Lade Inhalt...

Kreative Wege zum literarischen Text im Spanischunterricht: Enrique Paez: „Abdel“

Beispiele zum Themenschwerpunkt „movimientos migratorios“

©2016 Studienarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Die Behandlung literarischer Texte ist im Fremdsprachenunterricht an vielen Schulen noch längst nicht gang und gäbe und findet leider nur selten Eingang in den Alltagsunterricht. Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Arbeit dem kreativen Umgang mit literarischen Texten im Spanischunterricht. Hierzu wird erklärt, wie genau kreative Rezeptions- und Bearbeitungsverfahren im Unterricht sinnvoll greifen können und welches Potenzial die Behandlung literarischer Werke in einem sonst oftmals sehr sachtextlastigen Unterrichtsgeschehen bietet. Zudem enthält die Arbeit drei konkrete Aufgabenbeispiele an Hand des Beispiels „Abdel“ von Enrique Páez, welches sich dem Abitur-relevanten Themenschwerpunkt der „movimientos migratorios“ zuordnen lässt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


exemplifiziert werden. Hierzu ist zunächst ein kurzer Einblick in die Thematik der
movimientos migratorios im schulischen Kontext gegeben und im Anschluss daran drei
Beispiele einer möglichen Umsetzung kreativer Verfahren der Textarbeit an Hand von
Textauszügen aus Abdel zu finden.
Im Anhang der Arbeit finden sich die entsprechenden Textauszüge aus dem Roman und
einige Arbeitsblätter, die zu den jeweiligen dargestellten Beispielen kreativer
Arbeitsaufträge für Abdel gehören.
8

2 Literatur im Fremdsprachenunterricht
Während zu Beginn der Etablierung moderner Fremdsprachen an ,,allgemeinbildenden
Schulen im 19. Jahrhundert" noch ein Gegensatz zwischen ,,Literaturbehandlung
zwecks höherer Bildung einerseits, [und] sprachliche[r] Fertigkeitsschulung durch
Vokabeln und Grammatikvermittlung andererseits" herrschte, wird literarischen Texten
im heutigen Unterricht wesentlich mehr Beachtung geschenkt und ein größerer
Stellenwert zugeschrieben (Sommerfeldt 2012, S.151). Mit der Arbeit an ihnen wird
,,eine besondere Art von authentischen Texten ­ nämlich fiktionale ­", die ,,auf der
inhaltlichen Ebene spezifische Erkenntnisse und Lernerlebnisse" ermöglichen sowie
,,auf der methodischen Ebene eine Vielzahl von Sprech- und Schreibanlässen in der
Fremdsprache" bieten, in den Unterricht miteinbezogen (Ebd.).
Allerdings ist zu beachten, dass im Zuge der Schwerpunktlegung auf die funktionale
Lesekompetenz nach den KMK-Bildungsstandards v.a. Sachtexte Eingang in den
Unterricht finden, da diese sich ­ der weit verbreiteten Annahme zu Folge ­ zu diesem
Zweck besser eigenen würden; jedoch lassen sich anderweitige Lernziele (wie bspw. die
Ausbildung und Förderung von Empathiekompetenz oder die Fähigkeit der Übernahme
divergenter Perspektiven), die in den letzten Jahren als interkulturelle Lernziele
ebenfalls einen Signifikanzzuwachs erlebt haben, v.a. an Hand entsprechender
literarischer Texte realisieren (Vgl.: von Salviati 2013, S.16).
Nünning/Surkamp betonen in diesem Zusammenhang die kulturelle Tragkraft
literarischer Texte, da sie nicht nur ,,Einfluss auf ihre Leser nehmen", sondern ebenfalls
zur Bildung ,,neuer Wahrnehmungs-, Denk- und Empfindungsweisen" führen, sodass sie
in großem Maße zur Ausbildung und Förderung interkultureller Kompetenz beitragen,
da SuS beim Lesen und Bearbeiten ,,in einen Dialog mit dem literarischen Text, der [...]
fremde kulturelle Welten aus bestimmten Perspektiven" ­ wie Delanoy betont ­
darstellt, treten und sich auf die repräsentativen Perspektiven und Ereignisse ,,einlassen"
müssen, um die Semantik des Textes überhaupt nachvollziehen und verstehen zu
können (Ebd., S.17).
Auf diese Weise sind die SuS, bzw. der Leser, sozusagen gezwungen, sich in die jeweils
dargestellten Protagonisten und/oder Antagonisten hineinzuversetzen und erhalten so
einen Einblick in ihre Welt, können bzw. müssen sich mit ihren spezifischen
,,Weltvorstellungen auseinandersetzen" und ebenso deren Handeln in einer ebenfalls
9

