Wie gewaltfrei ist die gewaltfreie Kommunikation? Analyse der gewaltfreien Kommunikation im interkulturellen Kontext am Beispiel der japanischen Kultur
©2016
Studienarbeit
21 Seiten
Zusammenfassung
Eine Methode, die in der Mediation angewandt wird, ist die gewaltfreie Kommunikation (GfK). Der Fokus der vorliegenden Studie liegt auf der Anwendung der GfK im Kontext der japanischen Kultur. Es gibt wenig Literatur über die Methodenauswahl innerhalb einer Mediation unter Berücksichtigung der kulturellen Herkunft der Konfliktparteien. Das Interesse an dieser Thematik wurde geweckt, da die GfK mittlerweile eine weltweit verbreitete Methode ist. Das Problem ist, dass kulturelle Aspekte in dieser Methode nicht berücksichtigt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob die Methode der GfK in Konflikten mit Vertretern aus der japanischen Kultur universal durchgeführt werden kann.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, vor welchen Herausforderungen die GfK hinsichtlich ihrer Durchführung mit japanischen Konfliktparteien steht.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es herauszufinden, vor welchen Herausforderungen die GfK hinsichtlich ihrer Durchführung mit japanischen Konfliktparteien steht.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
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Um einen interkulturellen Konflikt und damit einhergehend die Beziehung der
Konfliktparteien zu klären, kann unter Hinzuziehung eines Mediators, der die Rolle
einer neutralen Vermittlungsperson einnimmt, eine Mediation, welche ein Verfah-
ren zur außergerichtlichen Konfliktbearbeitung darstellt, durchgeführt werden. Zu
den wichtigen Merkmalen einer Mediation gehören: Freiwilligkeit, Vertraulichkeit,
Ergebnisoffenheit und Allparteilichkeit. Freiwilligkeit bedeutet, dass sich die Kon-
fliktparteien ohne äußeren Einfluss für die Durchführung einer Mediation entschei-
den. Eine Mediation wird in einem geschützten Rahmen durchgeführt und die
besprochenen Aspekte werden von allen Parteien vertraulich behandelt. Die
Konfliktparteien erarbeiten selbstständig eine Lösung ihres Konfliktes. Der Mediator
begleitet diesen Prozess, gibt aber keine Lösung vor und unterbreitet auch keine
Vorschläge. Von daher ist der Prozess ergebnisoffen. Die Allparteilichkeit kenn-
zeichnet einen Mediator. Das bedeutet, dass dieser die Interessen und Bedürfnisse
von den Konfliktparteien gleichermaßen berücksichtigt und auf diese eingeht
(Klappenbach, 2011).
Eine Methode, die in einer Mediation Anwendung findet, ist die Gewaltfreie
Kommunikation (GfK). Die GfK wurde von Marshall B. Rosenberg entwickelt und ist
durch Einfühlungsvermögen und Empathie charakterisiert. Wesentliche Bestandtei-
le der GfK sind Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten, die es zu kom-
munizieren gilt (Klappenbach, 2011).
Bei interkulturellen Konflikten muss innerhalb einer Mediation auf eine geeignete
Methodenwahl geachtet werden. Hierbei sind kulturelle Unterschiede zu berück-
sichtigen. In der vorliegenden Arbeit wird auf die japanische Kultur eingegangen.
Beck und Moore (1985) definieren Kultur als Annahmen, Werte und Glaubenssys-
temen, welche in der frühen Kindheit erlernt werden und eine Gruppe von einer
anderen unterscheidet. Daher ist die Kultur tief im Inneren einer Person verankert
und wird durch Handlungen sichtbar.
1.1 Zielsetzung und Vorgehensweise
Die Bedeutung der japanischen Gemeinde als kulturelle Minderheit in und um
Düsseldorf wurde im vorherigen Kapitel erläutert. Ebenso wurde auf die interkultu-
relle Handlungskompetenz und auf interkulturelle Konflikte eingegangen. Die Me-
diation wurde als ein Verfahren zur Konfliktbearbeitung vorgestellt. Eine Methode,
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die in der Mediation angewandt wird, ist die GfK. Der Fokus der vorliegenden
Arbeit liegt auf der Anwendung der GfK im Kontext der japanischen Kultur. Es gibt
wenig Literatur über die Methodenauswahl innerhalb einer Mediation unter
Berücksichtigung der kulturellen Herkunft der Konfliktparteien. Das Interesse an
dieser Thematik wurde geweckt, da die GfK mittlerweile eine weltweit verbreitete
Methode ist. Das Problem ist, dass kulturelle Aspekte in dieser Methode nicht
berücksichtigt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob die Methode der GfK in
Konflikten mit Vertretern aus der japanischen Kultur universal durchgeführt werden
kann. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, herauszufinden vor welchen Heraus-
forderungen die GfK hinsichtlich ihrer Durchführung mit japanischen Konfliktpartei-
en steht.
