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Punk: Eine Jugendkultur zwischen Protest und Provokation

©2007 Studienarbeit 39 Seiten

Zusammenfassung

Mit dem Begriff Punk werden häufig Gedanken wie Abfall, Müll, Alptraum aller Eltern, Schmutz, Arbeitslosigkeit und No Future etc. verbunden. Wer als Punk tituliert wird gilt als das „Allerletzte“, doch Punk ist mehr als diese Vorurteile. Es ist eine Art von Selbstverwirklichung und Freiheit. Punk gilt seither als der Inbegriff einer rebellischen und provokanten Jugendkultur und in der vorliegenden Studie liegt das Hauptaugenmerk auf genau diesem Image. Es soll dabei erörtert werden, was den Protest und Provokation dieser Jugendkultur ausmacht und wie Punks ihren Frust an der Gesellschaft zum Ausdruck bringen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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2. Jugendsubkulturen
2.1 Begriffsbestimmung von Subkulturen
Rolf Schwendter gilt als einer der ersten Jugendforscher, der sich ausführlich
mit Jugendsubkulturen und deren Definition beschäftigte. Er definiert Subkul-
tur als ,,Teilkultur einer konkreten Gesellschaft, der sich in seinen Institutio-
nen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Wertordnungssystemen, Präferenzen,
Bedürfnissen usw. in einem wesentlichen Ausmaß von den herrschenden In-
stitutionen etc. der jeweiligen Gesamtgesellschaft unterscheidet" (Schwend-
ter 1978, S.11).
Auch die Ende der 70er entstanden Definition von ,,Subkultur" als ein Aspekt
von Jugend des ,,Centre of Contemporary Cultural Studies", scheint bis heute
noch zutreffend zu sein. Demnach ist die ,,Kultur" jene Ebene, auf der gesell-
schaftliche Gruppen selbstständige Lebensformen entwickeln und ihrer so-
zialen und materiellen Lebenserfahrung eine Ausdrucksform verleihen. Kultur
sei demnach die Art und Form, in der Gruppen das ,,Rohmaterial" ihrer sozia-
len und materiellen Existenz bearbeiten (vgl. Müller-Wiegand 1998, S.35).
Die Grundthese der Jugendkultursoziologen besagt, dass Subkulturen bzw.
Jugendkulturen eine Übergangserscheinung zur Erwachsenenwelt seien, die
über kurz oder lang in die Gesellschaft integriert werden würden (vgl.
Schwendter 1978, S.29).
Dieter Baacke zum Beispiel plädiert dafür, den Begriff ,,Subkultur" heute nicht
mehr zu verwenden, da der Begriff ,,suggeriert, es handele sich um kulturelle
Sphären, die unterhalb der akzeptierten elitären Kultur liegen í von teilweise
zweifelhaftem Wert und jedenfalls einem irgendwie unteren Bereich zugehö-
rig. Diese Deutung entspricht nicht den Tatsachen í wenn sie zwar häufig
vertreten wird ­ und sollte vermieden werden" (Baacke 1999, S.133). Laut
Baacke geht die Subkultur-Theorie weiterhin davon aus, dass einzelne Sub-
kulturen genau lokalisierbar seien. So zum Beispiel in einer bestimmten sozi-
alen Schicht, oder auch durch politische Gesinnungen.
Dass dies aber nicht immer zutrifft, versucht er am Beispiel der Punks zu er-
läutern, indem er Punks wie folgt beschreibt: ,,Sie sind weder ,,links" noch
,,rechts" oder sie sind teils kommerziell, teils unabhängig, insgesamt keinem

