Kreative Wege zum literarischen Text im Spanischunterricht: Enrique Paez: „Abdel“
Beispiele zum Themenschwerpunkt „movimientos migratorios“
					
	
		©2016
		Studienarbeit
		
			
				45 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Die Behandlung literarischer Texte ist im Fremdsprachenunterricht an vielen Schulen noch längst nicht gang und gäbe und findet leider nur selten Eingang in den Alltagsunterricht. Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Arbeit dem kreativen Umgang mit literarischen Texten im Spanischunterricht. Hierzu wird erklärt, wie genau kreative Rezeptions- und Bearbeitungsverfahren im Unterricht sinnvoll greifen können und welches Potenzial die Behandlung literarischer Werke in einem sonst oftmals sehr sachtextlastigen Unterrichtsgeschehen bietet. Zudem enthält die Arbeit drei konkrete Aufgabenbeispiele an Hand des Beispiels „Abdel“ von Enrique Páez, welches sich dem Abitur-relevanten Themenschwerpunkt der „movimientos migratorios“ zuordnen lässt.
			
		
	Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
exemplifiziert  werden.  Hierzu  ist  zunächst  ein  kurzer  Einblick  in  die  Thematik  der
movimientos migratorios im schulischen Kontext gegeben und im Anschluss daran drei
Beispiele einer möglichen Umsetzung kreativer Verfahren der Textarbeit an Hand von
Textauszügen aus Abdel zu finden.
Im Anhang der Arbeit finden sich die entsprechenden Textauszüge aus dem Roman und
einige  Arbeitsblätter,  die  zu  den  jeweiligen  dargestellten  Beispielen  kreativer
Arbeitsaufträge für Abdel gehören.
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 2  Literatur im Fremdsprachenunterricht
Während zu Beginn der Etablierung moderner Fremdsprachen an ,,allgemeinbildenden
Schulen  im  19.  Jahrhundert"  noch  ein  Gegensatz  zwischen  ,,Literaturbehandlung
zwecks  höherer  Bildung  einerseits,  [und]  sprachliche[r]  Fertigkeitsschulung  durch
Vokabeln und Grammatikvermittlung andererseits" herrschte, wird literarischen Texten
im  heutigen  Unterricht  wesentlich  mehr  Beachtung  geschenkt  und  ein  größerer
Stellenwert  zugeschrieben (Sommerfeldt  2012, S.151). Mit der Arbeit an ihnen wird
,,eine  besondere  Art  von  authentischen  Texten    nämlich  fiktionale  ",  die  ,,auf  der
inhaltlichen  Ebene  spezifische  Erkenntnisse  und  Lernerlebnisse"  ermöglichen  sowie
,,auf  der  methodischen  Ebene  eine  Vielzahl  von Sprech-  und Schreibanlässen in  der
Fremdsprache" bieten, in den Unterricht miteinbezogen (Ebd.).
Allerdings ist zu beachten, dass im Zuge der Schwerpunktlegung auf die funktionale
Lesekompetenz  nach  den  KMK-Bildungsstandards  v.a.  Sachtexte  Eingang  in  den
Unterricht finden, da diese sich  der weit verbreiteten Annahme zu Folge  zu diesem
Zweck besser eigenen würden; jedoch lassen sich anderweitige Lernziele (wie bspw. die
Ausbildung und Förderung von Empathiekompetenz oder die Fähigkeit der Übernahme
divergenter  Perspektiven),  die  in  den  letzten  Jahren  als  interkulturelle  Lernziele
ebenfalls  einen  Signifikanzzuwachs  erlebt  haben,  v.a.  an  Hand  entsprechender
literarischer Texte realisieren (Vgl.: von Salviati 2013, S.16).
Nünning/Surkamp  betonen  in  diesem  Zusammenhang  die  kulturelle  Tragkraft
literarischer Texte, da sie nicht nur ,,Einfluss auf ihre Leser nehmen", sondern ebenfalls
zur Bildung ,,neuer Wahrnehmungs-, Denk- und Empfindungsweisen" führen, sodass sie
in großem Maße zur Ausbildung und Förderung interkultureller Kompetenz beitragen,
da SuS beim Lesen und Bearbeiten ,,in einen Dialog mit dem literarischen Text, der [...]
fremde  kulturelle  Welten  aus  bestimmten  Perspektiven"    wie  Delanoy  betont  
darstellt, treten und sich auf die repräsentativen Perspektiven und Ereignisse ,,einlassen"
müssen,  um  die  Semantik  des  Textes  überhaupt  nachvollziehen  und  verstehen  zu
können (Ebd., S.17).
