Pflegerische Anwendung von Kommunikationshilfsmitteln bei invasiv-beatmeten Patienten auf ICU
Entwicklung eines Screeninginstrumentes zur Messung der "kommunikativen Kompetenz" von Pflegenden
					
	
		©2017
		Examensarbeit
		
			
				70 Seiten
			
		
	
				
				
					
						
					
				
				
				
				
			Zusammenfassung
			
				Neben dem fachspezifischen Wissen und den Handlungskompetenzen von Pflegenden sind kommunikative Fähigkeiten im Rahmen der Interaktion mit dem Patienten wesentlich für Gestaltung von erfolgreichen Pflegeprozessen. Es gibt jedoch krankheitsbedingte Situationen des Patienten, die die verbale Kommunikation des wachen aber intensivpflichtigen Patienten aus therapeutischen Gründen vorübergehend einschränken.
In dieser empirisch-quantitativ ausgerichteten Arbeit werden Intensivpflegende eines Universitätsklinikums hinsichtlich der Strategieanwendung zur Förderung der "kommunikativen Kompetenz" des o.a. Patiententypus über eine Online-Erhebung befragt.
			
		
	In dieser empirisch-quantitativ ausgerichteten Arbeit werden Intensivpflegende eines Universitätsklinikums hinsichtlich der Strategieanwendung zur Förderung der "kommunikativen Kompetenz" des o.a. Patiententypus über eine Online-Erhebung befragt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
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Pflegemodellen.  Hier  könnte  u.a.  die  Theorie  nach  Orlando  mit  ihrer 
Untersuchungsfrage erwähnt werden: ,,Was sind Eigenschaften einer lebendigen, 
offenen Pflegekraft-Patienten-Beziehung, die zu einer effektiven pflegerischen 
Versorgung führt?" (Meleis, 1999, S.534 f.). Denn nach ihrem Modell ist erst aus 
dem durch Interaktion mit dem Klienten verifiziertem Verhalten eine adäquate und 
damit  gültige  Ableitung  von  Bedürfnissen  des  Klienten  möglich.  So  kann  nach 
diesem  Modell  ,,Leiden  und  Hilflosigkeit"  des  Klienten  erst  dann  vermieden 
werden, wenn über Interaktion / Kommunikation die eigentlichen Bedürfnisse des 
Klienten validiert worden sind  (Meleis, 1999, S.537).  
In  Umkehrung  haben  Umstände,  die  eine  Einschränkung  der  Interaktions-
/Kommunikationsfähigkeit  des  Patienten  bedeuten    wie  die  in  dieser  Arbeit 
betrachtete  Interaktion  bei  invasiver  Beatmung  auf  Intensivstation  (ICU)   
erhebliche  Auswirkungen  auf  die  Qualität  des  Heilungsprozesses.  So  weist 
Friesacher  (2000,  S.424)  auf  einen  Zusammenhang  zwischen  therapeutisch 
bedingten  Kommunikationseinschränkungen  des  Patienten  auf  ICU  und  dem 
Erwerb  von  psychischen  und  neurologischen  Ausfallerscheinungen  hin.  Diese 
können  sich  u.a.  in  Tendenzen  zur  Deprivation,  zu  Wahrnehmungsstörungen, 
Angst-/Panikreaktionen  des  Patienten  manifestieren,  die  u.U.  sogar  zu 
posttraumatischen  Belastungsstörungen  nach  Entlassung  führen  können.  Eine 
besondere  Affinität  hierfür  haben  nach  Friesacher  (2000,  S.425)  wache 
Langzeitpatienten, die zu dem noch länger als drei Tage beatmet werden.  
Zudem  beeinflussen  Kommunikationseinschränkungen  des  Patienten  unmittelbar 
die pflegerische Gestaltung der Beziehung zwischen Patient und Pflegenden. So 
verweist Friesacher (2000, S.427) auf eine in einem Interview erhobene Aussage 
eines  Intensivpflegenden,  nach  der    im  Einklang  mit  eigenen  empfundenen 
Praxiserfahrungen  auf  ICU    die  pflegerische  Interaktion  mit  wachen,  kognitiv-
adäquaten  und  ,,relativ  gesunden"  Patienten  anstrengender  sei.  Denn  im 
Gegensatz  zu  der  eigentlich  pflegerisch  aufwendigeren  Versorgung  von 
bewusstlosen  Patienten,  scheint  beim  wachen  und  kognitiv-adäquaten  Patienten 
der kommunikative Anteil pflegerischen Handelns erheblich höher zu sein.  
Diese  Aussage  lässt  zum  einen  auf  die  Existenz  von  bestimmten  pflegerischen 
Situationen  schließen,  wo  die  persönlichen  Eigenschaften  der  ,,Kommunikativen 
Kompetenz"  (Light,  J.,  1989)  des  Pflegenden  nicht  hinreichend  sind    und  zum 
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anderen  aber  auch  auf  Frustreaktion  des  Pflegenden  in  diesen  bestimmten 
Situationen schließen, wo dieser sich nutzlos und inkompetent empfindet (Magnus 
et al., 2006, S.170). Es stellt sich somit folgende Fragestellung: 
Welche Kommunikationsstrategien im Rahmen der vorhandenen ,,kommunikativen 
Kompetenz" (Light, J., 1989) des Intensivpflegenden werden von diesem 
verwendet, um pflegerisch adäquat  mit invasiv beatmeten Patienten interagieren 
zu können? 
Der  in  dieser  Arbeit  verwendete  Terminus  ,,Kommunikationsstrategie"  steht  im 
engen Zusammenhang mit dem zur ,,kommunikativen Kompetenz" (Light, J., 1989; 
Light, Janice et al., 2014; Pivit, 2008). Es handelt sich bei diesem Begriff um ein 
aus  therapeutischen  Alltagserfahrungen  abgeleitetes  Konglomerat  in  der 
Behindertenhilfe,  das  wissenschaftlich  von  Experten  der  International Society for 
Augmentative and Alternative Communication (ISAAC) (Braun,  2008b,  S.4) 
systematisiert worden ist. Diese Definition kategorisiert Fähigkeiten der jeweiligen 
Kommunikationspartner  in  der  jeweiligen  Lebenssituation,  um  unterstützende 
(augmentative)  bzw.  alternative  Hilfsmittel  (AAC)  bei  Menschen  mit 
Kommunikationseinschränkungen klientenspezifisch einsetzen zu können. 
