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Notwendigkeit und Ansatzpunkte des Mitarbeiterbindungsmanagements

©2008 Studienarbeit 65 Seiten

Zusammenfassung

In nahezu allen Branchen sehen sich die Unternehmen einem erhöhten Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Die Markt-, Wissens- und Technologiedynamik hat zur Folge, dass ein errungener Wettbewerbsvorteil nur von kurzer Dauer ist, wenn sich diese nicht dem stetigen Wandel der Zeit stellen. Vor dem Hintergrund homogener Produktmerkmale und hoher Markttransparenz kommt dem Mitarbeiter mit seinen Ideen, seinem Knowhow und seiner Persönlichkeit ein hohes Wettbewerbsabgrenzungspotenzial zu. In der vorliegenden Studie werden die grundsätzlichen Einflussfaktoren der Mitarbeiterbindung erarbeitet und es wird ein praxisorientierter Handlungsrahmen für eine erfolgreiche Bindung von Mitarbeitern erarbeitet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Überblick über klassische Transaktionskosten der Mitarbeiterfluktuation 12
Tabelle 2: Beispielrechnung zu dem Nutzen von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen
17
Tabelle 3: Exemplarische Kosten eines Arbeitsplatzwechsels aus Mitarbeitersicht
24
Tabelle 4: Beispielhafte Ansatzpunkte für Maßnahmen der Mitarbeiterbindung
27
Tabelle 5: Umfang und Nutzen elektronischer Personalinformationssysteme
32
Tabelle 6: Beispielhafte Inhalte einer Mitarbeiterbefragung zur Mitarbeiterbindung
36
Tabelle 7: Arbeitsbedürfnisse gemäß der Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg 41

1
Einführung in die Arbeit
1.1
Problemstellung und -abgrenzung
In nahezu allen Branchen sehen sich die Unternehmen einem erhöhten Wettbewerbs-
druck ausgesetzt. Die Markt-, Wissens- und Technologiedynamik hat zur Folge, dass
ein errungener Wettbewerbsvorteil nur von kurzer Dauer ist, wenn sich diese nicht dem
stetigen Wandel der Zeit stellen. Vor dem Hintergrund homogener Produktmerkmale
und hoher Markttransparenz kommt dem Mitarbeiter mit seinen Ideen, seinem Know-
how und seiner Persönlichkeit ein hohes Wettbewerbsabgrenzungspotenzial zu.
1
Obwohl die Bedeutung des Mitarbeiters als Produktionsfaktor und die drohenden Fol-
gen der Mitarbeiterfluktuation bekannt sein sollten, wurde Mitarbeiterbindung als ,,[...]
ein zentrales Thema der Personalwirtschaft [...] bislang kaum bearbeitet [...]"
2
(Abbil-
dung 1). Dessen Relevanz steigt jedoch aufgrund zwei zentraler Trends zusehends an:
¡ Demographische Entwicklung: Der Fach- und Führungskräftemangel und der
prognostizierte Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials in Deutschland er-
schweren eine adäquate Personalbeschaffung.
3
¡ Gesellschaftlicher Wertewandel: Die allgemeine Fluktuationsneigung der Mitar-
beiter nimmt zu. Dieser Trend ist auch in Zeiten mit hohen Arbeitslosenzahlen
zu beobachten.
4
Abbildung 1: Mitarbeiterbindung als Funktion des Personalmanagements
Quelle: In Anlehnung an Ettinger, E., 2003, S. 7.
1
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 1.
2
Bröckermann, R./ Pepels, W., 2004, S. 5.
3
Vgl. Fuchs, J./Söhnlein, D., 2007, S. 6.
4
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 86.
Wertschöpfung
Personalverwaltung und -infrastruktur
Personalführung
Personalstrategie und -politik
Personalplanung und -steuerung
Pers
onal
-
marketing
Pers
onal
-
besc
haffung
Pers
onal
-
einsatz
Pers
onal
-
entwickl
ung
Mitarbeiter-
b
ind
ung
Pers
onal
-
freisetzung
1

