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Landart: Ein erlebnispädagogisches Projekt in und mit der Natur

©2007 Examensarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

Besitzt Kunst die Möglichkeit, etwas für die Menschen zu tun? Kann ästhetische Erziehung etwas zur Persönlichkeitsentwicklung eines Schülers beitragen? Hat der ästhetische Prozess tatsächlich Einwirkungen auf die Identität eines Individuums? Kann Kunst also die Identitätsentwicklung und -entfaltung eines Menschen fördern? Ästhetische Erziehung ist wie kein anderer Lernbereich bezogen auf das Subjekt und die Autorin der vorliegenden Studie geht davon aus, dass Kunst einem hohen pädagogischen Anspruch gerecht werden kann. Aus diesem Grund untersucht sie die Wirkungsfaktoren der ästhetischen Erziehung anhand eines ausgewählten Themas in einer Grundschulklasse, indem sie die erlebnispädagogische Theorie praktisch umsetzt und die Ergebnisse bezüglich der genannten Fragestellungen analysiert und abschließend bewertet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4
Herz und Hand, öffnet sie einen neuen Weg zur Natur und fördert dabei die sinnliche
Wahrnehmungs- und Erlebnisfähigkeit der Schüler.
In den letzten eineinhalb Jahren konnte ich beobachten und erkennen, dass die Schüler der
Klasse 4 sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Künstlern, Kunstrichtungen, Techniken und
Materialien sind.
4
Ich gehe davon aus, dass die Schüler dieses offenkundige Interesse
ebenfalls beim Thema ,,Landart" aufweisen werden, da Landart in ihrer Abstraktion und
,,Einfachheit" allen Schülern gerecht wird, ohne dabei den künstlerischen und ästhetischen
Anspruch zu verlieren.
5
Zudem zählt die Natur zum Erfahrungsbereich der Schüler.
6
Da Landart ein Teilbereich der Erlebnispädagogik ist
7
, wird das pädagogische Konzept in
dieser Kunstrichtung vorgeschrieben. Nach Beuys' Zitat gilt es nun also nur noch zu
,,handeln".
Das zweite Kapitel erörtert zunächst die theoretischen Grundlagen, die der Planung und
Durchführung des Projektes zugrunde liegen. Um den erlebnispädagogischen Wert sowie das
pädagogische Potenzial der Kunstrichtung Landart in der ästhetischen Erziehung darzustellen,
wird zunächst eine Definition des Begriffes ,,Landart" vorgenommen. Diese Informationen
dienen der Einordnung der Kunstrichtung Landart in den übergeordneten Bereich der
Erlebnispädagogik, wobei explizit auf den erlebnispädagogischen Wert des ästhetischen
Prozesses eingegangen wird. Anschließend erfolgt die Darstellung der Kunstrichtung Landart
als zu behandelnden Themenbereich innerhalb der ästhetischen Erziehung. Hierbei wird
besonders auf den ästhetischen Zugang zur Natur eingegangen, der die vorherrschende
Naturentfremdung der Schüler entschärfen kann. Aus diesen gewonnenen Erkenntnisses
werden Folgerungen für die Praxis gezogen, die eine Notwendigkeit der schülerorientierten
Umsetzung des Themas vorsehen, und woraus sich meines Erachtens der Projektunterricht als
geeignete Methode folgert. Nach einer Begriffsbestimmung des Projektunterrichts erfolgt eine
umfassende Beschreibung des Projektunterrichts als methodisches Konzept. Diese
Erläuterungen dienen letztlich der Darstellung der projektorientierten Umsetzung des Themas
,,Landart" in der geplanten Einheit.
Kapitel drei beleuchtet die Planung der ganzheitlichen Landarteinheit in der Grundschule der
Schule, deren Verlauf in Kapitel vier nachvollzogen werden kann. Die einzelnen Sequenzen
werden als reflektierende Verlaufsbeschreibungen dokumentiert, wobei jeder Sequenz
4
Vgl.: Kapitel 3.1.2
5
Vgl.: Kapitel 2.1.3.2
6
Vgl.: Kapitel 3.1.2
7
Vgl.: Paffrath, H. F.: Zu neuen Ufern. Internationaler Kongreß erleben und lernen. Fachverlag Dr.
