Selektion und Rezeption im Internet: Eine Metaanalyse zu Nachrichtenfaktoren im Online-Journalismus
©2012
Bachelorarbeit
40 Seiten
Zusammenfassung
Wie verändert das Internet den Journalismus? Immer mehr Menschen informieren sich online über das aktuelle Geschehen. Gleichzeitig war es für Journalisten noch nie so einfach, die Reichweite ihrer Inhalte zu sehen. Mit Statistiktools werden besonders beliebte Artikel sofort ermittelt und oftmals auch auf der Startseite als ‚meistgelesen‘ präsentiert. Üben diese technischen Möglichkeiten Einfluss auf die Inhalte von Online-Zeitungen aus? Welche Unterschiede gibt es zu Nachrichten in klassischen Medien? Der Vergleich von Nachrichtenfaktoren in Online-Medien und traditionellen Medien bietet eine Möglichkeit, die Veränderung der Inhalte festzustellen.
Im Rahmen der Literaturanalyse wurden 14 Studien verschiedener Autoren analysiert und die Nachrichtenfaktoren in Print-, Rundfunk- und Online-Medien herausgearbeitet. Als eine der ersten Metaanalysen zu Nachrichtenfaktoren im Internet leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes.
Dabei werden nicht nur die Unterschiede der journalistischen Inhalte analysiert, sondern auch eine mögliche Veränderung der Auswahl von Inhalten durch Rezipienten. Hierfür werden Nachrichtenfaktoren in den beliebten oder ‚meistgelesenen‘ Nachrichten betrachtet. Welche Nachrichtenfaktoren sind für Rezipienten klassischer Medien, welche für Rezipienten von Online-Medien relevant?
User Generated Content in Form von Blogs, Foren und Kommentaren stellt zunehmend eine Konkurrenz zu den etablierten Online-Medien dar. Welche Unterschiede bestehen zwischen Nachrichtenfaktoren in nutzergenerierten und professionell erstellten Inhalten?
Die Nachrichtenfaktoren in Online-Medien, klassischen Medien und den Rezipienten werden jeweils aus verschiedenen Studien ermittelt und miteinander verglichen. Die Methoden und Ergebnisse der einzelnen Studien werden kritisch aufgearbeitet. Die Darstellung von Nachrichtenfaktoren in Tabellen bietet dabei eine hilfreiche Übersicht.
Im Rahmen der Literaturanalyse wurden 14 Studien verschiedener Autoren analysiert und die Nachrichtenfaktoren in Print-, Rundfunk- und Online-Medien herausgearbeitet. Als eine der ersten Metaanalysen zu Nachrichtenfaktoren im Internet leistet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des aktuellen Forschungsstandes.
Dabei werden nicht nur die Unterschiede der journalistischen Inhalte analysiert, sondern auch eine mögliche Veränderung der Auswahl von Inhalten durch Rezipienten. Hierfür werden Nachrichtenfaktoren in den beliebten oder ‚meistgelesenen‘ Nachrichten betrachtet. Welche Nachrichtenfaktoren sind für Rezipienten klassischer Medien, welche für Rezipienten von Online-Medien relevant?
User Generated Content in Form von Blogs, Foren und Kommentaren stellt zunehmend eine Konkurrenz zu den etablierten Online-Medien dar. Welche Unterschiede bestehen zwischen Nachrichtenfaktoren in nutzergenerierten und professionell erstellten Inhalten?
Die Nachrichtenfaktoren in Online-Medien, klassischen Medien und den Rezipienten werden jeweils aus verschiedenen Studien ermittelt und miteinander verglichen. Die Methoden und Ergebnisse der einzelnen Studien werden kritisch aufgearbeitet. Die Darstellung von Nachrichtenfaktoren in Tabellen bietet dabei eine hilfreiche Übersicht.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
davon, ob mit der Etablierung des Online-Journalismus tatsächlich eine
Veränderung der Nachrichtenfaktoren stattgefunden hat. Relevant ist in diesem
Zusammenhang auch, weitere Angebote im Internet zu berücksichtigen. Die
Partizipationsmöglichkeiten wie beispielsweise Blogs werden in Deutschland zwar
noch nicht so umfangreich genutzt wie in den USA. Auch hier wächst jedoch mit
sozialen Netzwerken und Kommentarfunktionen die Bedeutung von User
Generated Content. Welche Nachrichtenfaktoren sind für Blogs und soziale
Netzwerke relevant? Haben Nachrichtenfunktionen einen Einfluss auf das
Kommentarverhalten von Lesern? Diese Fragen möchte diese Arbeit zu
beantworten versuchen. Eine Kategorisierung des aktuellen Forschungsstandes
soll einen Überblick über die bisherigen Erkenntnisse bieten und auf Trends in der
wissenschaftlichen Forschung sowie auf mögliche Lücken im Erkenntnisgewinn
hinweisen.