Das Kapitel 2 befasst sich ausführlich mit der GfK. Es werden die einzelnen Schritte
erläutert und wesentliche Merkmale diskutiert. Darüber hinaus werden Hofstedes
kulturelle Dimensionen eingeführt und anhand der Ausprägungen für die japani-
sche Kultur dargestellt.
Im Kapitel 3 wird die GfK als Methode unter Berücksichtigung japanischer Eigen-
schaften analysiert. Die Analyse basiert auf den dargestellten Theorien und Kon-
zepten aus Kapitel 2.
Das Kapitel 6 präsentiert die Schlussfolgerungen, die sich aus der Analyse erge-
ben. Weiterhin werden auf Einschränkungen und Ideen für weitere Untersuchun-
gen eingegangen.
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2. Theoretischer Rahmen
In diesem Kapitel werden die Theorien und Konzepte hinsichtlich Rosenbergs Gfk
und Hofstedes kultureller Dimensionen diskutiert. Zuerst werden die Grundlagen
der GfK präsentiert. Im Anschluss daran werden die vier Komponenten der GfK
eingeführt und erläutert. Daraufhin werden die verschiedenen Arten der Kommu-
nikation anhand von zwei Symboltieren verdeutlicht. Anschließend werden die
Ausprägungen der japanischen Kultur anhand von Hofstedes kultureller Dimensio-
nen veranschaulicht.
2.1 Gewaltfreie Kommunikation (GfK)
Der amerikanische Entwickler der GfK, Marshall B. Rosenberg, sammelte bereits im
Kindesalter eigene Erfahrungen mit Gewalt. Folglich stellte er sich zwei Fragen: Wie
kommt es dazu, dass wir uns gewalttätig verhalten? Wieso verlieren einige Men-
schen dennoch nicht ihre einfühlsame Art? Die GfK stellt einen Weg dar, um mit
sich selbst und mit anderen Personen auf eine mitfühlende Art im Einklang zu
bleiben. Dabei spielt die Kommunikation eine bedeutende Rolle. Sowohl das
Zuhören als auch das Sprechen und die damit verbundene Wortwahl ist relevant
(Rosenberg, 2015). Die GfK ist nicht nur eine Methode, die in Konflikten Anwen-
dung findet, sondern stellt eine Art der Kommunikation dar, die in das tägliche
Leben integriert werden kann.
Rosenberg (2015) teilt den Prozess der GfK in vier Komponenten ein: Beobachtun-
gen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Diese vier Aspekte werden im weiteren
Verlauf näher erläutert.
Der erste Schritt der GfK bezieht sich darauf, Beobachtungen genau zu formulie-
ren. Diese Beobachtungen beziehen sich darauf, was gehört, gesagt oder gefühlt
wird. Hierbei ist es wichtig, dass die Beobachtungen nicht mit Bewertungen
vermischt werden. Eine reine Beobachtung ist frei von Kritik, Vorwürfen, Verglei-
chen, Diagnosen und jeglicher Form von Beurteilungen. Eine Beobachtung, die
mit einer Bewertung vermischt wird, kann auf Widerstand beim jeweiligen Ge-
sprächspartner stoßen (Rosenberg, 2015).
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Der zweite Schritt besteht darin, die eigenen Gefühle in Bezug auf das, was
beobachtet wurde, zu formulieren. Rosenberg (2015) führt aus, dass in diesem
Schritt eine gewisse Schwierigkeit bestünde, da in der Gesellschaft Gefühle eher in
den Hintergrund rücken und Daten und Fakten wichtiger erscheinen. Für viele
Personen sei es schwierig, die eigenen Gefühle zu identifizieren und diese dann
auszudrücken. Von daher sei es wichtig, Gefühle klar von Gedanken oder Inter-
pretationen abzugrenzen.
Im nächsten Schritt sollen die Bedürfnisse zum Ausdruck gebracht werden, die
hinter den Gefühlen stehen. Bedürfnisse sind die Wurzeln der Gefühle. Es ist be-
deutsam in der GfK, dass die jeweiligen Personen Verantwortung für die eigenen
Gefühle übernehmen. Das bedeutet, dass nicht andere Personen verantwortlicht
gemacht werden können für die eigenen Gefühle. Bedürfnisse, die klar formuliert
werden, können auch eher erfüllt werden. Es kommt jedoch vor, dass Bedürfnisse
hinter Kritiken, Diagnosen und Interpretationen versteckt werden (Rosenberg, 2015).
