Erlebnispädagogik im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung: Die Integration von erlebnispädagogischen Konzepten in die Arbeit mit Menschen mit einer geistigen Behinderung
©2008
Examensarbeit
73 Seiten
Zusammenfassung
In den letzten Jahren ist in unserer modernen Gesellschaft ein regelrechter ‚Erlebnisboom’ zu verzeichnen. Dies spiegelt sich in überfüllten Erlebnis-Kaufhäusern, Erlebnis-Reisen und zahlreichen Angeboten zur Erlebnispädagogik wieder. Outdoor Aktivitäten wie Segeln, Wandern, Kanufahren, Klettern etc. werden als Medium zur Förderung der Persönlichkeitsentwicklung angeboten und richten sich zunächst auf verhaltensauffällige Jugendliche. In den letzten Jahren jedoch erhält das Erlebnis Einzug in nahezu alle Bereiche der sozialen und pädagogischen Arbeit.
Der Erlebnisbegriff wird in allen Bereichen der Gesellschaft nahezu inflationär gebraucht, so dass die Frage aufkommt: „Ist unsere ‚erlebnissüchtige’ Gesellschaft tatsächlich so arm an realen Erfahrungen und Erleben, dass die Gefahr besteht die eigentliche Bedeutung des Erlebnisbegriffes aufzulösen?“. Aus diesem Grund wird zunächst der Begriff ‚Erleben’ und seine Bedeutung erläutert, um anschließend seine Stellung in der Pädagogik herauszuarbeiten. Darüber hinaus setzt sich die Autorin mit den Wurzeln und der Entstehungsgeschichte der Erlebnispädagogik auseinander, um den heutigen Standort dieses Ansatzes in der Gesellschaft herauszuarbeiten. Anschließend folgt eine inhaltliche Betrachtung der Erlebnispädagogik sowie eine Darstellung von konzeptionellen Prinzipien und methodischen Vorgehensweisen sowie der Problematik der Wirksamkeit. Unter Kritikern kursiert die Frage nach der Wirksamkeit erlebnispädagogischer Konzepte als Gretchenfrage. Es gilt folglich theoretisch herauszustellen, unter welchen Bedingungen sie im Alltag tatsächlich wirken kann.
Der Erlebnisbegriff wird in allen Bereichen der Gesellschaft nahezu inflationär gebraucht, so dass die Frage aufkommt: „Ist unsere ‚erlebnissüchtige’ Gesellschaft tatsächlich so arm an realen Erfahrungen und Erleben, dass die Gefahr besteht die eigentliche Bedeutung des Erlebnisbegriffes aufzulösen?“. Aus diesem Grund wird zunächst der Begriff ‚Erleben’ und seine Bedeutung erläutert, um anschließend seine Stellung in der Pädagogik herauszuarbeiten. Darüber hinaus setzt sich die Autorin mit den Wurzeln und der Entstehungsgeschichte der Erlebnispädagogik auseinander, um den heutigen Standort dieses Ansatzes in der Gesellschaft herauszuarbeiten. Anschließend folgt eine inhaltliche Betrachtung der Erlebnispädagogik sowie eine Darstellung von konzeptionellen Prinzipien und methodischen Vorgehensweisen sowie der Problematik der Wirksamkeit. Unter Kritikern kursiert die Frage nach der Wirksamkeit erlebnispädagogischer Konzepte als Gretchenfrage. Es gilt folglich theoretisch herauszustellen, unter welchen Bedingungen sie im Alltag tatsächlich wirken kann.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
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1 Einleitung
In den letzten Jahren ist in unserer modernen Gesellschaft ein regelrechter
,Erlebnisboom' zu verzeichnen. Dies spiegelt sich in überfüllten Erlebnis-
Kaufhäusern, Erlebnis-Reisen und zahlreichen Angeboten zur Erlebnispä-
dagogik wieder. Outdoor Aktivitäten wie Segeln, Wandern, Kanufahren,
Klettern etc. werden als Medium zur Förderung der Persönlichkeitsentwick-
lung angeboten und richten sich zunächst auf verhaltensauffällige Jugend-
liche. In den letzten Jahren jedoch erhält das Erlebnis Einzug in nahezu
alle Bereiche der sozialen und pädagogischen Arbeit.
