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Anforderungen und Umsetzung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements

©2009 Bachelorarbeit 52 Seiten

Zusammenfassung

Neben einer Vielzahl von Aspekten stellt auch der Arbeitsplatz einen ganz wesentlichen Faktor dar, der die Gesundheit eines Menschen beeinflussen kann. Hieraus ergibt sich sowohl für die Arbeitgeber, als auch für den Mitarbeiter selbst der Wunsch, die Arbeitsfähigkeit möglichst nachhaltig zu bewahren. Dies ist nicht zuletzt auch im Interesse der Krankenkassen, die sich eine Reduktion der Leistungsinanspruchnahme und somit eine Kostenverringerung erhoffen. Hieran soll ein betriebliches Gesundheitsmanagement durch gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen ansetzen. Daraus ergibt sich auch eine signifikante Public-Health-Relevanz, da der Arbeitsplatz eine wichtige Umgebung in der Lebenswelt der Menschen darstellt und sich Effekte der Maßnahmen auf die Lebensqualität des Beschäftigten auswirken könnten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein betriebliches Gesundheitsmanagement überhaupt einen Nutzen hat. Der Autor geht von der These aus, dass die Implementierung sowohl für das Unternehmen, als auch für die Mitarbeiter von Vorteil ist und widmet sich in der vorliegenden Studie einer Untersuchung dieser These.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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terstützenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Punkt 3.1 über, worin
zudem ein hieran ansetzender und verbindlicher Präventionsleitfaden
der Krankenkassen vorgestellt wird. Da hierbei die Begriffe ,,Prävention"
und ,,Gesundheitsförderung" fundamentale Aspekte des betrieblichen
Gesundheitsmanagements darstellen, sollen diese unter Punkt 3.2 defi-
niert und die gemeinsamen Berührungspunkte herausgearbeitet wer-
den. Hierfür ergeben sich sowohl aus den gesundheitlichen Risiken und
Ressourcen der Arbeitstätigkeit, als auch aus dem innerbetrieblichen
Kontext verschiedene Anforderungen, die in den Punkten 3.3 und 3.4
dargestellt werden.
Nachdem mit den Grundlagen und den diversen Anforderungen die
Ausgangslage für die Umsetzung des betrieblichen Gesundheitsmana-
gement erläutert wurde, sollen unter Punkt 4 die hierbei wichtigen Quali-
tätskriterien dargestellt und in Punkt 4.1 mögliche Handlungsfelder auf-
gezeigt werden. Schließlich wird dann bei Punkt 4.2 das konkrete Vor-
gehen in der Praxis erklärt und daraufhin das gesetzlich vorgeschriebe-
ne betriebliche Eingliederungsmanagement in Punkt 4.3 erläutert, da
dies auch als ein wichtiges Instrument für das Gesundheitsmanagement
dienen kann. Unter Punkt 4.4 stelle ich drei Umsetzungsbeispiele aus
der Praxis vor, die den bisherigen theoretischen Ablauf verdeutlichen.
Nachdem ich mit Bezug auf meine Fragestellung unter Punkt 5 die em-
pirischen Ergebnisse zu den Auswirkungen der Interventionen im Rah-
men des betrieblichen Gesundheitsmanagement und deren ökonomi-
schen Nutzen dargelegt habe, diskutiere ich in Punkt 6 die Ergebnisse
und schließe mit meinem Fazit ab.

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2. Grundlagen
Noch immer wird Gesundheit häufig als der Normalzustand angesehen
und durch die bloße Abwesenheit von Krankheit erklärt. Bereits im Jah-
re 1946 definierte die World Health Organization (WHO) den Begriff
,,Gesundheit" in ihrer Konstitution jedoch als ,,Zustand völligen körperli-
chen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Absti-
nenz von Krankheit und Gebrechen". (vgl. World Health Organization,
2006, S. 1)
Dieses Verständnis wurde 1986 in der von 240 Teilnehmern
aus 35 Ländern verabschiedeten ,,Ottawa-Charta" weiterentwickelt, de-
ren Ziel es war, jedem Menschen einen selbstbestimmten Umgang mit
Gesundheit zu ermöglichen, sowie eine gesundheitsförderliche Lebens-
und Arbeitswelt zu erzeugen. Demnach hat Gesundheitsförderung zum
Ziel, ,,(...) allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über
ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Ge-
sundheit zu befähigen. (...) Die sich verändernden Lebens-, Arbeits-
und Freizeitbedingungen haben entscheidenden Einfluss auf die Ge-
sundheit. Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft die Arbeit, die Ar-
beitsbedingungen und die Freizeit organisiert, sollte eine Quelle der Ge-
sundheit und nicht der Krankheit sein. Gesundheitsförderung schafft
sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Le-
bensbedingungen."
Hierdurch schuf die WHO eine Basis für das betriebliche Gesundheits-
management, indem auch auf die bis dahin vorherrschende Sichtweise
von Arbeitsbelastungen reagiert wurde. Nach denen war die Kranken-
quote eines Betriebes häufig das einzige Indiz für den Gesundheitszu-
stand der Belegschaft, bei dem pathogene Faktoren durch physikali-
sche, chemische, biologische oder physische Einwirkungen erklärt wur-
den. Im Laufe der Zeit sank durch die kontinuierliche Verbesserung des
Arbeitsschutzes zwar die Prävalenz der durch diese Einwirkungen ver-
ursachten Erkrankungen, jedoch nahm die Inzidenz von Erkrankungen
durch psychosoziale Belastungen in der Arbeitswelt deutlich zu. Zudem

