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Die Entstehung früher Shoppingkultur: Betrachtung kulturgeschichtlicher Entwicklungen

©2012 Bachelorarbeit 43 Seiten

Zusammenfassung

Die Entstehung und Installierung des frühen Warenhauses, Grand Magazins und Departmentstores zeitgenössischer europäischer Metropolen sowie die damit verbundenen marktwirtschaftlichen, gesellschaftspolitischen sowie sozialen Umwälzungen werden in dieser Arbeit dargestellt und die Forschung zu diesen Themen hinterfragt.
Die unterschiedlichen Entwicklungen in Deutschland, England und Frankreich sollen Einblick in Themen wie die Demokratisierung des Konsumierens, der modernen Architektur der Kaufhäuser oder theoretischen Betrachtungen des Konsumierens in der Moderne eröffnen.
'Eingebettet in zeitgenössische Bauweisen war das Warenhaus immer ein Ort der Warenpräsentation und der Schaulust. Durch die Betrachtung der frühen Gebäudeformen europäischer Departmentstores und Grand Magazins wird zum einen klar, welche Wichtigkeit die Gesellschaft diesen Tempeln der Kauflust, andererseits sich selbst beimaß; spiegeln sie die Anfänge gekonnter Selbstinszenierung und beabsichtigter Selbsterhöhung wider. Mit der Eingliederung früher Warenhäuser in die zeitgenössische Baukunst, welche für Museen, Regierungsgebäude, Brücken und Ähnliches verwendet wurde, manifestiert sich das Phänomen der Etablierung des Warenhauses in der Moderne.'
Die Anfänge des "modernen Europa" liegen in der Etablierung einer modernen Wirtschaftsform, welche Einfluss auf alle anderen Lebensbereiche mit sich brachte. Indem sie zur Grundlage menschlicher Wertesysteme avancierte, wurde sie ausschlaggebend für die Veränderung moderner Kultur.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2 länderspezifische entwicklungen

„Eindeutige Abgrenzungen der Begriffe Warenhaus und Kaufhaus gibt es bisher nicht“[1], heißt es 1941 bei Arnold Centner[2] , der eine Trennung wie folgt suggeriert: das Warenhaus als „Allbedarfsartikelgeschäft“ zu betrachten, während das Kaufhaus eher „als Großbetriebliche Form eines Fachgeschäftes oder eines Bedarfsartikelgeschäftes, dessen Sortiment auf Waren eines oder weniger Bedarfszwecke beschränkt ist“ gelten könne. Jedoch, so räumt er ein, gäbe es beinahe nur Mischformen.[3] In dieser Beschäftigung mit seiner Bedeutung allerdings werde ich die begriffliche Differenzierung älterer Diskurse beiseitelassen, da ich die Gewichtung meiner Arbeit eher in der Sozial- als in der Wirtschaftsgeschichte angesiedelt sehe.

2.1 England

“The origins of the British department store are firmly rooted in the twin process of industrialisation and urbanisation” [4] , meint Bill Lancaster in seinem sozialhistorischen Aufsatz von 1995. Doch soll man nicht dem naheliegenden Schluss folgen, dass auch das Viktorianische Kaufhaus seinen Ursprung in dieser Gesellschaftsdynamik (durch größere Städte kommt es zur Vervielfältigung der Bedürfnisse, wodurch neue Läden entstünden) gefunden habe. Denn Geschäfte, Verkäufer und Konsumenten hat es immer gegeben und auch wurde noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein in Kleinmanufakturen produziert. Sprich: die Entwicklungsgeschichte des Departmentstores ist komplex wie die der Staatsökonomie und entsprach einer Erneuerung, welche sich im Zuge der industriellen Revolution vollzog. Obwohl das Groß der einfachen Bevölkerung alle Konsumgüter, die nicht der Ernährung dienten, in der spätgeorgisch-frühviktorianischen Phase bei Wanderhändlern kauften, breiteten sich zu dieser Zeit spezialisierte Markthallen und Arkaden in größeren Städten aus. Ihr innerer Aufbau entsprach einer neuen Rationalität, in welcher auch bereits bestehende Märkte umstrukturiert wurden. Lancaster geht hier exemplarisch auf die Reorganisation der Innenstadt des zeitgenössischen Newcastle ein, dessen Angelpunkt der dort installierte Fleischmarkt war. Dieses Beispiel ist deshalb interessant, da Newcastle zu jener Zeit ein bedeutender Umschlagplatz für Kohle war.

Die hier stattfindenden Ereignisse waren exemplarisch für die damaligen Umwälzungen, die sich in der europäischen Gesellschaft vollzogen. Denn die gesellschaftliche Organisation der ansässigen Bevölkerung wurde durch die marktwirtschaftlichen Prozesse des blühenden Kohlehandles umstrukturiert. So entstanden neue Erwerbstätigengruppen, Angestellte und Manager drifteten in ihrer sozialen Position immer weiter von den Kohlearbeitern weg. Gleichzeitig war der Einzelhandel, der keine Nahrungsmittel anbot, auf gehobenes Klientel angewiesen und brauchte deshalb die finanziell schwächeren Schichten nicht als Konsumenten anzusprechen. Arbeiterlöhne waren im nationalen Vergleich hoch und so erklomm auch diese Bevölkerungsschicht eine gewisse finanzielle Disponibilität.