Basierend  auf  den  Erkenntnissen  der  ,,Unterstützen  Kommunikation"  im  Rahmen 
der  Behindertenhilfe  und  den  Literaturkenntnissen  zum  Forschungstand  des 
Einsatzes  von  Kommunikationshilfsmitteln  im  Krankenhaussetting  soll  in  dieser 
empirisch-quantitativ ausgerichteten Arbeit ein Screeninginstrument entworfen und 
auf  Pretest-Niveau  im  ICU-Setting  einer  deutschen  Universitätsklinik  auf  interne 
Konsistenz  geprüft  werden.  Dieses  ,,Screeninginstrument"  soll  zum  einen  die 
Erfahrungen  des  Pflegenden  quantitativ  erfassen,  bestimmte  Strategien  zur 
Förderung der momentanen ,,Kommunikativen Kompetenz" des Patienten auf ICU 
adäquat  einsetzen  zu  können.  Denn  erkennt  der  Pflegende  die  kommunikativen 
Ressourcen  des  Patienten  adäquat,  kann  der  Pflegende  mit  Wahl  der  richtigen 
Strategie  selbst  erst  ,,kommunikativ kompetent"  werden.  In  diesem 
Zusammenhang  wird  im  Bereich  der  ,,Unterstützten  Kommunikation"  auch  vom 
,,Cleveren Kommunikationspartner" (Hüning-Meier et al., 2012, S.14) gesprochen. 
Zum  anderen  soll  dieses  Screeninginstrument  dazu  dienlich  sein,  mit  Erhebung 
der  ,,kommunikativen  Kompetenz"  von  Pflegenden  diese  in  unterschiedliche 
Qualitätsklassen einzuteilen. Denn wie die Bias von aktuellen Wirksamkeitsstudien 
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zu  Multi-Level-Interventionen  (SPEACS)  zur  Förderung  der  ,,kommunikativen 
Kompetenz  von  Pflegenden"  (Happ  et  al.,  2014,  S.11)  darlegen,  ist  trotz 
Randomisierung  bei  erforderlicher  Klasseneinteilung  eine  Verfälschung  der 
Wirksamkeit  von  SPEACS  durch  nicht  erfasste  pflegerische  Vorerfahrungen, 
Einstellung  /  Motivation  der  Pflegenden  und  Kultur  des  Settings  nicht 
ausschließbar. 
Eine  ,,Kommunikative  Kompetenz  des  Pflegenden"  wird  im  Screeninginstrument 
operationalisiert  aus  den  Postulaten  an  Intensivpflegende  vonseiten  des 
Fachgebiets der ,,Unterstützten Kommunikation" (Diesener, 2010). Diese Postulate 
entsprechen  vier  Einflussfaktoren  Erkenntnisfähigkeit der patientenspezifischen 
Ressourcen für adäquate Hilfsmittelanwendung (A), Fachkompetenz (B), 
Einstellung und Motivation gegenüber Kommunikationseingeschränkten (C), 
Gegebenheiten des ICU-Settings (D) , die  in  gegenseitiger  Wechselwirkung 
zueinanderstehend  die  ,,kommunikative  Kompetenz  des  Patienten"  bestimmen. 
Eine  Gewichtung  dieser  Faktoren  und  ihrer  Wechselwirkungen  zueinander  durch 
Selbsteinschätzung der ,,Kommunikativen Kompetenz des Pflegenden" ermöglicht 
somit  über  anonyme  Online-Befragung  und  stochastischen  Ansatz  (Satz  von 
Sylvester-Poincare)  eine  systematische  Einteilung  der  Bewertungen  von 
Pflegenden in Klassentypen, die Qualitätsklassen entsprechen. 
Kapitel 2: Definition grundlegender Begriffe aus dem Bereich der Behindertenhilfe 
 wie ,,Unterstützte Kommunikation (UK bzw. AAC)", ,,kommunikative Kompetenz", 
Skizzierung  wesentlicher  Gruppen  von  Kommunikationshilfsmitteln,  Ableitung 
wesentlicher  Faktoren für Operationalisierung der ,,Kommunikativen Kompetenz 
des Intensivpflegenden". 
Im Kapitel 3: Forschungsstand über systematische Literatursuche zur Anwendung 
von Kommunikationshilfsmitteln auf ICU (Schwerpunkt Übersichtsarbeiten). 
Im Kapitel 4: Einordnung der im Anhang II, III, IV aufgelisteten Kernaussagen (f**) 
von  drei  Reviews  in  die  o.a.  Faktoren/Kategorien  A,  B,  C  und  D  zur 
vergleichenden  Schwerpunktsetzung  der  Reviews  und  im  Gesamtüberblick  über 
diese  drei  Reviews.  Daraus  Begründung  des  stochastischen  Ansatzes, 
Begründung für Durchführung einer Erhebung, Arbeitshypothese und Konstruktion 
des Online-Fragebogens für den Pflegenden. 
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In Kapitel 5: Auswertung der Erhebung und Vergleich der Ergebnisse mit aktuellen 
Forschungsstand, Limitationen. 
Kapitel 6:  Zusammenfassung der Kernergebnisse + Fazit. 
Kapitel 2. 