2 Nachrichtenwerttheorie: Ein theoretischer Überblick
2.1 Das Konstrukt ,,Nachrichtenwert" und ,,Nachrichtenfaktor"
Welche Eigenschaften muss ein Ereignis haben, um zur Nachricht zu werden?
Gemäß der Nachrichtenwerttheorie entscheiden bestimmte Merkmale die
Nachrichtenfaktoren eines Ereignisses darüber, wie viel Beachtung das Ereignis
findet, und ob eine Nachricht über das Ereignis publizierenswert ist. Diese
Merkmale werden als Nachrichtenfaktoren bezeichnet.
Die erste Darstellung der Nachrichtenwerttheorie geht auf Walter Lippmann (1922)
zurück, der den Begriff "news values" etablierte. In dem theoretischen Werk
"Public opinion" erklärt Lippmann die Nachrichtenauswahl durch die begrenzte
menschliche Wahrnehmung: Auch Reporter können nicht alles beobachten und
berichten, sie nehmen nur bestimmte Ereignisse wahr, weil andere außerhalb
dieser Wahrnehmung liegen. Diese Wahrnehmung wird, so Lippmann, durch
Stereotypen konstruiert, die das Bild der Menschen von der Realität bestimmen.
Auch Journalisten haben keinen Zugriff auf die tatsächliche Realität, sondern
sehen zum einen nur einen Ausschnitt davon, dieser wird zum anderen durch
Stereotypen und Schemata wahrgenommen: "For the most part, we define first,
and then see." (Lippmann, 1922, S. 81) Dadurch sind auch eigentlich objektive
Nachrichten das Ergebnis subjektiver Wahrnehmung. Wenn ein Ereignis
bestimmte Merkmale hat, die der Journalist mit den Stereotypen, mit denen er
die Welt wahrnimmt - als bekannt oder fremd empfindet, wird diese Nachricht
ausgewählt und publiziert. "News is not a mirror of social conditions, but the report
of an aspect that has obtruded itself." (ebd., S. 341) Der Nachrichtenwert eines
Ereignisses wird diesem also erst durch den Journalisten, beziehungsweise durch
dessen Realitätswahrnehmung, zugeschrieben.
Dieser Annahme liegt auch die Unterscheidung zwischen Nachrichtenfaktoren und
Nachrichtenwert zugrunde, die beispielsweise Schulz (1976) vornimmt, und die
auch in Kepplingers Zwei-Komponenten-Modell betont wird (u.a. 1998, 2000,
2006). Der Nachrichtenwert setzt sich demnach aus den Nachrichtenfaktoren
sowie aus der Bewertung dieser Faktoren durch den Journalisten zusammen. Die
Unterscheidung der Begriffe ist auch dann relevant, wenn man die
Nachrichtenwerttheorie nicht als alleinigen Erklärungsversuch für
Nachrichtenselektion, sondern als einen von verschiedenen Faktoren ansieht, die
bei der Auswahl von Nachrichten eine Rolle spielen. Im Gegensatz dazu steht das
Verständnis von Nachrichtenfaktoren als etwas 'Natürliches' , als objektive
Eigenschaften von Ereignissen. Dies beschreibt Staab (1990) im sogenannten
"Kausalmodell":
"Ereignisse oder Meldungen werden danach deshalb von den Massenmedien veröffentlicht, weil
sie bestimmte Eigenschaften (Nachrichtenfaktoren) besitzen und weil ein Konsens über die
Bedeutung dieser Eigenschaften (Nachrichtenfaktoren) besteht. . . . Indem dieses Kausalmodell
den Aspekt möglicher Intentionalität journalistischen Handelns ausgrenzt, erweist sich die
Nachrichtenwert-Theorie als apolitisch." (S. 94)
Ergebnisse aus anderen Forschungszweigen, beispielsweise die News Bias-
Forschung zeigen jedoch, dass die Nachrichtenauswahl kein "bloßer Reflex"
(ebd.) ist, sondern durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst wird. Die
Nachrichtenfaktoren spielen dabei eine Rolle. Sie allein erklären jedoch nicht
beispielsweise die politische Leitlinie eines Mediums oder Unterschiede zwischen