1838 entschied sich Emerson Muschamp Brainbridge, gängie Verkaufsstrategien von Märkten auf sein Textilfachgeschäft anzuwenden:

What he offered was clearly marked prices, good quality products considerably cheaper than his rivals and an insistence on cash payment. This cash nexus at once liberated and democratised his shop. […] Brainbridge had discovered the retailers’ philosopher’s stone that was to prove to be as profound as steam power to industry.”[5]

Dem Kunden wurde hier mittels der reglementierten Überwachung des Wägeprozesses[6] das Gefühl preislicher Stabilität des Marktes vermittelt. Von hier aus breitete sich der organisierte Marktcharakter auch auf andere Sparten aus.[7] Fixpreise und Barverkäufe führten zur Akzentuierung des Lagerumschlages und befähigten den Verkäufer nun bar und in großen Mengen beim Lieferanten zu kaufen, wodurch für ihn die Warenpreise im Einkauf sanken. In Verbindung mit niedrig kalkulierten Gewinnspannen wurde der Konsum für eine sich entwickelnde Mittelschicht attraktiv. Ein ähnlicher Verlauf kann in Manchester beobachtet werden; ebenfalls ein Zentrum des Kohlehandels. Wobei das Stadtzentrum von Manchester (im Gegensatz zu Newcastle) nicht systematisch geplant, sondern durch die lokale Industrie natürlich gewachsen war. Der Bazar in Manchester (errichtet in
Deansgate 1832) hatte ursprünglich ähnliche Einrichtungen in London zum Vorbild gehabt, die ihrerseits wiederum dem Pariser Beispiel der frühsozialistischen Phalanstérès gefolgt waren.

Der Begründer des Deangatemarktes, John Watts, wollte also nach diesem Modell eine Markthalle aufbauen, in welcher er Läden an Händler unterschiedlicher Branchen vermietete, um größtmögliche Warendiversität anbieten zu können. Um dieses Konzept zu unterstützen, wurden die Verkaufsräume lediglich für die Dauer einer Woche vermietet, was für die Händler allerdings bedeutete, dass sie sich auf Barverkäufe beschränken mussten. So etablierten sich die Einrichtung fixer Preise und deren Ausschilderung.

Anders als in Newcastle aber, übernahm ein Stoffhandel die Halle mitsamt des neues Geschäftsmodelles und richtete ein Stoffwarenhaus ein. Dieser neue Prototyp des Departmentstores stellte also durch seine Warendiversität eine Brücke zwischen Angebot und Nachfrage in Puncto Bedürfnisschaffung dar: Wer sich hier Stoff zur Selbernähen eines Kleides kaufte, würde bald wiederkommen und sich Stoffe für passende Accessoires besorgen; nach dem Vorbild des französischen Modebewusstseins.

2.2 Frankreich

Die Verbindungen und Parallelen zur französischen Handelslandschaft sind nicht von der Hand zu weisen. Unter napoleonischer Herrschaft sollte Paris zum Zentrum der modernen Welt avancieren und London in keiner Hinsicht nachstehen. Also musste zunächst der ökonomische gap zwischen den Metropolen rasch aufgeholt werden – schon 1855 wurde im Louvre eine zweite Weltausstellung[8] installiert.[9] Doch was hat die Ausrichtung einer Ausstellung mit der Etablierung des Warenhauses zu tun?

Erstens sehen wir, dass zu jener Zeit die europäischen Wirtschaftsmodelle bereits angeglichen werden, die Metropolen und Volkswirtschaften sich somit im direkten Vergleich befanden und zweitens entstand zu jener Zeit ein neues Verständnis für die Bedeutung von Produktion und Konsum; für Industrie, Handel und Endverbraucher. Auch finden wir in der Weltausstellung eine bauliche Konstruktion, welche zum Bummeln einlädt, also eine Art prämoderne Shoppingmall, die parallel zum Warenhaus bestand. Durch die Mall flanieren konnte jeder, doch sich die (ausgepreisten) Waren leisten, konnten nicht alle dieser window shopper.

So meint Lancaster über die betörende Wirkung phantastischer Auslagengestaltung: “In a sense just admiring the goods on display indicated appreciation of modern society; ownership offered full membership of the club. [The] spectacle and browsing were integral to the success of the exposition and these elements had tremendous potential for retailing.”[10]

Der Erfolg der großen Warenhäuser ging darauf zurück, dass sie ihren Fokus auf die Bedürfnisse der aufstrebenden Mittelklasse legten; sie boten das größtmögliche Konsumentenpublikum. Einerseits war sie in großer Menge vorhanden und wuchs stetig, andererseits verfügte sie über gerade genügend mobiles Kapital, um dem Kauftrend folgen zu können.[11] So ist auch das Wachstum der französischen Wirtschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die komplexen Zusammenhänge zwischen dem neuen Wertesystem der Konsumgüter, dem „modernen“ Umgang und Verständnis von und mit Mode sowie der bourgeoisen Kultur dieser Zeit zurückführen.[12]

Die Zunahme der Detailhandelsfilialen sowie der nur langsame Fortschritt der Industrialisierung verhinderten ein rasches Aufkommen industrieller Massenerzeugung in Frankreich, wie es etwa in Deutschland[13] oder England der Fall war. Auch blieben in Frankreich alte Gewerbestrukturen – vor allem im Handwerk – länger erhalten. In der Forschung werden die unterschiedlichen Ausgangssituationen zur Zeit der Industrialisierung auf historisch sehr unterschiedliche Entwicklung in der Staatsstruktur zurückgeführt.[14] Forschungen der Historiker in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erwecken den Eindruck, als verstünden sie Nationen als quasi mit angeborenen Charakterzügen ausgestattet[15], allerdings gestehen ihre Statistiken den Ländern eindeutig unterschiedliche Gewichtungen ihrer Ressorts zu. Die Zahlen der im Handel Beschäftigten geben Aufschluss darüber, in welchem Verhältnis die Entwicklung kapitalistischer Produktions- und Distributionsverhältnisse zur Ausprägung des landwirtschaftlichen Sektors einer Volkswirtschaft steht. „Keines der großen Länder Westeuropas und die U.S.A. wendet für die Verteilung der Güter so wenig Menschen auf wie Frankreich, eine Tatsache, die sich vor allem aus dem landwirtschaftlichen Charakter des Landes erklärt.“[16]

Stagnierendes Bevölkerungswachstum, geringe Großstädtebildung, der eben genannte agrarische Charakter Frankreichs sowie dessen geringe Bevölkerungsdichte die waren also die Gründe für das nur langsame Aufkommen moderner Wirtschaftsformen.[17]

„Wir haben es also in Frankreich mit einem überaus weitmaschigen Verbrauchernetz zu tun, was der wohl ausschlaggebende Grund für den geringen Verteilungsapparat sein dürfte“[18], heißt es weiter bei Arnold Haase.