Termini des Fachgebiets ,,Unterstützte Kommunikation" 
2.1.  Definition ,,Unterstützte Kommunikation" (UK bzw. AAC) 
Der  Terminus  ,,Augmentative and Alternative Communication" (AAC)"  (im 
Deutschen: ,,Unterstützte Kommunikation (UK)") impliziert ohne Beschränkung der 
Allgemeinheit  die  Existenz  von  Menschen,  die  aufgrund  bestimmter  Umstände 
(u.a.  Behinderung,  Erkrankung)  sich  selbst  nicht  wirksam  hinsichtlich  der 
Interaktion mit der Umwelt über den Weg der verbalen Kommunikation empfinden 
(Braun,  2008b,  S.1).  In  diesem  Fall  besitzen  diese  Menschen  bzgl.  der  verbalen 
Selbstveräußerung  Bedürfnisse,  die  mit  dem  Begriff  Complex Communication 
Needs  (CCN)  (Finke  et  al.,  2008)  umfasst  werden  können.  Das  Fachgebiet  der 
,,Unterstützten Kommunikation" hat demzufolge das Ziel, die  für soziale Teilhabe 
über  Interaktion  mit  der  Umwelt  eigentlich  erforderliche    aber  unzureichende 
Lautsprache  des  Betroffenen  je  nach  Entwicklungsstand  seiner  sprachlichen 
Fähigkeiten zu ergänzen (augmentative) oder gar zu ersetzen (alternative) (Braun, 
2008b,  S.1).  ,,Unterstützte.  Kommunikation"  ist  somit  ein  klientenspezifisches 
Konzept,  das  den  Betroffenen  unter  Berücksichtigung  der  Eigenschaften  des 
jeweiligen  sozialen  Umfeldes  (z.B. privates, berufliches)  zu  einem  aktiven  und 
sozial  gleichwertigen  Interaktionsteilnehmer  empowern  soll  (Braun,  2008b,  S.1). 
Damit  dient  dieses  Konzept  der  Entwicklung  und  Förderung  der    im  nächsten 
Abschnitt  zu  behandelnden  ,,Kommunikativen  Kompetenz"    aller  an  jeweiliger 
Interaktion  beteiligten  Kommunikationspartner  (Braun,  2008b,  S.1).  Das 
Fachgebiet  ,,Unterstützen  Kommunikation"  unterteilt  die  Hilfsmittel  für 
Kommunikation (AAC) in drei Hauptgruppen (Braun, 2008b, S.1 f.):  
(1) AAC als expressives Hilfsmittel, (2) AAC als unterstützendes Hilfsmittel und (3) 
AAC  als  alternatives  Hilfsmittel.  Die  Hilfsmittel  der  Gruppe  (1)  sind  angemessen 
für  die  Menschen,  die  ein  gut  ausgebildetes  Sprachverständnis  haben    aber 
aufgrund bestimmter Umstände die Fähigkeit zur lautsprachlichen Kommunikation 
vorübergehend  oder  dauerhaft  verloren  haben.  Für  Gruppe  (2)  sind  jene 
Menschen vorgesehen, die Ansätze von verbaler Lautsprache besitzen und somit 
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generell in der Sprachentwicklung verzögert sind. AAC als Hilfsmittel hat hier die 
Funktion,  über  eine  Erleichterung  der  sozialen  Teilhabe  die  lautsprachliche 
Entwicklung  und  damit  die  ,,Kommunikative  Kompetenz"  zu  fördern  und  zu 
verbessern.  Die  Gruppe  3  von  AAC  ist  für  jene  Menschen  vorgesehen,  die  über 
den Weg der verbalen Lautsprache generell nicht kommunizieren können. Gemäß 
vorhandener  Ressourcen  des  Betroffenen  muss  in  diesem  Fall  eine 
klientenspezifische  Kommunikationsform      sogar  eigene  Sprache      erst 
entwickelt  werden,  deren  Signale  im  Sinne  einer  erfolgreichen  sozialen  Teilhabe 
des  Betroffenen  für  außenstehende  Interaktionspartner  für  Verständigung 
desweiteren  transformiert  werden  müssen  (Braun,  2008b,  S.2).  Grundlage  des 
Fachgebiets  der  ,,Unterstützten  Kommunikation"  ist  demzufolge  der  Begriff  der 
,,Kommunikativen  Kompetenz",  dessen  Anwendungen  in  folgenden  Abschnitten 
betrachtet wird.  
2.2.  Der Begriff ,,Kommunikative Kompetenz" (AAC) 
2.2.1.  Sinn und Schema des Begriffs ,,Kommunikative Kompetenz" 
Die  Einführung  eines  Begriffs  der  ,,Communicative  Competence" (Light,  J., 1989; 
Light,  Janice  et  al.,  2014)  bzw.  ISAAC  (2015,  Kommunikationskompetenz  ) 
vonseiten  des  Fachgebiets  der  ,,Unterstützten  Kommunikation"  ist  aus  mehreren 
Gründen als notwendig betrachtet worden: 
Mit  einer  Definition  sollen  zum  einen  im  Sinne  einer  Art  ,,Evaluation"  die 
vorauszusetzenden  Minimalkompetenzen  potentieller  AAC-Anwender  für 
adäquate Anwendung der jeweiligen Hilfsmittel genannt und mit dem momentanen 
Status  der  Kompetenzausprägung  des  konkret  Betroffenen  verglichen  werden. 
Eine  definitorische  Aufstellung  einer  Art  Raster  bzw.  Koordinatensystems 
ermöglicht somit erst eine klientenspezifische Auswahl des richtigen Instrumentes 
(Light,  J.,  1989,  S.137).  Zum  anderen  dient  eine  Definition  dazu,  sich  von  den 
normativen  Ansprüchen  einer  Sprachtherapie  abzugrenzen.  Denn  das  Idealziel 
der Beherrschung einer verbalen Lautsprache ist zwar auch für den Fachbereich 
der  ,,Unterstützten  Kommunikation"  erstrebenswert    aber  weder  von  allen 
Menschen  erreichbar  noch  notwendig  für  das  eigentliche  Ziel  einer  weitgehend 
selbständigen  sozialen  Teilhabe  im  Sinne  der  o.a.  Definition  des  Begriffs 
,,Unterstützte Kommunikation" (Light, J., 1989, S.137).  