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Raster einzuordnen" (Baacke 1999, S.134). Zu dieser Aussage, werde ich
noch in den nächsten Kapiteln Stellung nehmen.
Doch ein wesentliches Element der Definition von ,,Subkultur" sei jedoch, so
Baacke, weiterhin haltbar, nämlich die Betonung der Eigenständigkeit kultu-
reller Systeme. Eine Betonung dieser Tatsache impliziert, dass ,,kulturell" hier
nicht als Überbau-Phänomen gedeutet wird, sondern als ein spezifischer Ha-
bitus, der bis in die Motive ökonomischer Lebenssicherung und politischer
Selbstverortung hineinreicht (vgl. Baacke 1999, S.134).
Für meine weiteren Ausführungen, werde ich auch den Begriff Jugendkultu-
ren verwenden, da mir dies passender erscheint.
2.2 Jugend und Funktion von Jugendkulturen
Bevor ich nun zur Funktion von Jugendkulturen komme, möchte ich kurz den
Begriff Jugend definieren und aufzeigen, wie sich die heutige Jugend verän-
dert hat, um die Funktion jugendkultureller Gruppen besser darstellen zu kön-
nen. Laut dem Lexikon ist Jugend, ,,ein Wachstumsabschnitt bis zur Reife ei-
nes Lebewesens, beim Menschen die Phase der körperlichen und geistigen
Entwicklung zwischen Kindheit und abgeschlossener Pubertät, aber auch des
Beginns der Herauslösung des einzelnen aus der Familie und der Einfluss-
nahme der Arbeitswelt auf die Entwicklung des jugendlichen Selbstverständ-
nisses" (Lexikon Bassermann 1991, S.336). Um seriös und gehaltvoll über Ju-
gendkulturen und Jugendphänomene zu sprechen, ist der Blick notwendiger-
weise auf die veränderten gesellschaftskulturellen Bedingungen, Verschie-
bungen und Wandlungen des Aufwachsens und des Lebens zu richten.
Wobei immer wieder auf den Wandel der Jugendphase hingewiesen wird
(vgl. Müller-Wiegand 1998, S.30).
Bei diesem Aspekt wird von den vielfältigen gesellschaftlichen Veränderun-
gen und einem gesellschaftlichen Strukturwandel der letzten Jahrzehnte ge-
sprochen. Sowie auf eine fortschreitende Individualisierung der sozialen Ver-
hältnisse, der ,,Brüchigkeit" familiärer Beziehungen und der Erosion traditio-
neller Lebens- und Normkonzepte hingewiesen. Dies deutet darauf hin, dass

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die Jugendphase heute zu einem eigenständigen Lebensabschnitt geworden
ist und die traditionellen Schemata von Jugend als Übergang von der Kind-
heit zum Erwachsenenalter verloren gegangen sind (vgl. Müller-Wiegand
1998, S. 30 f.). Auf der einen Seite besteht bei den Jugendlichen eine frühere
soziokulturelle Verselbstständigung durch Ablösung und Abgrenzung von
traditionellen Werten, familiären Bedingungen oder Neuorientierungen in
Peer-Groups. Andererseits verlängert sich auch die finanzielle bzw. ökono-
mische Abhängigkeit durch längere Schul- und Ausbildungszeiten, was ja
zwangsläufig eine längere Unterstützung durch die Eltern bedeutet. Das be-
inhaltet, dass sich ältere Jugendliche in einer historisch neuen Lebenskons-
tellation befinden: ,,sie sind soziokulturell selbstständig í ökonomisch abhän-
gig" (vgl. Müller-Wiegand 1998, S.31).
Die einstmals eher auf eine zielgerichtete Zukunftsplanung orientierte Ju-
gendphase, ist heute eher einer breiten Gegenwartsorientierung gewichen.
Herkömmliche ,,Lebensläufe", im Sinne von Schule, Ausbildung, Berufstätig-
keit, Heirat und Familie, haben für viele Jugendliche ihre Sinnhaftigkeit verlo-
ren. So spricht man auch von einer ,,Aufweichung" traditioneller Lebensprä-
gungen (Simon 1995, S.61 in: Müller-Wiegand 1998 S.32). Diese Verände-
rungen und Tendenzen, bergen für Jugendliche Chancen und Risiken in sich.
Die Individualisierung meint nach Thiersch, nicht nur die Verbesserung von
Wahlmöglichkeiten und Optionen, sondern erhält auch eine herausfordernde
Dimension der Neuorientierung durch die Tatsache, dass tradierte Normen
und Werte als verhaltensanleitende Muster geschwächt oder nicht mehr rele-
vant sind. Auch der Bedeutungsverlust von Sozialisationsinstanzen wie
Schule, Familie, Bildung usw. trägt hierzu bei. ,,Jugendliche müssen heutzu-
tage selbst zum `Regisseur` ihrer Verhältnisse werden (vgl. Thiersch 1992,
S.69 in: Müller-Wiegand 1998, S.32).
Nun möchte ich zur Funktion von jugendkulturellen Gruppen kommen.
Auf dem Hintergrund des Kompetenzverlustes traditioneller Sozialisationsin-
stanzen, erhält die jugendkulturelle Gruppe eine bedeutende Aufgabe.
Jugendliche binden sich weniger an traditionelle Vereine oder Verbände. Sie
organisieren sich immer weniger in Sportvereinen und Jugendverbänden
(vgl. Müller-Wiegand 1998, S.36), was darauf hinweisen könnte, dass Verei-