Boulevard- und Qualitätsmedien. Das Kausalmodell wurde von Staab zwar
empirisch bestätigt, "die geringe Erklärungskraft der Nachrichtenfaktoren für die
Platzierung von Beiträgen sowie die Unterschiede zwischen den einzelnen
Mediengattungen und verschiedenen Themenbereichen relativieren jedoch
dessen Verallgemeinbarkeit". (ebd., S. 214) Staab schlussfolgert, dass sich dieses
Modell zwar teilweise empirisch bestätigen lässt, jedoch nicht geeignet ist, um die
Nachrichtenauswahl adäquat zu erklären (ebd., S. 215). Als Alternative schlägt
Staab das "Finalmodell" vor, "in dem die Nachrichtenfaktoren als
Legitimationselemente für Publikationsentscheidungen fungieren" (ebd., S. 98).
Demnach statten Journalisten Ereignisse bewusst mit Nachrichtenfaktoren aus,
um ihre Auswahl zu legitimieren. Damit folgt Staab der oben beschriebenen
Argumentation von Lippmann, geht allerdings noch einen Schritt weiter und
unterstellt Journalisten eine (bewusste) Intention bei der Auswahl von Nachrichten
anstatt eines unbewussten Selektionsprozesses durch Stereotypen.
Möglicherweise würden sich in das Finalmodell auch die veränderten
Bedingungen im und durch den Online-Journalismus einfügen, die nicht die
Selektionsentscheidungen an sich, sondern die Arbeitsbedingungen von
Journalisten verändern. Beispielsweise ließen sich Veränderungen in der
Nachrichtenselektion so durch die Klickraten erklären: Der ökonomische Druck
veranlasst Journalisten, bewusst andere Nachrichtenfaktoren hervorzuheben, die
Rezipienten bevorzugen. Dieser Mechanismus soll in Kapitel 5 weiter diskutiert
werden. In diesem Zusammenhang wird auch häufig kritisiert (u.a. Kepplinger,
1988), dass reine Inhaltsanalysen in der Nachrichtenwertforschung nur eine
geringe Aussagekraft besitzen: Sie beschreiben zwar den Output der
Nachrichtenauswahl, nicht aber den Selektionsprozess selbst. Die Identifizierung
von Nachrichtenfaktoren enthält noch keine Aussagen darüber, wie und warum
Journalisten die Nachrichten mit genau diesen Nachrichtenfaktoren ausgewählt
haben. Dies könnte beispielsweise über Input-Output-Analysen und
Beobachtungen in Redaktionen sowie Befragungen von Journalisten geschehen.
Kepplinger schlägt desweiteren das Zwei-Komponenten-Modell vor, bei dem die
Nachrichtenfaktoren und der Nachrichtenwert der Nachrichtenfaktoren
zusammenspielen. (u.a. Kepplinger, 1988) Letzterer kann beispielsweise durch die
Mediengattung oder die journalistische Ausbildung beeinflusst werden. Mit diesem
Modell lässt sich der Umfang von Beiträgen vorhersagen, allerdings, so
Kepplinger, kann es für sich genommen, die Nachrichtenauswahl zwar
vorhersagen, aber nicht vollständig erklären. (ebd., S. 473) Hierfür ist, wie
beschrieben, die Kombination verschiedener Methoden nötig.
2.2 Begründung der europäischen Forschungstradition: Galtung und Ruge
Bereits Lippmann hat nicht nur das theoretische Konstrukt eines Nachrichtenwerts
beschrieben, sondern auch konkrete Faktoren genannt, die das Ereignis zur
Nachricht machen. Er beschreibt die Nachrichtenfaktoren, darunter Nähe,
Prominenz, Überraschung und Konflikt, anhand von Beispielen, aber noch ohne
empirische Überprüfung. Die europäische Forschungstradition gründet auf einer
empirischen Studie von Galtung und Ruge (1965), die unter Bezugnahme auf
Östgaard (1965) einen Katalog von 12 Nachrichtenfaktoren ausarbeiteten. Diese
Faktoren dienen bis heute als Grundlage für weitere empirische Untersuchungen.