distanzierten Betrachtungsweise kritisch beurteilen, wodurch ihnen die Möglichkeit
geboten wird, ihren eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern (Ebd., S.18).
Mit einem solchen Einblick in die entsprechende Welt und die Innensicht der jeweiligen
Figuren, der Konfrontation mit differenten abzugleichenden Blickwinkeln, seien SuS ­
so Nünning ­ permanent zur Koordination und Kombination, zum Hinterfragen und
Kritisieren gezwungen und würden zudem für perspektivengebundene
Realitätserlebnisse und inter- und transkulturelle Gegebenheiten ­ je nach Text und
Thematik ­ sensibilisiert werden (Vgl.: Ebd., S.18f).
Mit der Rezeption fremdsprachlicher ­ und damit natürlich auch multikultureller ­
Literatur, wird v.a. auch der interkulturellen Schulrealität Rechenschaft getragen, da
sich besonders hier der ,,sozialisationsfördernde[...] Charakter von Literatur" zeigt und
ein solcher ,,Sozialisationsprozess, also das zunehmend kompetente Hineinwachsen in
eine Gesellschaft, [auch] dadurch begünstigt wird, dass eben diese Gesellschaft
Entwürfe für die Gestaltung einer Partizipation oder Mitgliedschaft in ihr zur Verfügung
stellt" und SuS auf diese Weise zu einer Konfrontation mit Realität an Hand
,,exemplarische[r] Lebenslagen, Biografien oder Problemaufrisse[n]" quasi gezwungen
sind, sodass die damit verbundene ,,emotionale Beteiligung" nicht nur zu einer
Förderung der Sozialisationskompetenz, sondern auch zu Enkulturationsprozessen auf
Seiten der SuS führt (Dawidowski/Wrobel 2006, S.03). Zu beachten ist hierbei, dass in
dieser Hinsicht auch ,,kulturelle Differenzen [...] attraktive, aber eben nicht
unüberwindbare, sondern produktiv nutzbare Spannungen darstellen" und so
,,Alteritätserfahrungen ermöglichen" und ebenfalls ,,eine Auseinandersetzung mit dem
Anderen bzw. dem Fremden initiieren" (Ebd.). Ein besonderes Potenzial in dieser
Richtung findet sich v.a. im Bereich der so genannten Migrationsliteratur, die auf Grund
des gewählten Beispiels Abdel kurz näher umrissen sein soll:
Die Thematik der Migrationsliteratur ,,stellt die sprachliche Repräsentation und
ästhetische Reflexion von Themen wie Heimatverlust, [...] Vertreibung [...],
unterschiedliche religiöse Kontexte [...], Ausgrenzung [...] und ein großes Reservoir
von sprachlichen und ästhetischen Grenzgängen dar; zudem machen sich viele ,,Texte
mit interkulturellen Themenfeldern [...] das Spiel mit der Erzählperspektive zunutze,
um die Leserinnen und Leser mit einem fremdkulturellen Weltbild vertraut zu machen"
und ,,so durch eine existentielle Verunsicherungsphase [...] zu einem gewandelten Blick
10