Jürgen Sandmann. Alling 1998, S.232

5
Lernziele vorangestellt werden, an deren Erreichung sich die jeweils abschließende Reflexion
orientiert.
Kapitel fünf befasst sich mit einer abschließenden Reflexion der Einheit. Die hierbei zu
beantwortenden Fragestellungen zielen dabei auf zwei zentrale Gesichtspunkte ab:
¾ Gelingt es, die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler zu fördern, indem diese
sich intensiv mit dem Thema ,,Landart" auseinandersetzen und eigene
Landartkunstwerke gestalten?
¾ Gelingt es, dieses Projekt von den Schülern weitestgehend selbständig planen und
durchführen zu lassen?

6
2 THEORETISCHE ERÖRTERUNGEN
2.1 Die Kunstrichtung Landart
2.1.1 Definition Landart
Unter dem Begriff ,,Landart" wird eine Kunstrichtung verstanden, die sich in den 60er Jahren
des 20.Jahrhunderts unter verschiedenen Vertretern, wie Walter de Maria oder Richard Long,
in der modernen Kunstszene etablierte. Als Objekt der Gestaltung wählen Landartkünstler den
natürlichen oder den urban-industriell umgestalteten Landschaftsraum.
8
Mit unterschiedlichen
Mitteln und Techniken setzen sie Akzente und verbinden natürlich Gegebenes mit
künstlerischen Eingriffen zu einer neuen Einheit. Sinn und Zweck dabei ist es einerseits das
Eigene eines Landschaftsraumes bewusster zu machen und andererseits der handelnden
Person eine neue sinnlich-ästhetische Wahrnehmung durch den künstlerischen Gestaltungsakt
erfahrbar zu machen.
9
Einer der wohl populärsten Vertreter dieser Kunstrichtung ist Andy
Goldsworthy, der durch seine Fotobände diesen Kunstbereich einem breiten Publikum
vorstellte. Als optimale Schnittstelle zwischen den Erlebnisformen Kunst und Natur
10
zählt
Landart zu einem Teilbereich der Erlebnispädagogik, der im folgenden dargestellt wird.
2.1.2 Landart als Teilbereich der Erlebnispädagogik
2.1.2.1 Definition Erlebnispädagogik
Die Definition der ,,Erlebnispädagogik" befasst sich zunächst mit der Klärung des Begriffes
,,Erlebnis", um anhand dessen eine Begriffsbestimmung des Terminus ,,Erlebnispädagogik"
ableiten zu können. Zudem wird eine Abgrenzung zur Abenteuerpädagogik vollzogen, um
Missverständnissen in folgenden Kapiteln vorzubeugen.
Laut Brockhaus ist ,,Erleben" ,,das subjektive Innewerden [...], besonders von Inhalten
(Erlebnissen), die als bedeutsam empfunden werden"
11
. Demnach enthält diese Definition drei
Bestimmungsstücke: das subjektive Innewerden, die Bedeutsamkeit und das Empfinden.
Da die Erlebnispädagogik das ganzheitliche Konzept des Lernens mit Kopf, Herz und Hand
vertritt, erfolgt hier nach Hahn eine Verbindung dieser drei Bestimmungsstücke durch
8
Vgl.: Olbrich, H. (Hg.): Land Art. Lexikon der Kunst: Architektur, bildende Kunst, angewandte Kunst,
Industrieformgestaltung,
Kunsttheorie. Band 4. Leipzig, 1992
9
Vgl.: Brumm, H.: Kunst mit und in der Natur. Online im Internet vom 28.11.2006: http://www.grundschule-
treuchtlingen.de/Umweltschule/Umweltbildung/LandArt/land_art.htm
10
Vgl.: Brumm 2006, ebd
11
Brockhaus: Erleben. Lexikon, Band 5, dtv. München, 1989, S.127
Anm.: [...] Auslassung von mir

7
Körper, Geist und Psyche.
12
Er definiert demnach Erlebnispädagogik als
,,handlungsorientierte Methode", die, aufgrund ihrer Ortsbeschränkung auf den Naturraum,
die Elemente Natur und Erlebnis zielgerichtet miteinander verbindet. Erst durch die aktive
und selbst bestimmte Auseinandersetzung mit der Natur würden Lerneffekte gewonnen.
13
Michl versinnbildlicht die Erlebnispädagogik als Waage, bei der in der linken Waagschale das
Ereignis liege, welches der Pädagoge vermittle. Das Standbein in der Mitte bilde die
Persönlichkeit des Individuums, welches die gewonnenen Eindrücke zu Erlebnissen
verarbeite, und in der rechten Waagschale liege der Ausdruck des Erlebten, also die
Erfahrung, Reflexion und der Transfer.
14
Demnach macht für ihn die verbale Kommunikation
eine wichtige Determinante in der Erlebnispädagogik aus: Sprache diene der subjektiven oder
der gemeinsamen Verarbeitung von Erlebnissen.
15
Oftmals wird das vielschichtige und breite Spektrum der Erlebnispädagogik in der
Öffentlichkeit noch zu undifferenziert wahrgenommen. Nach wie vor dominiert das Klischee
von Tarzan-Pädagogik, Spielerei oder gar Urlaub. Das Missverständnis, Erlebnispädagogik
als Abenteuerpädagogik zu verstehen, ist jedoch einfach zu eliminieren: Abenteuer sind
pädagogisch nicht planbar und haben immer einen offenen Ausgang. Aus diesem Grund ist
dieser Terminus abzulehnen. Zudem geht es in der Erlebnispädagogik nicht um blinden
Aktionismus, sondern um den gleichwertigen Bezug von innerer Erlebnis- und äußerer
Ereigniswelt.
16
Vor allem im ästhetischen Prozess des Gestaltens in und mit der Natur kommen
erlebnispädagogische Elemente zum Tragen, wodurch die Kunstrichtung Landart zu einem
Teilbereich der Erlebnispädagogik zählt.
17
Diese erlebnispädagogischen Elemente sind in der
heutigen mediatisierten Lebenswelt von großer Bedeutung, da sie die Persönlichkeits-
entwicklung eines Menschen fördern und ihm neue intensive Kunst- bzw. Naturerfahrungen
und Zugänge ermöglichen. Im folgenden Kapitel werden diese Elemente mit Hinblick auf die
geplante Einheit dargelegt.
12
Vgl.: Michl, W.: Anthropologische Grundlagen der Erlebnispädagogik. In: Homfeldt, H.G. (Hg.):
Erlebnispädagogik. 2.Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 1995, S.205
13
Vgl.: Heckmair, B.; Michl, W.: Erleben und Lernen. Einführung in die Erlebnispädagogik. 5.Auflage.
Ernst Reinhardt Verlag München, 2004, S.99
14
Vgl.: Heckmair; Michl 2004, S.101
15
Vgl.: Michl 1995, S.209
16
Vgl.: Heckmair; Michl 2004, S.100f
17
Vgl.: Bergdolt, K.: Land Art ­ Kunst in und aus der Natur. In: Paffrath, F.H. (Hg.): Zu neuen Ufern.
Internationaler Kongreß erleben und lernen. Fachverlag Dr. Jürgen Sandmann, Alling 1998, S. 232

8
2.1.2.2 Kunst in der Landschaft als erlebnispädagogischer Prozess
Eines der konstituierenden Elemente der Erlebnispädagogik ist das Erleben von Werten, die
nicht in der ,,Habenorientierung" greifen.
18
Dieses Element lässt sich beim Gestalten von
Landartwerken wieder finden: Wichtiger als das fertige Kunstwerk ist das Erlebnis, dieses zu
gestalten. Landartwerke kann man nicht an die Wand hängen, sie verbleiben am Ort ihrer
Erschaffung und vergehen mit der Zeit wieder in der Natur.
Demnach liegt das Hauptaugenmerk auf dem Prozess, den die Schüler in der geplanten
Einheit vollziehen. Nach Brumm wirken innerhalb dieses Prozesses jedoch weitere
erlebnispädagogische Elemente: Die Schüler schaffen sich einen eigenen Bezug zur Natur und
nehmen darin ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten wahr. Durch den gruppendynamischen
Aspekt des Gestaltens innerhalb der Klassengemeinschaft greift der soziale Aspekt des
miteinander Veränderns. Beim eigenständigen Gestalten bekommen die Schüler zudem einen
Einblick in die schöpferische Kraft der eigenen Person.
19
Während des erlebnispädagogischen Prozesses entwickeln Schüler zudem Schlüssel-
kompetenzen, die in der heutigen Lebens- und Berufswelt immer häufiger gebraucht und
nachgefragt werden.
20
Hierunter zählen beispielsweise die Kreativität, die Eigeninitiative, die
Problemlösefähigkeit, die Flexibilität, die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit sowie
die Planungskompetenz.
21
2.1.3 Landart als Themenbereich in der ästhetischen Erziehung
2.1.3.1 Definition ästhetische Erziehung
Um den Begriff ,,ästhetische Erziehung" darzustellen, soll vorerst prägnant auf den Terminus
,,ästhetisch" eingegangen werden, um ein besseres Verständnis bei der Begriffsbestimmung
der ,,ästhetischen Erziehung" zu gewährleisten.
Der Begriff ,,ästhetisch" steht charakteristisch für ,,schön", ,,geschmackvoll", ,,ansprechend",
die sinnliche Wahrnehmung des Schönen betreffend.
22
Bei der ästhetischen Erziehung handelt
es sich jedoch nicht um die ,,Erziehung zum Schönen" oder gar um ,,schöne Erziehung",
sondern um Erziehung (oder auch Bildung) im ästhetischen Bereich.
18
Vgl.: Brumm 2006, ebd
19
Vgl.: Brumm 2006, ebd
20
Vgl.: Kapitel 3.2.1
21
Vgl.: Heckmair; Michl 2004, S.99
22
Vgl.: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Hg.): Duden. Das große Fremdwörterbuch.
Mannheim et. al.: Dudenverlag 2003, S.151

9
Aissen-Crewett gliedert den Bedeutungsfundus der ästhetischen Erziehung in zwei Teile: Der
,,ästhetischen" und der ,,aisthetischen" Erziehung. Die ,,ästhetische" Erziehung nimmt ihrer
Meinung nach direkten Bezug zu den Künsten und determiniert somit die Fähigkeit zur
ästhetischen Erfahrung. Die ,,aisthetische" Erziehung wirke hingegen ergänzend zur
ästhetischen Erziehung und beinhalte die sinnliche Wahrnehmung und Erkenntnis. Hierbei
betont sie jedoch die Untrennbarkeit der Künste mit der sinnlichen Wahrnehmung und
Erkenntnis.
23
Die ästhetisch-aisthetische Erziehung besteht nach ihren Ansichten in erster
Linie darin, den Schüler zur Selbstbildung hinzuführen. Dabei ist der Terminus
,,Selbstbildung" doppelgerichtet. Einerseits meint er die von außen bestimmte, in der
Schulwelt inszenierte und kalkulierte Bildung des Selbst, des Ich, andererseits meint er die
eigenständige und selbstgesteuerte Bildung des eigenen Ich.
24
Bittner nimmt diese Definition auf, spricht der ästhetischen Erziehung jedoch ebenfalls die
Determinante der Natur zu. Ästhetische Erziehung ist für ihn ,,die Erziehung zur
Wahrnehmungs-, Empfindungs- und Genussfähigkeit, die Pflege der Fähigkeit zu staunen, die
Sensibilisierung der Aufmerksamkeit dafür, welche Umgebung ,,der eigenen Seele gut tut",
die Ausbildung eines liebevoll-achtsamen Verhältnis zu den natürlichen Erscheinungen, die
einem zum Beispiel den Duft einer Blume oder den Gesang eines Vogels wertvoll sein
lassen".
25
Demnach geht für ihn ästhetische Erziehung vom ,,Erleben" des Kindes aus.
26
Da Schüler die Natur in der derzeitigen Lebenswelt immer seltener oder überhaupt nicht mehr
erleben
27
, wird der ästhetische Zugang zur Natur vom Hessischen Kultusministerium
gefordert.
28
Dieser Zugang wird im folgenden dargestellt.
2.1.3.2 Landart als ästhetischer Zugang zur Natur
Vielfach wird das ökologische Gleichgewicht durch den vorherrschenden Lebensstil der
Gesellschaft gefährdet: Lebensräume werden zerstört, Ressourcen verschwendet und das
Klima erwärmt.
29
Durch die Mediatisierung der Lebenswelt entfremden sich Kinder immer
mehr von der Natur. Daher wird in der geplanten Einheit versucht, die oft verloren gegangene
23
Vgl.: Aissen-Crewett 2000, S.3
24
Vgl.: Aissen-Crewett 2000, S.107
25
Bittner, G.: Wie ,,erlebt" das Kind. In: Homfeldt, H.G. (Hg.): Erlebnispädagogik. 2.Auflage. Baltmannsweiler:
Schneider Verlag Hohengehren, 1995, S.205Umwelterziehung. In: Bittner, G.: Neue Sammlung 31,
1991, S.33
26
Vgl.: Bittner 1991, S.33
27
Vgl.: Hess. Kultusministerium: Rahmenplan Grundschule. Diesterweg: Wiesbaden 1995, S.24
28
Vgl.: Ebd. S.196
29
Vgl.: Brohl, C.: Ästhetische Erfahrung in der Landschaft. In: Kunst + Unterricht. Friedrich Verlag, Heft 215
/ September 1997, S.16f

10
gesunde und sorgsame Beziehung der Schüler zur Natur neu zu entwickeln. Hierbei soll die
Kunst als Werkzeug nonverbaler Kommunikation helfen.
Da Landart dazu beiträgt, Schüler für die Natur zu begeistern, und sie für einen sanften
Umgang mit der Natur zu sensibilisieren, besitzt sie, neben ihrem hohen Wert als
künstlerisches Ausdrucksmittel, das Vermögen, die Beziehung der Schüler zur Natur neu zu
entdecken, da sie neue Wahrnehmungs- und Betrachtungsräume öffnet. Als ganzheitlicher
Ansatz der Persönlichkeitsentwicklung spornt sie dabei die Kreativität der Schüler an und
erweitert deren Ausdrucksmöglichkeiten. Selbst die Schüler, die sich weniger zutrauen
30
oder
für völlig ,,unkreativ" halten, können durch den unerschöpflichen Formen- und
Fantasiereichtum der Natur zum eigenen Gestalten inspiriert werden, da die Natur unzählige
Bild- und Sinnesimpulse bietet.
31
Deshalb ist einer der großen Wesenszüge von Landart in der
geplanten Einheit, dass das kreative Arbeiten in dieser Abstraktion und ,,Einfachheit" fast
allen Schülern gerecht werden kann und dabei trotzdem den künstlerischen und ästhetischen
Anspruch nicht verliert. Die Reduktion der Materialien und Werkzeuge entsprechen der
Besinnung auf das Wesentliche, dem Materialwert und den kreativen Fähigkeiten.
32
Die sinnliche Wahrnehmung stellt hierbei einen zentralen Baustein dar: Beim kreativen
Schaffensprozess setzen sich die Schüler intensiv mit der Natur auseinander, wobei sie diese
dabei nicht mehr nur oberflächlich sehen, sondern vielschichtiger und tiefer. Natürliche
Gegenstände werden nicht mehr nur als Objekt der Beherrschung gesehen, sondern in einem
intensiven Bezugsfeld zu ihrer Umgebung
33
, wodurch einer reinen dekorativen Naturbastelei
unvermeidlich entgegengewirkt wird. Um dieses ästhetische Erleben möglichst
schülerorientiert umzusetzen, ergibt sich der Projektunterricht als geeignete Methode, die im
folgenden Kapitel erläutert wird.
2.2 Der Projektunterricht
2.2.1 Begriffsklärung
Unter dem Begriff ,,Projektunterricht" wird ein Unterricht verstanden, der in erster Linie
durch Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit der Schüler festgelegt ist. In einem möglichst
hohen Maß sollen die Schüler hierbei den Weg des Lernens durch plausibles, selbständiges
Handeln bestimmen und die Aufgabe durch fächerübergreifendes Handeln in ihrer
30
Vgl.: Kapitel 3.1.2
31
Vgl.: Güthler, A.; Lacher, K.: Naturwerkstatt Landart. AT Verlag, Baden und München. 3.Auflage 2006, S.7f
32
Vgl.: Brumm 2006, ebd
33
Vgl.: Kapitel 2.1.2.2.