Auf diese Weise sind die SuS, bzw. der Leser, sozusagen gezwungen, sich in die jeweils
dargestellten  Protagonisten  und/oder  Antagonisten  hineinzuversetzen  und  erhalten  so
einen  Einblick  in    ihre  Welt,  können  bzw.  müssen  sich  mit  ihren  spezifischen
,,Weltvorstellungen  auseinandersetzen" und ebenso deren Handeln in einer ebenfalls
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distanzierten  Betrachtungsweise  kritisch  beurteilen,  wodurch  ihnen  die  Möglichkeit
geboten wird, ihren eigenen Erfahrungshorizont zu erweitern (Ebd., S.18).
Mit einem solchen Einblick in die entsprechende Welt und die Innensicht der jeweiligen
Figuren, der Konfrontation mit differenten abzugleichenden Blickwinkeln, seien SuS 
so Nünning   permanent  zur  Koordination und  Kombination, zum Hinterfragen  und
Kritisieren  gezwungen  und  würden  zudem  für  perspektivengebundene
Realitätserlebnisse  und  inter-  und  transkulturelle  Gegebenheiten    je  nach  Text  und
Thematik  sensibilisiert werden (Vgl.: Ebd., S.18f).
Mit  der  Rezeption  fremdsprachlicher    und  damit  natürlich  auch  multikultureller  
Literatur,  wird  v.a.  auch  der  interkulturellen  Schulrealität  Rechenschaft  getragen,  da
sich besonders hier der ,,sozialisationsfördernde[...] Charakter von Literatur" zeigt und
ein solcher ,,Sozialisationsprozess, also das zunehmend kompetente Hineinwachsen in
eine  Gesellschaft,  [auch]  dadurch  begünstigt  wird,  dass  eben  diese  Gesellschaft
Entwürfe für die Gestaltung einer Partizipation oder Mitgliedschaft in ihr zur Verfügung
stellt"  und  SuS  auf  diese  Weise  zu  einer  Konfrontation  mit  Realität  an  Hand
,,exemplarische[r] Lebenslagen, Biografien oder Problemaufrisse[n]" quasi gezwungen
sind,  sodass  die  damit  verbundene  ,,emotionale  Beteiligung"  nicht  nur  zu  einer
Förderung der Sozialisationskompetenz, sondern auch zu Enkulturationsprozessen auf
Seiten der SuS führt (Dawidowski/Wrobel 2006, S.03). Zu beachten ist hierbei, dass in
dieser  Hinsicht  auch  ,,kulturelle  Differenzen  [...]  attraktive,  aber  eben  nicht
unüberwindbare,  sondern  produktiv  nutzbare  Spannungen  darstellen"  und  so
,,Alteritätserfahrungen ermöglichen" und ebenfalls ,,eine Auseinandersetzung mit dem
Anderen  bzw.  dem  Fremden  initiieren"  (Ebd.).  Ein  besonderes  Potenzial  in  dieser
Richtung findet sich v.a. im Bereich der so genannten Migrationsliteratur, die auf Grund
des gewählten Beispiels Abdel kurz näher umrissen sein soll:
Die  Thematik  der  Migrationsliteratur  ,,stellt  die  sprachliche  Repräsentation  und
ästhetische  Reflexion  von  Themen  wie  Heimatverlust,  [...]  Vertreibung  [...],
unterschiedliche religiöse Kontexte [...], Ausgrenzung [...] und ein großes Reservoir
von sprachlichen und ästhetischen Grenzgängen dar; zudem machen sich viele ,,Texte
mit interkulturellen Themenfeldern [...] das Spiel mit der Erzählperspektive zunutze,
um die Leserinnen und Leser mit einem fremdkulturellen Weltbild vertraut zu machen"
und ,,so durch eine existentielle Verunsicherungsphase [...] zu einem gewandelten Blick
10
auf die Welt" zu führen, wobei ,,eine interkulturelle Orientierung im Rezeptions- und
schulischen  Reflexionsprozess  auf  der  Basis  literarischer  Texte  ein  Beitrag  zur
Befähigung  [...]  zur  interkulturellen  Kommunikation"  und  auch  zur  ,,Erlangung  und
Ausdifferenzierung von interkultureller Kompetenz als Lernziel" (u.a.) beiträgt (Ebd.,
S.05).