Ich habe in den letzten Jahren, durch mein Studium und verschiedene Be-
treuertätigkeiten, die Erlebnispädagogik vor allem im praktischen Bereich
kennen gelernt. Über erlebnispädagogische Maßnahmen in der Arbeit mit
Menschen mit geistiger Behinderung findet man einige literarische Praxis-
berichte, allerdings kaum pädagogisch fundierte Begründungen für den
Einsatz eben dieser Maßnahmen im Förderschwerpunkt geistige Entwick-
lung. Aus diesem Grund stellt die Theorie der Erlebnispädagogik für mich
in dem Kontext des Förderschwerpunkts geistige Entwicklung eine beson-
dere Herausforderung dar. Bei meinen bisherigen praktischen Erfahrungen
habe ich eher instinktiv als theoretisch fundiert gehandelt. Darüber hinaus
stellen Fallbeispiele aus der Literatur keine ausreichende wissenschaftliche
Fundierung dar. Ich werde die Fragestellung aus diesem Grund hermeneu-
tisch bearbeiten. Bei einer empirischen Vorgehensweise besteht die Gefahr,
den Fokus auf die Auswertungen der Erfahrungen zu setzen. Ich möchte
mich jedoch ausschließlich auf die theoretisch pädagogischen Zusammen-
hänge der beiden Fachgebiete und den daraus resultierenden pädagogi-
schen Begründungen für das gemeinsame Wirken beschränken.
Der Erlebnisbegriff wird in allen Bereichen der Gesellschaft nahezu inflatio-
när gebraucht, so dass die Frage aufkommt: ,,Ist unsere ,erlebnissüchtige'
Gesellschaft tatsächlich so arm an realen Erfahrungen und Erleben, dass
die Gefahr besteht die eigentliche Bedeutung des Erlebnisbegriffes aufzulö-
sen?". Aus diesem Grund wird zunächst der Begriff ,Erleben' und seine Be-
deutung erläutert, um anschließend seine Stellung in der Pädagogik her-
auszuarbeiten. Darüber hinaus setze ich mich mit den Wurzeln und der
Entstehungsgeschichte der Erlebnispädagogik auseinander, um den heuti-
gen Standort dieses Ansatzes in der Gesellschaft herauszuarbeiten. Ziel die-
ser ersten Ausführungen ist es, zu untersuchen, ob die Erlebnispädagogik
Einleitung
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nur ein weiteres Genre in der Palette der Möglichkeiten ist, die für die ,er-
lebnishungrige' Gesellschaft produziert werden. Anschließend werde ich
mich inhaltlich mit der Erlebnispädagogik auseinander setzen. Dabei werde
ich auf die konzeptionellen Prinzipien und die methodische Vorgehensweise
eingehen, um die Problematik der Wirksamkeit darzustellen. Unter Kriti-
kern kursiert die Frage nach der Wirksamkeit erlebnispädagogischer Kon-
zepte als Gretchenfrage. Es gilt folglich in dem Kapitel ,Erlebnispädagogik
und die Frage nach ihrer Wirksamkeit' theoretisch herauszustellen, unter
welchen Bedingungen sie im Alltag tatsächlich wirken kann.
In dem Kapitel ,Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Pädagogik'
werde ich einen Überblick zum Begriff der ,geistigen Behinderung' geben.
Eine differenzierte Darstellung der definitorischen Vielfalt des Begriffes ist
im Kontext der Fragestellung nicht notwendig. Vorrangig werde ich mich in
diesem Kapitel mit den Lebenswelten der Menschen mit geistiger Behinde-
rung, den pädagogischen Leitgedanken und den Zielen der pädagogischen
Arbeit beschäftigen, um die Herausforderungen an eben diese erarbeiten zu
können.
Im Kapitel ,Chancen und Grenzen der Erlebnispädagogik im Förderschwer-
punkt geistige Entwicklung' werde ich mich explizit mit möglichen Zusam-
menhängen der Erlebnispädagogik und der pädagogischen Arbeit mit Men-
schen mit geistiger Behinderung auseinander setzen. Zunächst werde ich
Thesen zur pädagogischen Begründung aufstellen, die es dann anhand ei-
ner Gegenüberstellung von Zielen und Grundgedanken beider Fachgebiete
zu belegen gilt. Anhand dieser Ausführungen werden abschließend die
Chancen und Grenzen erlebnispädagogischer Konzepte, als Legitimation
einer Integration in den Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, beschrie-
ben. So sollen mit dieser Arbeit die Notwendigkeit und die Perspektiven des
erlebnispädagogischen Arbeitens mit Menschen mit geistiger Behinderung,
mit dem Ziel der Verbesserung der Lebenswelten des Personenkreises, auf-
gezeigt werden.
Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen, wird während der gesamten
Arbeit auf die explizite Nennung der femininen Form verzichtet, und die
maskuline als allgemeine Form verwendet.
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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2 Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Mode oder mehr?
Um einen Überblick über die Inhalte der Erlebnispädagogik geben zu kön-
nen, stellt sich zu Beginn die Frage, was begrifflich überhaupt darunter zu
verstehen ist.
Die Begriffe ,Erlebnis' und ,Pädagogik' sind je nach Fachrichtung mehrfach
definitorisch besetzt und erlauben somit keiner allgemeingültige Bestim-
mung. Weiterhin herrscht eine grundlegende Spannung zwischen den bei-
den Elementen, das heißt
zwischen
dem Subjektivitätsanspruch des ,Erleb-
nisses' (siehe Kapitel 2.1.) und der nach wie vor überwiegend zielgerichteten
Einwirkung eines ,Lehrenden' in der ,Pädagogik'.