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Vom  definitorischen  Schema  entspricht  die  Definition  ,,Communicative 
Competence"  nach  Light,  J.  (1989);  (Light,  Janice  et  al.,  2014)  einer 
Nominaldefinition  (Kutscherer  et  al.,  2000,  S.151  ff.).  D.h.,  dem  zunächst 
bedeutungsleeren  und  damit  zu  definierenden  Begriff  ,,Communicative 
Competence"  (sog.  ,,definiendum")  werden  formallogisch  bestimmte,  notwendige 
und damit zueinander widerspruchsfreie  Eigenschaften  (sog.  ,,definientia")  zu 
geordnet,  so  dass  das  Definiendum  erst  mit  dieser  festgelegten 
Eigenschaftszuordnungsvorschrift  eine  Bedeutung  (Intension)  und  damit  seinen 
Begriffsumfang  (Extension)  erhält.  Eine  Veränderung  der  Eigenschaftszuordnung 
zu  einem  zu  definierenden  Begriff  (z.B.  bedingt  durch  neue  Erkenntnisse)  hat 
gleichzeitig Veränderungen des Bedeutungsinhaltes des Begriffs und damit seines 
Begriffsumfanges  zu  Folge.  Bezogen  auf  den  Begriff  ,,Communicative 
Competence"  ist  der  ursprüngliche  Definitionsvorschlag  von  Light,  J.  (1989),  der 
sich  auf  notwendige  Eigenschaften  wie  u.a.  Linguistische,  Operationale,  Soziale 
und Strategische Kompetenzen (Light, Janice et al., 2014, S.13) bezieht, im Jahr 
2003  (Light,  Janice  et  al.,  2014)  um  weitere  mögliche  die  o.a.  Kompetenzen 
unmittelbar  beeinflussenden  Faktoren    wie  den  ,,Psychosocial Factor"  (Light, 
Janice  et  al.,  2014,  S.4  f.)  und  den  Faktor  ,,Environmental Support and Barriers" 
(Light, Janice et al., 2014, S.5 f.)  erweitert  worden.  Der  psychosoziale  Faktor 
umfasst  die  psychologischen  Umstände  des  jeweiligen  AAC-Anwenders  wie 
Motivation, Einstellung, Vertrauen und Resilienz (Light, Janice et al., 2014, S.12 f) 
  der  Faktor  ,,Environmental Support Barriers"  umfasst  die  jeweiligen 
settingspezifischen  Eigenschaften  wie    Vorhandensein von AAC-Tools, Personal 
mit ,,Kommunikativer Kompetenz" u.a..  Ferner  schlägt  Light,  Janice  et  al.  (2014, 
S.7)  weitere  Einflussfaktoren  auf  die  ,,Communicative  Competence"  als 
Begriffserweiterung  vor    wie u.a. demographischer Wandel der AAC-Nutzer, 
Veränderung der Bedürfnislage von AAC-Nutzern, technischer Fortschritt der 
AAC-Hilfsmittel, Veränderungen in den Erwartungen bzgl. der sozialen Teilhabe 
der AAC-Nutzer. 
Wesentlich  bei  Betrachtung  der  o.a.  weiteren  möglichen  Einflussfaktoren  auf  die 
,,kommunikative  Kompetenz"  ist  aber,  dass  diese  schon  implizit  nach  der 
ursprünglichen  Definition  (Light,  J.,  1989)  wirksam  sind  und  somit  kaum  für 
empirische Überprüfung explizit operationalisierbar und damit kaum fassbar sind. 
So sind z.B. psychologische Faktoren wie Motivation, Einstellung zum Nutzen von 
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AAC-Hilfsmittel u.a. immer erst indirekt über Verbesserung oder Verschlechterung 
der  konkreter  operationalisierbaren  Linguistischen, Operationalen,  Sozialen  und 
Strategische  Kompetenzen  zuschließen.  Denn  diese  Kompetenzen    verstanden 
als psychologische Leistungsbegriffe  implizieren immer mindestens kognitions-, 
lern- und entwicklungspsychologische  Komponenten.  Insofern  ist  eine  explizite 
Nennung sich implizit gegenseitig bedingender weiterer Faktoren (deren Wirkung 
nicht  bestritten  wird)  als  mögliche  weitere  Begriffseigenschaften  keine  wirkliche 
Erweiterung  des  Begriffs  ,,Communicative  Competence".  U.U.  ist  diese 
Begründung  gültig  für  die  Tatsache,  dass  die  International Society for 
Augmentative and Alternative Communication (ISAAC)  sich  in  ihrem 
Begriffslexikon  (ISAAC,  2015,  Kommunikationskompetenz)  ebenfalls  an  die 
Komponenten  der  Begriffsdefinition  nach  Light,  J.  (1989)  orientiert.  Diese 
Definition  von  1989  ist  deshalb  Basis  für  Skizzierung  der  wesentlichen  Aspekte 
des  Fachbereichs  ,,Unterstütze Kommunikation"  Der  Aspekt  o.a. ,,psychosozialer" 
und ,,settingspezifischer Faktoren" von 2003 wird in der Übersichtsarbeit von Finke 
et  al.  (2008)  unter  den  Begriffen  ,,intrinsischer"  und  ,,extrinsischer Faktoren"  bei 
Konstruktion  des  Screeninginstrumentes  zur  Erhebung  der  ,,Kommunikativen 
Kompetenz bei Pflegenden" auf ICU aufgegriffen. Denn dort geht es um die Frage, 
ob der Pflegende die ,,Kommunikative Kompetenz" seines Klienten in Abhängigkeit 
von  seinen  momentanen  Ressourcen  einschätzen  und  im  gegebenen  Rahmen 
des  Settings  adäquat  pflegerisch  intervenieren  kann.  Dies  erfordert  aber  sich 
gegenseitig  bedingende  Faktoren  wie  Fachkompetenz  und  Motivation  des 
Pflegenden. 
2.2.2.  Begriff ,,Kommunikative Kompetenz" (AAC / Stand: 1989) 
Mit  Verweis  auf  einen  ,,Kompetenzbegriff"  nach  Websters English Dictionary 
(Light,  J.,  1989,  S.  138)  und  Erkenntnissen  u.a.  aus  Sprachwissenschaften  wie 
u.a. Linguistik, Soziolinguistik, Zweitspracherwerb (Light, J., 1989, S.139) wird der 
Begriff der ,,Kommunikativen Kompetenz" folgend definiert:  
,,(...) communicative competence is a relative and dynamic, interpersonal construct based on 
functionality of communication, adequacy of communication, and sufficiency of knowledge, 
judgement, and skill in four interrelated areas: linguistic competence, operational 
competence, social competence, and strategic competence. Linguistic and operational 
competencies refer to knowledge and skills in the use of the tools of communication; social 
and strategic competencies reflect functional knowledge and judgement in interaction." 
(Light, J., 1989, S.137). 