Auf Grund dieses so speziellen Stellenwertes der Migrationsliteratur knüpft Literatur-
Unterricht  in  der  Praxis  oftmals  an  ein  Werk  dieses  Kontextes  an,  da  sich  hier  ein
enormes interkulturelles Potential findet (Vgl.: Wrobel 2006, S.38ff).
Im Zusammenhang mit Interkulturalität ist jedoch zu beachten, dass mit der Übernahme
divergenter  Perspektiven  und  der  damit  ein  Stück  weit  immer  auch  verbundenen
Imagination  von  Aspekten,  welche  im  eigentlichen  Text  so  vielleicht  gar  nicht
anzutreffen  sind,  SuS  ,,ebenfalls  geistige  Operationen", die  bereits  auf  die  Thematik
einer implizierten Kreativität hinweisen vollziehen (Grzesick 1976, S.138).
Zuletzt  sei  angemerkt,  dass  mit  der  ,,Programmatik  interkultureller  Lehr-Lern-
Arrangements"  und  Literatur  als  Medium  dieser  Prozesse  immer  auch  eine  gewisse
Problematik, bzw. Kritik einhergeht (Dawidowski/Wrobel 2006, S.07):
So ist bspw. die Hypothese über eine mögliche Sozialisationsförderung durch Literatur
 wie oben angemerkt  bisher nicht empirische erwiesen, worauf Dawidowski/Wrobel
mit  Referenz  auf  Eggert verweisen, indem sie anmerken, dass ein solcher  Nachweis
auch lediglich ,,in detaillierten Lese- und Medienbiographien", welche die Obliegenheit
divergenter  Medien  zur  ,,Bewältigung  von  Entwicklungsaufgaben  im
lebensgeschichtlichen Kontext rekonstruieren", möglich wäre (Ebd.).
Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin begründet, dass das Buch an sich längst ,,auf dem
Weg zum Drittmedium" ist und seine Signifikanz zwar (noch) nicht gänzlich eingebüßt
hat,  es  ,,jedoch  mehr  und  mehr  zu  einem  schicht-  oder  milieuspezifischen  Medium
geworden"  ist  und  in  der  stark  anderweitig  mediengeprägten  Jugend  kaum  noch
Beachtung findet, weshalb es fraglich bleibt, inwieweit ein solch fast schon ,,verpöntes"
Medium SuS anregt und zu Lern- und Entwicklungsprozessen beiträgt (Ebd., S.08).
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass diesartig  interkultureller
Literaturunterricht  in diesem  Sinne  sogar  Gefahr  laufen  könnte,  ,,Literatur  zu  einem
bloßen Medium für erzieherische Zwecke herabzuwürdigen und sie dementsprechend
zu  pädagogisieren  und  zu  funktionalisieren",  sodass  eben  jene  Denunzierung  die
Popularität bei SuS lediglich weiter restringieren würde (Ebd., S.09).
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Die hier aufgeführten Kritikpunkte weisen zwar eine gewisse Prägnanz auf und dürfen
sicherlich nicht außer Acht gelassen werden, jedoch bleiben sie im weiteren Textverlauf
außen vor, da eine nähere Analyse derselbigen ein zu weitreichendes Feld darstellen
würde und daher im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht weiter berücksichtigt werden
kann.
Alles in Allem ist jedoch festzuhalten, dass fremdsprachlicher Literaturunterricht einen
positiven Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung nehmen kann und soll, indem er
bspw.  zu  einem  offeneren,  toleranteren  und  verständnisvolleren  Umgang  mit  dem
,,Fremden" beiträgt und SuS dazu anhält, sich von ihren eventuellen ethnozentrischen
Anschauungen loszulösen sowie mögliche Stereotype oder Vorurteile zu hinterfragen,
zu relativieren und zeitgleich auch ein gewisses soziokulturelles Wissen und Kenntnisse
über die eigene sowie ebenfalls die entsprechende Zielkultur zu gewinnen (Vgl.: von
Salviati 2013, S.22).