Der Detailhandel als Nahversorger einerseits und die andererseits starke Ausprägung des Versandhandels (bzw. der fahrenden Händler, der sogenannten „Roulottiers“) bilden die zwei Hauptmerkmale des französischen Handels der Jahrhundertwende. Daraus ergibt sich weiter, dass durch das Aufkommen der Warenhäuser in Frankreich vor allem Mittelbetriebe (also mit Mitarbeiterzahlen von fünf bis fünfzig Angestellten[19] ) unter dem Konkurrenzdruck spezialisierter Kleinbetriebe und großen Warenhäusern mit riesigen Warenpaletten zu leiden hatten.[20] So formte die Etablierung der großen Warenhäuser den Detailhandel; Läden, in welchen der Besitzer alleine oder mit nur einem bis fünf Mitarbeitern seine lokale Stammkundschaft mit kaum spezialisierten Alltagsgütern bediente oder spezifische Fachgeschäfte, welche das zusammen das Groß der Mittelbetriebe in Frankreich darstellten, verschwanden zusehens.

2.3 Deutschland

Im Vergleich zu England oder Frankreich rief der Modernisierungsprozess im deutschen Kaiserreich eine wesentlich größere Debatte und bedeutsam tiefenwirksamere gesellschaftliche Zerwürfnisse hervor.[21] Die hier bis in die 1870er Jahre vorherrschende
Gesellschaftsorganisation einer adelsgeprägten und auf traditionellen Wertesystemen
beruhenden Ständehierarchie, konnte dem wirtschaftlichen und rasant anwachsenden Konkurrenzdruck anderer europäischer Länder kaum etwas entgegensetzen. Durch die bewusste volkswirtschaftliche Investition in eine staatlich installierte Produktion konnte die deutsche Wirtschaft in relativ kurzer Zeit ein enormes Wachstum verzeichnen.

So war in nur 5 Jahren […] im deutschen Kaiserreich die Warenproduktion um mehr als ein Drittel angestiegen.“[22] „Dieser stark beschleunigte Warenausstoß musste, wollte man nicht für das Warenlager produzieren, ebenso schnell, wie produziert wurde, Abnehmer finden“[23], schlussfolgert Thomas Lenz. Doch eine derart produktive Industrie stieß zu jener Zeit auf einen ebenfalls noch vergleichsweise schwach florierenden Handel (wobei dem Handel die Funktion der Abnehmerlukrierung zukommt, vergleiche Kapitel 4.3 Der Handel). So entstand die Notwendigkeit einer organisierten Bedarfsweckung, um die massenhaft produzierten Güter an den Konsumenten zu bringen.[24]Zu diesem Zweck wurde die Sichtbarkeit der Waren in den Städten vergrößert: Reklame, Litfaßsäulen, Schaufensterwerbung und nicht zuletzt die großen Warenhäuser der Jahrhundertwende entstanden und veränderten rasant das Gesicht der Städte“.[25]

Also ergibt sich für das Warenhaus im Fall Deutschlands eine Doppelfunktion: Einerseits entsteht eine neue Möglichkeit des massenhaften Verkaufs von Konsumgütern durch Schaffung neuer baulicher Dimensionen. Durch diese neue Bauform werden Waren und Konsum um die gesellschaftssoziologische Komponente haptisch und visuell wahrnehmbarer Omnipräsenz erweitert. So wird Konsum(möglichkeit) zu einem Spektakel, einem städtischen Erlebnis, und der Weg der konsumdefinierten Gesellschaft „ vom Versorgungs- zum Erlebniskonsum“[26] vorgezeichnet. Die dargestellten Vorkommnisse in Deutschland geben Zeugnis vom aktiven Bewusstsein um „moderne“ Marktökonomien; man musste ihre Funktionsweise verstehen, um ihrem volkswirtschaftlichen Beispiel folgen zu können. Diese These führt mich zur zweiten Bedeutungsebene des deutschen Warenhauses. Die rationale Erkenntnis des vorherrschenden Wirtschaftssystems und dem planmäßigen Einstieg in dieses System stellt ein entscheidendes Moment der Selbstwahrnehmung moderner Gesellschaften als kapitalistisch dar. Dadurch sehe ich meine eingangs postulierte Annahme, das Warenhaus sei Manifestation der Selbstinszenierung sowie die ihr vorausgegangenen Selbsterkenntnis und -positionierung einer Gesellschaft als ‚modern‘, bestätigt.

