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Die Triumphbogenmosaiken von Santa Maria Maggiore. Ein Ausdruck imperialer Macht?

©2016 Bachelorarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Die Triumphbogenmosaiken von Santa Maria Maggiore in Rom stellen die Wissenschaft seit jeher vor ein Rätsel. Denn neben den Ereignissen um die Geburt Jesus und dessen daraus resultierende Ausweisung als vom Himmel gesandten Messias, sind auch zeitgenössische Botschaften enthalten, welche insbesondere die ikonografische Forschung seit langem beschäftigen. So erscheinen innerhalb des spätantiken Bildprogramms einige Figuren, die in der biblischen Überlieferung nicht genannt werden und Bezüge zu den apokryphen Kindheitsevangelien und zu Predigten Leos des Großen herstellen. Daneben enthalten einige Szenen subtile Hinweise auf die imperiale Herrscherikonografie der Ewigen Stadt, sodass sich die spätantike Romidee hier augenscheinlich manifestiert. Alle bisherigen Abhandlungen zum Thema weisen teilweise durchaus konträre Standpunkte auf, auch die möglichen Interpretationen bringen unterschiedliche Aspekte zutage. Dies muss eine neue Gesamtbetrachtung der Mosaiken zur Folge haben, denn nur in ihrer Ganzheit lassen sich der Sinn der Bilder und deren politische Botschaft erschließen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


8
Diese Verschiedenartigkeit an Forschungsschwerpunkten legt nahe, dass noch einige
Fragen offen geblieben sind und dass die möglichen Interpretationen teils weit
auseinandergehen, was eine erneute Gesamtbetrachtung der Mosaiken zur Folge haben
muss. Denn nur in ihrer Ganzheit lassen sich der Sinn der Bilder und deren politische
Botschaft erschließen und in weiterer Folge auch dementsprechend deuten.

9
2. Rom als Idee
Zu Beginn ist es notwendig, den Begriff der ,,Romidee" zu definieren, da dieser ein breites
Spektrum an Auslegungen aufweist. Schon der Begriff ,,Rom" meint bereits mehr als die
bloße Stadt als Zentrum des Römischen Reiches. Vielmehr versteht man darunter eine
Ideologie, die nicht nur das Imperium und dessen langjährige Wirkmacht beinhaltet,
sondern auch dessen große nachwirkende Strahlkraft nach dessen Untergang, der ein
Zauber anhing, der selbst nach dem Ende der Antike nicht verflog und dem selbst die
Völker des Abendlandes nachhingen. Laut Kytzler, der sich eingehend mit der Romidee
beschäftigte, wurde dieser wohl durch die Glorie ausgemacht, die von der Ewigen Stadt
ausging. Diese zeichnete sich durch ihre lange, ruhmreiche Geschichte, den Inbegriff des
römischen Volkes sowie ihre erhabenen Künste und Bauwerke aus. ,,Römisch" bezeichnet
als Begriff mit antonymen Charakter einerseits die Tugenden der ,,Alten Römer", die sich
durch Sittenstrenge, Disziplin und ein gewisses Maß an Sparsamkeit charakterisieren
lassen, andererseits den Sittenverfall und die Zügellosigkeit, aus denen sich die Zustände
der Dekadenz und des Denunziantentums bis hin zu Mord und anderen Grausamkeiten
hervortun. Interessant ist diese Doppeldeutigkeit des Begriffes, die zu einem
komplementären Bild des Imperiums führte, das sich nicht nur in der Antike manifestierte,
sondern auch zur Zeit der ,,Ecclesis Romana".
1
Die römisch-katholische Weltkirche,
geführt vom Statthalter Gottes auf Erden, zeigte seit jeher Habgier, Korruption,
Misswirtschaft und eine regelrechte Ausbeutung der Gläubigen, die uns auch heute nicht
ganz fremd sind. In ihren Anfangszeiten verweigerte sich die christliche Kirche gegen
Rom, das als Versinnbildlichung der bösen Mächte galt. Rom trat, laut Dalheim, an die
Stelle des ,,Apokalyptischen Babylons", das im starken Gegensatz zum ,,Himmlischen
Jerusalem" stand. Diese negative Assimilation klärte sich nur allmählich und endete in der
Übertragung der klassischen Romidee auf das Christentum. Der Ursprung hierfür liegt im
Synchronismus des Kaisers Augustus mit Jesus Christus, der in den Evangelien deutlich
hervortritt. Mit Augustus beginnt die Geburtsgeschichte Jesus im Lukasevangelium, das
um 90 n. Chr. entstand und klarstellte, dass es kein Zufall sein konnte, dass Gott seinen
Sohn auf die Erde schickte, gerade als Augustus in Rom als Kaiser herrschte.
2
1
Kytzler 1993, 1 f.
2
Dalheim 2010, 376.