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reagierte die Zielsetzung der WHO auf eine sich verändernde gesell-
schaftliche Wertevorstellung von Gesundheit, in der eine stärkere Be-
rücksichtigung der Work-Life-Balance erforderlich wurde: ,,Als zukunfts-
weisendes Verständnis von Gesundheit betrachtet man hierbei das In-
dividuum ganzheitlich systemisch in einer vernetzten Person-Umwelt
Konstellation. Nur bei angemessener, d.h. ausgeglichener Gewichtung
der verschiedenen Teilbereiche des menschlichen Lebens lässt sich
langfristig Gesundheit im umfassenden Sinn herstellen und erhalten."
(vgl. Meifert/Kesting, 2004a, S. 4 ff)
Im Jahre 1997 wurde von der Europäischen Union eine Deklaration zur
betrieblichen Gesundheitsförderung verfasst, die auf die EG-Rahmen-
richtlinie Arbeitsschutz aufbaut und Bezug auf die Bedeutung des Ar-
beitsplatzes als Handlungsfeld der öffentlichen Gesundheit (Public
Health) nimmt. Ziel ist es, zwecks eines Erfahrungsaustausches über
die betriebliche Gesundheitsförderung ein europaweites Netzwerk von
Unternehmen aufzubauen, sowie positive Praxisbeispiele zu veröffentli-
chen und zu fördern. Nach Definition dieser Deklaration umfasst betrieb-
liche Gesundheitsförderung ,,(...) alle gemeinsamen Maßnahmen von
Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von
Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz."
Zudem sei es das Ziel, die persönlichen Gesundheitspotentiale der Mit-
arbeiter zu stärken, um eine höhere Motivation und bessere Arbeitsmo-
ral, bzw. ein besseres Arbeitsklima innerhalb einer Belegschaft zu erhal-
ten. Hierfür notwendige Präventivmaßnahmen zur Verhütung von z.B.
arbeitsbedingten Krankheiten, Arbeitsunfällen und Stress etc. machen
die Vernetzung von Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung deutlich.
Allerdings profitieren nicht nur die Arbeitnehmer von einem ganzheitli-
chen Gesundheitsmanagement, sondern auch die Unternehmen selbst
können dadurch u.a. krankheitsbedingte Kosten senken, ihre Produktivi-
tät steigern und den Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeits-
welt - z.B. aufgrund einer älter werdenden Personalstruktur etc. ­ be-

