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Jugendsprache in Spanien: Ein kurzer Überblick über Entstehung, Geschichte und Merkmale

©2007 Examensarbeit 23 Seiten

Zusammenfassung

Obwohl die Jugendsprache keinesfalls ein Phänomen ist, welches erst in den letzten Jahren aufkam, ist sie noch unzureichend erforscht. Bisher gibt es unter den Linguisten weder eine einheitliche Bezeichnung, noch eine konkrete Definition. Dennoch wird versucht, in der folgenden Arbeit einen angemessenen Überblick über die Entstehung der Jugendsprache, deren Geschichte und Merkmale zu geben. Des Weiteren wird sich an die Frage herangetastet, inwieweit die Jugendsprache einen eigenständigen Substandard darstellt und ein Vergleich zwischen der spanischen und mexikanischen Jugendsprache gewagt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Charakteristika
Wie bereits angedeutet, liegt bisher keine griffige Definition zur Jugendsprache vor.
Will man eine linguistische Einordnung vornehmen, so lässt sich zu Beginn sagen, dass die
Jugendsprache eine Sonder- beziehungsweise Gruppensprache ist. Die exakte Abgrenzung
beider Begriffe von einander gestaltet sich sehr schwierig und würde den Rahmen der Arbeit
sprengen. Dennoch möchte ich an dieser Stelle jeweils eine Definition anführen:
,,Sondersprachen entwickeln sich immer dort, wo spezifische Gruppen innerhalb
einer Sozietät in Erscheinung treten: Solche Gruppen wollen oder müssen sich
absondern ­ auch sprachlich. [...] Ein Wesenszug der Sondersprachen ist ihr
kryptologischer Charakter." (Betz 1992: 337)
Laut Niceforo (1972: 13) wird die Jugendsprache auch als Gruppensprache begriffen:
"Ogni associazione dalla normale alla criminale [...]possiede queste forme di
gergo [...]. Quanto più l'associazione ha bisogno di difesa contro l'ambiente
in cui agisce, tanto più cresce la organizzazione del gergo."
Casado (1988: 101) hat den Versuch unternommen, Jugendsprache zu definieren:
,,Por jergo júvenil entiendo un conjunto de fenómenos lingüisticas ­ la mayor parte
de ellos relativos al lexico ­ que caracterizan la manera de hablar de amplios
sectores juveniles con vistas a manifestar la solidaridad de edad y/o grupo. Estos
sectores son, por lo general, estudiantiles y urbanos, y con una edad comprendida ­
aproximadamente ­ entre los 14 y los 22 años."
Da diese Definitionen recht allgemein ist, möchte ich an dieser Stelle noch ein Zitat von
Zimmermann (1996: 484) anführen:
"El fenómeno tiene que determinarse entonces por las tres dimensiones : la
dimensión oralidad, la dimensión edad (juventud) y la dimensión marginalidad."
Der gravierende Einfluss des Alters auf die Sprache wird im Lexikon der romanistischen
Linguistik jedoch relativiert:
,,[...] la intervención de la edad [...] parece mucho menos importante que otros
factores, como pueden ser profesión, la distribución del trabajo, el grado de
instrucción, los ingresos y el lugar de residencia." (Jiménez 1992: 268)
Vielmehr wird angeführt, dass der Parameter "Alter" lediglich eine Klassifikation der Sprecher
der Jugendsprache wäre (Jiménez: 269).
Umstritten ist auch die Eingrenzung des Begriffes ,,Jugend". Henne hat diese unter Berück-
sichtigung der körperlichen sowie der geistigen Reife folgendermaßen definiert: ,,Die Phase der
Jugend liegt für den einzelnen zwischen biologischer Geschlechtsreife, also zwischen 12 bis 13
Jahren, und sozialer Reife, die vielfach mit 25 noch nicht erreicht ist." (Henne 1986: 202)
An dieser Stelle kommt die Frage auf, warum mittlerweile viele jugendsprachliche Wörter in
die Umgangssprache eingegangen sind. Dies ist der Tatsache zu schulden, dass wir in einer

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Gesellschaft leben, in der viele Menschen einem fast zwanghaften Jugendwahn nacheifern und
somit auch die Sprache der Jugendlichen adaptieren. Das bedeutet zwar, dass die Jugend-
sprache von der Gesellschaft instrumentalisiert wird, diese aber nur von den Jugendlichen neue
Impulse zur Weiterentwicklung erfährt. Wieland (in: Henne 1986: 207) bezeichnete die
Sprache als ,,eine Tochter des Bedürfnisses und ein Pflegekind der Geselligkeit", womit der
kontinuierliche Wandel der Jugendsprache mit dem Bedürfnis nach bewusster Abgrenzung
gegenüber der ,,norma escolar, el estilo culto y la cultura de los adultos" erklärt werden kann
(Zimmermann 1996: 483). Die Jugendlichen nutzen ihren Jargon bewusst zur Selbstbestätigung
beziehungsweise zur Betonung der gemeinsamen Identität und als ,,mecanismo de defensa"
(Rodríguez 1989: 142) gegenüber Außenstehenden.
Das Merkmal der Mündlichkeit, ist mit kleineren Einschränkungen zu betrachten. Durch die
Nutzung des Internets, wurde die Jugendsprache in den zahlreichen Chats festgehalten. Der
Verschriftung liegt zwar immer noch eine mündliche Konzeption zu Grunde, jedoch eröffnen
sich auf diesem Wege ganz neue Formen der Sprachverfremdung, die im Kapitel 6 ,,lenguaje
móvil" genauer erläutert werden sollen.
Die Marginalität der Jugendsprache, welche Zimmermann angeführt hat, ist meiner Meinung
nach nicht zu verallgemeinern. Sicherlich bedient sich die Jugendsprache zahlreicher Lexeme
marginaler Gruppierungen, die Jugendlichen selbst stellen aber seltener eine Randgruppe der
Gesellschaft dar. Deshalb fügt Zimmermann (1996: 484) des Weiteren hinzu: ,,Si los jóvenes
son miembros de grupos marginados, llevan las características de la variedad diastrática
respectiva."
Im Allgemeinen lässt sich über die Charakteristika der Jugendsprache Folgendes sagen: die
Grundlage bildet eine homogene Sprechergruppe, die durch das gemeinsame Alter geeint ist.
Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass es nicht nur eine Jugendsprache gibt, sondern
eine große diatopische Varianz vorherrscht, welche im Kapitel 5 ,,Spanische und mexikanische
Jugendsprache im Vergleich" genauer dargestellt werden soll.
Eine Schwierigkeit stellt die Bezeichnung der spanischen Jugendsprache unter den Sprach-
wissenschaftlern dar, da bisher keine eindeutigen Definitionen für die jeweiligen Begriffe vor-
liegen: lenguaje juvenil, argot juvenil, gergo juvenil, jerigonza, pasota. Die ersten drei Benenn-
ungen finden sich am häufigsten in der einschlägigen Literatur. Ich werde im Folgenden
lenguaje juvenil verwenden, da die Begriffe argot und gergo meines Erachtens zu sehr eine
Beeinflussung durch die Verbrecher- und Untergrundsprache implizieren.

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Geschichte der Jugendkultur und Entstehung deren ,,Sprache"
Die Jugendsprache ist ein relativ junges Phänomen. In den 60ern kam es mit der Entstehung
der Rock-/Pop-Kultur zu einer kulturellen Revolution. Die Suche der Jugendlichen nach ihrem
Platz in der Gesellschaft mündete in einem Protest gegen die bis dahin vorherrschenden Werte
der Gesellschaft und man schuf eine alternative Gegenkultur, die durch neue musikalische Ein-
flüsse, einen eigenen Kleidungsstil, Drogen und orientalische Philosophie gekennzeichnet war.
Die Gründung von Kommunen stellte dabei ein Extrem der Subkulturen mit eigenen Werten,
Normen und sich daraus ergebenden sprachlichen Bedürfnissen dar. Die Jugendkultur in
Spanien setzte erst in den 70ern mit dem so genannten ,,rollo" ein.
Spätere Jugendbewegungen zeigten ihre Andersartigkeit weniger mit Hilfe von Symbolen in
der Öffentlichkeit als ihre Vorreiter. (Sanmartín 1998: 200-201)
In den 90ern uferte das Ganze in einer Spaßgesellschaft, die sich an Hand von Äußerlichkeiten
definierte. Körperkult und Ästhetik wurden groß geschrieben. Weitere Merkmale waren
Technomusik und Alkohol- und Drogenkonsum.
Mit zunehmender Verbreitung neuer Kommunikationsmittel wurde die Verbreitung der
Jugendsprache vereinfacht und erlangte überregionalen Einfluss. Heute ist die Jugendsprache
bei Weitem nicht mehr auf eine Gruppe beschränkt, sondern hat Eingang in den Sprachge-
brauch der gesamten Bevölkerung gefunden:
,,Lo juvenil ha alcanzado una posición de privilegio en el comercio de los valores
sociales: «Si hubo un tiempo en que la gente miraba a sus mayores como modelo
a seguir en su forma de vida, sus modales, su lenguaje, a partir de ahora el
mimetismo cambia de dirección y son los mayores los que imitan y pretenden
parecerse a los jovenes» [...] En este context, las diferentes jergas juveniles «han
incorporado un rico caudal de voces a la lengua popular y al habla coloquial de
todos, constituyendo un fenómeno inédito en la historia de nuestra lengua»"
(Jiménez 1992: 269).
Eine Untersuchung von Zimmermann (2002: 244) hat ergeben, dass deutsche Jugendliche der
Ansicht sind, mehr mit Jugendlichen aus anderen Ländern gemeinsam zu haben als mit Er-
wachsenen des eigenen Landes, da man sich über Landesgrenzen hinaus über ähnliche Hobbys,
Lebenssituationen und Probleme identifiziert.

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Analyse der spanischen Jugendsprache
Die Jugendsprache ersetzt nicht die Muttersprache, in diesem Fall Spanisch, sondern
instrumentalisiert diese lediglich, um neue Strukturen und Wörter in diese einzunisten wie ein
Parasit.
Rodríguez (1989: 142) beschreibt die spanische Jugendsprache folgendermaßen:
,,[...] [los jovenes] crean palabras nuevas, las deforman o dan nuevas acepciones
a las ya existences, o bien las toman directmente de sociolectos marginales o
lenguas extranjeras. Las diferentes afectan principalmente a la morfología y al
léxico, y en menor medida a la sintaxis y la fonética."
Die Besonderheit der Jugendsprache liegt demnach hauptsächlich in der Lexik. Die
Jugendlichen schaffen einen zusätzlichen gruppenspezifischen Wortschatz. ,,Entgegen der
Annahme, die in manchen, vor allem jugend- und jugendsprachkritischen Erörterungen
gemacht wurde, dass die Jugendsprache nur unnötige Dubletten von Lexemen hervorgebracht
hätte [...], ist davon auszugehen, dass spezifische, für die Kommunikation in dieser Lebenswelt
notwendige neue oder partiell anders gelagerte Inhalte [...] erfunden worden sind."
(Zimmermann 2002: 244)
Durch die Kritik an der Gesellschaft sympathisieren die Jugendlichen oftmals mit marginalen
Gruppierungen wie zum Beispiel mit denen aus der Drogenszene. Aufgrund dessen entlehnen
sie häufig Lexeme aus marginalen Soziolekten, verändern dabei aber oftmals deren Bedeutung.
Somit hat die Jugendsprache eine Vermittlerfunktion zwischen marginalen Jargons und der
Umgangssprache inne, in welche viele jugendsprachliche Wörter übernommen werden. Durch
den fließenden Übergang zur Umgangssprache fällt eine klare Definition der Jugendsprache
schwer.
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Wortbildung
4.1.1 Semantische
Deformation
Laut dem Strukturalismus besteht keine Beziehung zwischen signifié (Bedeutung) und
signifiant (Lautung) eines Wortes; d.h. sie wurden einander willkürlich zugeordnet. Diese
Tatsache machen sich die Jugendlichen unbewusst zu Nutze, indem sie bereits bestehenden
Lautungen eine neue semantische Entsprechung geben: sie hebeln die ursprüngliche Bedeutung
eines Wortes aus um diese durch eine neue zu ersetzen. Mit Hilfe dieser semantischen Defor-

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mation schaffen sie Homophone - Wörter, die zwar dieselbe lautliche Realisierung, aber eine
andere Bedeutung und teilweise Orthographie aufweisen. Durch die scheinbare Verständlich-
keit der Wörter werden Außenstehende folglich bewusst in die Irre geführt und so ein Bruch
mit der Gesellschaft herbeigeführt. Rodríguez (1989: 163) erläutert dieses Verfahren
folgendermaßen: ,,[...] bien estableciendo una nueva relación entre significante y significado,
lo cual se traduce en una enorme polisemia que depara nuevos o inevitables `ruidos' al acto de
la comunicación, especialmente al receptor adulto o extraño al grupo cuya confusión en parte
se pretende."
lenguaje juvenil
significado
español
estandard
significado lenguaje juvenil
basca Tollwut
Leute
camello Kamel Drogenhändler
currar wühlen
arbeiten
manteca Butter Geld
mono Affe Polizeibeamter
(Casado
1989:
174-175)
4.1.2 Metaphern
Der bildliche Ausdruck stellt das Vorzeigephänomen der Jugendsprache und der jergas im
Allgemeinen dar. Niceforo (1972: 150) deklariert die Rolle der Metaphern wie folgt:
"[sc .Il gergo] è il linguaggio che punta sulla metafora, che si avvoltola e cerca
nascondersi nelle pieghe dei traslati [...]. Il gergo vive [...] della metafora,
e con essa e su essa si plasma. La metafora è il cencioso vestito entro il quale
esso so nasconde, il gergo è vegetazione che cresce soltanto nelle tenebre, e
queste tenebre sono formate [...] dalla metafora."
Er beschreibt die Metapher somit als Herzstück eines gergo, ohne jenes dieser nicht denkbar
wäre.

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lenguaje juvenil
significado - español estandard significado - lenguaje juveni
aceitunas
Oliven
Mitgleider der Guarda Civíl
(aufgrund der grünen Uniformen)
blancanieves
Schneewittchen
Mitglieder der Guarda Civíl
(aufgrund der weißen Dienstwagen)
matarlo [un porro]
ihn umbringen
(Joint) aufrauchen
madre/ maría
Mutter/ Maria
Droge/ Mariuhana
nieve/ blanca
Schnee
Kokain
(Rodríguez 1989: 148-149)
Zu den Lexemen madre und maría merkt Rodríguez (1989: 148) an, dass sie eine
Verherrlichung, ja fast Heiligsprechung des Verbotenen durch den süßen, gastfreundlichen,
träumerischen und beruhigend Beiklang der Begriffe implizieren, indem die Mutter oder sogar
die heilige Mutter Gottes Maria mit einer Droge gleichsetzt wird.
4.1.3 Dysphemismen
Ein Dysphemismus ist ein Stilmittel, bei dem ein neutrales Wort durch ein anderes mit
negativer Wertung ersetzt wird um der Sprache einen abwertenden oder humoristischen Ton zu
verleihen.
Hinzu kommt der häufige Gebrauch von Schimpfwörter und Vulgarismen zur Verstärkung der
Aussage in der spanischen Jugendsprache: cabrón, maricón, (Rodríguez 1989: 157), cojonudo,
acojonante, de puta madre (Rodríguez 1989: 158), jodido, coño (Rodríguez 1989: 159), etc.
Dabei wird aber weitestgehend auf Blasphemie verzichtet. Die einzige Ausnahme stellt hostia
(Rodríguez 1989: 160), die religiöse Oblade, dar, die jugendsprachlich in der Bedeutung krass
oder Schlag Verwendung findet.

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4.1.4 Suffigierung
Durch das Anhängen von Affixen wird die Bedeutung des Wortes verschleiert. Hauptsächlich
werden dabei Suffixe funktionalisiert. Das am häufigsten verwendete ist dabei ­ata, welches
ursprünglich aus dem Verbrecherjargon stammt und einen pejorativen Charakter hat.
Außerdem wird durch Missachtung der sprachlichen Konventionen die Verständlichkeit für
diejenigen, die der lenguaje juvenil nicht kundig sind, getrübt:
español estandard
lenguaje juvenil
Übersetzung
bocadillo bocata
Bocadillo
drogadicto drogata
Drogensüchtiger
fumador fumeta Raucher
(Casado 1989: 168)
4.1.5 Apokopen
Des Weiteren werden der Sprachökonomie geschuldet Wörter durch Wegfallen des Auslautes
verfremdet. In der Umgangssprache finden sich traditionell meist zweisilbige Wortkürzungen
wie zum Beispiel bici (bicicletta), foto (fotografía) oder tele (televisión). (Casado 1989: 170)
Die lenguaje juvenil ist an dieser Stelle innovativ und kürzt meist auf dreisilbige Wörter.
Außerdem erschwert die Akzentverschiebung ihrerseits die Verständlichkeit:
español estandard
lenguaje juvenil
Übersetzung
anarquista anarco
Anarchist
anfetamina anfeta
Amphetamine
legionario legía
Soldat
manifestación manifa
Demonstration
proletario proleta
Prolet
(Casardo
1989:
170)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783958209398
ISBN (Paperback)
9783958204393
Dateigröße
284 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
jugendsprache spanien überblick entstehung geschichte merkmale
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