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Diese  Definition  zeigt  zunächst,  dass  ,,kommunikative  Kompetenz"  selbst  keine 
absolute  innewohnende  Personeneigenschaft  ist,  sondern  eine  höhere 
Systemeigenschaft als Resultat eines dialektisch geprägten Interaktionsprozesses 
der  jeweiligen  an  dieser  Interaktion  beteiligten  Personen  ist.  Insofern  könnte 
potentiell  jede  Person  in  Abhängigkeit  von  der  jeweiligen  sozialen 
Rahmensituation  kommunikativ kompetent  oder  inkompetent  werden.  Somit  ist 
,,kommunikative  Kompetenz"  ein  relatives  Abbild  der  jeweiligen  in  Relation 
zueinanderstehenden  durch  Sozialisation  bedingten  Eigenschaften  der  einzelnen 
Personen,  die  den  Habitus  (Bourdieu,  1982)  bestimmen.  Dem  Fachbereich  der 
,,Unterstützten  Kommunikation"  obliegt  somit  die  Kernaufgabe,  gemäß 
vorhandener  Ressourcen  des  kommunikativ  Eingeschränkten  seinen  sozialen 
Interaktionsrahmen so um zu gestalten, dass dieser ohne große Mühen in diesem 
(interaktiv  selbständig  werden  kann  (Pivit,  2008,  S.10).  Im  Rahmen  der  o.a. 
Definition des Begriffs ,,Kommunikative Kompetenz" haben die o.a. Eigenschaften 
folgende Bedeutung: 
,,Functionality of Communication"  (Light,  J.,  1989,  S.138  f.)  ist  als  ein  zu 
forderndes  Qualitätsmerkmal  hinsichtlich  der  Wirksamkeit  der  für  Klienten  in 
Betracht  gezogenen  AAC-Maßnahmen  zu  verstehen.  Funktionalität der 
Kommunikation  ist  nach  diesem  Kriterium  genau  dann  geben,  wenn  der  in  der 
Kommunikation  Eingeschränkte  in  seinem  sozialen  Lebensbereich  in  die  Lage 
versetzt  wird,  seinen  Alltag  selbständig  nach  eigenem  Ermessen  zu  gestalten. 
Dies impliziert aber, dass dieser nach seinem Ermessen mögliche Kommunikation 
in  seinen  Lebensbereichen  initiieren  kann  (Pivit,  2008,S.10).  In  diesem 
Zusammenhang steht auch das Kriterium ,,Adequacy of Communication" (Light, J., 
1989,  S.138).  Das  Kriterium  entspricht  einer  Forderung  nach  Begrenztheit  der 
Anwendbarkeit  von  AAC-Hilfen.  Denn  zu  viele  potentielle  Auswahl-  und 
Kombinationsmöglichkeiten  (z.B.  zu  viele  zur  Verfügung  gestellten  Symbole,  zu 
großes Vokabular) im Rahmen der jeweiligen ACC-Instrumente (Pivit, 2008, S.8) 
können  eine  Überforderung  je  nach  Ressourcen  des  Betroffenen  darstellen. 
Ebenso führt ein zu gering ausgestattetes ACC-Hilfsmittel zu einer Unterforderung 
 mit ähnlicher Konsequenz einer Ablehnung des Hilfsmittels. Zur Bestimmung der 
Grenzen  des  Hilfsmitteleinsatzes  ist  somit  abzuklären,  in  welchen 
Lebenszusammenhängen  der  Betroffene  dieses  benötigt  (z.B.  beruflich  oder 
privat).  In  diesem  Zusammenhang  sind  entsprechende  Interaktionspartner  (z.B. 
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Angehörige,  Kollegen)  bei  Entwicklung  von  Strategien  mit  einzubeziehen  (Pivit, 
2008,  S.11).  Eine  totale  Beherrschung  der  unterstützten Kommunikation  als  Art 
,,Muttersprache"  (d.h.  in  jedem  beliebigen  sozialen  Rahmen  adäquat  interagieren 
zu  können)  wird  als  zu  hohes  Ziel  von  Vertretern  der  ,,Unterstützten 
Kommunikation" somit nicht verfolgt. 
O.a.  Kriterien  implizieren  wiederum  gewisse  Kompetenzen  des  jeweiligen  AAC-
Anwenders,  die  mit  dem  Oberbegriff  ,,Sufficiency of Knowlegde, Judgement, and 
Skills"  als  weiteres  Kriterium  für  adäquate  AAC-Anwendung  zusammenfasst 
werden,  da  diese  voneinander  abhängen  und  damit  sich  gegenseitig  bedingen 
(Light, J., 1989, S. 141f). Dieser Oberbegriff umfasst die Eigenschaften ,,Linguistic 
Competence", Operational Competence, Social Competence" und ,,Strategic 
Competence"  (Light,  J.,  1989S.139  ff.).  Wie  aus  der  o.a.  Gruppeneinteilung  der 
AAC-Instrumente  zu  schließen  ist,  ist  die  Auswahl  des  angemessen  AAC-
Instrumentes  für  den  Anwender  u.a.  abhängig  von  dem  bis  dato  ausgeprägten 
Stand  des  Schrift-Sprachverständnisses  (linguistic  competence).  Diese 
Ausprägung ist jedoch abhängig von Lebenserfahrungen des Nutzers, die u.U. die 
Auswahl  eines  technisch-aufwendigeren  Instrumentes  mit  größerem  Wortschatz 
rechtfertigen  (Light,  J.,  1989,  S.139  f.).    Da  es  aber  keine  1:1-Übesetzung  von 
gedachten  Sprachinhalten  in  entsprechende  AAC-Kodierung  des  jeweiligen 
Instrumentes  gibt,  ist  zusätzlich  ein  kognitiver, sensomotorischer, perzeptiver 
Leistungsaufwand  vom  Anwender  notwendig,  um  das  jeweilige  Instrument 
anzusteuern  und  damit  bedienen  zu  können  (Light,  J.,  1989,  S.140);(Pivit,  2008, 
S.9).  Diese  in  der  alltäglichen  Kommunikation  nicht  erforderliche  Zusatzleistung 
beim  kommunikativ  Nicht-Eingeschränkten  wird  von  Vertretern  der  Unterstützen 
Kommunikation auch als ,,Operationale Kompetenz" bezeichnet. Diese Kompetenz 
steht  auch  im  engen  Zusammenhang  mit  der  ,,Strategischen  Kompetenz"  (Light, 
J.,  1989,  S.141).  Darunter  ist  die  Fähigkeit  zu  verstehen,  bei  vorhandenem 
begrenzten Vokabular/Symbolen der jeweiligen AAC-Instrumente (in Analogie zur 
Kommunikation  in  einer  Zweiten  Fremdsprache),  zu  kommunizierende 
Sachverhalte  mit  dem  begrenzten  Wortschatz  ausdrücken  und  damit  durch  das 
Hilfsmittel  bedingte  Wortschatzdefizite  kompensieren  zu  können.  Ferner  sind  zu 
dem  ,,Soziale  Kompetenzen"    soziolinguistische  Verhaltensregeln    in  der 
jeweiligen  Rahmensituation  notwendig,  die  von  der  Persönlichkeitsentwicklung 
abhängig  sind  und  u.U.  im  Rahmen  der  zu  entwickelnden  Strategien  erst  erlernt 
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werden  müssen  (Light,  J.,  1989,  S.140).  Kommunikationsregeln  sind  u.a. 