auf die Welt" zu führen, wobei ,,eine interkulturelle Orientierung im Rezeptions- und
schulischen Reflexionsprozess auf der Basis literarischer Texte ein Beitrag zur
Befähigung [...] zur interkulturellen Kommunikation" und auch zur ,,Erlangung und
Ausdifferenzierung von interkultureller Kompetenz als Lernziel" (u.a.) beiträgt (Ebd.,
S.05).
Auf Grund dieses so speziellen Stellenwertes der Migrationsliteratur knüpft Literatur-
Unterricht in der Praxis oftmals an ein Werk dieses Kontextes an, da sich hier ein
enormes interkulturelles Potential findet (Vgl.: Wrobel 2006, S.38ff).
Im Zusammenhang mit Interkulturalität ist jedoch zu beachten, dass mit der Übernahme
divergenter Perspektiven und der damit ein Stück weit immer auch verbundenen
Imagination von Aspekten, welche im eigentlichen Text so vielleicht gar nicht
anzutreffen sind, SuS ,,ebenfalls geistige Operationen", die bereits auf die Thematik
einer implizierten Kreativität hinweisen vollziehen (Grzesick 1976, S.138).
Zuletzt sei angemerkt, dass mit der ,,Programmatik interkultureller Lehr-Lern-
Arrangements" und Literatur als Medium dieser Prozesse immer auch eine gewisse
Problematik, bzw. Kritik einhergeht (Dawidowski/Wrobel 2006, S.07):
So ist bspw. die Hypothese über eine mögliche Sozialisationsförderung durch Literatur
­ wie oben angemerkt ­ bisher nicht empirische erwiesen, worauf Dawidowski/Wrobel
mit Referenz auf Eggert verweisen, indem sie anmerken, dass ein solcher Nachweis
auch lediglich ,,in detaillierten Lese- und Medienbiographien", welche die Obliegenheit
divergenter Medien zur ,,Bewältigung von Entwicklungsaufgaben im
lebensgeschichtlichen Kontext rekonstruieren", möglich wäre (Ebd.).
Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin begründet, dass das Buch an sich längst ,,auf dem
Weg zum Drittmedium" ist und seine Signifikanz zwar (noch) nicht gänzlich eingebüßt
hat, es ,,jedoch mehr und mehr zu einem schicht- oder milieuspezifischen Medium
geworden" ist und in der stark anderweitig mediengeprägten Jugend kaum noch
Beachtung findet, weshalb es fraglich bleibt, inwieweit ein solch fast schon ,,verpöntes"
Medium SuS anregt und zu Lern- und Entwicklungsprozessen beiträgt (Ebd., S.08).
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass diesartig interkultureller
Literaturunterricht in diesem Sinne sogar Gefahr laufen könnte, ,,Literatur zu einem
bloßen Medium für erzieherische Zwecke herabzuwürdigen und sie dementsprechend
zu pädagogisieren und zu funktionalisieren", sodass eben jene Denunzierung die
Popularität bei SuS lediglich weiter restringieren würde (Ebd., S.09).
11

Die hier aufgeführten Kritikpunkte weisen zwar eine gewisse Prägnanz auf und dürfen
sicherlich nicht außer Acht gelassen werden, jedoch bleiben sie im weiteren Textverlauf
außen vor, da eine nähere Analyse derselbigen ein zu weitreichendes Feld darstellen
würde und daher im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht weiter berücksichtigt werden
kann.
Alles in Allem ist jedoch festzuhalten, dass fremdsprachlicher Literaturunterricht einen
positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung nehmen kann und soll, indem er
bspw. zu einem offeneren, toleranteren und verständnisvolleren Umgang mit dem
,,Fremden" beiträgt und SuS dazu anhält, sich von ihren eventuellen ethnozentrischen
Anschauungen loszulösen sowie mögliche Stereotype oder Vorurteile zu hinterfragen,
zu relativieren und zeitgleich auch ein gewisses soziokulturelles Wissen und Kenntnisse
über die eigene sowie ebenfalls die entsprechende Zielkultur zu gewinnen (Vgl.: von
Salviati 2013, S.22).
Interkulturelles Lernen versteht sich in diesem Sinne als ein Prozess, während dessen
Verlauf ,,sich das autonome Subjekt durch Reflexion, Interaktion und [den] Dialog mit
anderen der Grenzen seiner eigenen, sich in permanenter Veränderung befindenden
Deutungsmuster bewußt [!] wird" und diese zeitgleich ,,kritisch überprüft und
modifiziert, was [...] zu einer Veränderung der Handlungsmuster im interkulturellen
Kontext führen kann" (Revier 1998 in Wrobel 2006, S.37).
12

3 Kreativität im fremdsprachlichen Literaturunterricht
Im Zusammenhang der Thematik des kreativen Umgangs mit Texten im
fremdsprachlichen Literaturunterricht, stellt sich zunächst die Frage, was der Begriff
Kreativität in diesem Kontext überhaupt bedeutet. Der folgende Abschnitt gibt eine
kurze Definition und bezieht sich dabei hauptsächlich auf den Begriff des kreativen
Produkts.
3.1
Der Begriff Kreativität
Die Etymologie des Begriffs liegt im lateinischen Wort creare, was so viel wie schaffen,
erschaffen, versuchen bedeutet; allerdings existiert keine allgemeingültige, einheitliche
Definition des Begriffs, so merkt bspw. Ausubel an: ,,Creativity is one of the most
vaguest, most ambigous, and most confused terms in psychology and education today"
(Ausubel 1968, in Caspari 1994, S.53). Auch hinsichtlich der empirischen
Kreativitätsforschung, die Anfang der 50er Jahre der amerikanische Psychologe
Guilford
3
initiierte, herrscht ein ,,zwiespältige[s] Interesse [...] in Erziehung und
Gesellschaft" (Ebd., S.52).
Da diese Arbeit vorrangig dem Umgang mit literarischen Texten und damit verbunden
auch der Thematik des kreativen Schreibens gewidmet ist, sei die eigentliche
Weitläufigkeit des Begriffs hier jedoch außen vor gelassen, im Folgenden sei lediglich
kurz die Determination des kreativen Produkts als Grundlage für den nachfolgenden
Text erwähnt :
,,Das kreative Produkt ist nach PREISER [...] der 'Angelpunkt' jeder Kreativitätsdefinition", was er
,,damit [begründet], daß [!] die [...] Aspekte 'Person', 'Prozeß' [!] und 'Umwelt' erst in Verbindung mit
dem kreativen Produkt beurteilt werden können", so ,,könne [eine Person] sich erst dann als kreativ
erweisen, wenn sie kreative Ideen produziere; ein Prozeß [!] sei erst dann als kreativ zu bezeichnen, wenn
er durch ein kreatives Produkt beobachtbar werde; man könne nur dann von kreativen
Umweltbedingungen sprechen, wenn sie in erhöhtem Maße kreatives Denken und Handeln ermöglichen"
(Ebd., S.54f).
Ein kreatives Produkt ist in diesem Sinne ,,eine geistige Konfiguration", die ,,eine
konstellierte Bedeutung" repräsentiert und ,,zum Zeitpunkt seiner geistigen Geburt in
dem Sinne einmalig [ist], als [dass] es keine spezifischen Vorläufer aufweist", so
3
Guilford regte an, ,,die einzelnen Faktoren für kreatives Denken zu ermitteln" und entwickelte so ,,in
der Folge ein differenziertes Modell zur Struktur des menschlichen Intellekts" (Caspari 1994, S.53).
13