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ne und Verbände nicht mehr angemessen auf die Bedürfnisse der Jugendli-
chen reagieren.
Aufgrund der ,,Brüchigkeit" der ,,Lebensläufe" der Jugendlichen, befinden sie
sich heute mehr den je in einem ,,Balanceakt". ,,Und in diesem Identitätsbil-
dungsprozess von Orientierung und Sinnfindung sind Lerní und Erfahrungs-
felder notwendig, die Experimente und Suchbewegungen zulassen" (Müller-
Wiegand 1998, S.36). Da die Jugendlichen diese Orientierung in Vereinen
und Verbänden nicht mehr vorfinden, bekommen jugendkulturelle Gruppen
zunehmende Relevanz. So können in ihnen nach innen Zugehörigkeit und
nach außen Grenzlinien markiert werden. Sie dienen also als ,,Rahmen", um
eigene Einstellungen, Deutungen und Sichtweisen deutlich nach außen zu
artikulieren, oder um auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen (vgl. Mül-
ler-Wiegand, S.37).
So kann man also abschließend sagen, dass jugendkulturellen Gruppen eine
wichtige Sozialisationsfunktion zukommt. Die Gruppe gibt Sicherheit, schafft
Solidarität und ein Wir-Gefühl. Doch vor allem bietet die Gruppe den Erfah-
rungs- und Selbsterprobungsraum, der als wesentlicher Beitrag zur Identi-
tätsentwicklung angesehen werden kann (vgl. Müller-Wiegand 1998, S.38).

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3. Punk - eine provokante, protestorientierte Jugendkultur
3.1 Historischer Überblick: Entstehung und Entwicklung des Punk
In der Regel wird die Punkkultur mit England, speziell mit London in Verbin-
dung gebracht. Obwohl ebenfalls Einflüsse von Musikern aus der Kunstsze-
ne Neu-Yorks wesentlich zur Entwicklung beitrugen.
Der Ursprung des ,,modernen" Punks liegt in den späten 60er Jahren des 20.
Jahrhunderts. Vorreiter dieser Zeit waren Gruppen wie: ,,The Stooges", ,,Ra-
mones", ,,The Sonics" oder ,,The Velvet Underground", deren einfacher
Sound die Musikwelt aufhorchen ließ.
Doch wirkliche Aufmerksamkeit, erlangte der Punk jedoch erst durch die
Londoner Band ,,Sex Pistols". Diese Band provozierte schon 1976 die briti-
sche Gesellschaft mit ihren ,,bissigen" Texten. Die Musiker der Band spra-
chen im britischen Fernsehen das Wort ,,Fuck" aus, fügten zum Queen-
Jubiläum 1977 ihrem Song ,,God save the Queení the fascist regime" den
Satz ,,no future for you" zu. Oder sie präsentierten sich in London öffentlich
mit Hakenkreuz- T-Shirts (vgl. Geiling 2000, S.168), was bei der Gesellschaft
eine beabsichtigte Schockierung auslöste.
Die Entstehung der Punkkultur muss allerdings auf dem Hintergrund der ge-
samten wirtschaftlichen und sozialen Situation, Jugendlicher in England be-
trachtet werden. Welche infolge einschneidender Rezession und steigender
Jugendarbeitslosigkeit, eine Sinn- und Perspektivlosigkeit mit sich führte.
Viele Jugendliche fanden nach ihrer Ausbildung keine Arbeit. Hauptsächlich
davon betroffen, waren Jugendliche aus der Arbeiterklasse und aus Städten
wie London, Liverpool oder Manchester. Es existierte kein ausgereiftes Sozi-
alsystem, es saßen viele der Jugendlichen auf der Straße. So entstand der
Hass gegen die Gesellschaft. Es entwickelte sich der Anfang eines Stils, der
den Jugendlichen die Gelegenheit bot, ihre Wut öffentlich zu präsentieren
und ,,herauszuschreien". Wut beispielsweise über Isolation und Langeweile,
Ausweglosigkeit, Ohnmachtsgefühle oder Perspektivlosigkeit.
,,No Future", eine Textzeile aus der Hymne der ,,Sex Pistols", wurde zum Mot-
to dieser verunsicherten Jugendlichen (vgl. Müller-Wiegand 1998, S.44). Sie
versuchten mit ,,Müll" behängend, gegen die konventionellen Wertevorstel-

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lungen der britischen Industriegesellschaft anzukämpfen. Denn in genau die-
ser Gesellschaft, wurde den arbeitslosen Jugendlichen, die Rolle eines Ver-
sagers zugeordnet.
Die bürgerlichen Welt, die auch schon Ende der 70er und Anfang der 80er
Jahre eine funktionierende, leistungsorientierte Jugend als Leitbild transpor-
tierte, reagierte entsetzt auf Jugendliche, die nicht Schönheit und Gesundheit
repräsentieren wollten. Diese Jugend, wollte mit ihrer eigenen ,,Hässlichkeit"
und ,,Verkommenheit" der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten.
Zusätzlich zu der gesellschaftlichen Situation, kam es in England zu einer
Kommerzialisierung der gesamten Musikbranche. Platten und Konzertkarten
waren teuer, so dass viele Jugendliche es sich nicht leisten konnten und so-
mit ausgeschlossen wurden. Ein weiterer Aspekt war, dass die Musiktexte,
der zu der Zeit angesagten Bands wie ,,Rolling Stones", ,,Led Zeppelin" usw.
kaum der Realität dieser Jugendlichen entsprachen. Diese Bands, waren
meilenweit von ihrem Publikum entfernt, denn sie fuhren ,,dicke" Autos und
führten ein pompöses Leben. Somit entwickelte sich Punk aus der ,,No Futu-
re-Stimmung" heraus und bot den Jugendlichen eine Ausdrucksform von
Protest gegen die Zunahme staatlicher ,,Unterdrückung" und Einschränkun-
gen, sowie dem Leistungsgedanken und allgemeinen Missständen innerhalb
der Gesellschaft. Punk bot eine Möglichkeit zur Alltagsbewältigung. Ob in
Modefragen, Musik oder Alltagsethik der Jugendlichen, überall stand Dille-
tantismus vor Perfektion, Schäbigkeit vor Snobismus, Anarchie statt Einí
und Unterordnung und ,,No Future" vor Karrieregedanken (vgl. Mül-
leríWiegand 1998, S.45).
Es wurden Musikbands gegründet, in denen Jugendliche ohne große An-
sprüche, ihre Kreativität und Dynamik einbringen konnten. Mit Hilfe der Musik
protestierten sie gegen den Staat und die spießige Gesellschaft. Die Kon-
zertkarten hatten niedrige Preise und waren somit für jeden zugänglich. Der
Unterschied zu anderen Konzerten war, dass bei den Punks jeder teilneh-
men konnte. Jeder konnte sich auf die Bühne stellen und seine 3 Akkorde
,,schrammeln".
Die Nähe zum Publikum, wo klare Grenzen zwischen Band und Publikum oft
verwischten, war ein Markenzeichen bei Punkkonzerten.