In einer von Kienbaum im Jahr 2001 durchgeführten Studie mit den 67 umsatzstärksten
deutschen Unternehmen zeigte sich, dass zum Untersuchungszeitpunkt zwar 91 % der
Befragten der Mitarbeiterbindung grundsätzlich eine hohe Bedeutung zusprachen, je-
doch 79 % über kein separates Budget und 34 % über kein spezielles Programm zur
Bindung von Mitarbeitern verfügten (Abbildung 2).
5
Dieser Zwiespalt lässt darauf
schließen, dass die befragten Unternehmen zum Zeitpunkt der Untersuchung nur einen
geringen Handlungsbedarf sahen und anderen Problemfeldern eine höhere aktuelle Re-
levanz zuordneten.
Abbildung 2: Zentrale Ergebnisse der Kienbaum-Studie 2001
Eigene Darstellung, Quelle: o.V., 2002, S. 11.
Eine Studie der PbS AG belegt, dass die vom Unternehmen wahrgenommene Mitarbei-
terbindung durchaus von der tatsächlich vorherrschenden abweichen kann. Von 120
befragten Unternehmen der Informations- und Telekommunikationsbranche gaben 60 %
an, auf dem Gebiet der Mitarbeiterbindung sehr erfolgreich zu sein. Ein Abgleich mit
der Realität brachte dagegen zum Vorschein, dass 46 % der befragten Unternehmen
tatsächlich eine höchstens geringe Mitarbeiterbindung aufwiesen.
6
,,Viele Arbeitgeber nehmen [...] das nahende Problem der Notwendigkeit, verdiente
Mitarbeiter an ein Unternehmen zu binden, noch nicht ernst genug."
7
5
Vgl. o.V., 2002, S. 11.
6
Vgl. Schiedt, A., 2000, S. 54.
7
Jaeger, S., 2006, S. 16.
Wahrgenommene Bedeu-
tung der Mitarbeiterbindung
Budget für
Mitarbeiterbindung
Programm der
Mitarbeiterbindung
kein Budget
Budget vorhanden
Budgeteinführung geplant
34%
13%
38%
15%
kein Programm
für alle Mitarbeiter
für spezielle Mitarbeiter
Einführung geplant
eher große Bedeutung
große Bedeutung
eher geringe Bedeutung
keine Bedeutung
79%
12%
9%
58%
33%
8% 1%
2

1.2
Zielsetzung der Arbeit
,,Nicht der möglichst elegante Abbau von ,,Human-Kapazitäten", sondern deren Bin-
dung an das Unternehmen wird zunehmend zur Herausforderung."
8
Wissenschaftliche Studien erwiesen, dass Unternehmen vor allem von ihren leistungs-
starken Mitarbeitern mit einer hohen Arbeitsmarktmobilität freiwillig verlassen werden.
Mitarbeiter, die geringere Arbeitsmarktchancen haben, bleiben dagegen oft aufgrund
mangelnder Alternativen im Unternehmen, obwohl sie wechselwillig sind.
9
Fraglich ist,
ob bei diesen Arbeitnehmern von Mitarbeiterbindung die Rede sein kann und welche
Folgen innere Kündigungen mit sich bringen. Zudem sollte ergründet werden, wie der
Verlust von Leistungsträgern vermieden werden kann, um deren Know-how im Unter-
nehmen zu erhalten.
Im Rahmen dieser Studienarbeit soll aufgezeigt werden:
¡ was unter einem praxisorientierten Verständnis der Mitarbeiterbindung zu ver-
stehen ist und welche Ziele diesem zugrunde liegen,
¡ welche Relevanz der Mitarbeiterbindung zukommt und
¡ worauf ein Konzept für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung aufbauen sollte.
Das zuletzt genannte Ziel wird nicht mit einer ausführlichen Beschreibung von Einzel-
maßnahmen zur Bindung von Mitarbeitern verfolgt. Die Betrachtung beschränkt sich
auf die grundlegenden theoretischen Zusammenhänge, um aus diesen konzeptionelle
Grundstrukturen eines Managementprozesses zur Erreichung einer zielgerichteten und
erfolgreichen Mitarbeiterbindung abzuleiten. Das hierbei entwickelte Grundkonzept soll
als Orientierungsrahmen für die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle indivi-
dueller Mitarbeiterbindungsmaßnahmen dienen.
1.3
Theoretische Basis der Arbeit
Zur Bearbeitung der beschriebenen Problemstellung ist eine interdisziplinäre Sichtweise
notwendig. Diese äußert sich darin, dass im Folgenden sowohl Erkenntnisse der Be-
triebswirtschaftslehre als auch der Verhaltenswissenschaften Berücksichtigung finden.
8
China, R., 2006, S. 30.
9
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 86.
3

In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird das Phänomen der Mitarbeiterfluktuation
aus gesamtunternehmerischer Sicht vor allem vor dem Hintergrund seiner ökonomi-
schen Folgen betrachtet. Aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive stehen dagegen
die Faktoren im Mittelpunkt, die den Verbleib eines Individuums in einer Organisation
beeinflussen.
10
Im Rahmen dieser Studienarbeit wird die Bedeutung der Mitarbeiterbindung vorwie-
gend aus betriebswirtschaftlicher Sicht argumentiert. Um aufzeigen zu können, wie die-
se letztendlich erreicht werden kann, bedarf es jedoch vor allem der verhaltenswissen-
schaftlich orientierten Erklärungsmuster aus der Arbeitszufriedenheits- und der Com-
mitmentforschung. Da die Bindung von Individuen an ein Unternehmen auch im Fokus
der Kundenbindungsforschung steht, werden deren Erkenntnisse ebenso herangezogen.
Wenngleich sich ein Arbeitsverhältnis und eine Geschäftsbeziehung vor allem aufgrund
deren Komplexität und der Bedeutung für den Menschen voneinander unterscheiden,
wurde die Anwendbarkeit ausgewählter Modelle der Kundenbindungsforschung zur
Erklärung der Mitarbeiterbindung in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen
grundsätzlich bestätigt.
11
Obwohl sich auch die Volkswirtschaftslehre mit der Mitarbeiterfluktuation beschäftigt,
bleiben deren Handlungsempfehlungen unberücksichtigt, da sich diese speziell auf ar-
beitsmarktpolitische Maßnahmen beziehen und für die vorliegende Fragestellung nicht
relevant sind
12
.
1.4
Gang der Untersuchung
Die Struktur der vorliegenden Studienarbeit orientiert sich an der im Kapitel 1.2 aufge-
zeigten Zielsetzung (Abbildung 3).
Nachdem in diesem ersten Kapitel die Grundlagen der Untersuchung dargestellt wur-
den, wird im zweiten Kapitel der Begriff der Mitarbeiterbindung grundlegend erläutert.
Hierzu werden die in der Literatur existierenden Definitionen betrachtet und gegenein-
ander abgegrenzt, um darauf aufbauend ein fundamentales Begriffsverständnis abzulei-
ten. Dieses soll zunächst als Grundlage der anschließenden Darstellung dienen und de-
ren Reichweite bestimmen, im Rahmen der nachstehenden Kapitel jedoch stetig zu einer
praxisorientierten Definition weiterentwickelt werden.
10
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 3-4.
11
Vgl. Bauer, H. H./Jensen, S., 2001, S. 23.
12
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 3.
4