Ghiselin (Ebd.). Abraham fasst es so zusammen, dass eine kreative Leistung, bzw. ein
kreatives Produkt an sich, ,,so verstanden die Bewältigung einer offenen
Anforderungssituation, in der Handlungsmuster und Routinen allein nicht genügen",
darstellt (Abraham 2010).
3.2
Kreativität in der Schule
Im Kontext Schule ist zu beachten, dass Kreativität quasi eine obligatorische Prämisse
für die Aneignung grundlegender Lernstrategien darstellt und die Entwicklung und
Förderung kreativer Fähigkeiten und Kompetenzen nicht nur die
Weiterentwicklung/Ausbildung divergenter anderer Kompetenzen fördert, sondern
zudem ebenfalls zur Protektion von Selbstbewusstsein und Selbstverwirklichung
beiträgt (Vgl.: Caspari 1994, S.72). Im Allgemeinen muss beim Einsatz kreativer
Techniken im Unterricht jedoch darauf geachtet werden, dass kreative Prozesse für SuS
,,durchschaubar" sein sollen und ,,entsprechende Techniken" gemeinsam mit den SuS
ausprobiert werden sowie ,,kreativitätsförderliche Umwelt[...]-Bedingungen" zu
schaffen (Ebd., S.76).
Auch hier zeigt sich das Problem, dass nicht nur bei einer allgemeinen Definition,
sondern auch im Rahmen des allgemeinen Fachunterrichts, disparate Annahmen
hinsichtlich der Funktion und der Relevanz von Kreativität existieren; v.a. bezüglich der
Festlegung von Lernzielen liegt eine Problematik ,,darin, kreative bzw.
kreativitätsfördernde Teillernziele so weit zu operationalisieren und zu präzisieren, daß
[!] sie für den Unterricht handhabbar werden", sodass es ,,sinnvoller scheint [...],
Kreativität in der Funktion eines 'offenen Horizontes' einen wichtigen Stellenwert im
Unterricht einzuräumen, ohne es [dabei] zum eigen[ständig]en Lernziel zu erheben" und
so einerseits quasi als ,,Mittel zum Zweck" zur Erreichung des eigentlichen Lernziels zu
nutzen und andererseits gleichsam als positiven Nebeneffekt auch die
Kreativitätskompetenz von SuS zu fördern (Ebd., S.79), worauf auch Care hinweist:
,,Tout le monde sait qu'on ne peut pas être constamment créatif dans l'enseignement des langues. Il faut
aussi expliquer le vocabulaire, faire de la grammaire et renforcer les connaissances. La créativité ne peut
donc pas être une méthodologie nouvelle" (Care 1986, in: Ebd.).
Zusammenfassend stellt sich hier also die Frage, wie genau Unterricht geplant werden
muss und realisiert werden kann, damit es SuS ermöglicht wird und sie innerviert
14

werden, sich in kreativer Weise am Unterricht zu beteiligen und kreativ zu handeln.
,,Die Schaffung kreativitätsfördernder Unterrichtsbedingungen bedeutet" in diesem
Sinne ein Ausloten der entsprechenden Anforderungen sowie eine wohl überlegte
Auswahl entsprechender Unterrichtsmethoden und Lehrtechniken, was bedeutet, dass
,,das für kreative Problemlösungsprozesse notwendige Wissen reichhaltig, übersichtlich
strukturiert und auf vielfältig anregende Art und Weise angeboten werden muß [!]" und
es ebenfalls von Bedeutung ist, ,,die Gedächtnis- und Beobachtungsfähigkeit zu
schulen" (Ebd., S.81-84). Besonders im fremdsprachlichen Literaturunterricht muss
diesem Aspekt Rechnung getragen werden.
3.3
Handlungs- und produktionsorientierter Umgang mit
kreativen Verfahren im fremdsprachlichen
Literaturunterricht
Auch wenn der herkömmliche fremdsprachliche Unterricht bisher hauptsächlich auf
Sach- und Gebrauchstexten basierte, geht der ,,neue Trend" doch zur Behandlung von
Romanen (zumindest in Auszügen) zu bestimmten Themenbereichen. War es bisher nur
für einen Leistungskurs vorgesehen, Auszüge aus Miguel de Cervantes Don Quijote de
la Mancha zu behandeln, so ist nun die Rezeption längerer Passagen/Auszüge/Exzerpte
­ oder je nach Länge auch das Gesamtwerk ­ im Grundkurs ebenfalls verpflichtend,
wobei das entsprechende Werk zu einem lateinamerikanischen Schwerpunkt der
inhaltlichen Abitur-Vorgaben zu wählen ist (Vgl.: Vorgaben vom Schul-Ministerium
NRW; s. auch Abbildung I im Anhang)
4
.
Obwohl ,,die klassischen Analyseaufgaben nach wie vor Bestandteile der
Rahmenrichtlinien und Abiturvorschriften sind", stellen auch handlungs- und
produktionsorientierte Aufgabenformate einen wichtigen Teilbereich dar (Sommerfeldt
2012, S.171).
Hinsichtlich eines kreativen Textumgangs muss beachtet werden, dass hier nun nicht
mehr primär textanalytische Unterrichtsverfahren im Vordergrund stehen, wie bspw. bei
der Behandlung von Sachtexten (Vgl.: Anonym, in: Gutknecht/Krapp/van de
Laar).Spinner fasst dies so zusammen, dass Texte auf diese Art ,,nicht mehr nur gelesen,
4
Es muss hier beachtet werden, dass sich diese Angaben auf die Abitur-/Lehrplan-Vorgaben für
Spanisch als neu-einsetzende Fremdsprache bezieht.
15