11
,,natürlichen Umgebung" lösen.
34
Der Projektunterricht ermöglicht im Sinne der
Erlebnispädagogik
35
eine ganzheitliche Sichtweise: einerseits wird die Sache in ihrer Ganzheit
(und Originalität) gesehen, indem sie unverstellt auf die Lerngruppe zukommt und
andererseits gehen die Lernenden in ihrer persönlichen Ganzheit mit Kopf, Herz und Hand
auf die Sache zu. Das konzentriert-intensive Befassen steht im Vordergrund. Zudem wird ein
selbständiges Lernen gewährleistet, in dem der in der Regel vorherrschende
,,Konkurrenzkampf" zwischen den Lernenden zugunsten einer gemeinsamen Lernarbeit
überwunden wird.
36
Gegenwärtig bestehen grundlegende Unterschiede im Verständnis des Projektunterrichts.
37
Einerseits wird der Projektunterricht als umfassendes didaktisches Konzept gesehen und
andererseits als eingeschränktes methodisches Konzept.
38
Als didaktisches Konzept
beschreibt Hänsel den Projektunterricht als ,,Unterricht, in dem Lehrer und Schüler ein echtes
Problem in gemeinsamer Anstrengung und in handelnder Auseinandersetzung mit der
Wirklichkeit zu lösen suchen, und zwar besser als dies in Schule und Gesellschaft
üblicherweise geschieht"
39
. In methodischer Hinsicht bestimmt sie den Projektunterricht ,,als
geplanten Versuch, als pädagogisches Experiment, das von Lehrern und Schülern in Form
von Unterricht unternommen wird und das zugleich die Grenzen von Unterricht überschreitet,
indem es Schule und Gesellschaft durch praktisches pädagogisches Handeln erziehlich zu
gestalten sucht"
40
. Da in der vorliegenden Arbeit der Versuch erfolgt, die Schüler durch das
Projekt ,,Landart" in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern, nutze ich den
Projektunterricht nach Hänsel als methodisches Konzept. Im Weiteren erfolgt deshalb eine
detaillierte Darstellung der Projektmethode.
2.2.2 Der Projektunterricht als methodisches Konzept
2.2.2.1 Merkmale der Projektmethode
Die Projektmethode ist eine offene Lernform, die typische Merkmale aufweist. Zu Beginn des
Projekts wird eine Projektinitiative aufgegriffen und zu einem sinnvollen Betätigungsgebiet
für alle Beteiligten entwickelt. Hierbei organisieren sich die Schüler in einem begrenzten
34
Vgl.: Wikipedia: Projektunterricht: Online im Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/Projektunterricht
35
Vgl.: Kapitel 2.1.2.1.
36
Vgl.: Peterßen, W. H.: Projektlernen. Kleines Methoden-Lexikon. 2.aktualisierte Auflage. München:
Oldenbourg-Schulbuchverlag, 2001, S.237
37
Vgl.: Hänsel, D.: Das Projektbuch Grundschule. Beltz Verlag. Weinheim Basel 1995, S.16
38
Vgl.: Peterßen 2001, S.237
39
Hänsel, D.: Projektunterricht. Beltz Verlag, Weinheim Basel, 2. Auflage 1999, S.75
40
Hänsel 1999, S.76

12
zeitlichen Rahmen selbst. Während des Projektablaufs setzen sich die Schüler relativ offen
und selbständig mit dem Betätigungsgebiet auseinander, befassen sich mit realen Situationen
und Gegenständen. Soziale oder individuelle Prozesse sowie eigene persönliche als auch
gruppenbezogene Interessen werden thematisiert, besprochen und geklärt. Dabei verstehen die
Schüler ihr Tun als Probehandeln unter pädagogischen Bedingungen.
41
2.2.2.2 Phasen der Projektmethode
Den strukturellen Aufbau des Projektlernens beschreibt Peterßen als ,,eine ganz bestimmte
Phasenfolge"
42
, die im Laufe der Zeit durch zahlreiche Verlaufsformen festgelegt wurde.
