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Inklusion in der Praxis: Möglichkeiten und Grenzen des Konzepts im Religionsunterricht der Grundschule

©2014 Masterarbeit 67 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Studie thematisiert das in den Schule immer mehr vertretene Inklusionskonzept. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Situation in den Grundschulen und speziell dem Religionsunterricht. Wie positioniert sich der christliche Glaube zur schulpädagogisch viel diskutierten Inklusionsthematik und welche Möglichkeiten ergeben sich hieraus für die Religionslehrkräfte einen sowohl den Glaubensgrundlagen entsprechenden als auch mit den schulischen Rahmenbedingungen einhergehenden inklusiven Religionsunterricht an den Grundschulen umzusetzen? Berechtigte Fragen, die eine nicht unwesentliche Rolle in der heutigen Schulpädagogik spielen. In diesem Buch sollen Antworten und Beweggründe aufgezeigt werden und eine fundierte Positionierung erfolgen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


soziale Herkunft, Alter, Geschlecht, Motivation, Leistungsfähigkeit und
andere Parameter.
2
1.3. Inklusion
Inklusion bedeutet, alle Menschen gleichberechtigt einzubeziehen. Im
Bezug auf Schule wird dies auf die heterogen zusammengesetzten
Klassen bezogen. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass Behinderung
nur ein Kriterium von vielen ist und dass Heterogenität auch durch andere
Faktoren, wie zum Beispiel Religion, Kultur, Sprache, Ethnie oder soziale
Verschiedenheiten gekennzeichnet ist.
3
Es gibt in der heilpädagogischen Inklusionsdebatte zwei Hauptlager:
Einerseits gibt es die ,,Inklusionsfürsprecher, die für behinderte
Kinder und Jugendliche in Regelklassen spezielle pädagogisch-
therapeutische Programme [...] außerhalb des gemeinsamen
Unterrichts als Option offen halten"
4
.
Andererseits vertreten die Befürworter des Inclusive School
Movements die Auffassung, dass anstelle der therapeutischen und
sonderpädagogischen Zuwendung besser Unterstützung im Sinne
von einem Zwei-Pädagogen-System, peer tutoring, oder andere
Formen des kooperativen Lernens stattfinden soll, so dass alle
Schülerinnen und Schüler von dem zusätzlichen Bedarf profitieren
und somit nicht mehr offensichtlich ist, für wen der Extrabedarf
besteht.
5
2
Vgl. Netzwerk Heterogenität
3
Vgl. Biewer, S.126
4
Theunissen, S.220
5
Vgl. Enabling Education Network
3

2
Der Weg zur Inklusion
Im folgenden Kapitel werde ich in einem kurzen Rückblick auf die
pädagogische Entwicklung den Weg von der sonderpädagogischen Praxis
zur Inklusion aufzeigen.
2.1. Sonderpädagogik
Bevor sich überhaupt eine erste Sonderpädagogik entwickelt hatte, waren
Kinder mit Behinderung grundsätzlich als ,,unbeschulbar" aus dem
Bildungswesen ausgeschlossen.
Erst als zum Ende des 18. Jahrhunderts hin die ersten Sonderschulen ­
zunächst lediglich für Gehörlose und Blinde ­ in Europa eingeführt
wurden, begann die Sonderpädagogik sich zu entwickeln. Die
Schülerinnen und Schüler wurden in möglichst homogene Lerngruppen
zusammengefasst. Diese waren in der Regel nach der Klassifizierung
ihrer Behinderungen zusammengesetzt. Aus den auf diese Bedürfnisse
zugeschnittenen unterschiedlichen Schultypen entwickelten sich die
verschiedenen sonderpädagogischen Fachrichtungen, die quasi als
Nebenzweig des Regelbildungssystems bestehen.
6
,,Die sonderpädagogische Profession spielte bei der Überwindung der
schulischen Exklusion einerseits eine wichtige Rolle, indem sie die
Förderung der als behindert klassifizierten Kinder sicherstellte;
andererseits definierte sie aber auch stigmatisierende Kategorien ­ und
begründete besondere schulische Organisationsformen."
7
2.2. Integration
Im Zuge der Integration ist es Schülerinnen und Schülern mit
Behinderung, wobei allerdings hierin nicht alle Behinderungsformen
eingeschlossen sind, möglich am Unterricht in den allgemeinbildenden
6
Vgl. Scholz
7
Powell, In: Waldschmidt/Schneider (Hrsgg.), S.321
4