10
Das Imperium war unter der Herrschaft des Augustus zweifach geprägt: Im Osten überwog
der griechische Einfluss, während der Westen durch die Romanisierung der Unterworfenen
die römische Kultur weiter ausgebaut und gestärkt wurde. Die Götterwelt blieb in beiden
Gebieten die Alte, jedoch zeigte sich im Westen eine deutlich römische Prägung. Laut
Dalheim wurde diese durch eine neue Gottheit in Form des Kaisers ergänzt, dessen Kult
alle Menschen des Reiches verband und dessen Liturgie allerorts dieselbe war, was einer
religiösen Revolution gleichkam. Zum ersten Mal in der Geschichte des Mittelmeerraumes
beteten die Menschen zu einem gemeinsamen Gott, der ihnen Schutz versprach und ihnen
Glück und Wohlstand zusicherte. So meinten die Bewohner des kleinasiatischen Priene:
,,Die Vorsehung, die über allem Leben waltet, schenkte uns Augustus, und sie sandte ihn
uns und unseren Nachkommen als Heiland (s ter), der dem Krieg ein Ende machen und
das All ordnen sollte."
3
Diese Aussage lässt sich ohne weiteres auf Jesus übertragen. Seit
dem 3. Jh. v. Chr. existiert im hellenistischen Osten die Vorstellung von einem höchsten
Gott, der von anderen Göttern, seinen Geschöpfen, unterstützt wird. Diese Ansicht
übertrug sich auf den Kaiser in Rom, der göttergleich einen Anteil an der Unsterblichkeit
für sich beanspruchte und den Menschen Frieden bringen sollte. Augustus förderte den
Gedanken an nur einen Gott entscheidend. Im frühen Christentum gibt es eine regelrechte
Augustustheologie, die besagt, Gott habe, als er seinen Sohn auf die Erde sandte, eine
zweite Entscheidung getroffen und Augustus in Rom zum Kaiser gemacht. Der himmlische
Heiland sollte auf eine Welt kommen, die ein irdischer Heiland so gut als möglich
vorbereitet hat.
4
Der heidenchristliche Lukas verband diese beiden Aspekte in der
Geschichte vom Zensus, der Maria und Josef nach Bethlehem führte. Augustus erscheint in
gewisser Weise als Heiland, also Erlöser und Helfer in allen Nöten, wie auch Jesus einer
war. Augustus erlöste die Menschen von den Qualen der Bürgerkriege und der Ausbeutung
durch habsüchtige Aristokraten ­ er fungierte als der Schöpfer von Frieden und Wohlstand.
Dabei bleibt natürlich zu bedenken, dass er nach Cäsars Tod etliche Städte zerstört und
ganze Regionen entvölkert hat, bis er im Jahr 30 zum Alleinherrscher wurde. Erst danach
folgte eine Friedensperiode, die 200 Jahre währen sollte. Hier sahen die Christen die
Bestätigung, der Traum des Friedens auf Erden, der vom Evangelisten Lukas in der
Geburtsgeschichte Jesus beschrieben wird, habe sich erfüllt und Augustus wurde als
3
Dalheim 2010, 375 f.
4
Dalheim 2010, 374 f.