Die Notwendigkeit der Mitarbeiterbindung wird unter Einbeziehung aktueller Studien
im dritten Kapitel beschrieben. Im Rahmen einer Negativabgrenzung werden die Folgen
mangelnder Mitarbeiterbindung untersucht, um aus diesen schlussfolgernd deren Be-
deutung abzuleiten.
Bevor im fünften Kapitel ein praxisorientierter Handlungsrahmen für eine erfolgreiche
Bindung von Mitarbeitern erarbeitet wird, stehen im vierten Kapitel die grundsätzlichen
Einflussfaktoren der Mitarbeiterbindung im Fokus der Untersuchung. Um diese abzulei-
ten, werden das Konstrukt der Mitarbeiterzufriedenheit und das Commitment-Modell
zunächst getrennt voneinander vorgestellt. Im Anschluss wird der Versuch unternom-
men, beide Modelle zu einem Erklärungsmuster der Mitarbeiterbindung zu vereinen.
Die erarbeiteten Ergebnisse werden im sechsten Kapitel zusammengefasst und hinter-
fragt, um darauf aufbauend mögliche Alternativen und weiteren Forschungsbedarf auf-
zuzeigen.
Abbildung 3: Aufbau der Studienarbeit
Eigene Darstellung.
Kapitel 1
Einführung in die Arbeit
Kapitel 2
Begriff der
Mitarbeiter-
bindung
Kapitel 3
Bedeutung der
Mitarbeiter-
bindung
Kapitel 4
Determinanten
der Mitarbeiter-
bindung
Management der Mitarbeiterbindung
Kapitel 5
Kapitel 6
Schlussbetrachtung
5

2
Begriff der Mitarbeiterbindung
In der wissenschaftlichen Literatur hat sich keine einheitliche Definition der Mitarbei-
terbindung herausgebildet. Dennoch lassen sich zwei übergeordnete Herangehensweisen
unterscheiden. Zum einen wird Mitarbeiterbindung aus der Sicht des Arbeitgebers und
zum anderen aus der Perspektive des Arbeitnehmers erklärt.
13
Gemäß dem zuerst genannten ,,[...] Verständnis ist Mitarbeiterbindung das Resultat von
Fluktuationsbeeinflussung [...]"
14
durch gezielte Maßnahmen des Arbeitgebers. Deren
Ziele gehen jedoch ,,[...] über die Verhinderung unerwünschter Fluktuation weit hinaus.
Nicht die Bindung der Mitarbeiter als Person ist das eigentliche Ziel, sondern die Erhal-
tung ihrer Kompetenzen und Motivationen."
15
Schlussfolgernd umfasst Mitarbeiter-
bindung aus der Sicht des Arbeitgebers sowohl den Erhalt der Mitarbeiter an sich, als
auch deren Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zum Nutzen des Unternehmens.
16
Die Notwendigkeit dieses weiten Begriffsverständnisses wird bei der Betrachtung eines
idealtypisch verlaufenden Fluktuationsprozesses deutlich. Dieser beschreibt die freiwil-
lige Abwanderung eines Mitarbeiters und lässt sich in zwei Teilprozesse gliedern:
1. Innere Kündigung: Der Mitarbeiter widerruft seine in der Vergangenheit getrof-
fene Entscheidung über den Beitritt in das Unternehmen.
2. Tatsächliche Fluktuation: Aufgrund der Entscheidung gegen das Unternehmen
kündigt der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis und verlässt das Unternehmen.
17
Folgt auf einer inneren Kündigung stets eine zeitnahe tatsächliche Fluktuation, ist die
Gleichsetzung von Mitarbeiterbindung mit dem Verbleib der Mitarbeiter im Unterneh-
men vertretbar. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass der Fluktuationsprozess nicht im-
mer in der beschriebenen Form abläuft. Mitarbeiter müssen aufgrund von Wechselbar-
rieren, die im Kapitel 4 beschrieben werden, oftmals im Unternehmen verbleiben, ob-
wohl sie dieses verlassen möchten.
18
In diesem Fall wird der Fluktuationsprozess unter-
brochen (Abbildung 4). Obwohl ein Mitarbeiter im Unternehmen verbleibt, kann auf-
grund der inneren Kündigung, deren Folgen im Kapitel 3.1 beschrieben werden, nicht
von positiver Mitarbeiterbindung im dargestellten Verständnis die Rede sein.
13
Vgl. Bauer, H. H./Jensen, S., 2001, S. 8.
14
Meifert, T. M., 2005, S. 35.
15
Gmür, M./Thommen, J.-P., 2006, S. 207.
16
Vgl. Bertrand, W. H. 2004, S. 266.
17
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 35-36.
18
Vgl. Bröckermann, R., 2004, S. 19.
6