Sie wurden immer wieder erweitert, ergänzt und im Detail verändert.
Galtung und Ruge stellten die Additivitätshypothese auf, wonach eine Nachricht
umso mehr Beachtung findet, je mehr Nachrichtenfaktoren sie enthält. Sie stellten
ähnlich wie Staab (1990) im Finalmodell auch die These auf, dass
Nachrichtenfaktoren nach der Auswahl einer Nachricht vom Journalisten
hervorgehoben und betont werden, um die Auswahl zu legitimieren. (nach Galtung
& Ruge, 1965, S. 71) Dieser Prozess fände auf jeder Stufe der ,,Kette" des
Nachrichtenauswahlprozesses statt. Deshalb seien Nachrichtenfaktoren
beispielsweise in Auslandnachrichten verstärkt zu finden: Der Prozess vom
Korrespondenten bis zum Redakteur sei länger, und je mehr Personen an der
Auswahl beteiligt seien, umso stärker würden die Faktoren am Ende hervortreten.
Warum wurde dieser erste umfassende Nachrichtenfaktorenkatalog
weiterentwickelt? Aus der Konzeption von Galtung und Ruges Studie ,,The
Structure of Foreign News" ergeben sich einige, zunächst nicht offensichtliche
Probleme. Galtung und Ruge untersuchen keine ,day-to-day`-Nachrichten,
sondern Krisenberichterstattung. Die Nachrichtenfaktoren, die sie zunächst
theoretisch herleiten und dann in ihrer Komplementarität prüfen, beziehen sich
also auf eine spezielle Art politischer Nachrichten. Hingegen widmen sich neuere
Studien oft auch der nicht-politischen Berichterstattung. Eine Ausdifferenzierung
der 12 Nachrichtenfaktoren war deshalb notwendig und wurde auch schon
beispielsweise von Schulz (1976) mit 19 Faktoren und später von Fretwurst (2008)
und Maier, Ruhrmann und Stengel (2009) mit 19 bzw. 22 Nachrichtenfaktoren
unternommen. Diese Ausdifferenzierung der Nachrichtenfaktoren kann ,,insofern
positiv bewertet werden, als es auf der Grundlage eines detaillieren Instruments
möglich sein sollte, die Merkmale eines Ereignisses vollständig zu erheben".
(Maier et al., 2010, S. 98) Gleichzeitig wurden die erhobenen Faktoren wieder in
verschiedene Dimensionen zusammengefasst (bei Schulz (1976) in sechs
Dimensionen, in die 19 Nachrichtenfaktoren eingeordnet werden). Dies erscheint
zunächst widersprüchlich. Maier et al. (2010) erklärt, dass durch die
,,Ausdifferenzierung des Kriterienkatalogs . . . die Komplexität des journalistischen
Auswahlprozesses überschätzt wird". (S. 98) Inwieweit einzelne Faktoren
übergeordneten Dimensionen zugeordnet werden können ist eine Frage ihrer
Operationalisierung und des Forschungsinteresses. Eine genaue Analyse der
Berichterstattung ist mit vielen eng definierten Faktoren sicherlich am besten
möglich, wohingegen bei der Frage nach dem Selektionsprozess eher die
Faktorendimensionen geeignet scheinen. Auch Harcup und O'Neill (2001) weisen
auf die Probleme von Galtung und Ruges Faktorenkatalog hin, der sich aus der
veränderten Medienlandschaft ergeben könnte. "Day-to-day coverage or lesser,
domestic and bread-and-butter-news" (ebd., S. 276) haben sie demnach nicht
berücksichtigt. Viele der Nachrichtenfaktoren von Galtung und Ruge seien
außerdem missverständlich oder nicht eindeutig (S. 268, f.), woraus sich Probleme
bei der Operationalisierung ergeben und unterschiedliche Studien trotz desselben
Faktorenkatalogs unter Umständen nicht vergleichbar sind. Harcup und O'Neill
überprüfen die 12 Nachrichtenfaktoren empirisch und kommen zu dem Schluss,
dass viele Meldungen von diesen nicht abgedeckt werden. Sie schlagen deshalb
einen neuen Faktorenkatalog vor, der beispielsweise den Nachrichtenfaktor "elite
people" in mehrere Faktoren aufspaltet, "entertainment" hinzuzieht und die
"newspaper agenda" berücksichtigt. (ebd., S. 279) Diese Faktoren scheinen in
Zeiten von Boulevard, 'Infotainment' und zunehmender Inszenierung von
Ereignissen treffender zu sein. Empirisch überprüft wurden sie allerdings noch
nicht.