11
fundator pacis aeternae gefeiert. Somit war die Verbindung zwischen der theologischen
Heilsgeschichte mit der imperialen vollzogen.
5
Nicht nur der Evangelist Lukas schrieb über diese Begebenheiten, sondern auch die
Bischöfe des zweiten Jahrhunderts bis Orosius um 400. In der Apokalypse des Johannes,
die um 130 entstand, wird die Hure Babylons ­ eine Allegorie für die Gegner der
Gläubigen ­ auf eine Weise beschrieben, dass eine Deutung auf die Stadt Rom und das
Imperium Romanum sehr wahrscheinlich ist.
6
Diese Schrift zeugt von jener Minorität, die
sich bis zuletzt den Herrschenden der Welt, insbesondere Rom, widersetzten um das Heil
zu erreichen. Das zeigt, dass das frühe Christentum mit Sicherheit keine geschlossene
Einheit darstellte.
Nachdem Roms Weltherrschaft zu Ende war, wurde es allmählich zu
einer ,,Idee von unerschöpflicher Strahlkraft"
7
, das seine magische Ausstrahlung über den
Verfall hinaus bewahrt hatte.
2.1. Die Romidee der Spätantike
Die Ursprünge der Romidee der lateinischen Welt liegen, nach Fuhrmann, in der Zeit der
späten römischen Republik. Seit dem 2. Jh. v. Chr. wurde die Dea Roma kultisch verehrt,
in ciceronisch-augusteischer Zeit hatten sich verschiedene Prophetien und Symbole zur
Vorstellung der Roma aeterna verdichtet. Zum ersten Höhepunkt der Romidee kam es
durch Augustus, unter dessen Herrschaft sie zu einer nationalen Angelegenheit wurde.
Durch den nun imperialistischen Anspruch, beruhte die Romidee auf dem Prinzip der
Herrschaft der übergeordneten Römer über die untergeordnete Reichsbevölkerung. Der
Kaiser stand im Zentrum und repräsentierte das Römische, das wiederum an die Bewohner
Italiens gebunden war. Der zweite Höhepunkt der Romidee liegt in der Zeit des späten 4.
und frühen 5. Jahrhunderts, also in der Zeit von Theodosius und dessen Söhnen.
8
Dieser
erhob am 27. Februar 380 durch einen Ediktserlass das nicänische Christentum zur
Staatsreligion.
9
Nun beteiligten sich Heiden und Christen an der Diskussion und die
Romidee wurde somit zu einer ökumenischen Angelegenheit. Der Gegensatz von Rom und
Reich, von urbs und orbis, wurde aufgehoben und das Kaisertum hatte in dieser
zivilisatorischen Romidee keine beherrschende Funktion mehr. Der nun hinzugetretene
christliche Aspekt fügt der Ausbreitung der römischen Macht den Prozess der Ausbreitung
5
Dalheim 2010, 376.
6
Deissler ­ Vögtle 1985, Offb. 17,9-18.
7
Klingner 1993, 13.
8
Fuhrmann 1968, 88-90.
9
Brandt 2001, 61.