Abbildung 4: Fluktuationsprozess und dessen mögliche Unterbrechung
Eigene Darstellung.
Der bloße Verbleib eines Mitarbeiters im Unternehmen lässt keine finale Aussage über
dessen zukünftige Absichten und das tatsächliche Ausmaß der Mitarbeiterbindung zu.
An dieser Stelle setzt die Definition aus der Perspektive des Arbeitnehmers an. Es wird
hinterfragt, warum ein Mitarbeiter im Unternehmen verbleibt. Generell ist ,,[...] zwi-
schen der juristischen Bindung mittels des Arbeitsvertrages und einer vom Mitarbeiter
empfundenen Bindung zu unterscheiden."
19
Während die erste Form aufgrund des indi-
viduellen und kollektiven Arbeitsrechts genaue Bestimmungen erfährt, handelt es sich
bei der empfundenen Bindung um einen komplexen psychologischen Zustand. Dieser
wird in die Formen Verbundenheit und Gebundenheit unterteilt.
20
Die psychologische
Verbundenheit basiert auf rein intrinsischer Motivation. Es handelt sich um eine emoti-
onale Bindung. Die psychologische Gebundenheit wird dagegen zum einen durch die
wahrgenommenen Nachteile eines Arbeitsplatzwechsels (kalkulative Bindung) und zum
anderen durch eine empfundene Verpflichtung dem Arbeitgeber gegenüber erklärt
(Loyalität).
21
19
Meifert, T. M., 2005, S. 35.
20
Vgl. Bauer, H. H./Jensen, S., 2001, S. 8.
21
Vgl. Habermann, W./Lohaus, D., 2006, S. 48.
nicht
beobachtbar
beobachtbar
Wechselbarrieren
Überdenken der
Beitrittsentscheidung
Absicht, das Unternehmen
zu verlassen
Einreichen der
Kündigung
Fluktuation
Verbleib im
Unternehmen
Innere Kündigung
Absicht, im Unternehmen
zu verbleiben
Mitarbeiterbindung
7

Die Schnittstelle der Definitionsansätze aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht liegt
darin, dass der Arbeitgeber die Verbundenheit und Gebundenheit der Mitarbeiter zum
Teil aktiv beeinflussen kann. Wird dies berücksichtigt, lässt sich eine sehr globale Defi-
nition der Mitarbeiterbindung in Anlehnung an vom Hofe (2005) wie folgt formulieren:
Mitarbeiterbindung umfasst die Verbundenheit und Gebundenheit eines Mitarbeiters,
die durch Maßnahmen des Arbeitgebers bewusst angestrebt werden, um unerwünschte
Mitarbeiterfluktuation zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbe-
reitschaft der Mitarbeiter zum Nutzen des Unternehmens zu erhalten (Abbildung 5).
22
Abbildung 5: Aspekte der Mitarbeiterbindung im weiteren Sinne
Eigene Darstellung.
Im Rahmen der folgenden Ausführungen wird das vorgestellte Begriffsverständnis ste-
tig weiterentwickelt und konkretisiert. Da die juristische Bindung ihre konkrete
Erklärung im Arbeitsrecht findet, wird auf diese im Speziellen nicht weiter eingegan-
gen. Die Vor- und Nachteile der psychologischen Bindungsformen sowie deren Be-
stimmungsfaktoren werden im vierten Kapitel dargestellt.
22
Vgl. Hofe, A. v., 2005, S. 8.
Ziel
Ansatz
psychologische
Bindung
juristische
Bindung
fluktuationsbeeinflussende
Maßnahmen
Verbunden-
heit
Gebunden-
heit
Verbleib der Mitarbeiter im Unternehmen und
Erhalt deren Leistung und Motivation
Wirkung
Gebunden-
heit
8