2.4 Die Weltausstellung der Industrie von 1851

The Crystal Palace as a Winter Garden, as approved by Sir Joseph Paxton. Exhibited at the Gallery of Illustration, Regent Street.[27]

Grafik 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

“Im Sommer des Jahres 1851 wurde die erste ,Great Exhibition of the Works of Industry of all Nations’ […], im Londoner Hyde Park abgehalten. […] Eigens für die Veranstaltung wurde […der] Crystal Palace, einen Palast aus Eisen und Glas [errichtet]. Die aus vorgefertigten Eisen- und Glaselementen in nur 17 Wochen Bauzeit errichtete Architektur orientierte sich an den großen britischen Gewächshäusern. Über einer Grundfläche von 70.000 m² boten hohe, lichtdurchflutete Hallen sogar dem alten Baumbestand des Hyde Parks Raum und ermöglichten, daß selbst große Maschinen in vollem Betrieb gezeigt werden konnten.“[28]

Zu sehen ist das Bild des Wintergartens der Weltausstellung; es verdeutlicht die große Ähnlichkeit zwischen Messehalle und Warenhaus. Die Ausstellung war ursprünglich als Messeausstellung der Industrie geplant, doch durch Teilnahme vieler Nationen weltweit und den Besuch von ‚normalen‘ Endkonsumenten wurde sie zur Weltausstellung erhoben. Die Ausstellung war von der und für die Industrie gedacht, hier machte sie sich (vergleiche vice versa Kapitel 4.2 Übernahme industrieller Formen in den Handel) allerdings gängige Präsentationsformen des Handels zu eigen.

„[D]iese Weltausstellung präsentierte ein Sammelsurium der Waren, […] das aber dann von der Idee einer ‚Gesamtschau‘ der Kulturen geadelt wurde.“[29] Auch inhaltlich ergeben sich bei genauerem Vergleich Überschneidungen: die Anwesenheit vieler unterschiedlicher (und unterschiedlich konnotierter) Länder und Kulturkreise, welche durch Konsumprodukte (bzw. durch maschinelle Neuerungen) repräsentiert wurden. So avancierte das Warenhaus durch den Sammel- und Ausstellungscharakter, welchen es mit der Weltausstellung teilte, zum global konstruierten „Schaufenster der ganzen Welt“[30] und stellt den architektonisch-futuristischen Rahmen einer inszenierten Homogenisierung der Konsumenten durch den liberalisierten Zugang zu modernen Produkten (und Produktionsweisen) dar.

Die Weltausstellung wurde […] zum Theatrum mundi, […] einer monströsen Inszenierung [des] Mensch[en] selbst, dessen geistige Leistung, dessen Ordnungssinn und Fleiß zum Maß aller Dinge wurden […und] als einzig adäquater Stil des ‚Homo faber‘, des voll emanzipierten Erfolgsmenschen des 19. Jahrhunderts anerkannt w[u]rden.“ [31]

“Is it not a good thing for us to rejoice and be proud that we, of all other people, should be the first to throw aside the cold garb of nationality and exclusiveness, and invite the whole world to a peaceful contest of arts and industry?”[32] Man rühmt sich als erstes aller Völker so Wunderbares zu vollbringen; man lässt die [k]alte Tracht der Nationalitäten hinter sich(…). Es ist der Wunsch nach der Überwindung menschlichen Kleingeistes zu erkennen; allein erfüllt scheint er sich noch nicht zu haben (…).

Weiter unten (vergleiche Kapitel 5.1.2 Demonstrativer Konsum nach Thorstein Venblen) wird ein wichtiger Gedanke dieser Zeilen wieder aufgegriffen werden; „ a peaceful contest of […] industry“[33] scheint programmatisch für die Verknüpfung von konstruierter Sicherheit innerhalb güterzentrierter Kapitalgesellschaften und demokratischer Machtabtretung von Massengesellschaften zu stehen.

“A future in which ‘man to man o’er all the world, should brother be’; a future, not of jealousies and mistrusts, and international hatreds and revilings, but one in which art, science, commerce, literature, and brotherly kindness should go hand-in-hand among all nations of the earth.”[34]

Ein Text, anmutend wie der Vorläufer eines kommunistischen Parteiprogramms, welches Internationalität, Gleichheit und Modernität (durch Kunst, Wissenschaft) mit Handel und mit Produktion und Handel in Zusammenhang bringt. Durch diese einleitenden Worte des Ausstellungsführers der Industrie-Weltausstellung 1851 sehe ich meine Annahme, dass dies die Zeit der Selbsterkenntnis moderner Gesellschaften war, weiterhin gestützt. Nicht allein der Umstand, dass eine Industrieausstellung zum Publikumsmagneten avancierte, sondern auch die dadurch ausgelösten Veränderungsprozesse, wie die Homogenisierung der Konsumentenmasse und Internationalisierung des Handels wurden zur Realität für den Endverbraucher. Darüber hinaus unterlagen auch Selbstwahrnehmung und -bewusstsein zeitgenössischer Modernisierungsdynamiken in unterschiedlichen Ebenen der Gesellschaftsorganisation diesem Wandel der neuen Zeit.

Dies alles, beschrieben durch das Moment der Institutionalisierung der Industriemesse, markiert das Selbstverständnis moderner Gesellschaften als produktions- bzw. konsumorientiert.

3 Restrukturierung der wirtschaft

3.1 Handwerk und Zünfte

Warenproduktion wurde traditionell durch Handwerk bewerkstelligt, welches bis in die Zeit der Frühindustrialisierung eine fixe Position innerhalb der Gesellschaftsorganisation bzw. innerhalb marktwirtschaftlicher Prozesse sowie der Produktionsketten (also Rohstoffherstellung, -lieferung und -verarbeitung) hatte.[35] Handwerker sahen durch Zusammenschluss in Zünften ihre Interessen vertreten. Allerdings kann seit Mitte des 18. Jahrhunderts ein Zurückweichen dieser Zünfte beobachtet werden.