12
des Christentums hinzu und verbindet den Bekehrungsgedanken mit jenem des
Fortschritts, sodass sich Kirche und Reich einander annähern und im besten Fall sogar
miteinander identifizieren.
10
2.2. Die christliche Umdeutung der Romidee durch Papst Leo I. den Großen
Das Christentum bewahrte eine gewisse Distanz zur antiken Romidee, hauptsächlich
aufgrund deren paganer Elemente, wie den Romakult oder den Ewigkeitsanspruch der
Stadt Rom.
11
Der spätantike Kirchenlehrer Augustin entmythologisierte sie rigoros, indem
er in seiner Predigt Sermon 81,9, die er 410 oder 411 in Hippo gehalten hat, sagte, nicht
Rom, sondern die Römer könnten unsterblich werden, wenn sie Gott loben.
12
Die
christlichen Kaiser hielten am Grundsatz der Bedeutung des Imperium Romanum fest,
wenn diese auch nicht zwingend an der Stadt Rom festgemacht wurde. Kaiser Konstantin
II., der als frommer Christ galt, zeigte sich bei seinem Rombesuch sehr beeindruckt von
der Pracht der alten Metropole. Doch war Rom, laut Petersohn, bereits zu dieser Zeit eher
eine Metapher für die Größe und Bedeutung des römischen Reiches, was schließlich nicht
mehr an der Stadt selbst festgemacht wurde. Insbesondere Eusebius von Caesarea kommt
bei der Formulierung der christlichen Romidee eine große Bedeutung zu. Konstantin der
Große brachte durch die Privilegierung des Christentums die Idee eines Universalreichs
mit jener einer Universalreligion in Verbindung, was für die byzantinische Romidee
prägend wurde. Dabei nahm Konstantinopel den Platz Roms ein.
13
Nach dem Tod des römischen Bischofs Sixtus III. im Jahr 440, wurde Leo der Große zu
dessen Nachfolger gewählt und am 29. September desselben Jahres zum Bischof der Stadt
Rom geweiht.
14
In seine Amtszeit fiel das Konzil von Ephesus (449), für das er ein
Lehrschreiben über die göttliche und menschliche Natur Christi verfasste. Des Weiteren
sind bis heute 97 Predigten sowie etwa 125 Briefe von ihm bzw. an ihn erhalten.
15
In seiner
Glaubenslehre nahm Leo die Gedanken seiner Vorgänger auf, was insbesondere die
Forderung nach Einheit und Einfachheit der Wahrheit und des Glaubens betrifft, denen die
Kirche zu entsprechen habe. Gott selbst gilt als Ursprung des Glaubens, der durch die
Apostel, die Evangelien sowie durch Kirchenlehrer und Konzile vermittelt wird. Eine
10
Fuhrmann 1968, 90.
11
Petersohn 1995, 1007.
12
Fuhrer 2013, 70.
13
Petersohn 1995, 1007 f.
14
Martin 2010, 96.
15
Martin 2010, 97.

13
Besonderheit ist das historische Verständnis der Evangelien, in denen der Glaube durch die
evangelica historia bezeugt wird. Durch authentische Dokumente (originalia documenta)
zur Kindheit Jesus wird dessen Menschennatur bewiesen ebenso wie der Glaube an die
Wiederauferstehung des Erlösers durch notwendige Beweise (documentis necessariis) aus
der Zeit nach Ostern gefestigt wird. Den zentralen Kern der Theologie Leos bildet die
Lehre von der Menschwerdung Gottes, welche als Grundvoraussetzung für die Erlösung
gilt.
16
Leo der Große legte das Fundament für ein christliches Rom, indem er deklarierte, dass
Rom als Stadt der Apostel und Märtyrer durch den Heiligen Stuhl Petri zugleich zum
Haupt der Welt geworden sei. Dies war der Grundstein für eine Entwicklung an deren
Ende der päpstliche Grundsatz stand, dass Rom die Vorrangstellung über alle Christen
habe. Im Mittelalter führte dies zu teilweise recht heftigen Disputen mit den Königen des
Heiligen Römischen Reiches, die sich aufgrund der ,,Translatio Imperii-Idee" in der
Nachfolge der römischen Caesaren sahen.
17
Als Papst begründete Leo I. schließlich als
Erster das Konzept der römischen Erbschaft, die er auf die Beziehung zwischen Petrus und
dem römischen Bischof übertrug, wodurch er erstmals eine in sich widerspruchsfreie
Papsttheorie schuf. Dabei kam es zu einer ,,unauflösliche(n) Verflechtung zwischen
Römertum und früher Kirche".
18
Die kaiserliche Romidee griff in ihren Parolen und Titulaturen bald auf das augusteische,
bald auf das konstantinische Kaisertum zurück und nahm Bezug auf die Macht, die
Gesetze und den christlichen Glauben des antiken Reiches. Besonders im 10. Jahrhundert
verdichte sich diese Programmatik zur Idee der Wiederherstellung und der Erneuerung ­
der sogenannten renovatio imperii.
19
Aufgrund des großen Stellenwerts, den Leo der Große der Stadt Rom zusprach, müsste
man meinen, das Bildprogramm der Triumphbogenmosaiken von Santa Maria Maggiore
würde auf dessen Gedankengut zurückgehen und dementsprechend von ihm in Auftrag
gegeben worden sein. Doch die Bauinschrift an prominenter Stelle im Scheitelbereich
verweist auf Sixtus III., den Vorgänger Leos, unter dem die Weihung der Kirche vollzogen
wurde. Ob dieser auch der Auftraggeber der Kirche war, konnte bis heute nicht geklärt
werden, aber man kann davon ausgehen, dass Sixtus zumindest den Mosaikschmuck in
16
Martin 2010, 98.
17
Petersohn 1995, 1008.
18
Fellermayr 1979, 420.
19
Fuhrmann 1968, 91.