Seiner Ansicht nach ist es nicht wichtig, an welche der Formen man sich als Lehrkraft
anhängt, sondern nur, dass die je gewählte Form auch tatsächlich die angezielten
Lernaktivitäten gestattet. Er schlägt demnach eine eigene Phasenfolge vor, in der sowohl
Vorstellungen aus der Reformpädagogik, als auch aktuelle Vorstellungen über Handlungs-
folgen eingearbeitet sind:
Wenn es den Ansprüchen und Erwartungen an einen Projektunterricht tatsächlich entsprechen
soll, muss ein Projekt nach seinem Verständnis mindestens die erstaufgeführten fünf Phasen
aufweisen.
43
2.2.2.3 Definition Projektmethode
Das Wort ,,Projekt" stammt von dem Lateinischen Wort ,,projicere" ab und bedeutet
vorauswerfen, entwerfen, planen, sich vornehmen. Das Wort ,,Methode" hat einen
altgriechischen Ursprung und bedeutet den Weg der Untersuchung, den Weg, das anzugehen,
was man sich vornimmt oder vorgenommen hat. Hierbei ist das Wort auch ,,inhaltlich"
41
Vgl.: Frey, K.: Die Projektmethode. Der Weg zum bildenden Tun. Beltz Verlag, Weinheim Basel, 8.Auflage
1998, S.15f
42
Peterßen 2001, S.237
43
Vgl.: Peterßen 2001, S.237f
¾ Initiativphase
¾ Informationsphase
¾ Planungsphase
¾ Produktionsphase
¾ Vertifikationsphase
¾ Präsentationsphase
¾
Aktionsphase

13
gefüllt, da es die Konzeption des ganzen Vorhabens und die Fragestellung mit einschließt.
44
Nach Frey ist die Projektmethode ,,ein Weg zur Bildung" und ,,eine Form der lernenden
Betätigung, die bildend wirkt. Entscheidend dabei ist, dass sich die Lernenden ein
Betätigungsfeld vornehmen, sich darin über die geplanten Betätigungen verständigen, das
Betätigungsgebiet entwickeln und die dann folgenden verstärkten Aktivitäten im
Betätigungsgebiet zu einem sinnvollen Ende führen. Oft entsteht ein vorzeigbares Produkt".
45
Die Lernwirksamkeit der Projektmethode wird an den allgemeinen Bestimmungen
festgemacht, die der Projektunterricht enthält.
46
Diese Bestimmungen sind nach Richter-
Reichenbach der Adressatenbezug, die Produktorientierung, der Sozialbezug und der
mehrdimensionale Lernbezug, welche alle die Identitätsbildung eines Schülers sowie dessen
Persönlichkeitsentwicklung fördern.
47
2.2.3 Die schülerorientierte Umsetzung des Themas ,,Landart"
durch die Projektmethode
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der erlebnispädagogischen Umsetzung eines
Projekts zum Thema ,,Landart" im Kunstunterricht. Um dies so authentisch wie möglich
geschehen zu lassen, wird die Umsetzung von der Lerngruppe gemeinschaftlich geplant und
durchgeführt. Die Arbeitsverfahren sollen dabei im Sinne des Projektunterrichts vor allem
experimentell, entdeckend, selbststeuernd, selbstevaluierend, phantasievoll und (selbst-)
vorstellungsgeleitet ausgerichtet sein, wobei die Lehrkraft lediglich die Rolle des Helfers
einnimmt und motivierend und unterstützend wirkt.
Die Initiativphase
48
kann beim Projektunterricht von der Lehrkraft oder von den Schülern
ausgehen.
49
In der geplanten Einheit soll die Einführung
50
des Themas ,,Landart" seitens der
Lehrkraft lediglich als Anregung für das Projekt dienen. Da die Schüler der Klasse 4 sehr
aufgeschlossen und neugierig gegenüber neuen Kunstrichtungen und Kunsttechniken sind
51
,
wird die Projektinitiative hierdurch sehr wahrscheinlich von den Schülern übernommen
werden.