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Außerdem entstanden Fanzines (ergibt sich aus dem Wort Fan und Szene).
Fanzines, waren schülerzeitungsähnliche Magazine, die zum großen Teil
über die mit den Autoren befreundete Bands und anderen für die Szene
wichtigen Dinge berichteten (und sei es nur, wie es war, dieses oder jenes
Konzert betrunken in der Ecke liegend mitzuerleben). Sie waren unabhängig
und unkommerziell, oft handschriftlich geschrieben. Sie wurden für wenig
Geld im Freundeskreis, Kneipen oder bei Konzerten weitergegeben. Somit
verschaffte sich die Punkszene ein eigenes ,,Sprachrohr", wo jeder seine
Meinung frei äußern konnte (vgl. MülleríWiegand 1998, S.45).
Gegen Ende der 70er Jahre schwappte die die Punkbewegung auch nach
Deutschland über. Die gesellschaftlichen Bedingungen, die den Punk in Eng-
land hervorbrachten, waren mit denen in Deutschland zu vergleichen. Laut
Baacke, ist die viel zitierte ,,No Future" Haltung der Engländer Punks, auch in
der Bundesrepublik zum Teil authentisch. So leben auch viele der deutschen
Jugendlichen in ähnlichen Milieus wie die Londoner Punks (z.B. in Hamburg),
sind Heimkinder oder kommen aus kaputten Familien (vgl. Baacke 1999,
S.78). Auch in Deutschland befanden sich zu diesem Zeitpunkt ca. 1,4 Milli-
onen junger Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Somit brachte die Punk-
bewegung gerade für diese Jugendlichen immer wieder aktualisierbare An-
knüpfungspunkte. Denn diese Kultur enthielt reelle Themen, die die Jugend-
lichen auch beschäftigten. Auch hier wurden zahlreiche Bands gegründet, die
entweder die englischen Texte ins Deutsche übersetzten oder eigene Texte
kreierten. Erste Bands in der BRD gab es bereits 1977, beispielsweise ,,Male"
und ,,Mittagspause". Eine gefestigte Szene entstand jedoch erst 1978/79, mit
Bands, die in ihrer Landessprache sangen. Prägende Bands waren hierbei
u.a. ,,Slime", ,,Hass" und ,,Toxoplasma" (vgl. Müller-Wiegand, S.47).
Der Mauerfall löste in der ehemaligen DDR eine gesteigerte Nachfrage nach
den Veröffentlichungen deutschsprachiger Punk-Bands aus. Punks und
Punkbands in der ehemaligen DDR hatten es weitaus schwerer als ihre
westdeutschen ,,Gleichgesinnten".
Bands wie ,,Schleimkeim" aus Erfurt oder ,,Ernährungsfehler" aus Haldensle-
ben und ihre Anhänger, wurden von der Staatssicherheit verfolgt und häufig
nur aufgrund ihres Äußeren zu Haftstrafen verurteilt. Auftritte konnten wenn

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überhaupt, nur in kirchlichen Jugendzentren stattfinden (vgl. Furian/Becker;
"Auch im Osten trägt man Westen",2000).
Die Punkbewegung breitete sich in Deutschland zunächst in Großstädten wie
Hamburg und Berlin aus. Später erfolgte eine Ausbreitung in anderen Groß-
städten und noch später in ländlichen Gebieten. Die Jugendlichen, waren
von dem Outfit und dem neuen Sound der Punks überwältigt. Man traf sich in
Clubs oder zu Hause, um die Alben aus dem Ausland zu hören. So wurden
beispielsweise vorherige ,,Hippie-Treffs", zu ,,Punk-Treffs" umgebaut. Auch
die deutschen Punks, wollten wie ihre englischen und amerikanischen Vorrei-
ter mit ihrem Äußeren provozieren.
In einigen deutschen Städten besetzten Punks Häuser. In größeren Städten
wie Berlin oder Hamburg engagierten sich Punks aufgrund zunehmender
Wohnungsnot in der Hausbesetzerszene. Sie protestierten gegen den Abriss
von preiswertem Wohnraum, wie auch gegen eine Politik, die Häuser leer-
stehen oder verfallen ließ (vgl. MülleríWiegand, S.47).
Mit der Zeit schlossen sich auch ,,Jungintellektuelle" der Punkszene an, da
nun auch die Medien zu einer Vermarktung des Punk-Stils beitrugen. Die
einsetzende Kommerzialisierung durch Verkauf von ,,Punkmode" in Kaufhäu-
sern, oder die Vermarktung der Bands, wie den ,,Ärzten und den ,,Toten Ho-
sen", durch große Plattenfirmen, verlor der Stil der Punks an Eindeutigkeit.
Der Stil verließ die Ebene des kritischen Ausdrucks und der gesellschaftli-
chen Lebenssituation und bewegte sich hin zu einem Profitorientierten Inte-
resse der Musikindustrie (vgl. Müller-Wiegand 1998, S.48). Auch Baacke ist
der Ansicht, dass die Medien nicht unwesentlich am Aufbau des Punkimage
beteiligt waren. Durch ihre übertriebenen Berichterstattungen, machten sie
das Punkimage für die Jugendlichen erst attraktiv und interessant (vgl. Baa-
cke 1999, S.78).