14
Auftrag gegeben hat. In den 430er Jahren wurde er stark von Leo dem Großen, seinem
Erzdiakon, beeinflusst,
20
sodass dessen Gedankengut bereits vor dessen eigener
Papstwerdung zum Tragen kam, was sich in den Mosaiken des Triumphbogens zeigt.
20
Grabar 1936, 221.

15
3. Die Kirche Santa Maria Maggiore und ihr frühchristlicher Mosaikschmuck
Die Kirche Santa Maria Maggiore in Rom, auf die in diesem Kapitel näher eingegangen
wird, birgt in den Mosaiken ihres Triumphbogens Hinweise auf die oben genannte
Romidee der Spätantike. Diese zeigt sich in Kohärenz mit der biblischen Heilsgeschichte
und verbindet so die religiöse mit der imperialen Ebene. Dies lässt sich an gezielt
eingesetzten Elementen festmachen, die eine nähere Betrachtung verlangen.
3.1. Baugeschichte und Innenraumgestaltung
Die Basilika von Santa Maria Maggiore liegt auf dem Esquilin und gilt als eine der vier
Patriarchalbasiliken Roms und die einzige, die eine frühchristliche Struktur bewahrt hat.
21
Das heute bestehende Gotteshaus stammt aus dem 5. Jahrhundert und entstand nach dem
Konzil von Ephesus im Jahr 431 n. Chr. als erste Marienkirche Roms. Maria wurde damit
nicht nur in einen gottähnlichen Status gehoben, sondern es wurden auch die
verschiedenen neutestamentlichen Darstellungen der Geburt Christi legitimiert, die sich am
Triumphbogen der Kirche zeigen.
22
Die Basilika wurde am 5. August 434 von Papst Sixtus
III. eingeweiht und gilt als ,,das erste gesicherte Beispiel einer vom römischen Papst in
Auftrag gegebenen und mit Mosaiken ausgestatteten Basilika". Damit stellt sie den
Aufstieg päpstlicher Autorität im 5. Jahrhundert dar.
23
Ursprünglich handelte es sich um
eine 73,5 m lange und circa 35 m breite dreischiffige, querschifflose Basilika mit einer
halbrunden Apsis an der Nordwestseite.
24
Der heutige Innenraum stimmt nur mehr im
Allgemeinsten mit dem heutigen Kirchenraum überein. Das Hauptschiff wurde durch zwei
Reihen von ionischen Säulen von den Seitenschiffen abgegrenzt. Über jedem
Interkolumnium befand sich ein Fenster mit einer Höhe von 3,5 m und einer Breite von 2,1
m. Zwischen den Fenstern waren Lisenen angebracht, die zusammen mit den Stuckrahmen
der Mosaiken zum frühchristlichen Bestand gehörten.
25
Im Jahr 1593 wurde jedes zweite
Fenster des Obergadens zugemauert und der offene Dachstuhl mit einer Kassettendecke
geschlossen. Zudem wurde die Kirche im Barock umbaut, sodass von ihrer einstigen
äußeren Erscheinung nichts mehr zu sehen ist.
26
21
Karpp 1966a, 8.
22
Effenberger 1986, 229.
23
Martin 2010, 109.
24
Brenk 1975, 2.
25
Brenk 1975, 2 f.
26
Effenberger 1986, 230.