Mittels neuer Gesetzgebungen wurde den Zünften ihre Monopolstellung entzogen und ab der zweiten Hälfte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte sich eine offene Form der Warenproduktion – durch die Gewerbefreiheit begünstigt – die einer ersten Umstrukturierung in marktwirtschaftlichen Belangen den Weg ebnete. Mit der neuen Gewerbefreiheit einhergehend wurden Schritt für Schritt Handels- und Wirtschaftsfreiheit in Europa eingeführt und theoretische Grundlagen des Frühkapitalismus politisch verankert.[36]

3.2 Kapitalakkumulation des Frühkapitalismus und dessen Expansionsbestrebung

Ein wichtiges Merkmal industrieller Hochphasen waren Festigung und Ausbau der Finanzwirtschaft. Durch die Möglichkeit der Kapitalakkumulation unabhängiger Unternehmer wurde bewegliches Kapital zur Investition in die Produktion frei. So erlebte die Industrialisierung einen Aufschwung durch verstärktes Bankenwesen, welches selbst wiederum durch die wirtschaftliche Konjunktur gestärkt wurde. Die zeitgleiche Förderung kapitalistischer Wirtschaftsformen in allen europäischen Staaten, ihren Kolonien sowie den U.S.A., begünstigte deren Internationalität, da alle diese Länder wirtschaftlich miteinander verflochten waren.[37] Diese Globalisierungstendenzen, welche den internationalen Wettbewerb ankurbelten, waren ein Motor der Liberalisierung marktwirtschaftlicher Gesetzgebung. Ab dem Zeitpunkt großer wirtschaftlicher Finanzakkumulation durch den nun umstrukturierten Handel legte auch die Politik größeres Augenmerk auf die gesetzliche Steuerung der Wirtschaft.

In Preußen wurde 1900 die allgemeine Warenhaussteuer eingeführt, welche 1916 in die Umsatzsteuer verwandelt wurde und bereits eine Regelung zur erhöhten Warenhaussteuer beinhaltete. Diese Legislative wurde aus der Idee geboren, den Facheinzelhandel zu unterstützen und in der liberalen Marktwirtschaft vor zu großem Konkurrenzdruck durch Großbetriebe und Filialketten zu schützen. Doch genau so, wie marktwirtschaftliche Theorien dem Kapitalismus höchste Rationalisierungstendenzen attestierten, waren Warenhäuser nun bestrebt, den Mehraufwand mit Leistungssteigerung auszugleichen, was den Konkurrenzdruck noch weiter verstärkte.

Es erscheint durchaus möglich, daß die erhöhte Umsatzsteuer außerdem die Expansionsbestrebungen der Großbetriebe unterstützt hat, indem diese versuchten, durch erhöhte Umsätze oder Mehrbelastung der fixen Kosten des ungünstiger gewordene Kostenverhältnis wieder auszugleichen.“[38]Jede Verbesserung des Verbraucherpreises nach unten stellt eine Verbesserung der Bedarfsdeckung dar“[39], und also einen Wettbewerbsvorteil.

Wir sehen, dass es in der kapitalistischen Marktwirtschaft einen stetigen Wettbewerb zwischen den Teilnehmern gibt, welcher rationales Wirtschaften fördert und gleichzeitig um einen selbsterhaltenden Systemkern zirkuliert.

4 Organisation des Detailhandels

4.1 Übernahme industrieller Formen in den Handel

Nachdem sich der Detailhandel von den Zünften weg und hin auf die Form des freien Marktes entwickelt hatte, weiteten sich betriebliche Organisationsformen der Industrie auf folgende Segmente des Handels aus:

- Die Arbeitsteilung in der Produktionskette, die mit zunehmender Segmentspezialisierung einherging
- Die Organisation des Personalwesens
- Den Aufbau innerbetrieblicher Konkurrenz zwischen den Abteilungen zur gesamtbetrieblichen Produktivitätssteigerung

Der Großbetrieb des Waren- oder Kaufhauses war in seiner Form der erste im Detailhandel, welche die wirtschaftlichen Grundsätze kapitalistischer Wirtschaftssysteme der Industrie in den Handel übernahm. Die innerbetriebliche Rationalisierung und die durch den Wettbewerb geprägte Wirtschaftlichkeit waren bislang Unternehmensstrukturen der Industrie gewesen.

„Dazu gehörte auch die zunehmende Arbeitsteilung und berufliche Spezialisierung, die es bis dahin im Handel kaum gab.“[40] Die Entwicklung hin zu groß angelegten Betrieben hielt den­noch im Einzelhandel wesentlich später Einzug, als sie dies in der Industrie getan hatte. „Noch für 1900 wird angenommen, daß die Großbetriebsumsätze nicht [knapp 0,33]% der geschätzten Gesamtumsätze des Einzelhandels erreichten.“[41] Die neuen kapitalistischen Wirt­schaftssysteme erzeugten einen Wettbewerb zwischen allen Teilnehmern einer Gruppe der Produktkette mit dem volkswirtschaftlichen Ziel der Gewinnmaximierung.[42] Im gewinnorientierten Wettbewerb entstanden innerbetriebliche „Limitsysteme“, „ dabei wur­den den Abteilungen im Warenhaus bestimmte Beträge vorgegeben, mit denen sie selbstständig wirtschaften konnten. Je nach Umsatzerfolg und Lagerbestand wurde das Limit erhöht oder gekürzt.“ Der sogenannte „Betriebsvergleich“ führte die Dynamiken des Wett­­bewerbs der Marktwirtschaft in die Unternehmen selbst ein, was zur Gewinn­steigerung des
Gesamtunternehmens beitragen sollte,[43] sich allerdings auch in die Personalstruktur der Unternehmen fortsetzte.

Der Konkurrenzdruck einzelner Angestellter brachte grundlegende Veränderungen für die Rationalisierung des Personalwesens mit sich.