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3.2 Punk als Jugendkultur
Keine Jugendkultur zuvor, hatte so viele eigene Bands, eigene Medien, krea-
tive Mode usw. hervorgebracht und sich gleichzeitig dem üblichen kommer-
ziellen Warenkreislauf entzogen, wie der Punk. Die Punkszene ist laut Baa-
cke zu einer Bewegung geworden, die die Möglichkeiten provozierender Ju-
gendkultur am meisten vorangetrieben hat (vgl. Baacke 1999, S.76). Außer-
dem kann die Punkbewegung als die auffälligste und kompromissloseste Ju-
gendkultur der 80er Jahre bezeichnet werden, die mit ihrer Musik, ihrem Stil
und ihrer Inszenierung, rebellische und sozialkritische Aspekte demonstrie-
ren. Die kulturelle Lebensäußerung und ihr Gruppenerleben war der Ver-
such, eigene aber vor allem andere Lebensformen zu entwickeln. So bildeten
sie eine Solidargemeinschaft durch gemeinsames Außenseitertum (vgl. ebd.
S.76).
Die Punkkultur ist für Jugendliche und junge Erwachsene, eine mögliche
Ausdrucksform von Protest und Endfremdung vom politischen System, als
Ambivalenz pendelnd zwischen Selbst- und Fremdstigmatisierung. Eine der
gesellschaftlich möglichen Formen von subjektiv angeeigneter Selbstproduk-
tion oder medial vermittelter Übernahme, von Situationsdeutung, Realitäts-
kontrolle und Handlungsfähigkeit. Sowie von einer Verarbeitungsweise in ei-
nem eindeutigen und zuordenbaren sozialen Milieu und des subjektiven Um-
gangs mit Biographie und leistungsorientierten Lebensverhältnissen und un-
sicheren Perspektiven (vgl. Hafeneger, Stüwe, Weigel 1993, S.14/15). Punk
wird verallgemeinert als jugendliche ästhetisch manieristische Form von Pro-
testkultur verstanden, mit der auf soziale Realität und psychische Befindlich-
keit reagiert wird (vgl. ebd. S.17).
,,Die Punks stehen zu dem was sie darstellen, und propagieren gleichsam ei-
ne aufrichtige Kommunikation, die zwar aggressiv und direkter sein mag,
aber auf Eitelkeiten und falschen Schein der Persönlichkeit verzichtet" (War-
tenberg 1990, S.11 in: Stüwe, Hafeneger, Weigel 1993, S.17).
Durch ihr Outfit, sind die Punks Selbst- und Fremdstigmatisierungen ausge-
setzt, was wiederum zu Provokationen, Abgrenzungen und Isolationen führt.
Sie lassen sich nicht bevormunden und lehnen jegliche Form von Autorität
ab, was sie in eine politische und auch soziale Randständigkeit bringt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783958209428
ISBN (Paperback)
9783958204423
Dateigröße
308 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Magdeburg-Stendal; Standort Magdeburg
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,7
Schlagworte
punk eine jugendkultur protest provokation
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Titel: Punk: Eine Jugendkultur zwischen Protest und Provokation
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