Im letzten Schritt wird eine Bitte an den Gesprächspartner gerichtet, welche
konkrete Handlungen beinhaltet, um die Bedürfnisse zu befriedigen. Rosenberg
(2015) betont, dass es bedeutsam sei, Bitten positiv zu formulieren. Weiterhin ist
eine Bitte konkret zu formulieren und muss erfüllbar sein. Darüber hinaus kann der
Gesprächspartner darüber entscheiden, ob er diese Bitte erfüllen möchte. Eine
Bitte ist folglich von einer Forderung abzugrenzen.
Anhand der Wolfssprache und der Giraffensprache lassen sich die Aspekte der
gewaltfreien Kommunikation verdeutlichen.
Die Wolfssprache stellt eine gewaltvolle Kommunikation dar. Vorwürfe, Manipulie-
rungen, Schweigen, Beschuldigungen, Bewertungen, Drohungen, Interpretationen
und Respektlosigkeit sind feste Bestandteile der Wolfssprache. In der Wolfssprache
werden die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ignoriert oder der Grund für die
Gefühle in den Handlungen der anderen Person gesucht und Du-Botschaften
verwendet (Klappenbach, 2011). Das Formulieren der eigenen Gefühle, welches
den zweiten Schritt der GfK darstellt, sieht beispielhaft in der Wolfssprache wie
folgt aus: ,,Ich bin verärgert, weil du nie ehrlich zu mir bist." Dies hat zur Folge, dass
sich der Gesprächspartner in der Regel unwohl fühlt und mit einer abwehrenden
Haltung reagiert.
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Die Giraffensprache symbolisiert eine empathische Kommunikation. Aufgrund der
Größe der Giraffe ist ihr Herz sehr leistungsstark und somit spricht die Giraffe die
Sprache des Herzens. In der Giraffensprache werden Menschen sowie ihre Gefüh-
le und Bedürfnisse respektiert. Außerdem werden Vorwürfe und Beleidigungen in
Gefühle und Bedürfnisse übersetzt. Es werden keine Forderungen, sondern Bitten
gestellt (Klappenbach, 2011). Beispielhaft sieht das Äußern von Gefühlen in der
Giraffensprache wie folgt aus: ,,Ich bin traurig, weil ich dich nicht unterstützen
konnte."
2.2 Hofstedes kulturelle Dimensionen
Kulturelle Eigenschaften der japanischen Kultur lassen sich anhand von Hofstedes
kultureller Dimensionen identifizieren. Diese sind: Machtdistanz, Individualität, Mas-
kulinität, Unsicherheitsvermeidung, langfristige Orientierung und Nachgiebigkeit
(Hofstede, Hofstede & Minkov, 2010).
Die Machtdistanz beschreibt, inwiefern eine Gesellschaft die ungleichmäßige Ver-
teilung von Macht innerhalb dieser akzeptiert.
Der Dimension Individualität steht die Kollektivität gegenüber. Diese Dimension
misst den Grad der Interdependenz zwischen Individuen und der Gesellschaft.
Individuen in stark individualistischen Kulturen sind unabhängig und kümmern
sich hauptsächlich um sich selbst. Kulturen, die eine geringe Ausprägung hin-
sichtlich der Individualität aufweisen, sind eher kollektivistisch orientiert. Das
bedeutet, dass die Bedürfnisse von Gruppen oder auch der erweiterten Familie
im Vordergrund stehen.
Eine hohe Ausprägung der Dimension Maskulinität weist darauf hin, dass die Per-
sonen einer Gesellschaft erfolgsorientiert und konkurrenzbetont sind. Eine geringe
Ausprägung dieser Dimension weist auf eine feminine Gesellschaft hin. In femini-
nen Gesellschaften steht das soziale und fürsorgliche Miteinader im Vordergrund.
Die Dimension Unsicherheitsvermeidung gibt an, inwiefern sich eine Gesellschaft
wohl in neuen und unbekannten Situationen fühlt.
Der Dimension Nachgiebigkeit steht die Beherrschung gegenüber. In nachgiebi-
gen Gesellschaften hat die Freizeit einen hohen Stellenwert, d.h. dass das Leben
genossen und sich Wünsche erfüllt werden. Eine geringe Ausprägung dieser
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Dimension bedeutet, dass Personen einer Gesellschaft ihre Wünsche unterdrücken
und sich an strikte soziale Normen halten.