Erlebnisse werden heute zum größten Teil aus zweiter Hand, etwa durch
Medien (Werbung, Dokumentationen, Virtuelle Welten, Chatrooms etc.),
erfahren. Konsequenz daraus, ist eine zunehmende Simulation der Wirk-
lichkeit unseres modernen Lebens. Darüber hinaus entwickelt sich die Ge-
sellschaft mehr und mehr zu einer durchnormierten, vielfältig versicherten,
satt gewordenen Industrie- und Wohlstandsgesellschaft, woraus eine zu-
nehmende ,Erlebnisarmut' der heutigen Gesellschaft resultiert. Folglich
,,boomt" in den letzten Jahren die Verwendung des Begriffs der ,Erlebnis'
(Erlebnispark, Erlebnisbad, Erlebnisurlaub etc.). Dient dieser vielleicht als
Anreiz in unserer zum Teil als unwirklich empfundenen Wirklichkeit oder
ist er vielmehr ein Ausdruck des neuen freizeitkulturellen Lebensgefühls?
Auch stellt sich die Frage, ob Erlebnispädagogik nur eine Mode der heuti-
gen Konsumgesellschaft ist oder ob es sich vielmehr um ein eigenständiges
Fachgebiet der Pädagogik handelt, in dem ernsthaft geforscht und wissen-
schaftlich gearbeitet wird.
Um Klarheit in das Begriffswirrwarr zu bringen, werde ich im Folgenden
zunächst auf den Erlebnisbegriff an sich eingehen und dann seine Stellung
in der Pädagogik hervorzuheben. Des weiteren wird der Standort der Erleb-
nispädagogik in der heutigen Gesellschaft verdeutlicht, indem die Wurzeln
dieser untersucht und damit beantwortet, ob es sich hierbei um einen neu-
en kommerziellen Versuch der Freizeitgestaltung oder ein ernstzunehmen-
des Fachgebiet handelt.
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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2.1 Erleben im allgemeinen Sinn des Wortes
In der heutigen Zeit tritt der Begriff des ,Erlebens' in verschiedenen Berei-
chen auf, unter anderem auch in der Pädagogik. Dieser ist aber kein spezi-
fischer Begriff dieser Wissenschaft. Es stellt sich also zunächst ganz allge-
mein die Frage: ,,Was ist Erleben?"
H. SCHÖNDORF (1995, S. 23) ist der Auffassung:
,,Unter Erleben verstehen wir zunächst einmal die Gesamtheit all dessen,
was in unserem menschlichen Bewusstsein vor sich geht." Erleben ist
für ihn
der allgemeine Begriff für das Erfassen der Wirklichkeit und für unsere Be-
wusstseinszustände, wobei das Erfassen der Wirklichkeit einer Erkenntnis
entspricht. Der Mensch funktioniert allerdings nicht im Sinne einer präzi-
sen Informationsaufnahme, sondern ist eher aufgrund seines reichen In-
nenlebens ein Wesen, das die Erkenntnis (also das, was es wahrnimmt und
verarbeitet) in vielfältige Beziehungen stellt. Somit entsteht in der Wirklich-
keit jedes Einzelnen eine Subjektivität, die die Erkenntnis zum Erleben
werden lässt und damit umfassender ist als die Erkenntnis selbst (B.
Heckmair/W. Michl/F.Walser, 1995, S. 23).
Nach G. SCHAD (1996, S. 222) gibt es zwei polare Verständnisweisen von
Erleben:
· ,,Erleben als das herausgehobene Erlebnis-Ereignis, das durch eine
besondere Intensität, Nachhaltigkeit und Eigenart ausgezeichnet ist
· Erleben als Grundweise psychischen Seins, als Innewerden von Vor-
gängen oder Zuständen der Innen- und Außenwelt."
In dem ersten Verständnis geht es um das Erlebnis als Kontrasterfahrung
im Alltag des Lebens, welches mit seiner nachhaltigen und prägenden Kraft
diesen zu beeinflussen vermag. Im zweiten Verständnis begreift SCHAD das
Erlebnis als grundlegende Qualität menschlicher Existenz. ,,Der Mensch
erlebt immerzu, von Situation zu Situation verschieden ist lediglich die Quali-
tät des Erlebens (ebd., S. 223)." Es wird also deutlich, dass es einerseits um
Grenzerfahrungen geht, andererseits um das Erleben als grundlegende Le-
bensphilosophie.