Schulen teilzunehmen. Die Integration dieser Kinder setzt eine
angemessene sonderpädagogische Unterstützung im Schulalltag voraus.
Aus diesem Grund gilt das Konzept als personenzentriert und
defizitorientiert.
8
2.3. Inklusion
Mit dem Inklusionsgedanken richtet sich das Augenmerk weg von den
Defiziten der Schülerinnen und Schüler hin zu der Idee, Heterogenität als
Norm zu denken. Diese Haltung setzt den grundlegenden Anspruch jedes
Kindes voraus, unabhängig ob und welche Form einer Behinderung
vorliegt, am Unterricht in einer allgemeinen Schule partizipieren zu
dürfen.
9
Dies gilt ebenso für andere Formen der Andersartigkeit im Sinne
von Hochbegabung, Migrationshintergrund u.v.m.
(Abb.1) Exklusion ­ Integration ­ Inklusion
10
8
Vgl. Scholz
9
Vgl. Scholz
10 Caritas Mecklenburg
5

Die oben stehende Abbildung veranschaulicht den soeben beschriebenen
Weg zur Inklusion.
2.4. Rechtliche Grundlagen
1994 wurde im Rahmen der UNESCO-Konferenz die sogenannte
Salamanca-Erklärung von 92 Nationen unterzeichnet, auch von
Deutschland. Mit der Verabschiedung der Erklärung verpflichteten sich die
teilnehmenden Nationen anzuerkennen, dass allen Schülerinnen und
Schülern das Recht zusteht, an einer allgemeinbildenden Schule
unterrichtet zu werden und dass diese ferner ein Recht auf bestmögliche
Bildungschancen haben.
11
In der Salamanca-Erklärung ist neben den rechtlichen Ansprüchen auch
eine erste Beschreibung zur Umsetzung einer inklusiven Schule enthalten.
Diese Leitideen wurden in der UN-Behindertenrechtskonvention 2006
weiter vertieft und somit erneut rechtlich geltend gemacht. So wird in
Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention definiert, dass alle
Menschen mit Behinderung das Recht auf Bildung haben und dies durch
ein ,,Inclusive Education System" gewährleistet wird. Dies muss ohne jede
Form der Diskriminierung und auf Grundlage der Chancengleichheit
verwirklicht werden.
12
Da es sowohl bei der Salamanca-Erklärung als auch bei der UN-
Behindertenrechtskonvention bei der Übersetzung vom Englischen ins
Deutsche zu einer Fehlübersetzung kam, so dass aus inclusion Integration
wurde, gab es zunächst Differenzen im Verständnis und und somit auch in
der Umsetzung.
11 Vgl. Biewer, S.128
Vgl. Peters, S.120
12 UN-BRK, Art.24
6

An dieser Stelle sei noch einmal festgehalten, dass Inklusion mehr
beinhaltet als das schon früher entwickelte Integrations-Konzept. Inklusion
ist ein ,,gesellschaftlicher Anspruch, der besagt, dass die Gesellschaft
ihrerseits Leistungen erbringen muss, die geeignet sind,
Diskriminierungen von Menschen jeder Art und auf allen Ebenen
abzubauen, um eine möglichst chancengerechte Entwicklung aller
Menschen zu ermöglichen"
13
.
13 Reich, S.39
7