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gegnen. (vgl. Europäisches Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförde-
rung, 2007, S. 2)
2.1 Zum Zusammenhang zwischen Arbeitsschutz,
Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement
Im Sinne eines ganzheitlichen Gesundheitsmanagements ist es von
großer Bedeutung, die ineinandergreifenden Zusammenhänge zwi-
schen Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanage-
ment nicht grundlegend voneinander abzugrenzen. So hat auch der Ar-
beitsschutz zum Ziel, die Gesundheit von Mitarbeitern zu erhalten und
zu fördern: ,,Arbeitsschutz ist die Bewahrung von Leben und Gesundheit
in Verbindung mit der Berufsarbeit (...) und zugleich auch Schaffung
und ständige Verbesserung von Voraussetzungen, dass die Arbeit ins-
gesamt den körperlichen, geistigen und seelischen Kräften des Be-
schäftigten entspricht (...)." Hiermit behandelt der Arbeitsschutz zum
einen den Präventivaspekt, indem z.B. arbeitsbedingte Erkrankungen
oder Unfälle und Verletzungen verhütet werden sollen, zum anderen hat
er aber auch die Gesundheitsförderung durch eine Steigerung der salu-
togenen personalen und organisationalen Ressourcen der Mitarbeiter
zum Gegenstand. Die Inhalte und Ziele eines ganzheitlichen Arbeits-
schutzes im Sinne von ,,Sicherheit und Gesundheitsschutz" werden im
englischen Sprachgebrauch daher durch den Begriff ,,safety and health"
viel präziser widergegeben. (vgl. Pieper/Vorath, 2005, S. 18 ff)
Das betriebliche Gesundheitsmanagement hat somit nicht zum Ziel, den
Arbeitsschutz zu ersetzen, sondern gemeinsam mit den hierfür wichti-
gen Akteuren ­ zu denen insbesondere auch die Arbeitsschutzexperten
gehören - nach umfassenden Lösungen für die gesundheitlichen Prob-
leme in der Arbeitswelt zu suchen. Allerdings war es sowohl in der be-
trieblichen Gesundheitsförderung, als auch im traditionellen Arbeits-
schutz lange Zeit üblich, lediglich zeitlich befristete oder vereinzelte

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Maßnahmen zur Verhaltensänderung ­ z.B. bei Ernährung, Bewegung,
Genussmittelkonsum etc. - zu ergreifen. Ähnlich dem Prinzip der seit
1997 entwickelten Arbeitsschutzmanagementsystemen, zielt nun jedoch
auch das betriebliche Gesundheitsmanagement darauf ab, als systema-
tisiertes Führungsinstrument in das Betriebsgeschehen eingebunden zu
werden: ,,(...) Unter betrieblichem Gesundheitsmanagement [verstehen
wir] die Entwicklung integrierter betrieblicher Strukturen und Prozesse,
die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit, Organisation und
dem Verhalten am Arbeitsplatz zum Ziel haben und den Beschäftigten
wie dem Unternehmen gleichermaßen zugute kommen." (vgl. Badu-
ra/Ritter/Scherf, 1999, S. 16 f)
Ein Vorteil liegt hierbei in der relativ freien Gestaltung der Methodik, da
eine individuell auf das Unternehmen zugeschnittene Ausführung mög-
lich ist, während der Arbeitsschutz oftmals an enge Vorschriften und
Gesetze gebunden wird. Dies beeinflusst auch die Akzeptanz der Maß-
nahmen seitens der Betriebsführung oder der Mitarbeiter, da das indivi-
duelle Gesundheitsmanagement auf Freiwilligkeit beruht und gegebe-
nenfalls auch weniger (Personal-)Aufwand betrieben werden muss.
Trotzdem bildet es zusammen mit dem Arbeitsschutz und der Gesund-
heitsförderung ein sich untereinander ergänzendes System, welches
über die Individualprävention hinausgeht und den Betrieb als Lebens-
raum mit salutogenen Ressourcen und pathogenen Risiken wahrnimmt.
So sollen nicht nur objektive Folgen, wie z.B. Berufskrankheiten oder
Arbeitsunfälle vermieden, sondern auch subjektive Faktoren verbessert
werden, wie z.B. durch Vermeidung von psychosozialen Belastungen
oder der Steigerung von Arbeitsmotivation und ­zufriedenheit. (vgl.
Janssen/Kentner/Rockholtz, 2004, S. 42 f)