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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Dieser zweiten Auffassung ist auch W. DILTHEY (1833-1910), in dessen
Werken die Begriffe ,Leben' und ,Erleben' eine zentrale Bedeutung haben. Er
nennt das Leben als das Höchste und als zweite Gunst das Erlebte, woraus
sich als drittes Handlung und Tun, Wort und Schrift entwickeln.
W. NEUBERT (1990, S. 20-24) versucht aus W. DILTHEYs Einzelstudien
heraus folgende sieben Momente zur Bestimmung des Erlebnisses zu ge-
winnen:
1.
,,Die Grundeigenschaft des Erlebnisses, (...) ist die Un-
mittelbarkeit, mit der in ihm das Leben von dem Indivi-
duum selbst erfasst wird. (...) (W. Dilthey nach Neubert,
1990, S. 20),
2.
Das Erlebnis (...) daß es eine gegliederte Einheit dar-
stellt, (...) ,bezeichnet einen Teil des Lebensverlaufes in
seiner totalen Realität, also konkret und ohne Abzug'
(ebd., S. 20),
3.
Diese Erlebniseinheit ist nicht einfach gegliedert, son-
dern stellt ein mehrseitiges Spannungsgefüge dar (...)
mit dem Totalitätscharakter, (...) dem Subjekt-Objekt-
Bezug, (...) Allgemeingültigkeit und Individualität,
4.
Der historische Charakter des Erlebnisses, (...) besteht
darin, an einem festen, individuellen seelischen Zusam-
menhang mitzubauen, (...) jedes Erlebnis wirkt insofern
,umgestaltend'. Umgekehrt schwingt auch alles je Erleb-
te im Erlebnis mit, so daß jeder einzelne Bewusstseins-
akt (...) von diesem ganzen erworbenen seelischen Zu-
sammenhang bedingt ist. (...) So ist jedes Erlebnis ab-
hängig von der individuellen Lage,
5.
Dem gleichen Gegenstand gegenüber erscheint dieser
geschichtliche Charakter als Entwicklungsfähigkeit, (...)
bekommt es den Charakter einer dynamischen Einheit,
6.
Dasjenige Wesensmerkmal des Erlebnisses, durch das
es hinaustritt aus dem Subjekt und damit seine volle
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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menschliche und wissenschaftliche Bedeutung gewinnt,
ist kein Objektivitätsdrang,
7.
Diese schöpferische Kraft des Erlebnisses begründet
schließlich den Zusammenhang von Leben Ausdruck
Verstehen, (...) und dadurch eine beglückende Erweite-
rung des eigenen erlebenden Selbst gewonnen wird."
2.2 Das ,Erlebnis' und die ,Pädagogik'
Unter welchen Bedingungen korreliert nun das Erlebnis mit der Pädagogik
und wie erhält das Erlebnis einen pädagogischen Effekt?
Ein erster Zusammenhang lässt sich in einer eher pädagogischen Definition
des Erlebnisbegriffes des Philosophen A. NEUHÄUSLER (1919-1997) fest-
stellen, welcher Erlebnis definiert als ein
,,Erlebnis-Ereignis oder ein Erlebnis-Ganzes, das im Fluß des
Erlebens besonders hervorgehoben ist, sei es durch besondere
Intensität oder Nachhaltigkeit, sei es auch nur durch besondere
Eigenart (A. Neuhäusler nach W. Michl, 1996, S. 32)."
In der Erlebnispädagogik findet man folglich erstens ein Erlebnis, welches
sich vom Alltag abhebt und als etwas Besonderes empfunden wird und
zweitens trägt dieses eine pädagogische Kraft in sich, die wirken und prägen
kann und somit den Prozess der Bildung und Erziehung unterstützen soll
(W. Michl, 1996, S. 32). Allerdings darf hier das ,Erlebnis' nicht mit dem
,Abenteuer' gleichgesetzt werden, da dieses nicht planbar somit und unvor-
hersehbar ist. In der Erlebnispädagogik hingegen setzt man auf Erlebnisse
und Erfahrungen, bei denen ein Lernerfolg zwar natürlich, aber durchaus
intendiert ist.
Der Gedanke des ,,Lernen durch Erleben", hat ,,insbesondere in päda-
gogischen Zusammenhängen, einen weiteren, nämlich realitäts- bzw.
lebensweltbezogenen und einen geistigen Inhalt zu geben. Dies scheint
mir die Aufgabenstellung für eine ,Erlebnispädagogik im breiteren Sin-
ne' (H. G. Bauer, 1995, S. 42)."
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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Um eben diese Bedeutung des ,Erlebnisses' für die Pädagogik besser zu ver-
deutlichen, wird an dieser Stelle wichtig, wie folgt, einen Einblick in die
Wurzeln der Erlebnispädagogik und ihre Entwicklung zu bekommen.