3
Inklusive Schule
Dieses Kapitel handelt von dem Bild der inklusiven Schule und welche
Rahmenbedingungen das deutsche Schulsystem dafür überhaupt stellt.
Es wird der Umgang mit Heterogenität thematisiert und Parameter für
einen inklusiven Unterricht aufgestellt.
Abschließend werden die gesammelten Erkenntnisse mit dem
Religionsunterricht in Bezug gesetzt und auf nötige Ergänzungen
überprüft.
3.1. Das deutsche Bildungssystem
Da Bildung im föderalen Deutschland Ländersache ist
14
, gibt es zwischen
den einzelnen Bundesländern Unterschiede im Schulsystem.
Allen Bundesländern gemein sind jedoch folgende Rahmenbedingungen:
Das Hamburger Abkommen von 1964 regelt verbindlich die
Schulpflicht und das Verhältnis zwischen Ferien- und
Unterrichtszeiten.
Der Bildungsgesamtplan der Bildungskommission des deutschen
Bildungsrates von 1970 bestimmt die Unterteilung des
Gesamtsystems in vier Bereiche
15
im Sinne des
Einheitsschulgedankens:
Elementarbereich (Kindertagesstätten u.ä.)
Primarbereich (Grundschule: Klassenstufen 1-4, in manchen
Bundesländern werden die Klassenstufen 5 und 6 hier integriert;
sind die Klassenstufen 5 und 6 nicht in der Grundschule in der
sog. schulunabhängigen Orientierungsstufe integriert, bilden sie
an den weiterführenden Schulen die Orientierungsstufe, die in
14 Vgl. Art. 30 und Art. 70 GG
15 Vgl. Hinz, S.36ff.
8

dieser Einteilung noch zum Primarbereich gerechnet wird.
16
)
Sekundarbereich (Bereich 1: Klassenstufen 5-10
(bundeslandabhängig manchmal ab Klassenstufe 7); Bereich 2:
Klassenstufen 11-13)
Tertiärbereich (Berufliche Bildung an Fachschulen, Universitäten
etc.)
In welchen Schulformen diese nach Jahrgangsstufen klassifizierten
Bereiche integriert sind, ist nicht festgelegt und so existieren
Gesamtschulen und Schulen des dreigliedrigen Konzeptes (Haupt- und
Realschulen sowie Gymnasien) und auch Sonderschulen oft
nebeneinander.
17
Für die meisten Schülerinnen und Schüler bedeutet das, dass schon nach
Beendigung des vierten Schuljahres mit Ablauf der Grundschulzeit eine
Entscheidung darüber gefällt wird, auf welche weiterführende Schule sie
gehen werden.
Eine Ausnahme bieten hierbei die Grundschulen mit integrierter
Orientierungsstufe, welche Schülerinnen und Schüler der ersten bis
sechsten Jahrgangsstufe unterrichten und aus diesem Grund eine
Entscheidung zur weiteren Beschulung erst nach Abschluss der sechsten
Klasse treffen.
Auf Grund der sehr frühen Selektion und äußeren Differenzierung in
verschiedene Schulformen ist das deutsche Bildungssystem mehr auf
homogene Klassen eingestellt als auf heterogene. Die früher stets
vorausgesetzten Leistungsvorteile von homogenen Lerngruppen konnten
allerdings in sämtlichen neueren Testungen nicht mehr bestätigt werden.
18
,,Die Grundschule ist die einzige ­ in allen Bundesländern obligatorische ­
Schulstufe, deren Besuch für alle schulpflichtigen und schulfähigen Kinder
der Klassen 1 bis 4 [...] verpflichtend ist."
19
16 Vgl. Statistisches Bundesamt, S.53
17 Vgl. Hinz, S.37f.
18 Schuck, S.3ff.
19 Hinz, S.39
9

Die Grundschule besuchen alle Kinder, die am 30. Juni des
Einschulungsjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben. Allerdings
kann die Einschulung aufgrund von entwicklungspsychologischer und
pädagogischer Gründe um ein Jahr vorgezogen oder aufgeschoben
werden.
Der Grundschule kommt die generelle Aufgabe der Vermittlung einer
,,grundlegenden Bildung" zu. Dazu gehört das Erlernen der elementaren
Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen), die Einübung von Lern- und
Arbeitstechniken sowie die ,,Anbahnung verständigungsorientierter
Handlungskompetenzen". Ferner gibt es einen länderübergreifenden
Fächerkanon, der die folgenden Schulfächer einschließt: Deutsch,
Mathematik, Kunst, Musik, Sport, Religion und Sachunterricht.
20
Für Kinder mit körperlichen, seelischen oder geistigen Einschränkungen
kann bei Bedarf eine Sonderschulbedürftigkeit festgestellt werden. Diese
verwehrt nicht den Zugang zu Bildung, sorgt allerdings in den meisten
Fällen für einen Besuch einer der Einschränkung entsprechenden
Sonderschule. Die Sonderschulen sind in der Regel so aufgebaut wie die
Regelschulen auch, das heißt es gibt Grundschulstufen und darüber
hinaus die Möglichkeit, einen Haupt- oder Realschulabschluss zu machen
oder das Abitur zu erlangen. Eingeschränkt in ihren
Abschlussmöglichkeiten sind einige Sonderschulen mit Schwerpunkt auf
Lernbehinderungen oder geistigen Behinderungen, da die Schülerinnen
und Schüler mit diesen Einschränkungen höhere Abschlüsse aufgrund
ihrer Einschränkungen nicht erzielen können.
21
Im Zuge der Integrations- und Inklusionsbemühungen werden allerdings
immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen in
Regelschulen integriert. Dafür gibt es vielfältige Modelle, die meistens von
den jeweiligen Schulen geprägt und ausgearbeitet sind. Möglich ist
beispielsweise die Unterstützung durch mobile Sonderschullehrkräfte, die
an einigen Stunden des Regelunterrichtes unterstützend tätig sind. Die
20 Vgl. Hinz, S.39f.
21 Vgl. Hinz, S.51
10