Insgesamt lässt sich festhalten: Die Wichtigkeit der Studie von Galtung und Ruge
ist unbestritten. "The Structure of Foreign News" zählt bis heute zu den
wichtigsten Beiträgen zur Nachrichtenwertforschung, ihre Ergebnisse wurden in
späteren Studien immer wieder verifiziert. Auch die Additivitätshypothese wurde
immer wieder bestätigt, wie auch im Laufe dieser Arbeit gezeigt werden wird. Für
die heutige Medienlandschaft erscheinen die 12 Faktoren zwar nicht mehr
ausreichend zu sein. Dennoch gelten sie nachwievor zurecht als grundlegend für
die Nachrichtenselektion und dienen deshalb als Basis für neue Faktorenkataloge.
Auch in den im Folgenden betrachteten Studien ist dies der Fall.
3 Methodik
Für diese Bachelorarbeit wurde die Methode einer qualitativen Literaturanalyse
verwendet. Die Zielsetzung der Arbeit ist nicht nur eine additive Darstellung der
Ergebnisse aus der Nachrichtenwertforschung, sondern die Beantwortung von
Forschungsfragen, die nicht explizit in allen untersuchten Studien enthalten ist.
Nach Bonfadelli und Meier (1984) handelt es sich deshalb um die "empirische
Evidenz einer Theorie bzw. einer Hypothese", bei der "die Ergebnisse von
Primärstudien systematisch in einen theoretischen Bezugsrahmen integriert"
werden (S. 541). Dabei soll ein hoher "Synthetisierungsgrad" erreicht werden,
sodass die Schlussfolgerungen aus dieser Arbeit "mehr als die Summe der
Einzelforschungen darstellen" (ebd., S. 542). In den folgenden Kapiteln sollen
dafür die Methoden und Ergebnisse der ausgewählten Studien vorgestellt werden
und den entsprechenden Forschungsfragen zugeordnet werden. Dabei wird auch
auf die Frage eingegangen, ob die verschiedenen Studien mit ihren
unterschiedlichen Methoden tatsächlich vergleichbar sind. Stellenweise wird die
Methode des propositionalen Inventars verwendet (ebd., S. 543), dies dient
allerdings vor allem Darstellungszwecken und der Übersichtlichkeit. Im Anschluss
wird versucht, die Forschungsfragen mithilfe der gefundenen Ergebnisse zu
beantworten.
Aus Gründen der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit soll kurz der Prozess der
Literaturauswahl beschrieben werden. In verschiedenen Datenbanken, unter
anderem EBSCO
1
und der virtuellen Fachbibliothek medien bühne film
2
, wurde
nach den Schlagworten "Nachrichtenwert", "Nachrichtenwerttheorie",
"Nachrichtenwertforschung", "Nachrichtenfaktoren", "news values" und "news
flow" gesucht. In den Quellenangaben der gefundenen Literatur wurde nach dem
'Schneeballsystem' nach weiteren relevanten Arbeiten gesucht. Dabei zeigte sich,
dass sich der größere Teil der Literatur mit Nachrichtenfaktoren in klassischen
Medien, und verhältnismäßig wenige Studien mit Online-Nachrichten
auseinandersetzen. Hierzu muss allerdings bemerkt werden, dass ausschließlich
Arbeiten ausgewählt wurden, die sich empirisch mit Nachrichtenfaktoren
auseinandersetzen. Weitere Arbeiten, die beispielsweise Selektion von Themen,
Ressorts oder soft news und hard news behandeln, wurden nicht als zentrale
1
http://search.ebscohost.com/
2
http://www.medien-buehne-film.de/
Studien ausgewählt, sondern nur unterstützend rezipiert, obwohl sie unter
Umständen einen Beitrag zur Frage nach Nachrichtenselektion im Internet leisten
können. Da der Umfang dieser Bachelorarbeit jedoch begrenzt ist, wurden diese
Studien ausgelassen. Sie zu berücksichtigen muss die Aufgabe zukünftiger Meta-
Analysen bleiben. Ursprünglich sollten Studien ab dem Jahr 2000 berücksichtigt
werden, allerdings zeigte sich, dass die früheste Arbeit von Rössler aus dem Jahr
1999 stammt. Diese wurde berücksichtigt. Insofern wurde kein spezieller zeitlicher
Rahmen angesetzt. Für die Forschung zu Nachrichtenfaktoren in klassischen
Medien mussten aufgrund des umfangreichen Materials einige Studien
exemplarisch ausgewählt werden. Zwar kann nicht gewährleistet werden, dass
diese Bachelorarbeit die Nachrichtenwertforschung vollständig aufarbeitet. Die
ausgewählten Forschungsarbeiten scheinen jedoch nach sorgfältiger Recherche
und Auswahl repräsentativ für den derzeitigen Forschungsstand zu sein.