44
Vgl.: Frey 1998, S.14
45
Frey 1998, S.14
46
Vgl.: Peterßen 2001, S.237
47
Vgl.: Richter-Reichenbach,K.-S.: Identität und ästhetisches Handeln. Präventive und rehabilitative
Funktionen ästhetischer Prozesse. Weinheim: Deutscher Studien Verlag 1992, S.108f
48
Vgl.: Kapitel 2.2.2.2.
49
Vgl.: Peterßen 2001, S.238f
50
Vgl.: Kapitel 4.3.2.
51
Vgl.: Kapitel 3.1.2.

14
Innerhalb eines Projektes bearbeitet die Lerngruppe ihre Arbeiten selbst und führt diese auch
aus.
52
Diese ,,Bearbeitung" findet innerhalb der Informations- und Planungsphase
53
statt, in
der sich die Schüler selbständig Informationen sammeln und ihre Landartkunstwerke
weitestgehend theoretisch planen. Da die Schüler in diesem Alter jedoch konkrete Materialien
benötigen, um ihre Landartwerke planen zu können
54
, haben diese bereits in der
vorangestellten Phase erste Vorerfahrungen mit Naturmaterialien sowie mit dem Gestalten
eines Landartwerkes gesammelt. Informelle Materialien werden ihnen zudem innerhalb des
Lernumfelds bereitgestellt
55
. Eigenständiges Sammeln von Informationen sowie erste
theoretische Planungen werden hierdurch für die Schüler möglich. Durch das Einbringen
praktischer Vorerfahrungen
56
in den Planungsprozess können sie sich intensiv mit dem
theoretischen Teil des Themas auseinandersetzen.
Projekte gipfeln immer in einem vorweisbaren Werk.
57
Dieses vorweisbare Werk besteht in
der geplanten Einheit aus den verschiedensten Landartkunstwerken
58
, die von den Schülern
selbständig erarbeitet und gestaltet werden. Hierdurch werden ihre Kompetenzen im Sinne
des Projektunterrichts wertgeschätzt
59
, da sie selbständig agieren und Entscheidungen treffen.
Im Projektunterricht spielen die Bedürfnisse, Neigungen und Interessen der Schüler eine
große Rolle.
60
Deshalb sollte sich die Aufgabe oder das zu behandelnde Problem am sozialen
Umfeld der Schüler orientieren, um eine intensivere Erfahrung zu ermöglichen.
61
Das Projekt
,,Landart" soll vorwiegend auf einem Wiesenstück, mit angrenzendem Wald und einem
Flusslauf nahe der Schule durchgeführt werden. Es befindet sich dementsprechend im
Heimatort der Schüler, in dem diese sich aufhalten, bewegen und spielen. Dadurch orientiert
sich der Ort am Leben der Schüler. Der ,,Gegenstand" Natur beschäftigt Schüler, da er zu
ihrem Erfahrungsbereich gehört.
62
Somit ist das Kriterium der Schülerorientierung in der
geplanten Einheit gegeben.
Gegenüber einem Lernen in abstrakten, die Realität nur simulierenden Lernsituationen
vollzieht sich das Lernen im Projekt an realen und planvollen Handlungen, die eine
52
Vgl.: Frey 1998, S.12
53
Vgl.: Kapitel 2.2.2.2.
54
Vgl.: Kapitel 3.1.2.
55
Vgl.: Kapitel 3.3.2. und Kapitel 4.4.2.
56
Vgl.: Kapitel 4.3.2.
57
Vgl.: Steindorf, G.: Grundbegriffe des Lehrens und Lernens. Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn. 2.Auflage
1985, S.24
58
Siehe Bilder LA1 bis LA 27 im Anhang
59
Vgl.: Bastians, J.: In: Gudjons, H. (Hg.): Das Projektbuch. Theorie-Praxisbeispiele-Erfahrungen. Bergmann
und Helbig Verlag. 3.Auflage, Hamburg 1991, S.19
60
Vgl.: Frey 1998, S.12
61
Vgl.: Steindorf 1985, S.24
62
Vgl.: Kapitel 3.1.2.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2007
ISBN (eBook)
9783958209565
ISBN (Paperback)
9783958204560
Dateigröße
4.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
BA Hessische Berufsakademie
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Note
1
Schlagworte
landart projekt natur
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