Interkulturelles Lernen versteht sich in diesem Sinne als ein Prozess, während dessen
Verlauf ,,sich das autonome Subjekt durch Reflexion, Interaktion und [den] Dialog mit
anderen  der  Grenzen  seiner  eigenen,  sich  in  permanenter  Veränderung  befindenden
Deutungsmuster  bewußt  [!]  wird"  und  diese  zeitgleich  ,,kritisch  überprüft  und
modifiziert,  was  [...]  zu  einer  Veränderung  der  Handlungsmuster  im  interkulturellen
Kontext führen kann" (Revier 1998 in Wrobel 2006, S.37).
12
 3  Kreativität im fremdsprachlichen Literaturunterricht
Im  Zusammenhang  der  Thematik  des  kreativen  Umgangs  mit  Texten  im
fremdsprachlichen Literaturunterricht, stellt sich zunächst die Frage, was der  Begriff
Kreativität  in  diesem  Kontext  überhaupt  bedeutet.  Der  folgende  Abschnitt  gibt  eine
kurze  Definition und bezieht sich dabei  hauptsächlich auf den Begriff des  kreativen
Produkts.
 3.1 
Der Begriff Kreativität
Die Etymologie des Begriffs liegt im lateinischen Wort creare, was so viel wie schaffen,
erschaffen, versuchen bedeutet; allerdings existiert keine allgemeingültige, einheitliche
Definition  des  Begriffs,  so  merkt  bspw.  Ausubel  an:  ,,Creativity  is  one  of  the  most
vaguest, most ambigous, and most confused terms in psychology and education today"
(Ausubel  1968,  in  Caspari  1994,  S.53).  Auch  hinsichtlich  der  empirischen
Kreativitätsforschung,  die  Anfang  der  50er  Jahre  der  amerikanische  Psychologe
Guilford
3
  initiierte,  herrscht  ein  ,,zwiespältige[s]  Interesse  [...]  in  Erziehung  und
Gesellschaft" (Ebd., S.52).
Da diese Arbeit vorrangig dem Umgang mit literarischen Texten und damit verbunden
auch  der  Thematik  des  kreativen  Schreibens  gewidmet  ist,  sei  die  eigentliche
Weitläufigkeit des Begriffs hier jedoch außen vor gelassen, im Folgenden sei lediglich
kurz die Determination des  kreativen Produkts als Grundlage für den nachfolgenden
Text erwähnt :
,,Das kreative Produkt ist nach PREISER [...] der 'Angelpunkt'  jeder Kreativitätsdefinition", was er
,,damit [begründet], daß [!] die [...] Aspekte 'Person', 'Prozeß' [!] und 'Umwelt' erst in Verbindung mit
dem kreativen Produkt beurteilt werden können", so ,,könne [eine Person] sich erst dann als kreativ
erweisen, wenn sie kreative Ideen produziere; ein Prozeß [!] sei erst dann als kreativ zu bezeichnen, wenn
er durch ein kreatives Produkt beobachtbar werde; man könne nur dann von kreativen
Umweltbedingungen sprechen, wenn sie in erhöhtem Maße kreatives Denken und Handeln ermöglichen"
(Ebd., S.54f).
Ein  kreatives  Produkt  ist  in  diesem  Sinne  ,,eine  geistige  Konfiguration",  die  ,,eine
konstellierte Bedeutung" repräsentiert und ,,zum Zeitpunkt seiner geistigen Geburt in
dem  Sinne  einmalig  [ist],  als  [dass]  es  keine  spezifischen  Vorläufer    aufweist",  so
3
 Guilford regte an, ,,die einzelnen Faktoren für kreatives Denken zu ermitteln" und entwickelte so ,,in 
der Folge ein differenziertes Modell zur Struktur des menschlichen Intellekts" (Caspari 1994, S.53).
13
Ghiselin (Ebd.). Abraham fasst es so zusammen, dass eine kreative Leistung, bzw. ein
kreatives  Produkt  an  sich,  ,,so  verstanden  die  Bewältigung  einer  offenen
Anforderungssituation,  in  der  Handlungsmuster  und  Routinen  allein  nicht  genügen",
darstellt (Abraham 2010).
 3.2 
Kreativität in der Schule
Im Kontext Schule ist zu beachten,  dass Kreativität quasi eine obligatorische Prämisse
für  die  Aneignung  grundlegender  Lernstrategien  darstellt  und  die  Entwicklung  und
Förderung  kreativer  Fähigkeiten  und  Kompetenzen  nicht  nur  die
Weiterentwicklung/Ausbildung  divergenter  anderer  Kompetenzen  fördert,  sondern
zudem  ebenfalls  zur  Protektion  von  Selbstbewusstsein  und  Selbstverwirklichung
beiträgt  (Vgl.:  Caspari  1994,  S.72).  Im  Allgemeinen  muss  beim  Einsatz  kreativer
Techniken im Unterricht jedoch darauf geachtet werden, dass kreative Prozesse für SuS
,,durchschaubar" sein sollen und ,,entsprechende Techniken" gemeinsam mit den SuS
ausprobiert  werden  sowie  ,,kreativitätsförderliche  Umwelt[...]-Bedingungen"  zu
schaffen (Ebd., S.76).
Auch  hier  zeigt  sich  das  Problem,  dass  nicht  nur  bei  einer  allgemeinen  Definition,
sondern  auch  im  Rahmen  des  allgemeinen  Fachunterrichts,  disparate  Annahmen
hinsichtlich der Funktion und der Relevanz von Kreativität existieren; v.a. bezüglich der
Festlegung  von  Lernzielen  liegt  eine  Problematik  ,,darin,  kreative  bzw.
kreativitätsfördernde Teillernziele so weit zu operationalisieren und zu präzisieren, daß
[!]  sie  für  den  Unterricht  handhabbar  werden",  sodass  es  ,,sinnvoller  scheint  [...],
Kreativität in der Funktion eines 'offenen Horizontes' einen wichtigen Stellenwert im
Unterricht einzuräumen, ohne es [dabei] zum eigen[ständig]en Lernziel zu erheben" und
so einerseits quasi als ,,Mittel zum Zweck" zur Erreichung des eigentlichen Lernziels zu
nutzen  und  andererseits  gleichsam  als  positiven  Nebeneffekt  auch  die
Kreativitätskompetenz von SuS zu fördern (Ebd., S.79), worauf auch Care hinweist:
,,Tout le monde sait qu'on ne peut pas être constamment créatif dans l'enseignement des langues. Il faut
aussi expliquer le vocabulaire, faire de la grammaire et renforcer les connaissances. La créativité ne peut
donc pas être une méthodologie nouvelle" (Care 1986, in: Ebd.).
Zusammenfassend stellt sich hier also die Frage, wie genau Unterricht geplant werden
muss  und  realisiert  werden  kann,  damit  es  SuS  ermöglicht  wird  und  sie  innerviert
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werden, sich in kreativer Weise am Unterricht zu beteiligen und kreativ zu handeln.
,,Die  Schaffung  kreativitätsfördernder  Unterrichtsbedingungen  bedeutet"  in  diesem
Sinne  ein  Ausloten  der  entsprechenden  Anforderungen  sowie  eine  wohl  überlegte
Auswahl entsprechender Unterrichtsmethoden und Lehrtechniken, was bedeutet, dass
,,das für kreative Problemlösungsprozesse notwendige Wissen reichhaltig, übersichtlich
strukturiert und auf vielfältig anregende Art und Weise angeboten werden muß [!]" und
es  ebenfalls  von  Bedeutung  ist,  ,,die  Gedächtnis-  und  Beobachtungsfähigkeit  zu
schulen"  (Ebd.,  S.81-84).  Besonders  im  fremdsprachlichen  Literaturunterricht  muss
diesem Aspekt Rechnung getragen werden.
 3.3 
Handlungs- und produktionsorientierter Umgang mit
kreativen Verfahren im fremdsprachlichen 
Literaturunterricht
Auch  wenn  der  herkömmliche  fremdsprachliche  Unterricht  bisher  hauptsächlich  auf
Sach- und Gebrauchstexten basierte, geht der ,,neue Trend" doch zur Behandlung von
Romanen (zumindest in Auszügen) zu bestimmten Themenbereichen. War es bisher nur
für einen Leistungskurs vorgesehen, Auszüge aus Miguel de Cervantes Don Quijote de
la Mancha zu behandeln, so ist nun die Rezeption längerer Passagen/Auszüge/Exzerpte
 oder je nach Länge auch das Gesamtwerk  im Grundkurs ebenfalls verpflichtend,
wobei  das  entsprechende  Werk  zu  einem  lateinamerikanischen  Schwerpunkt  der
inhaltlichen  Abitur-Vorgaben  zu  wählen  ist  (Vgl.:  Vorgaben  vom  Schul-Ministerium
NRW; s. auch Abbildung I im Anhang)
4
.