Sprecherwechsel erkennen (Turn-Taking-Prinzip), Blickkontakt halten, 
Missverständnisse erkennen und aufklären, Fragenstellen, Gesprächsthemen 
finden und führen können, sich auf einen Gesprächspartner einstellen können 
(Pivit, 2008, S.8);(Braun, 2008a, S.26). 
Diese  o.a.  Anforderungen  für  adäquate  Anwendung  von  AAC-Hilfen  erfordern 
einen enormen Leistungswillen und gleichzeitig eine hohe Frustationstoleranz aller 
am  Interaktionsprozess  Beteiligten  im  Erlernen  einer  AAC-Anwendung.  Denn 
,,Unterstützte  Kommunikation"  beansprucht  Zeit  und  bestimmt  zu  dem  die 
Gesprächsqualität zwischen den Kommunikationspartnern (so ist z.B. Humor über 
AAC-Instrumente  kaum  wirksam).  Zudem  ist    im  Vergleich  zur  ,,natürlichen" 
Kommunikation      bei  Anwendung  von  Kommunikationshilfsmitteln  (z.B.  bei  Ja-
Nein-Kommunikation)  häufig  ein  Rollentausch  der  Interaktionspartner  notwendig. 
So erhält der eigentlich passive Zuhörer eine aktive Rolle, da dieser mit einer JA-
Nein-Fragebatterie  die  Intention  des  passiv  gewordenen  Sprechers  verifizieren 
muss (Braun, 2008a, S.2 f.). Der folgende Abschnitt zeigt einen groben Überblick 
über 
die 
drei 
wesentlichen 
ACC-Instrumentengruppen 
,,Körpereigene 
Kommunikationsform", 
,,Nicht-Elektronische" 
und 
,,Elektronische 
Kommunikationshilfsmittel". 
2.3.  Skizze von Kommunikationsstrategien aus der Behindertenhilfe 
2.3.1.  ,,Körpereigene Kommunikation" und ,,JA-NEIN-Kommunikation" 
Wesentliches Ziel im Sinne der o.a. ,,Kommunikativen Kompetenz" ist es, dass ein 
Klient  eine  multimodale  Interaktionsfähigkeit  (Pivit,  2008,  S.6)  erlernt,  die 
annähernd der ,,normalen" verbalen und non-verbalen Kommunikation entspricht. 
Somit sind auch im Fachgebiet der ,,Unterstützten Kommunikation" die unmittelbar 
und  vegetativ  beeinflussten  Stimmungen  des  Klienten,  die  sich  u.a.  über 
Gesichtsmimik,  Muskelspannung,  Vitalparametertendenzen  (Braun  et  al.,  2008, 
S.6)  in  Abhängigkeit  von  der  jeweiligen  Rahmensituation  veräußern,  notwendige 
Ausgangslage für Bestimmung des eigentlichen Bedeutungsinhaltes von Signalen 
anderer  Kommunikationshilfsmittel.  Der  Körper als Kommunikationsmedium 
(Braun  et  al.,  2008,  S.6)  ist  somit  nicht  nur  notwendig  für  Konzepte  der  Basalen 
Stimulation  (Fröhlich,  1998)  bzw.  Basalen Kommunikation  (Mall,  1984)  in  der 
12
Schwerstbehindertenpflege,  sondern  auch  Grundlage  jeder  auszuarbeitenden 
Kommunikationsstrategie im Rahmen der ,,Unterstützten Kommunikation".  
,,Körpereigene Kommunikation"  als  ,,vorsymbolische Kommunikation"  hat  zwar 
Gemeinsamkeiten  mit  der  non-verbalen  Kommunikation    der  wesentliche 
Unterschied  ist  jedoch,  dass  Betreuer/Kommunikationspartner  im  Rahmen  der 
,,Unterstützten  Kommunikation"  das  Erscheinen  von  körpereigenen  Signalen  in 
Abhängigkeit  von  der  jeweiligen  Rahmensituation  über  Beobachtung, 
Wiederholung,  Bestätigung,  Dokumentation  erst  zu  einem  klientenspezifischen 
und 
für 
jeweilige 
Kommunikationspartner 
kontinuierlich 
anwendbaren 
Symbolsystem  erst  systematisieren  müssen  (Braun  et  al.,  2008,  S.6  f.).  Dieser 
Aspekt  der  systematischen  Zuordnung  von  Bedeutungsinhalten  zu  einem  Signal 
oder  Signalsequenz  vonseiten  des  Klienten  in  Zusammenarbeit  mit  dem 
Kommunikationspartner  (z.B.  Therapeut)  wird  im  Fachgebiet  der  ,,Unterstützten 
Kommunikation"  mit  dem  Begriff  ,,Ko-Konstruktion"  (Pivit,  2008,  S.11);  (Hüning-
Meier  et  al.,  2012,  S.14)  umfasst.  Eine  ko-konstruierte  Bedeutungszuordnung 
bedarf  bzgl.  ihrer  klientenspezifischen  Richtigkeit  immer  einer  Rückversicherung 
vonseiten  des  Ko-Konstrukteurs,  die  je  nach  Zustand  der  Kognition  und  des 
aktuell  entwickelten  Sprach-/Symbolverständnisses  des  Klienten  über  den  Weg 
der  verbalen,  symbol-systemischen  oder/und  JA-NEIN-Kodierungsform über 
Körpersignale erfolgen kann (Hüning-Meier et al., 2012, S.14). Im Zusammenhang 
der  Ko-Konstruktion  von  Bedeutungsinhalten  ist  somit  zu  folgern,  dass  ein 
Hilfsmittel  stärker  die  Selbständigkeit  eines  Klienten  bewahrt,  je  weniger  dieses 
(z.B.  bei  ,,Komplexen Elektronischen")  Ko-Konstruktion  erfordert.  Andererseits  ist 
bei  kaum  entwickelter  Schrift-Sprache  des  Klienten  Ko-Konstruktion  notwendig, 
um erst selbstständig interaktiv werden zu können. (Hüning-Meier et al., 2012, S. 