Denn obwohl der Einzelhandel auf Arbeitskraft setzte, entfielen nur rund 4,5-6% auf Personalkosten,[44] die im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen gekürzt wurden, um im Wettbewerb bei sinkenden Verkaufspreisen noch immer höchstmögliche Rentabilität erzielen zu können.[45] So repräsentierte der Typ des Warenhauses – als Ort gesamtgesellschaftlicher Wirtschaftsdynamiken – einen neuen und potenten Massenarbeitgeber und gewann somit eine weitere Bedeutungsebene in der zeitgenössischen Gesellschaft dazu; an ihm zeigt sich die Gewichtung europäischer Staaten von agrarischen Produktions- zu kapitalistischen Marktwirtschaften.

Am Beispiel des bewusst geführten innerbetrieblichen Wettbewerbs ist also die Dualität von Homogenisierung moderner Gesellschaften bei gleichzeitigen Individualisierungstendenzen nachvollziehbar. Jedes Individuum einer Volkswirtschaft agiert als solches und strebt nach persönlicher Produktivitätssteigerung zur eigenen Gewinnmaximierung; jedes dieser Individuen aber ist Teil eines Systems, welches auf die Gleichschaltung all dieser ‚Individuen‘ baut – sie alle also auf das gemeinsame Ziel des Erhalts der Wirtschaft hinarbeiten lässt.

4.2 Der Handel

Dem Konsens über die Aufgaben des Handels folgend, stellt dieser das Bindeglied zwischen Industrie und Konsument, also zwischen Hersteller und Endverbraucher, dar. Dies weist ihm eine Vermittlerposition zwischen Erzeugung und Verbrauch zu, welche seine Aufgaben bestimmen. Die Distribution von Gütern im Detailhandel ist somit hauptverantwortlich für die Etablierung von Geschäftslokalen, deren Aufgabe die Verteilung der Güter der Industrie ist. „ [D]ie Verteilung zu bewerkstelligen, ist die zentrale Handelsaufgabe. Alle anderen Handelsaufgaben […] dienen der Erfüllung dieser Verteileraufgabe.“[46]

Zur Bewerkstelligung dieser Aufgaben also übernahm der Handel am Beginn des 20. Jahrhunderts rationalisierende Organisationsformen der Industrie und passte sie Schritt für Schritt an das Ziel der Absatzexpansion an; so wurden beispielsweise Arbeitsteilung und Spezialisierung von menschlicher Arbeitskraft sowie der Einsatz industrialisierter Technik im Handel für die innerbetriebliche Strukturierung übernommen.[47]

Diese wird durch die Erzeugung der größtmöglichen Divergenz zwischen Kosten und Einnahmen hergestellt, sprich: welche preisliche Relation das Unternehmen zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen herzustellen vermag. „ Firmen verkauften ausschließlich zu fixen Preisen, was zu dieser Zeit nicht allgemein üblich, aber das Kennzeichen eines Warenhauses war.“[48] Die Einführung von Fixpreisen bedeute, dass das Risiko fluktuierender Produktionskosten auf den Handel zurückfiel, und somit vom Konsumenten genommen wurde, was wiederum die Kaufbereitschaft einer auch weniger finanzstarken Konsumentenschicht ankurbelte.

4.3 Transport und Lage als Erfolgsfaktoren des Warenhauses

„Der Verkehr leistet dem Handel bei der Überwindung der räumlichen Differenzen zwischen Erzeugung und Verbrauch Hilfsdienste. Wohl wird die weitaus überwiegende Mehrzahl aller räumlichen Güterbewegungen vom Verkehr bewerkstelligt – wenn auch erst seit der starken Entwicklung des Verkehrswesens.“[49] Die Bedeutung des Transportwesens für den Detailhandel gliedert sich in zwei Teilbereiche, welche die enorme Größe des Warenhauses erst ermöglichten.

Erstens war durch den Ausbau von Transportmöglichkeiten die Verbindung zwischen industriellen Produktionsstätten und Vertriebsstätten des Handels einfacher zu überbrücken.[50] Dies senkte nicht nur die Einkaufspreise für den Handel, auch wurde so die – durch international gültige Anforderungen an moderne Konsumgüter repräsentierte – Globalisierung vorangetrieben. Der Ausbau diverser Transportmittel vergrößerte auch die Auswahl an für das Warenhaus attraktiven Standorten.

Zweitens konnten durch den ausgebauten Personentransfer (und etwas später auch durch die Einführung des Automobils) größere Kundenmengen gewonnen werden, da sich die Wahrnehmung und die Dauer zur Überwindung von Distanzen neu definierten. Dies wiederrum hatte die Erschließung neue Standorte für den Massenkonsum zur Folge. Andererseits begünstige es die räumliche Trennung von Klassen. Da die Lage des Warenhauses über dessen Selbstpositionierung am Markt Auskunft gab (und gibt), konnten nun prestigeträchtige Plätze – ohne Verlust der Konsumenten der Mittelklasse – gewählt werden.

Diese Homogenisierung bei gleichzeitiger ‚Ghettoisierung‘ sozialer Klassen[51] ist vor allem in schnell wachsenden Städten, vornehmlich in den U.S.A. zu beobachten, die im Vergleich zu europäischen Städten einen Sonderfall darstellen: „unlike American cities, better transport [in Europe] was usually a response to urban growth, not it’s cause.“[52]

4.4 Stilisierte Globalisierung

Das Phänomen der diametralen Konstruierung einer globalisierten Welt ist nur oberflächlich betrachtet widersprüchlich. Denn durch die Möglichkeit zur Betrachtung anderer Kulturen zu einer Zeit, zu der die Idee der freien Bildung des individuellen Charakters um sich griff, entwickelte sich eine neue Dynamik nationaler Identitätsfindung. Und da nun durch homogenisierte kulturelle Ansprüche der Länder unterschiedliche Nationalidentitäten immer näher herausbildeten, waren die Nationen immer stärker darauf bedacht, diese Identitäten zu definieren. So modulierte sich die Suche nach einer nationalen Identität schnell zu einem Finden von nationalistischen Ideen. Vor allem in wenig zentralistischen Gebieten, wie beispielsweise dem deutschen Kaiserreich, konnte so ein stärkeres Zusammengehörigkeitsgefühl – durch Schaffung äußerer ‚Feinde‘ – erreicht werden. Im Zuge dieser Identitätsbildung der eigenen Nation wurde aber zusehens auch die Fremde stilisiert, und damit auch ‚fremdheits‘bezogene Stereotype konstruiert. Während die Länder europäisch-westlicher Kulturkreise sich in Modefragen zusehens anglichen, wurden Länder mit abweichendem Kulturverständnis als ‚fremd‘ kategorisiert. Dadurch sowie durch die damit einhergehende Klassifizierung der weißen Kultur als besonders ‚kultiviert‘, wurde der europäische Kulturimperialismus für die Expansionsbestrebungen kapitalistischer Konsumgesellschaften fruchtbar und die Bereitwilligkeit der Übernahme durch andere Länder attraktiver gemacht.

Diese Stilisierung europäischer Kulturen im Zeitalter des Wirtschaftskapitalismus diente auch den U.S.A. als willkommene Klammer auf der Suche einer national gültigen Identität. Und so, wie Deutschland den Ausbau des heimischen Handels zur wettbewerbsfähigen Produktionsmaschinerie nachgeholt hatte, ließ das Einsetzen einer solchen Dynamik in den U.S.A. nicht lange auf sich warten.

Der rasche Wirtschaftsaufschwung der US-amerikanischen Volkswirtschaft stellte sich als Zusammenspiel verschiedener Faktoren kapitalistischer Wirtschaftsdynamiken dar und der Expansionscharakter dieser Wirtschaftsform wurde durch die – im Vergleich zu Europa – massenhafte Bevölkerung unterstützt.

Grafik 4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch war der Entwicklungsunterschied zwischen den U.S.A. und Deutschland enorm, obwohl beide Länder in kurzer Zeit ihren Rückstand gegenüber Frankreich und England wettmachen wollten. Wir sehen also, dass Bevölkerungswachstum in der Moderne ein entscheidender Faktor in der Wirtschaft ist. Die Möglichkeit groß angelegten Absatzhandels wurde hier vollkommen ausgeschöpft; nicht nur architektonisch, auch sprechen die Statistiken dafür: „ während 1928 in den USA der Anteil der Warenhäuser am Gesamtumsatz des Einzelhandels immerhin 16% betrug, waren die Daten für Europa“ [53] bis um die Hälfte (oder mehr) geringer.

Doch dann kam es zur Verschiebung der Migrationsströme; Amerikaner, die nun nach Europa kamen, bewirkten mittels ihrer wirtschaftlich gefestigten und politisch übergeordneten Position einen Kulturimperialismus, welcher knappe 100 Jahre zuvor aus Europa kommend die wirtschaftliche Zukunft Amerikas entscheidend beeinflusst hatte. Durch die ‚Europäisierung‘ der Welt wurde der Nährboden für den europäischen Kulturimperialismus aufbereitet. Somit war die kapitalistische Wirtschaftsform, deren Erhalt durch Konnotation des Absatzmarktes mit konsumorientiertem Sozialprestige gesichert wird, Grundlage für den Aufstieg eines Staates zu weltpolitischem Gewicht. Welches nach Übernahme wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Strukturen und dem Ausbau der Machtposition mittels globalisierten marktökonomischer Dynamiken auf andere Länder übertragen werden.

„Da dem Warenhaus ein moderner, zukunftsorientierter Charakter anhaftete, hatte es Probleme, im traditionell-monarchischen Wien Fuß zu fassen. Als 1890 eine französische Warenhaus-Aktiengesellschaft beim k.u.k. Handelsministerium eine Konzession beantragte, entschied der halböffentliche politisch-nationalistische Diskurs gegen eine solche Öffnung des heimischen Detailmarktes, was unter Anderem auf dem Boden des antisemitischen Gedankengutes gewachsen war, ihm ab nun aber auch eine Argumentationsdimension des internationalen Wettbewerbs einräumte. So erlebten die österreichischen Warenhäuser ihren hauptsächlichen Aufschwung erst nach Kriegsende, denn als Verlierermacht war der vormals monarchische Handel zur Öffnung gezwungen.“[54]

Dieser Prozess kann als ‚friedliche Übernahme‘ aller miteinander handeltreibenden Länder durch das eurozentristische Wirtschaftssystem bewertet werden. Das Konzept der Verschiebung kriegerisch-militärischer Praktiken auf eine gewaltfrei-kapitalistische Ebene – also der Ersatz des Kriegtreibens westlicher Länder durch Wirtschaftskonkurrenz – wird weiter unten, in Kapitel 5.1.2. Demonstrativer Konsum nach Thorstein Venblen, ausführlicher behandelt werden.

[...]


[1] Arnold Centner, Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Einzelhandels. Breslau 1941, 67f.

[2] In der vorliegenden Arbeit werden die Begriffe des Warenhauses sowie des Kaufhauses der Einfachheit halber synonym verwendet.

[3] Centner, Einzelhandel,67.

[4] Bill Lancaster, The Department Store. A social history. London, New York 1995, 7ff.

[5] Lancaster, Department Store, 9f.

[6] Das Aufkommen der Fixpreise im modernen Einzelhandel hatte wesentlich weitreichendere Folgen als das positive Gefühl der Käufer; zum einen wurde das Risiko der Produktionspreisschwankungen auf den Handel übertragen (also dem Konsumenten abgenommen) und andererseits folgte dieser Preisdemokratisierung die Homogenisierung der Konsumentenmasse durch den allgemeineren Zugang zu einem diversifizierten Warenangebot. Vergleiche Kapitel 4.3 Der Handel sowie Kapitel 5.2.1 Demokratisierung des Konsumierens.

[7] Lancaster, Department Store, 7f.

[8] Die Erste Industrie-Weltausstellung fand in London 1851 statt.

[9] Lancaster, Department Store, 16f.

[10] Ebd., 17.

[11] Lancaster, Department Store, 18.

[12] Vgl. Miller und Williams nach Ebd., 19.

[13] Vgl. Kapitel 2.3 Deutschland

[14] Vgl. hierzu auch Karl Bücher, Jacques Seydoux oder Walther Vogel über den nationalen Charakter von Bevölkerungen

[15] Vgl. Arnold Haase, Der Detailhandel in Frankreich. Dissertation der Friedrich-Wilhelms-Universität. Berlin 1930.14f.

[16] Haase, Detailhandel, 22f.

[17] Vgl. Ebd., 22f.

[18] Haase, Detailhandel, 23.

[19] Ebd.,23.

[20] Vgl. Ebd., 24.

[21] Vgl. Venblen nach Thomas Lenz, Konsum und Modernisierung. Bielefeld 2011. 16f. Vergleiche auch Kapitel 2.4 Stilisierte Globalisierung; denn in deutschsprachigen Gebieten war der Warenhausdiskurs immer eine Frage der einheitlichen, deutschen Identität, welche nur allzu leicht mit antisemitischen Gedankengängen verknüpft wurde.

[22] Thomas Lenz, Konsum und Modernisierung, 15.

[23] Lenz, Konsum, 15.

[24] Vgl. Ebd., 15.

[25] Ebd., 17. Vergleiche auch Kapitel 6.1 Warenpräsentation.

[26] Horst Opaschowski, Kathedralen des 21 Jahrhunderts. Erlebniswelten im Zeitalter der Eventkultur. Eine Edition der B.A.T. Freizeit-Forschungsinstitut GmbH. Hamburg 2000. 25.

[27] http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/weltausstellung1851d/0004?page_query=vii&navmode=struct&action=pagesearch&sid=c518b8c265163d4715ba54b4a094f659, The illustrated exhibitor: a tribute to the world's industrial jubilee, S.vii.

[28] http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/www/kunst/digilit/weltausstellungen/1851_London.html vergleiche Kapitel 6 Die Architektur der Industrialisierung.

[29] Karlheinz Roschitz, Wiener Weltausstellung 1873.Jugend und Volk Verlagsgesellschaft, Wien 1989.12.

[30] Vgl. Walter Benjamin nach Roschitz, Weltausstellung, 13.

[31] Ebd.,12f.

[32] http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/weltausstellung1851d/0047?sid=c518b8c265163d4715ba54b4a094f659, The illustrated exhibitor, No.1, June 7, 1851. Introduction.

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Vgl.. Karl Vocelka, Geschichte der Neuzeit. 1500-1918. Böhlau Verlag, Wien 2010. 74.

[36] Vgl. Ebd., 76.

[37] Vgl. Ebd., 80f.

[38] Centner, Einzelhandel, 37.

[39] Ebd., 38.

[40] Friedrich W. Köhler, Zur Geschichte der Warenhäuser. Seenot und Untergang des Hertie-Konzerns. Haag und Herchen, Frankfurt am Main 1997. 14.

[41] Vgl., Jens Jessen nach Centner, Einzelhandel, 67.

[42] Vgl., Ebd., 41.

[43] Köhler, Warenhäuser, 14.

[44] Broschüre der Gewerkschaft für Handel, Banken und Versicherungen. Düsseldorf 1995 nach Helmut Frei, Tempel der Kauflust. Eine Geschichte der Warenhauskultur. Leipzig 1997. 161.

[45] Vgl. Frei, Kauflust, 161.

[46] Vgl. Albert Hesse nach Centner, Einzelhandel, 11.

[47] Vgl. Centner, Einzelhandel, 30.

[48] Andreas Lehne, Wiener Warenhäuser 1865 – 1914. (= Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte. Publikationsreihe des Vereins für Geschichte der Stadt Wien, Bd 20). Franz Deuticke, Wien 1990.Wien 1990. 102.

[49] Albert Hesse nach Centner, Einzelhandel, 14.

[50] Vgl hierzu im Kapitel Die Architektur der Industrialisierung die angesprochene Bedeutung moderner Stahlbrückenkonstruktionen.

[51] Vgl. Frei, Kauflust, 52ff.

[52] Lancaster, Department Store, 12f.

[53] Frei, Kauflust, 13.

[54] Frei, Kauflust, 156ff.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2012
ISBN (PDF)
9783863419073
ISBN (Paperback)
9783863414078
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Wien
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Warenhaus Moderne Konsum Departmentstore Großkaufhaus

Autor

Bettina Schwabl wurde 1986 in Wien geboren. Ihr Studium der Geschichte sowie das Studium der Deutschen Philologie an der Universität Wien schloss die Autorin im Jahre 2012 erfolgreich ab. Aufgewachsen in einem zusammenwachsenden Europa sowie durch verschiedene Studienaufhalte im Ausland entwickelte sich ihre Affinität zu kulturellen Forschungsfragen diverser Studiengänge.
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Titel: Die Entstehung früher Shoppingkultur: Betrachtung kulturgeschichtlicher Entwicklungen
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