Anzahl der bewilligten Stunden für deren Einsatz hängt von der Anzahl
und der Art des Integrationsstatus der jeweiligen Schülerinnen und
Schüler ab.
22
In der Grundschule sind Integrations- und Inklusionsklassen bislang am
häufigsten vertreten. ,,In den Schulversuchen wurden in der Regel für alle
Beteiligten positive Lern- und Sozialeffekte festgestellt"
23
. Diese
empirische Feststellung untermauert noch einmal die These, dass
heterogene Klassen der Lernatmosphäre und damit auch dem Lernerfolg
förderlich sind und homogene Klassen im Sinne des dreigliedrigen
Bildungssystems nicht immer zwangsläufig die beste Möglichkeit sein
müssen.
Gesellschaftspolitisch gesehen verhält es sich so, dass ,,wesentliche
Barrieren für die heutige schulische Integration und Inklusion grade in der
langfristigen Institutionalisierung der schulischen Behinderung liegen"
24
, da
sich die sonderpädagogischen Institutionen eingerichtet haben und es ein
langfristiger und organisatorisch komplizierter Prozess ist, diese
abzubauen bzw. die Arbeitskraft der Sonderpädagogen mit inklusivem
Schwerpunkt in das Regelsystem umzuleiten. Aufgrund der Trägheit der
Institutionen ist es essenziell, immer wieder auf eine Erweiterung und
Verbesserung der Inklusionspraxis zu drängen und sich dafür
einzusetzen.
25
3.2. Inklusion umsetzen
In Anlehnung an die Bestrebungen der Salamanca-Erklärung, der UN-
Behindertenrechtskonvention und der daraus folgenden Umstellung auf
Inklusion in den Schulen ist es notwendig, das oben beschriebene
Bildungssystem anzupassen.
Früher galt die Annahme, ,,dass man junge Menschen nur passgenau
22 Vgl. Hinz, S.51
23 Hinz, S.51
24 Powel, In: Waldschmidt/Schneider (Hrsgg.), S.338
25 Vgl. Powel, In: Waldschmidt/Schneider (Hrsgg.), S.338
11

aufteilen muss, um Gruppen zu erhalten, die dann im Gleichschritt lernen
können"
26
. Doch heute stellt sich die Frage: Wie muss das System
verändert werden, um allen Schülerinnen und Schülern gerecht zu
werden?
Das Bild der einen idealen ,,Musterinklusionsschule" aufzuzeigen ist
aufgrund der verschiedenen Ausgangslagen der Schülerschaften nicht
möglich. Es gibt jedoch Merkmale und Leitfragen, die für alle Schulen mit
inklusivem Anspruch von Bedeutung sind.
Zunächst einmal ist eine inklusive Schule für alle Schülerinnen und
Schüler des Einzugsgebiets zuständig und kann keine Kinder mehr
abweisen. Seit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention
haben Eltern das Recht, die Schule für ihr Kind auszusuchen und, trotz
etwaigem Förderbedarf, in der Regelschule anzumelden. Dieses Recht
können die Eltern bei Bedarf einklagen.
27
Um eine Beschulung aller Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen ist es
schon von den baulichen Voraussetzungen her unumgänglich, die Schule
barrierefrei zu gestalten. Jedoch muss fairer Weise auch bedacht werden,
dass dies ein Merkmal ist, welches gerade für schon bestehende
Altbauten nicht immer umsetzbar ist.
Inklusion in einer heterogenen Lerngruppe zu leisten bedeutet nicht nur,
dass eine Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit körperlichen oder
geistigen Behinderungen einbezogen werden, sondern gilt genauso für
den sozial-emotionalen Förderbereich, diverse andere Formen von
Behinderungen, Migrationshintergrund und daraus resultierende
Andersartigkeit in Bezug auf Sprache, Religionszugehörigkeit und andere
ethnische Parameter sowie für Hochbegabungen und jede andere Form
der Abweichung vom Bild des fiktiven Durchschnittsschülers.
28
Aus diesem Grund ist es für einen inklusiven Unterricht wichtig, die
26 Boban, S.13
27 Vgl. Grasser, S.28
28 Vgl. diverse Autoren, In: mittendrin e.V. (Hrsg.), S.171-217
12

Lerninhalte umfassend zu differenzieren, also Angebote für den Lernstand
aller Schülerinnen und Schüler anzubieten
29
.
Um dies zu gewährleisten sind generell kleinere Lerngruppen von Nöten.
Pilotprojekte haben gezeigt, dass Klassenverbände mit 20 bis 22
Schülerinnen und Schülern eine gute Größe darstellen.
Des Weiteren erwies sich der Einsatz von zwei Lehrkräften im Unterricht
dieser Klassen als überaus positiv. Durch das Zwei-Lehrer-Prinzip ist es
den Lehrkräften möglich, besser auf die Bedürfnisse der Schülerinnen und
Schüler einzugehen und diese gezielt anzuleiten und zu unterstützen. In
einigen Schulen wird dies bereits auch so umgesetzt, jedoch genießen
meistens nur die Hauptfächer den Status eines Lehrerteams. Es sollte
bedacht werden, dass alle ordentlichen Lehrfächer im Bildungsplan
gleichgestellt sind und es daher auch wichtig ist im Religionsunterricht und
anderen Fächern, wie zum Beispiel Musik oder Sport, eine zweite
Lehrkraft einzubeziehen.
30
Sind in den Inklusionsklassen Schülerinnen und Schüler mit Behinderung
eingeschlossen, so ist es sinnvoll im Lehrendenteam einen
Sonderpädagogen zu haben und auch andere Experten wie
beispielsweise Sozialarbeiter/innen, Heilerziehungspfleger/innen oder
Therapeutenteams, die sich mit den Bedürfnissen und Kompetenzen der
Kinder auf fachlicher Ebene besonders gut auskennen
31
.
Eine weitere große Hilfe in der erfolgreichen Umsetzung des
Inklusionsgedanken sind hausinterne Fortbildungen, die sich nicht ,,nur"
mit einem bestimmten Thema, wie beispielsweise Umgang mit
Hochbegabung, befasst, sondern auch konkret auf die Schülerinnen und
Schüler dieser Schule eingeht. So sind alle Lehrkräfte auf einem guten
Informationsstand und können auf diesem basierend eine gelungene
Unterrichtsdifferenzierung aufbauen.
32
29 Vgl. Deutsce UNESCO-Kommission, S.27
30 Vgl. Grasser, S.30
31 Vgl. Sengelhoff, In: mittendrin e.V. (Hrsg.), S.231ff.
32 Vgl. Grasser, S.30
13

Doch wie sieht es mit der Realität aus? Kann das deutsche
Bildungssystem diesen Ansprüchen gerecht werden oder ist Inklusion
wirklich nur eine Illusion?
Hierbei ist zunächst zu akzeptieren, dass das Schulsystem in seiner
homogenen Ausrichtung sicherlich nicht von einem Tag auf den nächsten
umgestellt werden kann. Daran hängen viele politische Entscheidungen,
gültige Gesetze und nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Finanzierung.
Kleinere Lerngruppen, die dafür im Idealfall statt einem gleich zwei
Lehrkräfte haben oder wahlweise auch anderes pädagogisches Personal,
verursachen langfristig deutlich höhere Kosten, die ersteinmal aufgebracht
werden müssen. Und ob dann allen Schulen bundesweit eine für alle
Förderschwerpunkte incl. Hochbegabung, Migrationshintergrund etc.
optimal ausgelegte Ausrüstung zugestanden werden kann ist schlicht
fraglich.
33
Auch ist es schwierig, alle Schülerinnen und Schüler im Sinne des
Kompetenzrasters mit Noten zu beurteilen. Da die Kompetenzorientierung
lediglich nach kognitiven Maßstäben bemessen ist, bekommen hierbei
viele Schülerinnen und Schüler zum Beispiel mit geistigem Förderbedarf
oder mit defizitärer deutscher Sprache aufgrund eines
Migrationshintergrundes schlechte Noten, weil sie nicht der
Durchschnittsnorm entsprechen. Inklusion geht im Gegensatz dazu von
einem ganzheitlichen ,,Menschenbild, das nicht die Leistungsfähigkeit
eines Menschen zum Maßstab des Lebens macht"
34
aus. Diese Haltung ist
mit der Kompetenzorientierung des Bildungssystems schwer zu
vereinbaren. Es wird deswegen immer Kompromisse geben müssen, da
es bislang noch keine Richtlinien gibt, wie Lehrerinnen und Lehrer den
Leistungszuwachs und nicht den Lernstand bewerten können.
35
Nichtsdestotrotz ist es essenziell, die unter anderem in der UN-
Behindertenrechtskonvention durchgesetzten Rechte um Inklusion und die
33 Vgl. Schicke, S.3
34 Grasser, S.33
35 Vgl. Grasser, S.34
14

Akzeptanz und Bejahung von Heterogenität als Norm zu beherzigen und
im Rahmen der Möglichkeiten in den Schulen umzusetzen.
Für eine gelungene Umsetzung sollten immer die Schülerinnen und
Schüler der Maßstab sein und die Förderung qualitativ hochwertig sein.
Um dies zu ermöglichen ist eine Kooperation mit Förderzentren, mobilen
Sonderpädagogen und anderen Fachkräften zu suchen um eine
bestmögliche Entwicklung zu gewährleisten.
36
36 Vgl. Grasser, S.32f.
15

4
Religion und Inklusion
Die Inklusionsthematik zielt auf ein gerechtes und gutes Zusammenleben
aller Menschen in Unabhängigkeit ihrer verschiedenen Eigenschaften ab.
In diesem Kapitel sollen mit Hilfe von biblischen Anknüpfungspunkten
sowie Bezügen zu Theologen der christliche Standpunkt ins Blickfeld
gerückt werden.
4.1. Bibel
Beginnen wir zunächst mit einem allgemeinen Blick auf die Bibel. In ihr
findet man eine Vielzahl von Geschichten aus unterschiedlichen zeitlichen
Epochen, aus verschiedenen menschlichen Perspektiven und mit teilweise
konträren Standpunkten. So stehen beispielsweise gleich zu Beginn des
Alten Testaments zwei nicht identische Schöpfungsgeschichten
37
nebeneinander und in den vier Evangelien
38
werden auf wiederum
unterschiedliche Weise die Taten des Jesus von Nazareth beschrieben.
Doch all diese Texte wurden in den offiziellen Kanon aufgenommen und
stehen dort als gleichwertig nebeneinander, obwohl es ,,stets Geschichten
und Gegengeschichten"
39
gibt.
Unsere christlichen Schriften sind nicht nur für unsere
Glaubensgemeinschaft basal. Die Schriften des im Christentum ,,Alten
Testament" genannten Teil der Bibel teilen die Christen mit den Juden.
Sämtliche Texte der ,,Bibel Israels" wurden ohne Änderungen im Sinne an
Jesus Taten angelehnter Theologie als wichtige Glaubensgrundlage
belassen
40
. Den gültigen Fächerkanon verdanken die Christen demnach
nicht einfach nur ein paar engagierten Autoren, sondern einer aktiven
Teilhabe- und Teilgabegesellschaft die ihre heiligen Schriften miteinander
teilte.
41
37 Vgl. 1. Mose 1-2
38 Vgl. Mt, Mk, Lk, Joh
39 Ebach, S.62
40 Zenger (Hrsg.), S.13
41 Vgl. Ebach, S.58ff.
16

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2014
ISBN (eBook)
9783958209336
ISBN (Paperback)
9783958204331
Dateigröße
1.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
2,1
Schlagworte
inklusion praxis möglichkeiten grenzen konzepts religionsunterricht grundschule
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