10).   
Die  Wirksamkeit  eines  ,,individuellen  Kommunikationssystems"  ist  im  Sinne  der 
o.a.  ,,Kommunikativen Kompetenz"  abhängig  vom  Zusammenspiel  der 
wesentlichen 
Komponenten 
wie 
,,Ausprägung der körpereigenen 
Kommunikationsform",  ,,bisherigen Erfahrungen mit Kommunikationshilfen",  ,,Art 
und Weise der Selektion und Ansteuerung"  (zeitlich  adäquate  Bedienbarkeit  ggf. 
mit  Handhabungshilfen  der  entsprechenden  Instrumente  im  o.a.  Zusammenhang 
der  Operativen Kompetenz)  und  vom  aktuellen Entwicklungsstand des 
13
Symbolverständnisses bzw. Wortschatzes  (Linguistische  Kompetenz)  (Hüning-
Meier et al., 2012, S.3). 
2.3.2.  Schema ,,Nicht-Elektronischer Hilfsmittel" (LOW TECH) 
Zu  den  Nicht-Elektronischen Hilfsmittel  zählen  in  aufsteigender  Folge  nach 
kognitiver  Beanspruchung  für  Klienten  geordnet:  Reale Gegenstände, 
Miniaturmodelle, Teile realer Gegenstände als Repräsentanten, Fotos von 
Personen und grafische Symbole als Stellvertreter für einen Sinnzusammenhang 
(Hüning-Meier et al., 2012, S.3 f.). Diese genannten Symbole können im Rahmen 
einer  begrenzten  Bildsprache  Anwendung  finden  und  sind  nicht  hinreichend  für 
Darstellungen  komplexerer  Sinnzusammenhänge,  die  u.a.  Adjektive,  Adverbien, 
Präpositionen  erfordern.  Diese  o.a.  für  den  jeweiligen  Klienten  zu 
Symbolsammlungen  zusammengestellten  Zeichen  sind  deshalb  strikt  von  den 
Nicht-Elektronischen Kommunikationshilfsmitteln    den ,,Symbolsystemen"   
hinsichtlich  Anspruch  an  Kognitions-,  Organisation-,  Aufmerksamkeit-  und 
Konzentrationsleistung 
zu 
unterscheiden. 
Denn 
im 
Unterschied 
zu 
Symbolsammlungen  müssen  erst  über  Ko-Konstruktion  bestimmte  regelmäßig 
wiederkehrende  Symbolkombinationen  zu  einem  klientenspezifischen  Symbol-
/Sprachsystem  aufgebaut  werden,  sodass  u.U.  auch  komplexere  nicht-bildliche 
Kommunikation  möglich  ist.  Hier  bieten  diverse  Unternehmen  unterschiedliche 
Symbolsysteme  (z.B.  PCS,  METACOM,  DynaSyms  etc.)  an,  die  zu 
durchorganisierten  Kommunikationstafeln  (Mappen)  für  Anwendung  in  jeweiligen 
Lebensbereichen  des  Klienten  (Schule  /  Beruf,  Freizeit  u.a.)  nach 
klientenspezifischen  Themen-/Interessenbereichen  zusammengestellt  werden 
(Hüning-Meier et al., 2012, S.5 f). Diese Kommunikationsmappen müssen zu dem 
mit  dem  Lernfortschritt  des  Klienten  angepasst  werden  und  bei  vorhandenen 
Schrift-Sprachekenntnissen  sogar  mit  Buchstaben,  Wörtern,  Alltagsfloskeln 
erweitert werden (Hüning-Meier et al., 2012, S.5 f). 
2.3.3.  Schema ,,Elektronischer Hilfsmittel" (HIGH TECH) 
Elektronische Hilfsmittel  haben  gegenüber  Nicht-Elektronischen  das  wesentliche 
Unterscheidungsmerkmal  der  elektronischen  Sprachausgabe.  Therapeutisch 
ermöglicht diese Funktion dem Klienten, u.U. nicht mehr notwendigerweise auf ko-
konstruierende Gesprächspartner angewiesen  sein  zu  müssen.  Denn  die 
Sprachausgabe eines Gerätes ermöglicht eine Kommunikation mit Laien, die das 
14
spezifische  Symbolsystem  des  Klienten  nicht  kennen  müssen.  Die  Gruppe  der 
potentiellen Anwender elektronischer Hilfen wird  unterschieden in ,,präintentional, 
intentional-präsymbolisch, verbal-symbolisch mit und ohne Einschränkungen" 
(Garbe  et  al.,  2012,  S.2  f.).  Die  Einteilung  zeigt,  dass  auch  hier  für  adäquate 
Geräteauswahl  der  Status  der  o.a.  klientenspezifischen  Teilkompetenzen  der 
,,Kommunikativen Kompetenz" berücksichtigt werden müssen.  
Die  Geräte  können  hinsichtlich  des  Merkmals  Sprachausgabe  eingeteilt  werden. 
Unterschieden werden bzgl. dieses Merkmals zwei Hauptgruppen: (1) Geräte mit 
,,synthetischer Sprachausgabe" (,,Sprechende Schreibmaschinen (text to speech)"; 
,,Synthetische Sprachausgabe über vorgefertigter Vokabular-Strategie")  und  (2) 
,,Geräte mit ,,natürlicher Sprachausgabe". In der zuletzt genannten Gruppe handelt 
es sich quasi um Aufnahme- und Abspielgeräte mit mehreren Speicherplätzen, auf 
denen  individuelle  Sprachmitteileilungen  aufgenommen  und  abgespeichert 
werden,  die  der  Klient  dann  bei  Bedarf  über  speziell  mit  Symbolen 
gekennzeichneten Tasten ansteuern und abspielen kann. (Breuel, 2011, S.5 ff).  