2.3 Die Wurzeln der Erlebnispädagogik
Wenn man die historische Entwicklung der Erlebnispädagogik näher be-
trachtet muss man feststellen, dass der Ursprung nicht eindeutig festzule-
gen ist. Die ersten Ansätze reichen weit zurück. Schon in der Antike faszi-
niert PLATO (427-374 v. Chr.) mit seiner Idee einer Erziehung im Interesse
des Staates, die auf eine ,,schöne Seele" ausgerichtet ist. Er entwickelt eine
Philosophie über die ,,sittliche Erziehung" des Menschen und fordert eine
Ganzheitssicht von Körper, Geist und Seele, sowie Individuum und Gesell-
schaft (H. G. Bauer, 2001, S. 9-10).
J. H. PESTALOZZI stellt das Modell der ,,pädagogischen Provinz" (siehe Ka-
pitel 2.3.3.1) auf und macht damit einen großen Schritt in der Reform der
damaligen Erziehung.
Als Vertreter der Existenzphilosophie, welche sich ebenfalls mit dem Begriff
des Erlebnisses befasst, sind K. JASPERS (1883-1969) und J. P. SARTRE
(1905-1980) zu nennen. K. JASPERS beschäftigt sich mit Erfahrungen an
der Grenze des menschlichen Daseins und stellt fest, dass erst die Kommu-
nikation ,,zum Existenzursprung der ,Vernunft' vordringt (H. G. Bauer, 2001,
S. 10)." Bei J. P. SARTRE ist die Freiheit der zentrale Begriff seines Schaf-
fens und diese erreicht der Mensch seiner Meinung nach nur durch ,,Enga-
gement und die von ihm akzeptierte Verantwortung für sein Handeln (H. G.
Bauer, 2001, S. 10)."
2.3.1 J.-J. ROUSSEAU und D. H. THOREAU als Vordenker der
Erlebnispädagogik
J.-J. ROUSSEAU (1712-1778) und D. H. THOREAU (1817-1862) prägen
und verändern das pädagogische und philosophische Denken bis zur heuti-
gen Zeit. Beide entdecken die Einsamkeit und Einfachheit. Beide wollen
einen neuen Menschen gegen den Zeitgeist schaffen und brauchen dafür
die Erziehung. Sie entwickeln die Utopie einer modernen Gesellschaft (B.
Heckmair/W. Michl, 1993, S. 3).
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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J.-J. ROUSSEAU wird 1712 im französischsprachigen Genf geboren. Als
Ergebnis seines politischen und pädagogischen Denkens erscheinen 1762
seine beiden Hauptwerke ,,Contrat social" (dt.: Der Gesellschaftsvertrag)
und ,,Emile". ,,Emile", sein Roman über die Erziehung, lässt bereits erleb-
nispädagogische Ansätze erkennen. In diesem Werk wird die fiktive Erzie-
hung eines Jungen beschrieben, die von allen kulturellen Einflüssen abge-
schottet stattfindet und lediglich unter dem Einfluss der Natur zu der Her-
ausbildung sozialer Instinkte führen soll. Sein Ziel ist eine Minimalerzie-
hung, die lediglich durch die natürliche Strafe (negative Folgen unpassen-
der Handlungen) zu einem freien Menschen führt. Emile soll sein Wissen
durch eigene Erfahrungen aus der Sache selbst und nicht durch die Beleh-
rungen eines Erziehers lernen. Er lernt zunächst durch die Erforschung
seiner Umwelt und der Natur und später durch Arbeit und Handwerk. Es
geht J.-J. ROUSSEAU darum, die Freude am Leben zu lehren, denn die
Welt wird seiner Ansicht nach nicht durch Sprache und Vernunft, sondern
vielmehr durch die Sinne erlebt und erfahren (B. Heckmair/W. Michl, 1993,
S. 3-8).
Während J.-J. ROUSSEAU die theoretischen Grundgedanken entwickelt,
setzt D. H. THOREAU diese 100 Jahre später in die Praxis um. Er sieht die
Natur, wie J.-J. ROUSSEAU, als Erzieherin und Lebensmeisterin. Allerdings
bietet er ein praktisches Beispiel der Lebenskunst mit dem ,,Walden"-
Experiment, ein psychologisches Experiment in einer selbstgebauten Hütte
am Waldensee, nahe seiner Heimatstadt Concord. Unter anderem beabsich-
tigt er, seinen Landsleuten, die gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts
buchstäblich im ,,american way of life" schwelgen, welcher von Luxus,
Technik, Mode, Bequemlichkeit und Naturbeherrschung geprägt ist, seine
Devise der Einfachheit in der Lebensweise entgegensetzen. Sein Ziel besteht
darin, zu beweisen, dass ein Leben mit einfachen Mitteln, wenig Geld und
dem Zurückschrauben von überzogenen Bedürfnissen durchaus möglich
ist. Unmittelbarkeit des eigenen Erlebens, Lernen durch Versuch und Irr-
tum in möglichst realen Situationen und die Natur als Lehrmeisterin sind
seine Prinzipien
(B. Heckmair/W. Michl, 1993, S. 8-15).