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2.2 Salutogenese nach Aaron Antonovsky
Eine der wichtigsten Aufgaben im betrieblichen Gesundheitsmanage-
ment ist also die Förderung der individuellen Ressourcen zur Erhaltung
und (Wieder-)Herstellung von Gesundheit. Ein solcher Ansatz gestaltet
sich jedoch schwierig, da die mit einer bestimmten Tätigkeit einherge-
henden Belastungen und Beanspruchungen subjektiv immer unter-
schiedlich wahrgenommen werden. Interne Faktoren, also die physische
oder psychische Verfassung eines Menschen, haben somit einen gro-
ßen Einfluss auf das Erleben und die Verarbeitung externer Einflüsse,
wie z.B. physikalische, institutionelle, soziale oder ökologische Einwir-
kungen. Dieser Zusammenhang sollte jedoch nicht nur als Ursache zur
Entstehung von Krankheiten verstanden werden, denn hieraus ergeben
sich auch gesundheitsfördernde, -erhaltende und ­herstellende perso-
nale Ressourcen. Für dieses Verständnis ist das Modell der Salutoge-
nese nach Antonovsky von grundlegender Bedeutung. (vgl. Lasshofer,
2006, S. 35)
Der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky (1923
­ 1994) führte Anfang der 1970er Jahre eine Untersuchung zu den Aus-
wirkungen der Menopause bei zentraleuropäischen Frauen der Geburts-
jahrgänge 1914 bis 1923 durch. Eine Gruppe dieser Frauen verschie-
dener ethnischer Herkunft bestand aus Überlebenden der nationalsozia-
listischen Konzentrationslager, die Antonovsky auf deren gesundheitli-
chen Zustand untersuchte. Zwar stellte sich erwartungsgemäß heraus,
dass die Kontrollgruppe der Nicht-Inhaftierten in ihrer Gesundheit weit-
aus weniger beeinträchtig war, ,,(...) [aber] immerhin 29% (!) der inhaf-
tierten Frauen berichteten trotz dieser traumatischen Erlebnisse über
eine relativ gute psychische Gesundheit. Antonovsky fragte sich, wie es
diese Frauen geschafft hatten, trotz der extremen Belastungen gesund
zu bleiben. Dieser Perspektivenwechsel sollte seine ganze weitere For-
schungstätigkeit bestimmen (...)", in dessen Folge er das Konzept der

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Salutogenese erarbeitete. (vgl. Bengel/Strittmatter/Willmann, 2001, S.
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Antonovsky wollte hierdurch einen Paradigmenwechsel im Verständnis
des Zusammenhangs von Gesundheit und Krankheit erreichen. Nach
seiner Auffassung wurde ,,Krankheit" durch zu objektive Parameter defi-
niert, die keinen Raum für das subjektive Empfinden des eigenen ge-
sundheitlichen Zustands lassen. Gesundheit sei demnach niemals ein-
deutig von Krankheit abzugrenzen, sondern müsse weitere Zwischen-
schritte zulassen, in denen der eigene gesundheitliche Zustand eige-
ordnet werden kann. ,,Als Kriterium dafür, wo auf dem Kontinuum von
Gesundheit und Krankheit eine Person eingestuft wird, müssen mehrere
Dimensionen herangezogen werden: der subjektiv empfundene
Schmerz, die funktionalen Einschränkungen von Sinnen und Bewegun-
gen und die Spielräume des sozialen Handelns."
In diesem Sinne ist Gesundheit auch nicht als der Normalzustand, bzw.
Krankheit als simple Abweichung davon zu verstehen, sondern als ein
ausbalanciertes Zusammenspiel der individuellen internen und externen
Risiko- und Schutzfaktoren. Je nach Gewichtung der belastenden, ent-
lastenden, schützenden und unterstützenden Einwirkungen wird die Ge-
sundheit also positiv oder negativ beeinflusst und verändert. So stand
für Antonovsky beim Modell der Salutogenese die Frage im Vorder-
grund, was nach diesem Beispiel das Pendel in Richtung Gesundheit
schlagen lassen könnte, bzw. eine zumindest ausgewogene Balance
zwischen Gesundheit und Krankheit erhält. ,,Der Begriff ,,Salutogenese"
soll ein Gegenbegriff zu ,,Pathogenese" sein. Hiermit möchte Antonov-sky
programmatisch zum Ausdruck bringen, dass die zentrale Frage-stellung
seines theoretischen Modells nicht ist, wie Krankheiten zustande kom-
men und sich entwickeln, sondern vielmehr, warum Menschen trotz einer
Vielzahl von gefährdenden und belastenden Faktoren (...) gesund blei-
ben und Störungen der Gesundheit positiv ausgleichen können."