Neben  Berücksichtigung  der  linguistischen  und  kognitiven  Fähigkeiten  bleibt  wie 
bei  den  nicht-elektronischen  Hilfsmitteln  die  Forderung  an  die  Betreuer,  die 
,,Kommunikative  Kompetenz"  regelmäßig  zu  evaluieren  und  Vokabularstrategien 
entsprechend über Geräte-Updates anzupassen. In diesem Zusammenhang steht 
auch  eine  Evaluation  der  o.a.  Operativen Kompetenz  vonseiten  des  Betreuers   
hinsichtlich 
zeitlich 
adäquater 
Ansteuerung/Bedienung 
von 
Wort-/ 
Symbolpräsentation  (Vokabelstrategie)  ,  die  ebenfalls  den  Bedürfnissen  des 
Klienten entsprechen muss (Breuel, 2011, S.9 f.); (Garbe et al., 2012, S.5; S.11f.). 
2.4.  Besonderheiten der ICU aus Sicht der ,,Unterstützten Kommunikation" 
Die o.a. möglichen Potentiale der ,,Unterstützten Kommunikation" im Rahmen der 
Behindertenhilfe  sind  nur  bedingt  auf  einer  Intensivstation  umsetzbar.  Denn 
wesentlicher  Unterschied  zwischen  Menschen  mit  Behinderungen  und 
intensivpflichtigen Patienten ist, dass die erst genannte Gruppe relativ zur Zweiten 
bzgl.  ihrer  lebensnotwendigen  Körperfunktionen  erheblich  stabiler  ist.  So  deutet 
der  ressourcenintensive  Aufwand  (Personal,  Zeit,  High-Tech)  für  Stabilisierung 
von  Vitalfunktionen  im  Intensivbereich  (Diesener,  2010,  S.14)  auf  einen  anderen 
therapeutischen  Schwerpunkt  hin  als  die  Zielsetzungen  in  der  Behindertenhilfe, 
die  doch  eher  als  rehabilitativ  zu  bezeichnen  sind.  So  wäre  z.B.  die  Erstellung 
15
eines  o.a.  klientenspezifischen  ,,Symbolsystems"  auf  qualitativ  hochwertigem 
Niveau  ein  zusätzlicher  zeitlicher  Aufwand  für  den  Intensivpflegenden,  der  nicht 
realisierbar ist und zudem speziell ausgebildetes Fachpersonal erfordern würde. 
Dennoch  verharrt  nicht  jeder  intensivpflichtige  Patient  im  Status  der  ,,Instabilität". 
So  nennt  Friesacher  (2000,  S.426  f.)  sich  gegenseitig  bedingende  Phasen  eines 
Intensivaufenthaltes    wie  vorakut, akut, postakut, stabil, rehabilitativ  ,  die  im 
günstig anzunehmenden Fall eines Verlaufs für einen Patienten auf rehabilitative 
Maßnahmen  schon  während  des  Intensivaufenthaltes  hinauslaufen  können.  Es 
scheint  somit  schon  während  der  Intensivpflichtigkeit  eine  gewisse 
Wechselwirkung zwischen Stabilisierung physiologischer Parameter und Zunahme 
sensorischer, kognitiver  Fähigkeiten  des  Patienten  zu  geben,  die  Interventionen 
für Erhalt, Neuerwerb, Wiedererlangung ,,kommunikativer Kompetenz" im Rahmen 
der  Frührehabilitation  ermöglichen  können.  Diesener  (2010,  S.15)  spricht  in 
diesem  Zusammenhang  von  einem  ,,(...)  Spagat zwischen (...) Notwendigkeiten 
für die körperliche Integrität und den (Wieder)gebrauch elementarer kultureller 
Fähigkeiten wie Kommunikation, Essen und Trinken, Bewegen, (...)." Andererseits 
kann  dieser  Wechselwirkungsprozess  mit  Einfluss  auf  die  ,,kommunikative 
Kompetenz" u.U. von folgenden Faktoren ungünstig beeinflusst werden:  
Auf  Patientenseite  sind  zum  einen  zu  nennen  die  Schwere  und  Ort  der 
traumatischen  Ursache  mit  den  damit  verbundenen  intensivmedizinischen 
Handlungsnotwendigkeiten  (u.a.  Sedierung,  Analgesie,  invasive  Beatmung, 
künstliche Ernährung). Zum anderen gibt es auch patientenexterne Ursachen, die 
sich  u.a.  auf  die  speziellen  Eigenschaften  einer  Intensivstation  mit  ihrer 
Geräuschkulisse,  Betriebsamkeit,  Störungen  des  Tag-Nacht-Rhythmus    aber 
auch  auf  Angst,  und  zu  hoher  Erwartungen  an  den  Patienten  durch  ihre 
Angehörigen  zurückführen  lassen.  Diese  Faktoren  belasten  den  Patienten 
zusätzlich, 
dessen 
für 
Kommunikation 
notwendige 
Kognitions- 
und 
Aufmerksamkeitszeitspanne ohnehin beschränkt ist (Diesener, 2010, S.14 f.). 
Aus Sicht der ,,Unterstützten Kommunikation" (Diesener, 2010, S.17 ff.) kann eine 
Wirkung  der  o.a.  ,,Negativ-Faktoren"  im  Sinne  einer  Förderung  der 
,,kommunikativen Kompetenz" vom Pflegenden nur dann minimiert werden, wenn 
frühzeitig  auf  basaler  Ebene    zur  Stabilisierung  der  ,,Körpereigenen 
Kommunikation"  durch Berühren erste sensorische Reize als interaktiver Akt mit 
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstauflage
- Erscheinungsjahr
- 2017
- ISBN (Paperback)
- 9783959930697
- ISBN (PDF)
- 9783959935692
- Dateigröße
- 1 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg – Pflege & Management
- Erscheinungsdatum
- 2018 (Juni)
- Note
- 1,5
- Schlagworte
- Kommunikation Patient Pflege Kommunikationshilfe Pflegehelfer Krankenschwester Krankenpflege
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing
 
					