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2.3.2 Wurzeln in der Reformpädagogik
Die Kritik an der bestehenden Gesellschaft beschäftigt nicht nur J.-J.
ROUSSEAU und D. H. THOREAU. Vor allem die Reformpädagogik (1890-
1933) fokussiert in ihrem pädagogischen Verständnis den Begriff des ,Erle-
bens' und stellt die bestehenden Methoden und Konzepte in Frage. Der
Mensch in seiner Ganzheitlichkeit (siehe Kapitel 3.1.1) und die Erziehung
dahin, sind die Kerngedanken der Reformpädagogik. Den kleinsten gemein-
samen Nenner der verschiedenen Methoden der Reformpädagogik bilden
,,die Charakterbildung, die Anleitung zu einer befriedigenden Lebens- und
Weltanschauung" (H. Lietz nach H. G. Bauer, 2001, S. 14) sowie die Ausbil-
dung der geistigen, der sittlichen und der körperlichen Kräfte der Kinder.
Diese sollen sie zu selbstständigen und eigenverantwortlichen Menschen
heranwachsen lassen. Es existieren dabei unterschiedliche inhaltliche und
didaktische Formen und Methoden mit verschiedenen Betonungen in den
jeweiligen Einzelströmungen (z. B.: die Jugendbewegung, die Arbeiter- und
Frauenbewegung, die Landerziehungsheimbewegung und die Kunsterzie-
hungsbewegung). Allerdings sind es die gemeinsamen idealistischen und
pädagogischen Grundgedanken der Epoche, die diese einzelnen Phänomene
zueinander in Beziehung setzten.
Nahezu zeitgleich entstehen in den USA inhaltlich recht ähnliche pädagogi-
sche Modelle, wie beispielsweise das Lernen am ,,Projekt". Es wird versucht,
die üblichen landwirtschaftlichen und praxisorientierten Berufsschulkurse
in die eher theoretischen Inhalte der Schule zu integrieren, um die intellek-
tuelle Arbeit in der Schule in Beziehung zu den Lebenswelten der Schüler
zu setzen.
J. DEWEY (1859-1952), der wohl wichtigste amerikanische Pädagoge des
20. Jahrhunderts, gilt in den USA und in Kanada als Vater des handlungs-
und erfahrungsorientierten Lernens. Der Projektbegriff wird bei ihm auf das
Leben in der Gesellschaft ausgedehnt. Der Kerngedanke des DEWEYschen
Konzepts ist, dass Lernen das Herstellen von Handlungen ist, wobei das
Handeln eine doppelte Rolle spielt:
· zum einen wird Erfahrung erworben, um handeln zu können
· zum anderen wird Erfahrung durch Handlungen erworben.
Um handeln zu können benötigt man demzufolge Erfahrungen, die man
wiederum erst durch Handlungen erwerben kann. Reflexion der Erfahrun-
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gen spielt dabei eine große Rolle, um das Gelernte zu generalisieren und
somit im Alltag benutzen zu können.
In der Reformpädagogik wird die Erlebnispädagogik zu einem wichtigen Be-
standteil des Unterrichtsgeschehens. Das ,Verkopfte' an der Pädagogik, also
eine Unterrichtsführung, in der Unterrichtsinhalte überwiegend sprachlich
und sachlogisch strukturiert vermittelt werden, wird verurteilt. Das ,Erleb-
nis' gilt als wichtiger methodischer Unterrichtsbegriff. So hat die Erlebnis-
pädagogik in der Schule bereits um 1930 ihren ersten Höhepunkt.
2.3.3 K. HAHN und die ,Erlebnistherapie'
Nach dem ersten Weltkrieg profiliert sich K. HAHN (1886-1973) als politi-
scher Berichterstatter, Redenschreiber und Berater. Er hat keine konventi-
onelle Karriere als Pädagoge durchlaufen, sondern ist eher ein politisch en-
gagierter Idealist mit pädagogischen Ansprüchen. Ohne jeden Zweifel gilt er
als zentrale Figur in der Erlebnispädagogik.
HAHN stellt sich gegen den Wandel der Nachkriegszeit, also dem zuneh-
menden Industrialisierung und Technisierung, der auch in der Pädagogik
kaum mehr Raum für Kreativität und Eigenhandeln lässt.
,,Es ist Vergewaltigung, Kinder in Meinungen hineinzuzwängen,
aber es ist Verwahrlosung, ihnen nicht zu Erlebnissen zu ver-
helfen, durch die sie ihrer verborgenen Kräfte gewahr werden
können (K. Hahn nach H. G. Bauer, 2001, S. 26)."
Somit gibt er den entscheidenden Anstoß für ein Konzept zur Bewahrung
der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, welches im Folgenden darge-
stellt wird.