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Hierfür müsse der Mensch über Widerstandsressourcen verfügen, die
die Person dazu befähigen, belastende soziale und biologische Risiken
erfolgreich zu bekämpfen oder damit zurechtzukommen. So können z.B.
die physikalischen und biologischen Ressourcen des eigenen Körpers
gegen Krankheitserreger und Stressoren immunisieren oder kognitive
und emotionale Faktoren wie Rationalität und Flexibilität dabei helfen,
sich an Lebensbedingungen besser anzupassen. Auch die direkte oder
indirekte soziale Umwelt trägt dazu bei, Widerstandsressourcen zu bil-
den, indem die Person z.B. Unterstützung aus ihrem sozialen Umfeld
erfährt oder kulturell gut integriert ist, wodurch sie eine bestimmte Posi-
tion innerhalb der Gesellschaft erlangt und ihr das eigene Handeln sinn-
haft erscheint. Des Weiteren darf man die Bedeutung des materiellen
Bereiches nicht unterschätzen, da durch ausreichende finanzielle Mittel
z.B. ein gesundheitlicher Schutz, physische Sicherheit oder gesunde Er-
nährung etc. erwerbbar wird, was einen starken Einfluss auf das Wohlbe-
finden einer Person haben kann. (vgl. Hurrelmann, 2003, S. 55 f)
Die Existenz dieser Widerstandsressourcen bei einer Person, stellt eine
hauptursächliche Bedingung zur Entwicklung des Kohärenzsinns dar,
unter dem ,,(...) die allgemeine Grundhaltung eines Individuums [ver-
standen wird], die Welt und das eigene Leben als zusammenhängend
und sinnvoll zu erleben. In diesem Sinne (...) [dient] das Kohärenzge-
fühl als Indikator dafür, wie gut Menschen in der Lage sind, vorhandene
Ressourcen zum Erhalt ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens zu
nutzen." Es setzt sich aus drei Hauptfaktoren zusammen: dem Gefühl
von Verstehbarkeit, dem Gefühl von Handhabbarkeit bzw. Bewältig-
barkeit und dem Gefühl von Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit. Das
Gefühl von Verstehbarkeit beschreibt hierbei das Bedürfnis eines Men-
schen, schlüssige und klar strukturierte Informationen zu erhalten, um
die darin beinhalteten Anforderungen nachzuvollziehen und verarbeiten
zu können. Beim Gefühl von Handhabbarkeit und Bewältigbarkeit han-
delt es sich sowohl um das Vertrauen in die eigenen Ressourcen zur
Bewältigung von Herausforderungen, als auch um das Vertrauen auf
Unterstützung von anderen Menschen zur Begegnung dieser Anforde-

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rungen. Das Gefühl der Sinnhaftigkeit stellt die Überzeugung dar, dass
das eigene Leben sinn- und wertvoll ist. Die sich aus der persönlichen
Lebenswelt ergebenden Aufgaben und Anforderungen werden als Her-
ausforderung wahrgenommen, für die sich ein Engagement lohnt. (vgl.
Lasshofer, 2006, S. 27 ff)
Überträgt man dieses Prinzip auf die Arbeitswelt, bedeutet das, dass es
im Sinne einer gesundheitsförderlichen Arbeitsstruktur von großer Be-
deutung ist, die Widerstandsressourcen der Mitarbeiter zu stärken um
so ein Kohärenzgefühl im Kontext der ausgeführten Tätigkeiten der Mit-
arbeiter herzustellen und zu erhalten. ,,Aufgabe von Unternehmen, Füh-
rungskräften bzw. Arbeitgebern sollte daher sein, mit der Schaffung von
geeigneten Rahmenbedingungen bzw. Angeboten den Erwerb förderli-
cher (Arbeits-)Erfahrungen zu forcieren und damit auch gleichzeitig das
Wohlbefinden zu steigern sowie die persönliche Weiterentwicklung der
Mitarbeiter zu unterstützen." So finden sich Ansatzpunkte z.B. in der
Schaffung von konsistenten Arbeitserlebnissen, die das Gefühl von Ver-
stehbarkeit stärken, in einer guten Belastungsbalance zur Förderung
des Handhabbarkeitsgefühls oder der Transparenz von Arbeitsaufgaben
sowie der Möglichkeit zur Partizipation an Gestaltungsentscheidungen,
um ein Gefühl von Sinnhaftigkeit der Tätigkeit zu schaffen. Allerdings
existiert für das Konzept eines betrieblichen Gesundheitsmanagements
neben dem Modell der Salutogenese noch eine Vielzahl anderer allge-
meiner bzw. individueller sowie interner und externer Anforderungen,
die in das System mit einfließen. (vgl. Lasshofer, 2006, S. 34)