besprochen" und auch ,,mündlich und schriftlich analysiert werden" sollen, sondern
dass eine ,,Auseinandersetzung mit ihnen [...] auch gestaltend" und kreativ sein sollte
(Abraham 2010). Eine solch ,,rezeptionsästhetisch motivierte Zugangsweise[...]" bietet
eine erstaunliche Bandbreite möglicher Verfahren zur Textrezeption und auch
weiterführenden Verarbeitung, wobei die jeweiligen Texte immer als ,,Impuls", durch
welchen der Leser und seine Vorstellung angeregt werden, zu sehen sind (Ebd.). Auf
diese Weise ermöglichen literarische Texte eine signifikante Relation von Text und
Spracharbeit, da sie ,,authentische kommunikative Sprach- und Schreibanlässe" bieten,
mit Hilfe derer ,,Lernende ihre Sprachkenntnisse anwenden und erweitern" können
(Çigdem Ünal 2013). Wichtig ist dabei eine weitgehend selbstständige Erarbeitung, für
die es den SuS ermöglicht werden sollte, individuelle Erlebnisse und Erfahrungen sowie
ihr jeweiliges Vorwissen in den Unterricht mit einbringen zu können, d.h., die
Motivation der SuS sollte im Vordergrund der Handlung stehen, um eine optimale
Lernziel-Erreichung gewährleisten zu können, weshalb ,,Lernerbezug" als primäres
Kriterium bei der Auswahl von texten dienen sollte, wobei zeitgleich mit ebenso großer
Signifikanz das Sprachniveau der SuS zu berücksichtigen ist, da nur so eine ,,subjektive
Deutung und [damit] kreative Bearbeitung[...]" ermöglicht werden könne (Ebd.).
Bereits der Prozess des Lesens an sich ist schon als kreativ einzustufen, zumindest
insofern, als dass jeder Text vom Leser ein gewisses Maß an eigener Produktivität
fordert, d.h., der Leser ist in so genannten ,,Sinnbildungsprozessen" während des Lesens
dazu angehalten, eventuelle Uneinigkeiten oder auch ,,Lücken" zu erkennen, divergente
Perspektiven einzunehmen, verschiedene Details miteinander zu kombinieren und die
Handlung teilweise weiter zu denken, etc. (Caspari 1994, S.143):
,,Literatur kann durch individuelle beim Rezeptionsakt zu füllende Leerstellen [...] und [...] durch
Vorstellungen kulturspezifischer Sichtweisen Bilder im Kopf und in deren Folge auch Modi des Handelns
und Verhaltens auslösen, die durch die im Text vorgenommenen Exemplifizierungen Reflexionen
initiieren" (Wrobel 2006, S.42).
Doch wie wird nach dem Leseakt mit dem Text weiter verfahren?
Da kreative Verfahren der literarischen Textarbeit die Funktion haben, die ,,traditionelle
Textarbeit abwechslungsreich und motivierend zu gestalten", ist es von großer
Bedeutung die jeweiligen Methoden ,,zielgerichtet" zu selektieren und die
entsprechenden Arbeitsanweisungen präzise auszuformulieren und Unklarheiten zu
16