Abbildung 1 stellt die Auswertungen von Hofstedes kulturellen Dimensionen für die
japanische Kultur dar. Nachfolgend werden die einzelnen Ausprägungen detail-
lierter erläutert.
Abbildung 1: Ausprägungen der japanischen Kultur anhand Hofstedes kultureller Dimensionen
Quelle: Hofstede Center (2016)
Die erste Dimension in Abbildung 1 ist die Machtdistanz. Dieser Wert ist im mittleren
Bereich angesiedelt mit einer leichten Tendenz zur bevorzugten Machtdistanz.
Dies bedeutet, dass die Mitglieder in der japanischen Gesellschaft grundsätzlich
gleichberechtigt sind. Dies spiegelt sich auch im politischen System Japans wie-
der. Die Idee der Meritokratie ist in Japan stark vertreten. Demnach stehen indivi-
duelle Leistungen anstatt sozialer Zugehörigkeiten im Vordergrund (Hofstede,
2016). Allerdings ist Japan auch durch den Konfuzianismus geprägt, welcher ver-
schiedene zwischenmenschliche Beziehungen in hierarchische Verhältnisse ein-
ordnet (Hofstede et al., 2010).
Die zweite Dimension, Individualität, zeigt, dass Japan eher eine kollektivistische
Gesellschaft ist. Das bedeutet, dass Harmonie bewahrt werden soll und direkte
Konfrontationen vermieden werden. Das Konzept des ,,Gesicht Wahrens" spielt
eine zentrale Rolle. Anders als in anderen asiatischen Ländern fokussieren sich
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Mitglieder der japanischen Gesellschaft größtenteils auf ihre Kernfamilie (Eltern
und Kinder). Die erweiterte Familie (Großeltern, Onkel, Tanten) sind nicht derart
von Bedeutung. Lediglich in traditionellen japanischen Familien verlässt der älteste
Sohn seine Eltern nicht, sodass seine eigene gegründete Familie auch mit diesen
zusammenlebt (Hofstede et al., 2010). Eine Besonderheit in der japanischen
Gesellschaft ist, dass die Japaner ihrem Arbeitgeber gegenüber sehr loyal sind
und diesen äußerst selten wechseln (Hofstede, 2016).
Die nächste Dimension zeigt, dass Japan sehr stark maskulin ausgeprägt ist. Das
bedeutet, dass die japanische Gesellschaft sehr erfolgsorientiert und konkurrenz-
betont ist. Allerdings zeigt nicht ein Individuum alleine ein erfolgsorientiertes
Verhalten, sondern aufgrund der kollektivistischen Ausprägungen finden die Wett-
bewerbe in Teams statt. Dies beginnt bereits im Kindergartenalter und findet auch
im Erwachsenenalter in Unternehmen statt. Viele Japaner sind Workaholics.
Prestige und Status als Anerkennung für gute Leistungen sind von großer Bedeu-
tung (Hofstede, 2016).
Die Dimension Unsicherheitsvermeidung veranschaulicht, dass die japanische
Gesellschaft extrem sicherheitsliebend ist und nichts dem Zufall überlässt. Folglich
gibt es viele Regeln und Rituale, die auch die Etikette und das Verhalten jeden
Einzelnen vorschreiben. Aufgrund der starken Präferenz Unsicherheiten zu vermei-
den, sind Veränderungen schwer realisierbar (Hofstede, 2016).
Die nächste Dimension zeigt auf, dass die japanische Gesellschaft langfristig
orientiert ist. Alle Handlungen sind langfristig ausgelegt und das Erreichen von
schnellen Ergebnissen ist nicht bedeutsam. Die Interessen eines Individuums
werden hinten angestellt, um langfristige, gemeinsame Ziele zu erreichen (Hofste-
de et al., 2010).
Die letzte Dimension, Nachgiebigkeit, zeigt eine geringe Ausprägung für die
japanische Gesellschaft. Das bedeutet, dass die Japaner sehr beherrscht sind.
Freizeit hat keine hohe Bedeutung und Wünsche werden unterdrückt. Sich etwas
Gutes tun, wird als falsch empfunden. Moral und Disziplin stehen im Vordergrund.
Es entsteht die Sichtweise, dass man sein eigenes Handeln aufgrund sozialer
Normen nicht beeinflussen kann (Hofstede et al., 2010).
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2016
- ISBN (PDF)
- 9783959935425
- ISBN (Paperback)
- 9783959930420
- Dateigröße
- 920 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Freie Universität Berlin – Mediation und Mediative Kommunikation
- Erscheinungsdatum
- 2017 (Januar)
- Schlagworte
- Mediation Konflikt Konfliktlösung interkulturell GfK
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing