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Vom Hörspiel zum Audiobook

Die mediale Entwicklung im 20. Jahrhundert

©2008 Studienarbeit 40 Seiten

Zusammenfassung

Literatur- und Publizistikwissenschaftliche Veröffentlichungen über das deutsche Hörspiel gibt es genug, doch diese medienwissenschaftliche Untersuchung fasst die bekannte Geschichte von Hörspielen und Hörbüchern in Deutschland in kurzer und klarer Form zusammen, indem sie als Medienerscheinungen betrachtet werden. Mit dieser Studie ist ein Überblick für Leser gegeben, die sich in die Thematik der Hörspiele einarbeiten wollen. Wer sind beispielsweise die Produzenten und Rezipienten der "Ars Acustica"? Welche Produktionsweise und welche stilistischen Mittel wurden eingesetzt? Der Autor gibt die Antworten, stellt die geschichtlichen Entwicklungen verschiedener Hörspielarten vor und vergleicht entsprechende Epochen und Formen anhand eigens entwickelter Kriterien.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2
Während der Ausarbeitung wurde klar, dass die Begriffe des Hörspiels und der
des Hörbuchs in historischen Diskussionen bereits aufeinander stießen und auch
heute oft nicht klar abgegrenzt werden. Deshalb wird im Folgenden vom Hörspiel als
Überbegriff aller Formen dieses Genres gesprochen und schließt Hörbuchformen
reinen gesprochenen Wortes ein. Ein Versuch diese Erscheinungsformen des Hör-
produktes voneinander trennen zu wollen lässt erkennen, dass es Mischformen und
gegenseitige Beeinflussungen gab und gegenteilige bzw. gemeinsame Entwicklungen
auftraten, so dass eine Abgrenzung für den Umfang der Studie eindeutig den Rah-
men sprengen würde.

3
1 Die Geschichte des Hörspiels
1.1 Anfänge des Hörspiels ­ Die Zeit der Weimarer Republik
Erste Erscheinungen von gesprochenem Wort finden entgegen vielen Angaben nicht
im Rundfunk
1
, sondern bereits 1910 als gesprochene klassische Gedichte auf Schall-
platte statt. Demnach ist nicht das Radio, sondern die Schallplatte das erste Medium
in der Geschichte des Hörspiels, welches aber erst wieder in den 1970er Jahren
Bedeutung für dieses Genre erlangen soll. Der Rundfunk allerdings ist die erste grö-
ßere Produktionsstätte von Hörspielen. Der Rundfunkempfang findet zunächst über
Detektorenempfänger mit Kopfhörern, später über Röhrenempfänger mit integrierten
Lautsprechern statt.
2
Erstmals definiert wird der Hörspielbegriff durch den Kritiker und
Redakteur Hans Siebert von Heister als ,,arteigenes Spiel des Rundfunks"
3
. Es werden
auch andere Begriffe wie Funkspiel, Funkdrama oder Sendespiel für frühe Hörspiele
verwendet
4
. In den 1920er und 1930er Jahren fungiert das Hörspiel als politisches
Mittel zur Beruhigung und Befriedigung der Massen; verbreitet durch die neue Tech-
nologie entspricht es einem befreienden Wunder ,,in Zeit der tiefsten wirtschaftlichen
und seelischen Not"
5
. Diese Funktion wird nicht zum primären Zweck eingesetzt,
doch wirft die schlechte Lage der Zeit einen negativen Schatten auf die Anfänge des
Hörspiels
6
.
Hörspiele werden anfänglich nicht original für den Rundfunk geschrieben, son-
dern sind Literaturumsetzungen. Die Form Hörspiel ist noch so ungewohnt, dass die
Theaterschauspieler, die ausschließlich die Sprecherrollen besetzen, teilweise in Kos-
tüm und Maske die Stücke einsprechen
7
. Die Tonspeicherung ist noch nicht ausrei-
chend fortgeschritten, weshalb keinerlei Vorproduktion möglich ist. Man kann also
von live übertragenen Hörtheatern sprechen, in denen Regisseure ähnlich Dirigenten
durch Gesten den Verlauf steuern. Kein Wunder, dass das Theater zunächst eine
Konkurrenz in dieser neuen radiospezifischen Form sieht
8
. Erste Theorien für diese
1
z.B. Heinrich Heines ,Seegespenst', 1923; Hans Fleschs ,Zauberei auf dem Sender', 1924
2
Vgl. Köhler, S.16
3
in der Zeitschrift ,Der deutsche Rundfunk', 1924 zit. n. Köhler S.16
4
Vgl. Krug, S. 14
5
Staatssekretär d. Reichspostministeriums Hans Bredow nach Krug S.14
6
Vgl. Krug, S. 14
7
Vgl. Krug, S. 14
8
Vgl. Krug, S.16

4
Entwicklung entstehen. So fordert zum Beispiel Berthold Brecht, dass ,,Werke [...]
ausschließlich für das Radio gemacht werden müssen"
9
. Töne und Geräusche im
Hörspiel sind aufgrund der bis dahin begrenzt ausgereiften Schallplattentechnik nur
bedingt möglich. Im März 1926 wird der erste Hörfilm ,Der tönende Stein' mit ver-
stärktem Einsatz von Geräuschen urgesendet
10
und erst 1928 kommt es auch im
Rundfunkhörspiel zu Aufzeichnungen von Material oder Sendungen, indem wachs-
beschichtete Platten eingesetzt werden
11
.
12
Hörspiele dieser Zeit sind einzig durch den Rundfunk definiert und verbreitet. Sie
erzielen schnell wachsende Hörerzahlen (1928 bis über 3 Millionen)
13
.
Bis 1929 distanzieren sich viele Schriftsteller vom neuen Medium Hörspiel, da
sie es als trivial betrachten
14
. Erst ab 1929 beginnen bekannte Autoren wie Brecht,
Döblin und Kasack speziell für den Rundfunk zu schreiben. Brecht fordert bereits
1927 mehr Freiräume für Experimente und spezielle Studios sowie neue Technik zu
schaffen
15
. Nun werden Hörspielvorlagen von Autoren geschrieben und von Regisseu-
ren umgesetzt
16
.
Die so genannten Kriegshörspiele beziehen sich auf den geschichtlichen Aspekt
und lösen einen psychologischen Prozess aus: die Auseinandersetzung mit den
traumatischen Ereignissen des Ersten Weltkrieges, weswegen sie extrem erfolgreich
werden.
17
Weitere Themen sind zeitgenössische Sensationen und Abenteuer wie der
Lindberghflug, Ozeanüberquerungen oder Polarexpeditionen.
Hermann Kasack prägt seine reine Worthörspielform des auf innere Monologe
festgelegten Stücks ,Stimmen im Kampf'
18
.
Ab 1930 entwickeln sich die so genannten Arbeitslosenhörspiele, womit erst-
mals politik- und gesellschaftskritische Themen, vorrangig links orientiert, verarbeitet
9
Bertholt Brecht zit. n. Krug S.19
10
Vgl. Krug, S. 18f
11
Vgl. Kälin, S. 32f
12
Das Tri-Ergon-Verfahren (ab 1930) zur Speicherung akustischer Signale auf einer Ton-Licht-Spur, das auch
Möglichkeit der Überblendung bietet, setzt sich aber nicht durch. Für solche Überblendungen werden weiterhin
Trichter verwendet, die man über das Mikrofon stülpt und anschließend wegzieht.
13
Vgl. Krug, S. 24
14
Vgl. Schwitzke, S.65
15
Vgl. Schöning, S.14
16
z.B. W. Zucker: ,Wie nehme ich meinen Chef', 1931; Bertolt Brecht: ,Lindberghflug' 1929; Eduart Reinacher:
,Der Narr mit der Hacke', 1930
17
z.B. Johanssens ,Brigadevermittlung', 1929, das mehr als 50 mal in elf Ländern gesendet werden
18
Vgl. Krug, S. 27

5
werden. Diese werden allerdings meist schon nach einer Ausstrahlung abgesetzt,
denn durch das 1. Reichsrundfunkgesetz (1926) unterliegt der gesamte Rundfunk
der Kontrolle und Zensur des Reichsinnenministeriums durch den kulturellen Beirat
und den politischen Überwachungsausschuss. Die Medienpolitik des Rundfunks hat
schon vor der Machtübernahme Hitlers rechte Tendenzen zu verzeichnen
19
. Im Rund-
funk macht sich die Verschiebung der Machtverhältnisse Richtung Nationalsozialis-
mus also bereits bemerkbar. Schließlich beansprucht Goebbels 1931 einen Einfluss
der Partei auf die Rundfunkverwaltung.
Die Anfänge des Hörspiels sind also geprägt von vielseitigen Umsetzungen, Ex-
perimenten und den neuen Möglichkeiten des Mediums. Ob akustisches Schallspiel,
literarisches Hörspiel oder Sendespiel, die innovativen Ansätze enden mit der Macht-
ergreifung der Nationalsozialisten. Die bereits entwickelten Formen werden erst Jahr-
zehnte nach der NS-Zeit wieder aufgegriffen. Aber auch in der Weimarer Republik ist
das Hörspiel bereits ein Instrument zur politischen Meinungsbildung.
1.2 Die Zeit der Nationalsozialisten (1933-1945)
Das Hörspiel als Instrumentarium der Meinungsbildung, welches wie beschrieben
bereits existiert, wird also von den Nationalsozialisten nur noch okkupiert und perfek-
tioniert
20
.
In den folgenden Jahren erscheinen in Nazi-Deutschland ausschließlich Hör-
spielproduktionen in pervertierter Form als Propagandamittel
21
. Der Machtwechsel
bedeutet zunächst Zensur, aber auch eine Zäsur in der freien Entwicklung. Das Hör-
spiel wird Teil des Propaganda-Apparats, gesteuert vom ,Reichsministerium für
Volksaufklärung und Propaganda' mit der zentralen Figur Goebbels
22
. Einige Hörspiel-
autoren erlangen im Dritten Reich sehr hohe Popularität, am meisten wohl Günter
Eich mit über 50 Hörspielproduktionen von 1933-1940
23
. Andere Autoren wie Brecht
oder Döblin fliehen ins Exil. Innerhalb Deutschlands erhalten Experimental- und
Schallspiele Sendeverbot, denn wie alle Bereiche des Rundfunkprogramms, dient
auch das Hörspiel einer nationalsozialistischen Kulturauffassung von Form und Funk-
19
Vgl. Deutscher Bundestag, S. 270 ff
20
Vgl. Wessels, S. 37
21
Vgl. Döhl, S. 3
22
Vgl. ebd., S. 84f
23
Vgl. Krug, S. 41

6
tion, als Träger einer Leistung
24
.
Die Anzahl der Hörer beträgt konstant sechs bis sie-
ben Millionen, wobei Hörspiele zur besten Sendezeit zwischen 19 und 20 Uhr aus-
gestrahlt werden
25
. Durch die Einführung des preiswerten Volksempfängers 1933 wird
das Radio zum Massenmedium.
Friedrich Knilli teilt das nationalsozialistische Propaganda-Hörspiel in drei Typen
ein
26
:
1. Gemeinschaftsspiele enthalten breitenwirkungszielende Appelle an die gemeinsame
deutsche Volksseele
, geprägt von nationalsozialistischer Sprachmetaphorik und ideologi-
schem Kitsch.
2. Chorische Hörspiele sind den Gemeinschaftsspielen sehr ähnlich, doch mit chorischen
Partien, zum Beispiel Rufchören, Geräuschen und Gesangspassagen durchsetzt. Sie
beinhalten eine triviale, aber reißerische Sinnhaftigkeit, wobei der Text nur hohle Phrase
ist.
3. Kurzhörspiele haben die Funktion der geistigen Mobilmachung und stellen kurze Szenen
dar. Sie tragen Titel wie ,Fliegeralarm', ,Fliegerbomben' oder ,Der Krieg im Dunkeln'.
Bis Kriegsbeginn 1939 dominieren Chorisches und Gemeinschafts-Hörspiel, aber
auch Kurzhörspiele werden bereits gesendet. Wieder werden Klassiker adaptiert, um
Deutschlands Bühnenkultur als eine Art Medienkonserve des Theaters lebendig zu
halten
27
. Während des Krieges aber werden fast nur Kurzhörspiele gesendet, denn ein
Großteil der Mitarbeiter muss zum Militär, andere gehen zum Film. Die Kurzhörspiele
haben nun einen Sendeanteil von weniger als 1%. Dieser Hörspieltyp hat den Vor-
teil, dass er von Hörern nebenbei rezipiert werden kann und Informationen knapp
und eindeutig transportiert. Der Rundfunkteilnehmer wird intellektuell nicht überfor-
dert. Beim Kurzhörspiel kommt es weniger auf die Figuren und deren dramaturgi-
sche Entwicklung an, sondern mehr auf die erregende Situation und darum, den Zu-
hörer nicht zu verwirren.
28
Ende 1944 werden kaum noch Hörspiele gesendet, eines der letzten, das das
NS-Radio ausstrahlt ist eine Rundfunkfassung von Goethes ,Faust'.
24
Vgl. Döhl, S. 48
25
Vgl. Krug S. 44ff
26
Vgl. Knilli, S. 16
27
Vgl. Krug S. 45
28
Vgl. Wessels, S. 505

7
Viele deutsche Hörspielautoren fliehen während der NS-Zeit ins Exil. Ihre Hör-
spiele werden in deutscher Sprache bei den dortigen Sendern produziert
29
. Das
Hauptziel ist die Aufrechterhaltung eines nichtfaschistischen kulturellen Deutschland-
bildes
30
. Der Kampf gegen den Faschismus selbst wird thematisiert. Exilhörspiele erfül-
len den Zweck der Gegenpropaganda; ebenso wie andere Exilkünstler (z.B. Marlene
Dietrich) arbeiten nun deutsche Hörspielkünstler für den ausländischen Rundfunk
31
.
Dabei sind zwei Formen abzugrenzen: Einerseits die Exilhörspiele, die im Ausland
ausgestrahlt auch innerhalb Deutschlands zu empfangen sind, hauptsächlich von der
BBC produziert und übertragen
32
. Andererseits jene Exilhörspiele, die nur im Ausland
zu empfangen sind und dort Deutsche oder Deutschstämmige erreichen.
Letztere Exilhörspiele kommen vor allem in den USA vor. Grund für ihre Aus-
strahlung ist, dass der teilweise gleichgültigen Einstellung vieler Deutsch-Amerikaner
dem Nationalsozialismus gegenüber entgegengewirkt werden soll. Diese Hörspiele
wenden sich auch gegen deutsche Programme im amerikanischen Rundfunk, die
sich nicht eindeutig durch anti-nationalsozialistische Tendenzen ausweisen oder sich
gar positiv dazu äußern
33
.
Das Exilhörspiel hat den Vorteil, dass die akustische Montage und der Schnitt um
einiges leichter ist, da die 1935 auf der Berliner Funkausstellung präsentierte Ton-
bandtechnik im Ausland bereits einsatzfähig ist, während dieses in Deutschland erst
nach Ende des Zweiten Weltkrieges geschehen wird
34
.
1.3 Nachkriegszeit (1945-1960)
Zur Nachkriegszeit erfährt das deutsche Hörspiel eine neue Blütezeit, denn da Thea-
ter und Kinos geschlossen und Bücher sowie Zeitungen rar sind, ist der Hörfunk ein
konkurrenzloses Medium. Das Hörspiel ist nun Theater- und Filmersatz
35
. Zunächst
steht es jedoch noch unter dem Einfluss der westlichen Siegermächte und wird als
29
Beispiele sind Anna Seghers ,Prozess der Jeanne d'Arc zu Rouen 1431' ,1937 und Ernst Ottwalds ,Kalifornische
Ballade', beide im flämischen Programm des Belgischen Rundfunks gesendet, sowie Brechts ,Lukullus vor Ge-
richt' ,1940; Radio Beromünster.
30
Vgl. Krug S.46
31
Vgl. Döhl, S.177
32
z.B. Robert Lucas ,Hitler vs. Hitler' in dem Hitler-Reden geschnitten und neu montiert wurden, so dass er sich
selbst ,entlarvte'.
33
Vgl. Ebd., S.181f
34
Vgl. Kälin, S. 33
35
Vgl. Krug S. 47

8
Instrument der politischen Bildung und zur Demokratisierung der Deutschen ge-
nutzt
36
. Mit Erlass des Art. 5. des deutschen Grundgesetzes zur Gewährleistung von
Pressefreiheit und Freiheit des Rundfunks kann das Hörspiel erstmals vom extremen
Einfluss der Regierenden befreit werden
37
. Nach dem Krieg sind drei Hörspieltypen
populär, stellen jedoch keine Neuentwicklung dar:
1. Hörspiele nach Literarischen Vorlagen
38
2. Originalhörspiele
39
3. Radio-Feature
40
Letzteres unterscheidet sich dadurch von den anderen, dass es nicht unbedingt
Kunst sein will und stellt eine Form zwischen Hörspiel und Reportage dar. Sinn und
Zweck des Hörspiels der Nachkriegszeit ist es, den Hörern neue Lebensperspektiven
zu unterbreiten, politisch umzubilden und ideologisch vom Nationalsozialismus zu
befreien. Besonders Letzteres liegt im Interesse der alliierten Besatzermächte.
41
Erst-
mals wird 1951 der Preis der Kriegsblinden für Hörspiele an ,Träume' von Günther
Eich vergeben, welches aufgrund der Authentizität der Kriegsschauplätze zunächst
auf negative Reaktionen stieß
42
. Diese Ursendung des Hörspiels Eichs wird fälschli-
cherweise als Geburtsstunde des Hörspiels betitelt, wobei sich doch seit 1923 viele
Hörspieltypen entwickelt haben. Anzumerken ist auch, dass Eich nicht nur einer der
erfolgreichsten Hörspielautoren der Nachkriegszeit, sondern bereits im Dritten Reich
war.
Auch andere ehemalige Mitarbeiter an Hörspielen im nationalsozialistischen Re-
gime nehmen ihre Arbeit wieder auf. Nichtsdestotrotz stellen die Nachkriegsjahre
einen Höhepunkt der Popularität und Produktivität des Hörspiels dar. Neue Möglich-
keiten des Schnitts und Montage, durch Einführung und Etablierung des Tonbandge-
rätes in Deutschland steigern das technische Niveau
43
. Es werden mehr als 1.000
Hörspiele, davon 100 bis 120 Ursendungen von den Rundfunkhäusern produziert.
Die Einschaltquoten liegen bei etwa 50%, was damals ca. 12 Millionen Hörern ent-
36
Vgl. Bloom, S.86
37
Vgl. Deutscher Bundestag, S. 366
38
z.B. Zuckmayer ,Die menschliche Stimme'
39
z.B. Volker Starke ,Der Held'
40
bekannte Autoren: Axel Engelbrecht oder Ernst Schnabel
41
Vgl. Bloom, S. 93f
42
Vgl. Krug, S. 49
43
Vgl. Kälin, S. 33

9
spricht. Die Einrichtung der Ultrakurzwelle (UKW/FM) neben der Mittelwelle
(MW/AM) 1950 erhöht die Zahl der möglichen Sendeplätze.
44
1950 erfolgt der Zu-
sammenschluss der Sendeanstalten der Länder zur ARD, was kulturellen Programm-
austausch und Co-Produktionen ermöglicht, sowie die Ausgaben gering hält.
Ab den 1950ern erscheinen die Werke von Hörspielautoren auch in Buchform,
denn auch viele Leser interessieren sich für dieses Genre. Schriftsteller wie Walser,
Grass, Frisch und Dürrenmatt schreiben Originalhörspiele, die meistens von berühm-
ten Schauspielern
45
eingesprochen werden.
Als neues Genre wird das Kinderhörspiel entdeckt, wie z.B. Adaptionen der Bü-
cher Astrid Lindgrens, und mit großem Erfolg gesendet. Rein akustische Schallspiele
sind sehr selten, selbst Geräusche und Musik werden nur sehr wenig eingesetzt.
46
Das
Literarische Hörspiel, Originalhörspiel und das populäre Unterhaltungshörspiel sind
also hauptsächlich vom gesprochenen Wort geprägt. Hörspielmacher bezeichnen
diese als ,traditionelles Hörspiel' und wollen ihm den Sinn und Zweck verschaffen,
als echte Literatur zu gelten
47
. Bis heute zieht sich die Diskussion über die Begrifflich-
keit von Hör
spiel
und Hör
buch
hin. Obwohl viele junge Autoren diese akustische
Literatur bis in die späten 1960er ob seiner Einschränkungen kritisieren, erfreut sich
dieser Typ großer Beliebtheit beim Rezipienten. Dies gilt in den 1950er Jahren be-
sonders für Unterhaltungs- und Kriminalhörspiele. Es wird eine heile Hörspielwelt
kreiert, die Gut- und Böse, Recht- und Unrecht-Kontraste klar abtrennt und meist mit
,happy ends' abschließt. Hörspielserien, vergleichbar mit heutigen ,TV-Soaps', entste-
hen und erreichen mit ,Familie Hesselbach' (Wolf Schmidt) Rekordeinschaltquoten
von bis zu 70%. Wie zur Zeit der Weimarer Republik erfüllen diese Hörspiele die
Funktion eines imaginären Zufluchtsort, eine suggerierte Welt unerschütterlicher Ord-
nungsgefüge die von Alltagsproblemen ablenken.
48
Diese Funktion wird vom Fernsehen mit Heimat- und Kriminalfilmen übernom-
men, wodurch das Hörspiel mehr und mehr an Bedeutung verliert. Nicht nur Hörer,
sondern auch Hörspielmitarbeiter wechseln in die Fernsehproduktion. Das Fernsehen
übernimmt nun die Funktion der Unterhaltung. Der Prozess der Inneren Bühne ist
44
Krug, S. 55f
45
z.B. Klaus-Jürgen Wussow, Helga Feddersen, Joachim Fuchsberge oder Harald Juhnke
46
Vgl. Krug, S. 57ff
47
Vgl. Bloom, S. 35ff
48
Vgl. Bloom S.105ff

10
durch die mitgelieferten Bilder obsolet geworden. Die Hörerschaft zieht das Fernseh-
spiel dem anspruchsvolleren Hörspiel vor.
1.4 Neues Hörspiel und Hörspielkrise (1960-1980)
Seit dem Ende der 1960er Jahre entsteht das experimentelle Hörspiel und Schall-
spiel zusammengefasst unter der Bezeichnung ,Neues Hörspiel'. Der Begriff wird
erstmals von Klaus Schöning
49
1968 eingeführt. Junge Autoren vor allem beim
WDR/SR wollen sich vom traditionellen Hörspielbegriff der Nachkriegsjahre lösen
und sind experimentierfreudig
50
. Anfang der 1960er Jahre werden hauptsächlich lite-
rarische und unterhaltende Hörspiele gesendet. Im traditionellen Hörspiel sind Ge-
räusch und Musik keine vollständigen Mittel, sondern eher als Hervorhebungen und
Unterstreichungen des Wortes angesehen. 1961 fordert Friedrich Knilli ein völlig
neues, experimentelles Hörspiel, in dem alle akustischen Ereignisse emanzipiert und
parallel eingesetzt werden sollen. Er spricht von der Ästhetik des ,totalen Schauspiels'
nach den Ansätzen zur Zeit der Weimarer Republik.
51
Durch die Einführung des Fern-
sehens in den 1960ern setzen Radiomacher eher auf ein musikorientiertes, wortär-
meres Programmangebot; Ende der 1960er wird hauptsächlich Rock- und Popmusik
gesendet. Die Radioeinschaltquoten steigen endlich wieder, jedoch ist der Radio-
rundfunk nicht mehr das bevorzugte Medium, sondern fungiert als Nebenbei-
Medium. Hörsendungen werden auf die neu eingerichteten Zweiten (Ende der
1950er / Anfang der 1960er) und Dritten Programme (Anfang der 1970er) verla-
gert, die speziell für die Interessen von Hörminderheiten eingerichtet werden. Auf
den Zweiten und Dritten ist allerdings genug Platz für Experimente
52
. Hier kann sich
das Hörspiel künstlerisch weiterentwickeln und entfalten und ist frei von Zwängen
durch Gesellschaft, Politik oder Ökonomie. Zusätzlich gibt die Stereophonie neue
Möglichkeiten.
53
Die neuen Schreibstile und -formen wie z.B. die ,Lautmalerei' Kurt Schwitters'
oder dem ,Nouveau Roman' moderner Autoren sind sehr gut vereinbar mit den Ge-
danken des Neuen Hörspiels. Die ästhetische Revolution hat das Hörspiel ergriffen,
49
Dramaturg/Redakteur des WDR, Hörspielabteilung
50
Vgl. Krug, S.69
51
Vgl. Bloom, S.131
52
Vgl. Krug S. 69f
53
hier sind besonders Ernst Jandl und Friederike Mayröcker zu nennen (z.B. ,,Fünf Mann Menschen", 1968)

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (PDF)
9783863415488
ISBN (Paperback)
9783863410483
Dateigröße
283 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Hochschule Mittweida (FH)
Erscheinungsdatum
2011 (August)
Note
1
Schlagworte
Hörspiel Audiobook Hörbuch Hörspielverlag 20. Jahrhundert

Autor

Frank Lücke, Jahrgang 1979, in Mecklenburg aufgewachsen, lebt heute in Berlin. Seit seiner Jugend ist er aktiv als Musiker tätig und beschäftigt sich mit Audiotechnik. Während seines Studiums der Medientechnik und Medienwissenschaften, welches er 2009 erfolgreich abschloss, arbeitete er an verschiedensten Hörspielproduktionen mit. Motiviert durch die Organisation und Produktion sowie den Gesprächen mit bekannten Sprechern von Hörspielen, entschied er sich eine medienwissenschaftliche Zusammenfassung der verschiedenen Formen und Entwicklungen von Hörspielen und Hörbüchern vorzunehmen. Seitdem baut der Autor seine umfassenden Erfahrungen in Medien-, Kultur-, und Musikbetrieb weiter aus und ist selbständig in der Medienbranche tätig.
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