Obwohl  ,,die  klassischen  Analyseaufgaben  nach  wie  vor  Bestandteile  der
Rahmenrichtlinien  und  Abiturvorschriften  sind",  stellen  auch  handlungs-  und
produktionsorientierte Aufgabenformate einen wichtigen Teilbereich dar (Sommerfeldt
2012, S.171).
Hinsichtlich eines kreativen Textumgangs muss beachtet werden, dass hier nun nicht
mehr primär textanalytische Unterrichtsverfahren im Vordergrund stehen, wie bspw. bei
der  Behandlung  von  Sachtexten  (Vgl.:  Anonym,  in:  Gutknecht/Krapp/van  de
Laar).Spinner fasst dies so zusammen, dass Texte auf diese Art ,,nicht mehr nur gelesen,
4
Es muss hier beachtet werden, dass sich diese Angaben auf die Abitur-/Lehrplan-Vorgaben für 
Spanisch als neu-einsetzende Fremdsprache bezieht.
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besprochen"  und  auch  ,,mündlich  und  schriftlich  analysiert  werden"  sollen,  sondern
dass eine ,,Auseinandersetzung mit ihnen [...] auch gestaltend" und kreativ sein sollte
(Abraham 2010). Eine solch ,,rezeptionsästhetisch motivierte Zugangsweise[...]" bietet
eine  erstaunliche  Bandbreite  möglicher  Verfahren  zur  Textrezeption  und  auch
weiterführenden Verarbeitung, wobei die jeweiligen Texte immer als ,,Impuls", durch
welchen der Leser und seine Vorstellung angeregt werden, zu sehen sind (Ebd.). Auf
diese  Weise  ermöglichen  literarische  Texte  eine  signifikante  Relation  von  Text  und
Spracharbeit, da sie ,,authentische kommunikative Sprach- und Schreibanlässe" bieten,
mit  Hilfe  derer  ,,Lernende  ihre  Sprachkenntnisse  anwenden  und  erweitern"  können
(Çigdem Ünal 2013). Wichtig ist dabei eine weitgehend selbstständige Erarbeitung, für
die es den SuS ermöglicht werden sollte, individuelle Erlebnisse und Erfahrungen sowie
ihr  jeweiliges  Vorwissen  in  den  Unterricht  mit  einbringen  zu  können,  d.h.,  die
Motivation  der  SuS  sollte  im  Vordergrund  der  Handlung  stehen,  um  eine  optimale
Lernziel-Erreichung  gewährleisten  zu  können,  weshalb  ,,Lernerbezug"  als  primäres
Kriterium bei der Auswahl von texten dienen sollte, wobei zeitgleich mit ebenso großer
Signifikanz das Sprachniveau der SuS zu berücksichtigen ist, da nur so eine ,,subjektive
Deutung und [damit] kreative Bearbeitung[...]" ermöglicht werden könne (Ebd.).
Bereits  der  Prozess  des  Lesens  an  sich  ist  schon  als  kreativ  einzustufen,  zumindest
insofern,  als  dass  jeder  Text  vom  Leser  ein  gewisses  Maß  an  eigener  Produktivität
fordert, d.h., der Leser ist in so genannten ,,Sinnbildungsprozessen" während des Lesens
dazu angehalten, eventuelle Uneinigkeiten oder auch ,,Lücken" zu erkennen, divergente
Perspektiven einzunehmen, verschiedene Details miteinander zu kombinieren und die
Handlung teilweise weiter zu denken, etc. (Caspari 1994, S.143):
,,Literatur kann durch individuelle beim Rezeptionsakt zu füllende Leerstellen [...] und [...] durch
Vorstellungen kulturspezifischer Sichtweisen Bilder im Kopf und in deren Folge auch Modi des Handelns
und Verhaltens auslösen, die durch die im Text vorgenommenen Exemplifizierungen Reflexionen
initiieren" (Wrobel 2006, S.42).
Doch wie wird nach dem Leseakt mit dem Text weiter verfahren?