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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2.3.3.1 Drei Grundpfeiler der HAHNschen Pädagogik
Die HAHNsche Pädagogik wird oft als Sammel- und Kristallisationspunkt
einiger bereits beschriebenen, philosophischen und pädagogischen Traditi-
onen bezeichnet. K. SCHWARZ bezeichnet das Wesen der Pädagogik HAHNs
als eines, ,,...dass aus vielen Quellströmen zugleich ihre Nahrung saugt (K.
Schwarz nach H. G. Bauer, 2001, S. 24)."
Die drei ,,Grundpfeiler" seiner Pädagogik bestehen aus:
1.
Die auf PLATOs Erkenntnissen beruhende Anschauung von der sitt-
lichen Erziehung des Menschen, wobei die Elemente der Nachah-
mung und Übung im Vordergrund stehen. K. HAHN geht es in seiner
pädagogischen Absicht um die Erzeugung wesentlicher Gewohnhei-
ten, wie einerseits das ,,Umsetzten von Gefühlen in echte Tathandlun-
gen" und andererseits um die ,,Gewohnheit der Selbstüberwindung"
(K. Schwarz nach H. G. Bauer, 2001, S. 25).
2.
Das von PLATO, J. W. GOETHE (1710-1782), J. H. PESTALOZZI
(1746-1827) und H. LIETZ (1868-1919) beeinflusste Modell einer
,,pädagogischen Provinz" zur Erziehung des jungen Menschen. Der
Inhalt dieses Modells ist die Idee einer Erziehung in bestimmten ab-
gegrenzten Räumen. K. HAHN plädiert ganz im Geiste der pädagogi-
schen Provinz für die Trennung des Kindes nicht nur von seinen El-
tern, sondern von allen sozialen Zusammenhängen, um diese von
den negativen gesellschaftlichen Entwicklungs- und Lernbedingun-
gen der korrupten Gesellschaft (siehe Kapitel 2.3.3.2) fernzuhalten.
Erziehung erfolgt hier im Sinne:
· der Charakterbildung,
· der Intelligenz,
· des Wissens (H. G. Bauer, 2001, S. 27).
3.
Das von W. JAMES (1876-1907) geforderte ,,moralische Äquivalent
des Krieges" in der Erziehung. Hierbei handelt es sich um die Not-
wendigkeit der ,,Entladung" aller ,,unedlen Gefühle", damit sie sich
nicht zu einer im Untergrund lauernden dunklen Macht aufstauen
können. Erscheinungen wie Unentschlossenheit und Zögern durch
häufige ,,Nichtentladung" soll entgegengewirkt werden, was lediglich
Zum Begriff der Erlebnispädagogik eine Methode oder mehr?
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durch häufige und regelmäßige Übung guter Tathandlungen gesche-
hen kann, bis sie letztendlich in die Gewohnheit übergehen.
2.3.3.2 Die ,Erlebnistherapie'
K. HAHN bezeichnet sein Erziehungsmodell als ,Erlebnistherapie', was im
ersten Moment verwundert. Wenn man allerdings seine Gesellschaftsdiag-
nose betrachtet, welche bestimmte ,,Verfallserscheinungen" feststellen lässt,
versteht man, dass eben diese erlebnistherapeutischen Konzeptes bedürfen.
Er hält die Gesellschaft für krank und korrupt und die großstädtische Zivi-
lisation führt seiner Meinung zu ,,sozialen Seuchen" wie:
· dem ,,Mangel an menschlicher Anteilnahme und der zwischenmensch-
lichen Beziehungen", verursacht durch andauernde Eile und Unruhe,
· dem ,,Verfall der körperlichen Tauglichkeit", verursacht durch moder-
ne Fortbewegungsmittel,
· dem ,,Verfall der Sorgsamkeit", verursacht durch die kaum noch vor-
handenen Traditionen des Handwerkertums und die Bereitschaft
kreativ und exakt zu arbeiten und
· dem ,,Mangel an Initiative", verursacht durch das Umgehen von Her-
ausforderungen, die Aktivität bedeuten (J. Ziegenspeck, 1987, S. 41).
Als Antwort auf eben diesen Trend entwickelt er eine Therapie, die Jugend-
lichen durch natürliche Erlebnisse Erfolg und Misserfolg näher bringen und
Lerneffekte bei ihnen erzeugen sollen. Nach H. G. BAUER (2001, S. 29-31)
besteht diese Therapie aus drei wesentlichen Stufen:
Die erste Stufe besteht aus vier erlebnispädagogischen Grundelementen,
die den oben genannten Verfallserscheinungen gegenübergestellt werden:
1.
Das körperliche Training steigert Vitalität, Kondition, Mut und Über-
windungskraft, wobei Erfahrungen zum einen durch Selbstüberwin-
dung und zum anderen durch Selbstentdeckung gemacht werden.