3
Bedeutung der Mitarbeiterbindung
3.1
Folgen innerer Kündigung
Im zweiten Kapitel wurde aufgezeigt, dass nur von Mitarbeiterbindung die Rede sein
kann, wenn neben dem Mitarbeiter und seinem Wissen auch dessen Leistungsbereit-
schaft für das Unternehmen erhalten werden kann. Dies ist von großer Bedeutung, ,,[...]
da die Leistung von Mitarbeitern eine Funktion ihrer Fähigkeit und ihrer Motivation
ist."
23
Die Gallup GmbH ermittelt jährlich anhand einer Befragung zufällig ausgewählter Ar-
beitnehmer einen Engagement-Index für Deutschland, der das Ausmaß der vom Mitar-
beiter empfundenen Verbundenheit gegenüber dem Arbeitgeber widerspiegeln soll. Da
sich diese gemäß den wiederkehrenden Studien auf konstant niedrigem Niveau befindet,
entsteht laut der Gallup GmbH jährlich ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von bis zu
254,2 Milliarden Euro. Als Ursachen werden vor allem eine geringe Leistung, die hohe
Anzahl der Fehltage, die geringe Bereitschaft zur positiven Mund-zu-Mund-Werbung
und die niedrige Menge eingebrachter Ideen genannt (Abbildung 6). Speziell bei den
Mitarbeitern, die gemäß der im Jahr 2005 durchgeführten Studie keine emotionale Bin-
dung verspüren, spricht die Gallup GmbH von innerer Kündigung und belegt dies da-
mit, dass laut der Umfrage 67 % dieser Mitarbeiter ihren Arbeitgeber noch innerhalb der
nächsten drei Jahre verlassen möchten.
24
Unter Berücksichtigung der Ausführungen im
zweiten Kapitel hat der Fluktuationsprozess bei jenen Arbeitnehmern bereits begonnen.
Die Begleiterscheinungen einer inneren Kündigung werden jedoch nicht nur vom ent-
sprechenden Arbeitgeber in der beschriebenen Form, sondern auch von Kunden und
Außenstehenden wahrgenommen. Eine geringere Qualität der erbrachten Leistungen
und hergestellten Güter führt zu Kundenunzufriedenheit und einem zunehmenden Auf-
kommen von Beschwerden bis hin zum Abbruch von Geschäftsbeziehungen und einer
Schwächung der Wettbewerbsstellung. Dies geht mit einer Schädigung des Unterneh-
mensimages einher, die sowohl von bestehenden Lieferanten und Kunden als auch von
potenziellen Geschäftspartnern und möglichen Arbeitsplatzbewerbern registriert wird.
25
23
Habermann, W./Lohaus, D., 2006, S. 48.
24
Vgl. o.V., 2005, S. 3-7.
25
Vgl. Gertz, W., 2004, S. 19-20.
9

Abbildung 6: Zentrale Ergebnisse der Gallup-Studie 2005
Eigene Darstellung, Quelle: o.V., 2005, S. 3-7.
Schüller (2006) führt auf, dass die direkten Produktivitätseinbußen aufgrund innerer
Kündigung in der wissenschaftlichen Literatur auf circa 20 % geschätzt werden. Da
unzufriedene Mitarbeiter durch ihren sozialen Einfluss jedoch auch in negativer Weise
auf das allgemeine Betriebsklima einwirken, muss von einer weiteren Produktivitätsver-
schlechterung von circa 10 % bei den unmittelbaren Kollegen ausgegangen werden.
26
26
Vgl. Schüller, A. M., 2006, S. 26.
86%
33%
0%
50%
100%
hohe emotionale Bindung
keine emotionale Bindung
12
5
0
5
10
15
hohe emotionale Bindung
keine emotionale Bindung
71%
20%
0%
50%
100%
hohe emotionale Bindung
keine emotionale Bindung
6
8
0
5
10
hohe emotionale Bindung
keine emotionale Bindung
Anzahl der Fehltage pro Jahr
Verbleibabsicht für die nächsten 3 Jahre
Bereitschaft zur Mund-zu-Mund-Werbung
Die dargestellten Ergebnisse basieren auf Selbstauskünften der Befragten.
16%
15%
12%
13%
13%
69%
69%
70%
69%
69%
15%
16%
18%
18%
18%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
2001
2002
2003
2004
2005
keine emotionale Bindung
geringe emotionale Bindung
hohe emotionale Bindung
Ausmaß der emotionalen Mitarbeiterbindung in Deutschland
Anzahl Verbesserungsvorschläge
pro Halbjahr
10