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3. Anforderungen an ein betriebliches
Gesundheitsmanagement
Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) geht davon aus,
dass ,,durch arbeitsbedingte Erkrankungen (...) in Deutschland jährliche
Kosten in Höhe von insgesamt 43,9 Milliarden Euro [entstehen]. Davon
entfallen 33,4 Milliarden Euro auf arbeitsbedingte Arbeitsunfähigkeit und
10,5 Milliarden Euro auf die arbeitsbedingte Frühberentung. Dies be-
deutet, dass durch zielgerichtete arbeitsweltbezogene Gesundheitsför-
derung und Prävention potenziell hohe Einsparungen an Krankheitskos-
ten erzielt werden können." (BKK Bundesverband, 2008, S. 16) Zu ähn-
lichen Ergebnissen kommt auch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz
und Arbeitsmedizin (BAuA), die die Arbeitsunfähigkeitsdaten von ca. 31
Millionen Pflicht- und freiwillig Versicherten der gesetzlichen Kranken-
versicherung auswertete und hierbei vor allem ein Präventions- und
mögliches Nutzenpotenzial sah. Nach ihrer Schätzung war zudem jeder
Arbeitnehmer im Jahre 2007 durchschnittlich 12,6 Tage arbeitsunfähig
erkrankt, was zu einem Ausfall der Bruttowertschöpfung in Höhe von ca.
73 Milliarden Euro führte. Insbesondere die Wirtschaftszweige der öf-
fentlichen und privaten Dienstleistungen, des produzierenden Gewerbes
und des Baugewerbes sind von der hohen Anzahl an Arbeitsunfähig-
keitstagen pro Arbeitnehmer betroffen. (vgl. Bundesanstalt für Arbeits-
schutz und Arbeitsmedizin, 2009, S. 1 f)
Dies verdeutlicht, dass ein daran ansetzendes betriebliches Gesund-
heitsmanagement auf die verschiedenen Arbeitsbereiche und Branchen
zugeschnitten werden muss und nicht verallgemeinert eingesetzt wer-
den kann. So ergeben sich sowohl für die verschiedenen Berufsgrup-
pen, als auch für Unterschiede im Geschlecht oder des Settings jeweils
eigene Ansatzpunkte. Dabei haben z.B. männliche Schullehrer oder
Landarbeitskräfte ein erhöhtes Risiko, durch psychische Erkrankungen
erwerbsunfähig zu werden, während dies bei Frauen eher im Setting
Krankenhaus bei Krankenschwestern oder Sozialpädagoginnen der Fall

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ist. Verkäuferinnen oder Kassiererinnen in einem Geschäft haben ein
höheres Risiko für Muskel- und Skeletterkrankungen, während dies bei
den Männern mit körperlichen Tätigkeiten, wie z.B. bei Dachdeckern
oder Bergleuten, einhergeht. ,,Eine nachhaltige betriebliche Gesund-
heitsförderung verbindet [daher] arbeitsorganisatorische Ansätze mit
Maßnahmen der Individualprävention. Es geht darum, betriebliche Ge-
sundheitsförderung und Prävention dauerhaft im Unternehmen zu ver-
ankern und dabei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte
aktiv in die Ausgestaltung einzubeziehen." (vgl. BKK Bundesverband,
2008, S. 14 f)
Mit der Implementierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements
gehen dabei allerdings auch jeweils unterschiedliche Interessenlagen
und Erwartungen einher. So wird einerseits aus der Arbeitgeberper-
spektive z.B. erhofft, den gesundheitsbeeinflussenden Herausforderun-
gen der Arbeitswelt begegnen zu können, um wirtschaftliche und wett-
bewerbsstärkende Vorteile durch gesunde und motivierte Mitarbeiter zu
erzielen, während aus Arbeitnehmersicht der Gewinn an Lebensqualität
und der Erhalt der Arbeitsfähigkeit hierbei oberste Priorität hat. Letzte-
res wäre im Hinblick auf den demografischen Wandel mit einer immer
älter werdenden Erwerbsbevölkerungsstruktur bei gleichzeitig immer
weiter ansteigendem Renteneintrittsalter ebenfalls von volkswirtschaftli-
cher Bedeutung, da durch eine gesunde Belegschaft auch die sozialen
Sicherungssysteme entlastet werden können, indem Kosten durch z.B.
Behandlungen oder Frühberentungen etc. vermieden werden. (vgl.
Bamberg/Ducki/Metz, 1998, S. 24 f)
Schätzungen ergeben, dass bis zum Jahr 2050 jeder dritte Arbeitneh-
mer älter als 50 Jahre sein wird. ,,Für die Unternehmensleitung ergibt
sich daraus Handlungsbedarf in Richtung gesunde Arbeit in gesunden
Organisationen, mit dem Ziel, die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu fördern und zu erhal-
ten. Ältere Beschäftigte sind häufig zuverlässiger, qualitätsbewusster,
sozial kompetenter und zudem wichtige Wissensträger. Alter erhöht

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2009
ISBN (eBook)
9783958209435
ISBN (Paperback)
9783958204430
Dateigröße
205 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Bremen
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,3
Schlagworte
anforderungen umsetzung gesundheitsmanagements
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