2.
Die Organisation von Expeditionen in der Natur bekämpft die
schwindende Initiative und Einsatzbereitschaft und fördert gleichzei-
tig die Entschluss- und Überwindungskraft.
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3.
Das Projekt stellt eine Aufgabe geistiger, handwerklicher oder techni-
scher Natur dar, die klar formuliert die Sorgsamkeit und Geduld för-
dert und somit der Entfaltung von der Selbstständigkeit, Kreativität
und Musikalität dient.
4.
Beim Rettungsdienst (für K. HAHN das wirksamste Mittel der Erzie-
hung) wird dem Jugendlichen durch den Einsatz der eigenen Exis-
tenz für das Wohl des Anderen ein völlig neues Lebensverständnis
vermittelt (A. Reiners, 2003, S. 11).
Die zweite Stufe beinhaltet ,,die eigentliche charakterbildende Wirkung in der
Erlebnistherapie (H. G. Bauer, 2001, S. 31)." Es entstehen hier durch päda-
gogisch gestaltete Erlebnisse unauslöschliche Erinnerungen, die K. HAHN
als Kraftquelle für entscheidende Augenblicke im späteren Leben ansieht,
so genannte ,,heilsame Erinnerungsbilder". Nach W. JAMES ist nicht die
Dauer, sondern die Stärke eines prägenden Erlebnisses oder eines han-
delnden Einsatzes für das spätere Verhalten entscheidend. K. HAHN
resümiert:
,,When you are passiv you forget; when you are activ you remember (K. Hahn
nach H. G. Bauer, 2001, S. 31)."
Bei der dritten Stufe wird die Erlebnistherapie lediglich als Mittel der Erzie-
hung beschrieben, welches die Hingabe und Bereitschaft eines jungen Men-
schen erhalten kann. Das Ziel ist die Erziehung eben dieser zu verantwor-
tungsvoll handelnden und denkenden Erwachsenen in einer staatlichen
Gemeinschaft mit freiheitlich-demokratischer Grundlage.
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2.3.3.3 Die Kurzschulbewegung
1941 gründet K. HAHN mit einem befreundeten Reeder aus England die
erste ,,short term school" (Kurzzeitschule) in denen Jugendliche zwischen 16
und 21 Jahren in Kursen von vierwöchiger Dauer ,,mit erlebnispädagogisch
relevanten und natursportlich akzentuierten Erziehungs- und Bildungspro-
grammen konfrontiert werden(J. Ziegenspeck, 1986, S. 13). Diese Schulen
werden unter dem Namen ,Outward Bound Schools' (Begriff aus der engli-
schen Seefahrt: ein Schiff kann aufs weite Meer auslaufen) von England
ausgehend sich international, mit Hilfe des ,Outward Bound Trust' (Grün-
dung 1946; Aufgabe: nationale und internationale Verbreitung des Kurz-
schulkonzeptes) verbreiten.
Aufgrund seiner gesammelten historischen und gesellschaftspolitischen
Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen, beginnt sich K. HAHN tief-
gründig für die Erziehung zu interessieren. Die Erziehungsmethoden in
Deutschland sind längst überholt. Einerseits liegt das Problem in den Fami-
lien, denen der ,,Zerfall der erzieherischen Kräfte" droht, d. h. die Erziehung
verliert mehr und mehr ihre schützende Funktion für das Kind. Primär
richtet sich die Kritik allerdings an die tradierten Lehrmethoden: die einer-
seits erstickende Autorität und andererseits die blinden Hörigkeit. Dieser
permanente Druck, der von dem Lehrer auf den Schüler ausgeübt wird, gilt
zunehmend als wesentlicher Grund für den erkennbaren Untertanengeist
im deutschen Volk. K. HAHN übt schon vor dem ersten Weltkrieg Kritik an
dem bestehendem System und der praxisfernen Lehrerausbildung, glaubt
allerdings nicht an die Reform der Staatsschulen. So gründen K. Hahn und
Prinz M. VON BADEN (1867-1929), der letzte deutsche Reichskanzler (K.
HAHN fungiert als dessen Privatsekretär und Vertrauter), 1920 das Lander-
ziehungsheim Salem und K. HAHN übernimmt die Leitung. Dieser muss
1933 das Nazi-Deutschland verlassen und macht sich auf den Weg in seine
zweite Heimat England, wo er nach dem Vorbild von Salem das Landerzie-
hungsheim Gordonstown gründet (J. Ziegenspeck, 1987, S. 6-10).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2008
- ISBN (PDF)
- 9783958209701
- ISBN (Paperback)
- 9783958204706
- Dateigröße
- 450 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Universität zu Köln – Pädagogik
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Dezember)
- Note
- 2,0
- Schlagworte
- Reformpädagogik Erlebnistherapie Angstüberwindung Erziehung Bildung