Da kreative Verfahren der literarischen Textarbeit die Funktion haben, die ,,traditionelle
Textarbeit  abwechslungsreich  und  motivierend  zu  gestalten",  ist  es  von  großer
Bedeutung  die  jeweiligen  Methoden  ,,zielgerichtet"  zu  selektieren  und  die
entsprechenden  Arbeitsanweisungen  präzise  auszuformulieren  und  Unklarheiten  zu
16
vermeiden,  um  eventuellen  Missverständnissen  vorzubeugen,  da  im  ,,Bereich  des
Fremdsprachen-Erwerbs" auch unmittelbar ,,die sprachlichen Fähigkeiten [der SuS] mit
ins  Spiel  kommen",  d.h.,  sowohl  Hör-  und  Leseverständnis,  als  auch  Sprach-  und
Schreibkompetenzen  werden  gefördert,  wodurch  die  ,,Beschäftigung  mit  Literatur"
ebenfalls dem ,,Sprachtraining" dient (Çigdem Ünal 2013). Der Begriff des kreativen
Textumgangs  bezieht  sich  dabei  hauptsächlich  auf  entsprechend  kreativ  gestaltete
Schreibaufgaben. Als Voraussetzung für aktive und produktive Textarbeit gelten dabei
sowohl  textanalytische  sowie  ebenfalls  kreative  Kompetenzen,  weshalb  es
empfehlenswert ist, Unterricht in entsprechende Phasen zu gliedern
5
:
Die erste Phase vor der Lektüre dient der emotionalen, sprachlichen und inhaltlichen
Vorbereitung auf den Text, d.h., sie soll die Neugier der SuS wecken, sie für den Text
sensibilisieren und dazu ermutigen, erste individuelle Annahmen zu konstruieren sowie
auch in die entsprechende Thematik einzuführen. Im Vordergrund dieser Phase steht das
Textverständnis,  weshalb den  SuS  nahegelegt  werden  sollte,  nicht  zu versuchen  alle
Wörter separat, sondern größere Sinneinheiten zu erschließen, da dies das Verständnis
erleichtert und u.U. weniger frustrierend ist, v.a., weil ,,Erschließungsmechanismen, die
beim muttersprachlichen Lesen zumeist automatisch ablaufen, [...] beim Lesen in der
Fremdsprache [erst] bewusst gemacht und geübt werden" müssen (Sommerfeldt 2012,
S.158). In diesem Sinn ist die erste Phase gleichsam als strategisches Leseverstehen zu
betrachten.
Die  zweite  Phase  ist  die  Lektüre  an sich und dient  primär  der  Verständnissicherung
durch  intensive  begleitende  Textverarbeitungsverfahren,  wie  bspw.  in  Form  des
Erstellen einer Ereigniskette, oder auch der Gestaltung einer Bildergeschichte zu einem
bestimmten  Abschnitt  bevor  mit  der  Lektüre  fortgefahren  wird  (Vgl.:  Çigdem  Ünal
2013 ). Es zeigt sich hier bereits, dass sich ,,Sprach- und Lektürearbeit [...] kombinieren
lassen"  und  dadurch  gegebenenfalls  ausgelöste  ,,Sprachanlässe  [...]  interaktiv  sein"
müssen,  damit  die  fremdsprachliche  Lektüre  und  deren  Bearbeitung  ,,absehbar  ein
Erfolgserlebnis" werden kann (Sommerfeldt 2012, S.163).
5
Die  im  folgenden  Text  erwähnte  3-Phasen-Gliederung  nimmt  Referenz  auf  Çigdem  Ünal  2013,
parallele Strukturierungen sind in der Literatur  unter anderen Bezeichnungen  oftmals anzutreffen,
so  teilt  bspw.  Williams  Unterricht in  die Phasen  pre-reading,  while-reading und  post-reading,   die
jeweils durch einen divergenten Grad der Lenkung durch den Text geprägt sind (Vgl.: Caspari 1994,
S.161).
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2016
- ISBN (Paperback)
- 9783959930147
- ISBN (PDF)
- 9783959935142
- Dateigröße
- 1.8 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Ruhr-Universität Bochum – Erziehungswissenschaft
- Erscheinungsdatum
- 2016 (Dezember)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- Abiturthema Einwanderungsthematik testemonio kreative Verfahren Spanischunterricht
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing
 
					