16
3.2. Der frühchristliche Mosaikbestand
Wie oben bereits erwähnt, wurde die Kirche Santa Maria Maggiore mit einem Zyklus an
Mosaiken ausgestattet, der an den Wänden des Mittelschiffes und am Triumphbogen, der
ursprünglich als Apsisstirnwand diente, größtenteils erhalten ist.
Sehr wahrscheinlich
waren auch die heute nicht mehr erhaltene Originalapsis und die Westwand mit Mosaiken
geschmückt.
3.2.1. Die Mosaiken des Hauptschiffs und der Apsis
Die Mosaiken des Hauptschiffs befinden sich direkt unter den jeweils 21
Obergadenfenstern pro Hauptschiffwand. Somit ergibt sich eine Gesamtzahl von 42
Mosaikfeldern, von denen heute noch 27 im Originalzustand erhalten sind. Die restlichen
sind zerstört beziehungsweise im Barock durch Malereien ersetzt worden, wobei man nicht
mit Sicherheit sagen kann, ob die heutigen Bildthemen den ursprünglichen entsprechen.
27
Die Leserichtung der Mosaiken des Hauptschiffs beginnt ganz hinten im Chorraum am
linken Obergaden, wobei zu erwähnen ist, dass die Chronologie zwei Mal unterbrochen
wird: Die beiden ersten Bildfelder auf der Südseite enthalten Szenen, die nach dem
Erzählungsablauf des Buches Genesis erst später einzuordnen wären, also offenbar aus
einem bestimmten Grund an den Anfang gesetzt wurden.
28
Es handelt sich hier um die
erste in Mosaiken gefertigte Bildergeschichte des Christentums mit Ereignissen aus dem
Alten Testament, die sehr figurenreich ausgeschmückt wurden. Die Szenen wurden jedoch
nicht willkürlich gewählt, sondern es wurden gezielt diejenigen ausgesucht, deren
Leitgedanke der Begriff des Gottesvolkes, der ,,Plebs Dei", zu sein schien.
29
Zusammenfassend ist zu den Inhalten der Hauptschiffmosaiken zu sagen, dass im ersten
Teil des alttestamentlichen Zyklus das Wachsen des von Gott auserwählten Volkes die
Hauptaussage ist, im zweiten Teil sein Sieg. Die Prophezeiung Jahwes an Abraham wird ­
trotz einiger Erschwernisse ­ letzten Endes erfüllt.
30
Beide Bildergeschichten gelten als
Überleitung zu den Mosaiken am Triumphbogen, welche die Geburt Christis
veranschaulichen, und damit die Erfüllung von Gottes Prophezeiung, einen aus dem Volk
Israels hervorgehenden Messias auf die Erde zu entsenden. Auf diesen wird an
verschiedenen Stellen des Alten Testaments verwiesen.
31
27
Foß ­ Meyenburg 2008, 409.
28
Engemann 1997, 39.
29
Foß ­ Meyenburg 2008, 408 f.
30
Wilpert ­ Schumacher 1976, 308.
31
Foß ­ Meyenburg 2008, 411.