4 Ergebnisse der Literaturanalyse
4.1 Nachrichtenfaktoren in klassischen Medien: ein Überblick über den
Forschungsstand
4.1.1 Journalistische Selektion in klassischen Medien
Verschiedene Studien gelten als Meilensteine in der Nachrichtenwertforschung.
Die Bedeutung des Faktorenkatalogs von Galtung und Ruge (1965) wurde bereits
betont. Östgaard (1965) nennt ebenfalls für die Nachrichtenselektion relevante
Merkmale, überprüft seine Ergebnisse jedoch nicht empirisch. Galtung und Ruge
bauen darauf auf und stellen einen Katalog aus zwölf Nachrichtenfaktoren
zusammen. Diesen entwickeln sie ,,aus wahrnehmungspsychologischen
Grundannahmen und unter Zuhilfenahme einer Radio-Metapher" (Maier et al.,
2010, S. 73). Galtung und Ruge überprüfen nicht direkt die Wirkung einzelner
Nachrichtenfaktoren, sondern ihre Wechselwirkung untereinander. Sie kommen zu
dem Schluss, dass es ,,wahrscheinlich ein Phänomen wie die Komplementarität
von Nachrichtenfaktoren" gibt (1965, S. 80). Insgesamt prüfen sie die
Nachrichtenfaktoren Frequenz, Aufmerksamkeitsschwelle, Eindeutigkeit,
Bedeutsamkeit, Konsonanz, Überraschung, Kontinuität, Komposition,
Personalisierung, Bezug zu Elite-Personen, Bezug zu Elite-Nationen sowie
Negativismus.
Brighton und Foy (2007) kritisieren die Methodik von Galtung und Ruge und
weisen auf deren "specific interest in peace research" hin, sowie auf die begrenzte
Anzahl länderspezifischer Publikationen. (S. 2 ff.) Brighton und Foy untersuchen
mehrere Mediengattungen, allerdings auch aus einem begrenzten geographischen
Umfeld (Großbritannien). Sie nehmen einen vergleichsweise kurzen
Faktorenkatalog als Grundlage, der nur sieben Nachrichtenfaktoren umfasst. In
Printmedien (neun britischen Zeitungen) finden sie vor allem die Faktoren
Thematisierung, Ungewöhnlichkeit, Prominenz, die Erwartung des Rezipienten,
sowie externe Einflüsse. Nicht explizit beantworten sie damit die Frage, ob Medien
"Agenda Setters" oder "mirrors of society" sind. (ebd., S. 46) Ersteres erscheint im
Hinblick auf die relevanten Nachrichtenfaktoren (besonders die Erwartung des
Rezipienten und externe Einflüsse) wahrscheinlicher. Brighton und Foy stellen
außerdem abschließend die Frage, ob "news" zu "stories" werden. (ebd., S. 193)
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783863418274
- ISBN (Paperback)
- 9783863413279
- Dateigröße
- 210 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Ludwig-Maximilians-Universität München
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,7
- Schlagworte
- news values Nachrichtenselektion Neue Medien Selektionsforschung Nachrichtenwert Journalismus
- Produktsicherheit
- BACHELOR + MASTER Publishing