Bisher wurden die Folgen innerer Kündigung aus Unternehmensperspektive betrachtet.
Diese können jedoch im Einzelfall auch für den betreffenden Mitarbeiter eine
psychische Belastung darstellen und zu einer ernstzunehmenden Gesundheitsgefähr-
dung führen. Haben stark unzufriedene Mitarbeiter aufgrund fehlender Alternativen
nicht die Möglichkeit zu einem Arbeitsplatzwechsel, müssen diese nach Gertz (2004)
oft unter zunehmender Angst um die eigene materielle Existenz und sinkendem Selbst-
wertgefühl bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber verbleiben. Obwohl die hieraus resultie-
renden Belastungen für den jeweiligen Menschen bereits sehr hoch sein können, soll
erwähnt werden, dass den Unternehmen aus der Sorge der Mitarbeiter und den daraus
resultierenden Verhaltensweisen jährlich geschätzte Folgekosten in Höhe von 75 Milli-
arden Euro entstehen.
27
Während ein geringes Mitarbeiterengagement von Arbeitgeberseite häufig mit einer
negativen Grundeinstellung der Mitarbeiter zur Arbeit begründet wird, führen die Auto-
ren der relevanten Literatur verstärkt das abnehmende Vertrauen der Mitarbeiter zu ih-
rem Arbeitgeber als Ursache auf. Es ist nachvollziehbar, dass durch stetige Neuausrich-
tungen der Unternehmen auf der einen Seite und durch registrierten Stellenabbau trotz
ausgewiesener Rekordgewinne auf der anderen Seite vermehrt identitätsstiftende
Merkmale und damit die Verbundenheit der Mitarbeiter zu deren Arbeitgeber verloren
gehen kann.
28
Von den Befragten der Gallup-Studie werden zudem mangelnde Aner-
kennung, geringe Möglichkeiten zur Weiterentwicklung, fehlende Mitarbeitergespräche
und ein nicht den Fähigkeiten entsprechender Arbeitsplatz als Hauptursachen für innere
Kündigung und einer damit einhergehenden Demotivation genannt.
29
Welche weiteren
Faktoren die psychologische Mitarbeiterbindung beeinflussen und wie das Unterneh-
men trotz der notwendigen Orientierung an Wettbewerb und Kapitalgeber eine positive
Mitarbeiterbindung erreichen kann, wird im vierten und im fünften Kapitel untersucht.
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass eine innere Kündigung und der damit
einhergehende Motivationsverlust der Mitarbeiter folgende Konsequenzen mit sich
bringen können, die sich zusätzlich negativ auf das Betriebsklima und das Unterneh-
mensimage niederschlagen:
¡ schwerwiegende Produktivitäts- und Umsatzeinbußen für den Arbeitgeber und
¡ beträchtliche psychische Belastungen für den jeweiligen Arbeitnehmer.
27
Vgl. Gertz, W., 2004, S. 21-22.
28
Vgl. China, R., 2006, S. 30.
29
Vgl. o.V., 2005, S. 7.
11