17
Die Kirche hatte ursprünglich kein Querschiff, die Apsis war direkt hinter dem
Triumphbogen angebracht. Im 13. Jahrhundert wurde dahinter ein nicht über die
Kirchenbreite hinausgehendes Querschiff angelegt, wodurch die ursprüngliche Apsis
zerstört wurde und eine neue errichtet werden musste.
32
Diese wurde vom
Franziskanermönch Jacopo Torriti um 1295 mit einem Mosaik ausgestattet, welches in
einigen Partien frühchristliche Ikonografie reflektierte und das Originalmosaik aus dem 5.
Jahrhundert ersetzen sollte.
33
Im Zentrum von Torritis Mosaik thronen Maria und Christus,
die reich gewandet auf einem Doppelthron sitzen. Sie werden von einem Kreis eingefasst,
der sich durch die dargestellten Sterne als Himmel erkennen lässt. Unter Maria befindet
sich der Mond, unter Jesus die Sonne, was deren Herrschaft über die Erde deutlich machen
soll.
3.2.2. Die Mosaiken des Triumphbogens
Auf die Mosaiken des Triumphbogens (Abb. 1), die für die vorliegende Arbeit von
besonderem Interesse sind, wird im Folgenden Genauer eingegangen. Diese sind in vier
horizontale Streifen gegliedert, die nur durch schmale Linien voneinander getrennt werden.
Das erste und oberste Register beginnt mit einer tempelartigen Architektur in
Quadermauerwerk mit Giebeldach und zwei Säulchen, die den Eingang flankieren. Dieser
wird durch zwei Türflügel verschlossen, die nach oben hin eine eiförmige Öffnung
aussparen, die den Blick auf ein weißes stoffähnliches Gebilde freigeben, das durch
schwarze und orangefarbene Elemente ergänzt wird. Rechts davon stehen zwei Engel in
weißem Gewand, die jeweils mit ihrer Rechten den Segensgestus ausführen. Neben ihnen
thront eine Frau im königlichen Ornat, die auch im zweiten Register vorkommt. Zu ihrer
Rechten steht ein geflochtener Korb auf dem Boden, in dem sich ein roter Faden befindet
dessen Ende in den Händen der Frau liegt. Ihr zugewandt ist eine weitere Engelsgestalt,
deren rechte Hand beinahe den linken Arm der Frau berührt. Über ihnen sichtbar sind eine
weiße Taube in scheinbarem Sturzflug auf die Thronende sowie ein weiterer, kleinerer
Engel, der beinahe horizontal in der Luft über seinem stehenden Konterfei schwebt. Neben
diesem befinden sich zwei weitere Engel, die sich jedoch von der Szene abwenden und
einen Segensgestus in Richtung eines bärtigen Mannes ausführen. Dieser erscheint auch im
dritten Register und trägt attributiv wiederum einen kurzen Stab in seiner Linken. Rechts
neben ihm erhebt sich eine tempelartige Architektur, die jener vom Anfang dieses
32
Foß ­ Meyenburg 2008, 408.
33
Oakeshott 1967, 83.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783959935135
ISBN (Paperback)
9783959930130
Dateigröße
10.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Karl-Franzens-Universität Graz – Archäologie
Erscheinungsdatum
2016 (September)
Note
1,0
Schlagworte
Rom frühchristliche Mosaiken Romidee Sixtus III Kindheit Jesu Xystus Episcopus Plebi Die

Autor

Christina Pichler, BA BA MA, wurde 1988 in Bruck/Mur (Steiermark) geboren. Die Studien der Kunstgeschichte und der Archäologie an der Karl-Franzens-Universität Graz schloss die Autorin 2016 erfolgreich ab. Aktuell ist sie als Projektmitarbeiterin der Forschungsstelle Kunstgeschichte Steiermark am Institut für Kunstgeschichte der Universität Graz beschäftigt. Zu ihrer aktuellen Tätigkeit zählt u.a. die Mitarbeit am Projekt „Integration von Photovoltaik in die historische Dachlandschaft von Graz“ in Zusammenarbeit mit Joanneum Research. Sie kann bereits einige Publikationen in den Bereichen Denkmalpflege, Kunst der Renaissance und des Donaustils verbuchen. Daneben entwickelte sie ein reges Interesse für die frühchristliche Kunst Italiens, woraus die vorliegende Arbeit resultierte.
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