vermeiden, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, da im ,,Bereich des
Fremdsprachen-Erwerbs" auch unmittelbar ,,die sprachlichen Fähigkeiten [der SuS] mit
ins Spiel kommen", d.h., sowohl Hör- und Leseverständnis, als auch Sprach- und
Schreibkompetenzen werden gefördert, wodurch die ,,Beschäftigung mit Literatur"
ebenfalls dem ,,Sprachtraining" dient (Çigdem Ünal 2013). Der Begriff des kreativen
Textumgangs bezieht sich dabei hauptsächlich auf entsprechend kreativ gestaltete
Schreibaufgaben. Als Voraussetzung für aktive und produktive Textarbeit gelten dabei
sowohl textanalytische sowie ebenfalls kreative Kompetenzen, weshalb es
empfehlenswert ist, Unterricht in entsprechende Phasen zu gliedern
5
:
Die erste Phase vor der Lektüre dient der emotionalen, sprachlichen und inhaltlichen
Vorbereitung auf den Text, d.h., sie soll die Neugier der SuS wecken, sie für den Text
sensibilisieren und dazu ermutigen, erste individuelle Annahmen zu konstruieren sowie
auch in die entsprechende Thematik einzuführen. Im Vordergrund dieser Phase steht das
Textverständnis, weshalb den SuS nahegelegt werden sollte, nicht zu versuchen alle
Wörter separat, sondern größere Sinneinheiten zu erschließen, da dies das Verständnis
erleichtert und u.U. weniger frustrierend ist, v.a., weil ,,Erschließungsmechanismen, die
beim muttersprachlichen Lesen zumeist automatisch ablaufen, [...] beim Lesen in der
Fremdsprache [erst] bewusst gemacht und geübt werden" müssen (Sommerfeldt 2012,
S.158). In diesem Sinn ist die erste Phase gleichsam als strategisches Leseverstehen zu
betrachten.
Die zweite Phase ist die Lektüre an sich und dient primär der Verständnissicherung
durch intensive begleitende Textverarbeitungsverfahren, wie bspw. in Form des
Erstellen einer Ereigniskette, oder auch der Gestaltung einer Bildergeschichte zu einem
bestimmten Abschnitt bevor mit der Lektüre fortgefahren wird (Vgl.: Çigdem Ünal
2013 ). Es zeigt sich hier bereits, dass sich ,,Sprach- und Lektürearbeit [...] kombinieren
lassen" und dadurch gegebenenfalls ausgelöste ,,Sprachanlässe [...] interaktiv sein"
müssen, damit die fremdsprachliche Lektüre und deren Bearbeitung ,,absehbar ein
Erfolgserlebnis" werden kann (Sommerfeldt 2012, S.163).
5
Die im folgenden Text erwähnte 3-Phasen-Gliederung nimmt Referenz auf Çigdem Ünal 2013,
parallele Strukturierungen sind in der Literatur ­ unter anderen Bezeichnungen ­ oftmals anzutreffen,
so teilt bspw. Williams Unterricht in die Phasen pre-reading, while-reading und post-reading, die
jeweils durch einen divergenten Grad der Lenkung durch den Text geprägt sind (Vgl.: Caspari 1994,
S.161).
17

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2016
ISBN (PDF)
9783959935142
ISBN (Paperback)
9783959930147
Dateigröße
1.8 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruhr-Universität Bochum – Erziehungswissenschaft
Erscheinungsdatum
2016 (Dezember)
Note
1,7
Schlagworte
Abiturthema Einwanderungsthematik testemonio kreative Verfahren Spanischunterricht
Zurück

Titel: Kreative Wege zum literarischen Text im Spanischunterricht: Enrique Paez: „Abdel“
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
45 Seiten
Cookie-Einstellungen