46, Orucoglu, S. 30
36
Das Londoner Übereinkommen ist ein Zusatzabkommen zum Europäischen Patentübereinkommen
(EPÜ) und regelt die Einreichung von Übersetzungen von Europäischen Patenten in den einzelnen
Mitgliedstaaten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Londoner_%C3%9Cbereinkommen)

19
Abs.5 TPatRVO in deutscher, englischer oder französischer Sprache eingereicht werden.
37
Es
ist jedoch zu beachten, dass eine türkische Übersetzung ohne vorherige Aufforderung
innerhalb eines Monats eingereicht werden muss, andernfalls wird die Anmeldung nach Art.53
TPatRVO zurückgewiesen.
38
Es besteht jedoch die Möglichkeit einer zusätzlichen
Fristverlängerung von drei Monaten.
39
Bei Erfüllung der Voraussetzung nach Art.53 TPatRVO
wird der Anmeldetag gemäss Art.43 TPatRVO nach Datum, Stunden und Minuten
anerkannt.
40
4.3 Formalprüfung
Sobald der Anmeldetag anerkannt wurde, kann die Formalprüfung nach Art.54 TPatRVO
durchgeführt werden. Gegenstand der Prüfung sind nicht die Beschreibung, die
Patentansprüche und die Zeichnungen auf die Patentierbarkeit, es sei denn, die Nichterfüllung
der Voraussetzungen für Neuheit nach Art.7 TPatRVO und die gewerbliche Anwendbarkeit
gemäss Art.10 TPatRVO ist offensichtlich. Bei Formmängeln im Sinne des Art.54 TPatRVO
wird das Prüfungsverfahren ausgesetzt und der Anmelder aufgefordert, die Mängel innerhalb
von drei Monaten zu beheben oder die Einwendungen seinerseits dem TPI mitzuteilen (Art.26
Abs.4 AO-TPatRVO). Während dieser Frist steht es dem Anmelder frei, die Ansprüche
anzupassen oder die Anmeldung zu teilen. Nach Ablauf dieser Frist entscheidet das TPI, ob
es die Anmeldung weiterbehandelt oder zurückweist. Im Falle der Weiterbehandlung wird dem
Anmelder mitgeteilt, dass die Recherche zum Stand der Technik innerhalb von 15 Monaten ab
Anmeldedatum einzureichen sei (Art.56 Abs.1 TPatRVO). Bei Versäumnis dieser Frist gilt die
Anmeldung als zurückgenommen (Art.56 Abs.3 TPatRVO).
41
Die Gebühren für die Recherche
müssen innerhalb von drei Monaten ab Rechercheantrag bezahlt werden.
42
4.4 Benutzungszwang
Anders als im PatG oder im EPÜ besteht im türkischen Patentrecht nach Art.96 Abs.1
TPatRVO innerhalb einer Frist von drei Jahren ab Veröffentlichung des Hinweises über die
Patenterteilung ein Benutzungszwang.
43
Bis zum Ablauf dieser Frist müssen gemäss Art.40
AO-TPatRVO eine bestimmte Amtsbescheinigung über die Benutzung durch die zuständige
Handelskammer oder eine andere vergleichbare Institution eingeholt und beim TPI eingereicht
sowie entsprechende Gebühren bezahlt werden. Der Import einer patentierten Erfindung in die
Türkei gilt im Sinne des Art.96 TPatRVO als Benutzung, sodass gemäss Art.40 AO-TPatRVO
ein Importnachweis über die Einfuhr der patentierten Erfindung als ausreichend angesehen
wird. Demnach ist es nicht zwingend, die patentierte Erfindung in der Türkei zu produzieren,
es reicht, lediglich die Erfindung in die Türkei in der die Nachfrage befriedigenden Menge zu
importieren. Unter Geltendmachung von bestimmten Umständen wie Zulassungsvorschriften
oder rechtlichen Hindernisse usw. ist eine Ausnahme von der Benutzungspflicht möglich. Die
37
Stump, 2012, S. 24, Weibel, Int. Übereinkommen "EU Patent, Londoner Sprachübereinkommen", S.
12
38
Köklü, S. 80
39
Türkische Patentinstitut, S. 11
40
Kayatekin, S. 47, 50, Noyan, S. 225­226, Orucoglu, S. 35
41
Köklü, S. 82­83
42
Orucoglu, S. 36, Türkische Patentinstitut, S. 25
43
Kayatekin, S. 100