3.2
Kosten unerwünschter Mitarbeiterfluktuation
Nachdem im vorangegangenen Kapitel zunächst nur die möglichen Folgen einer inneren
Kündigung beschrieben wurden, werden nun die Konsequenzen betrachtet, die einem
Unternehmen durch eine tatsächliche und unerwünschte Mitarbeiterfluktuation drohen.
Hierbei wird grundsätzlich in Transaktions- und Opportunitätskosten unterschieden.
30
Die Transaktionskosten umfassen zum einen administrative Vorgänge für das Auflösen
des Arbeitsverhältnisses und zum anderen Maßnahmen zur Ersetzung des abgewander-
ten Mitarbeiters (Tabelle 1).
31
Da diese Handlungen je nach Branche, Unternehmen und
zu besetzenden Arbeitsplatz sehr stark variieren können und müssen, sind in der
folgenden Übersicht bewusst nur die grundlegenden und typischen Aufwendungsgrup-
pen aufgeführt.
Tabelle 1: Überblick über klassische Transaktionskosten der Mitarbeiterfluktuation
Aufwendungen aufgrund
des Mitarbeiterausscheidens
Aufwendungen für die Ersetzung
des abgewanderten Mitarbeiters
¡ Ausstellung des Arbeitszeugnisses
¡
Rücknahme von Arbeitsmaterialien
¡
Führung von Austrittsinterviews
¡
Ausgleichszahlungen für nicht in Anspruch
genommenen Urlaub
¡ Personalsuche
¡ Personalauswahl
¡ Personaleinstellung
¡ Personaleinführung und -einarbeitung
Eigene Darstellung, Quelle: Meifert, T. M., 2005, S. 74-75.
In der wissenschaftlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass sich die
Rekrutierungskosten für einen aus dem externen Arbeitsmarkt stammenden Mitarbeiter
mindestens auf ein Drittel des für die Position zu zahlenden Jahresgehalts belaufen.
32
Da es sich hierbei nur um einen Richtwert handelt, können die Aufwendungen für indi-
viduelle Maßnahmen der Personalbeschaffung im Einzelfall jedoch erheblich von die-
sem abweichen. Einer Studie der Westerwelle Consulting & Media AG zufolge können
einem Unternehmen bis zur Einstellung eines High Potential durchaus Ausgaben zwi-
schen 170.000 und 500.000 Euro entstehen.
33
30
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 2.
31
Vgl. Szebel-Habig, A., 2004, S. 31.
32
Vgl. Stührenberg, L., 2004, S. 38.
33
Vgl. Bröckermann, R., 2004, S. 17.
12

Der Aussage von Meifert (2005), die Höhe der Transaktionskosten sei durch eine inter-
ne Besetzung des Arbeitsplatzes geringer
34
, kann nur bei einer sehr engen Betrachtung
zugestimmt werden. Aus gesamtunternehmerischer Sicht ist davon auszugehen, dass
eine interne Mitarbeiterversetzung erneut einen freien Arbeitsplatz mit sich bringt. Wird
der quantitative Personalbedarf nicht durch selbst ausgebildetes und nachrückendes Per-
sonal gedeckt, darf nicht von geringeren Kosten, sondern lediglich von Kostenverschie-
bung gesprochen werden.
Während sich die Transaktionskosten aus den skizzierten Maßnahmen ergeben, werden
den Opportunitätskosten die Leistungsminderungen und -ausfälle zugeschrieben, die mit
einer unerwünschten Abwanderung eines Mitarbeiters einhergehen. Meifert (2005) führt
auf, dass dem Unternehmen sowohl durch eine abnehmende Arbeitsleistung des aus-
scheidenden Mitarbeiters als auch durch eine anfänglich geringere Leistung seines
Nachfolgers erhebliche Produktivitätseinbußen entstehen (Abbildung 7).
35
Auch
Stührenberg (2004) argumentiert mit diesem Sachverhalt und beruft sich auf eine
Schätzung des Saratoga Instituts, nach der ein neu eingestellter Mitarbeiter in den ers-
ten drei Monaten im Unternehmen in der Regel nur 60 % der Leistung seiner eingear-
beiteten Kollegen erbringt.
36
Abbildung 7: Leistungsentwicklung ausscheidender und neuer Mitarbeiter
Quelle: In Anlehnung an Meifert, M. T., 2005, S. 78.
34
Vgl. Meifert, M. T., 2005, S. 74.
35
Vgl. ebd., 2005, S. 77.
36
Vgl. Stührenberg, L., 2004, S. 39.
Zeit
Opportunitätskosten
Opportunitätskosten
Leistungsgrad
Leistungsgrad
Minimal-
leistung
Arbeitsleistung des
Mitarbeiters in Einarbeitung
Arbeitsleistung des
ausscheidenden Mitarbeiters
Zeit
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (eBook)
9783958209541
ISBN (Paperback)
9783958204546
Dateigröße
414 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Mannheim, früher: Berufsakademie Mannheim
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1,8
Schlagworte
notwendigkeit ansatzpunkte mitarbeiterbindungsmanagements
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