20
Unterlagen betreffend die Benutzung sowie Dokumente für eine beanspruchte Ausnahme
werden nach Eingang beim TPI im Patentregister veröffentlicht.
44
Die Versäumnis dieser Frist hat keine vernichtenden Folgen, sondern erhöht lediglich die
Gefahr einer Zwangslizenz nach Art.99a i.V.m. 100 Abs.1 TPatRVO. Dem Patentinhaber steht
bei Fristversäumnis die Geltendmachung von Art.100 Abs.2 offen, welcher die Entschuldigung
wegen objektiv bestehender technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Gründe ermöglicht.
Der Grund für die Säumnis muss ausserhalb des Einflussbereichs des Patentinhabers
liegen.
45
Anderseits kann die Gefahr der Zwangslizenz mit einer Lizenzbereitschaftserklärung
durch den Inhaber gemäss Art.94 TPatRVO entschärft werden.
46
4.5 Erschöpfung
Nach rechtmässiger Veräusserung eines patentrechtlich geschützten Gegenstandes, gilt der
Patentschutz als erschöpft, sodass der Inhaber keine Rechte mehr an der veräusserten Ware
geltend machen kann.
47
Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit der Erschöpfung stellt sich bei Parallelimporten,
bei denen ein rechtmässig erworbener, patentgeschützter Gegenstand im Ausland in ein
anderes Land exportiert wird. Diese Thematik wird in Art.76 TPatRVO geregelt, sodass unter
Patentschutz stehende Gegenstände ohne das Einverständnis des Rechtsinhabers nicht in
der Türkei in Verkehr gebracht werden dürfen und so gemäss Art.73 Abs.2a TPatRVO die
nationale Erschöpfung für die Türkei gilt.
48
4.6 Versuchsprivileg
Eine weitere Beschränkung im türkischen Patentschutz stellt das Versuchsprivileg dar.
Demnach sind Handlungen nach Art.75b TPatRVO zu Versuchszwecken ohne Zustimmung
des Patentinhabers zulässig. Vorbereitungsmassnahmen zur raschen Markteinführung durch
Dritte nach Ablauf des Patentschutzes fallen dabei nicht unter das Versuchsprivileg. Eine
Ausnahme bilden gemäss Art.75f TPatRVO die Arzneimittelzulassungsverfahren und die dazu
erforderlichen Tests und Versuchsreihen.
49
4.7 Einzelzubereitung von Arzneimitteln
Im Gegensatz zur schweizerischen Regelung sieht das türkische Recht ein Apothekerprivileg
vor (Art.75 Abs.1c TPatRVO). Dies erlaubt Apothekern aufgrund ärztlicher Verordnung gegen
den Willen des Patentinhabers Einzelzubereitungen von Arzneimitteln, wobei es sich nicht um
Handlungen zur Massenherstellung oder Lagerung handeln darf.
50
44
Türkische Patentinstitut, S. 40
45
Köklü, S. 116­117
46
Kayatekin, S. 101, Köklü, S. 105, Türkische Patentinstitut, S. 41
47
Weibel, Patentverlezung und Schutzbereich, S. 68
48
Köklü, S. 123­126, Tamer, S. 116
49
Köklü, S. 126
50
Köklü, S. 127

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2014
ISBN (eBook)
9783958209251
ISBN (Paperback)
9783958204256
Dateigröße
4.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften - IAP
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
patentsystem optionen start-up wissenswertes patentangelegenheiten türkei
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Titel: Das türkische Patentsystem und strategische Optionen für ein KMU oder Start-up: Wissenswertes über Patentangelegenheiten in der Türkei
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