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Die „angeborenen Ideen“ bei Platon und Leibniz

©2010 Examensarbeit 68 Seiten

Zusammenfassung

Seit ihrer Entstehung hat sich die Philosophie mit zentralen Fragen des Menschen auseinandergesetzt. Eine dieser elementaren Auseinandersetzungen beschäftigt sich mit dem Ursprung der menschlichen Erkenntnis. Auf der Suche nach der Quelle der menschlichen Erkenntnis, entstand unter den Philosophen eine heftige Kontroverse darüber, ob die Vernunft oder die Erfahrung die Herkunft der Erkenntnisse im Menschen darstellt. Bei der Akzentuierung dieser beiden Quellen unterscheidet man daher die Positionen des Rationalismus und die des Empirismus voneinander. Der Rationalismus geht davon aus, dass die Vernunft die primäre und die Erfahrung die sekundäre Quelle der menschlichen Erkenntnis ist. Der Empirismus hingegen räumt der Erfahrung eine Vorrangstellung vor der Vernunft ein. Dabei ist die Zustimmung, beziehungsweise Ablehnung des Daseins der angeborenen Ideen, der bestimmende Gegensatz dieser beiden Positionen. Der Philosoph Platon hat mit seiner Ideenlehre, bereits in der griechischen Antike, den Grundstein für den Rationalismus gelegt. Die vollkommene Ausprägung zum Rationalisten fand dann in dem neuzeitlichen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz statt. Die Lehren dieser beiden großen Philosophen sollen das Zentrum dieser Arbeit darstellen und die verschiedenen Ansichten zur Lehre der angeborenen Ideen, besonders unter den Aspekten der Begrifflichkeit und der Begründung, untersucht und miteinander verglichen werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.1 Die Termini „idea“ und „innatus“

Der deutsche Begriff Idee kommt von dem griechischen Wort ίδέα. Die Idee findet weiterhin in vielen Sprachen seine Entsprechung: Im Lateinischen, Italienischen, Englischen heißt er idea und im Französischen ideé.[1] Die Bedeutung dieses Begriffes ist dabei vielschichtig und mehrdeutig, weswegen der Begriff nach einer genaueren Betrachtung verlangt. Im Wörterbuch der philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler werden vier unterschiedliche Definitionen des Begriffes Idee vorgestellt.[2] Die erste hier aufgeführte Bedeutung versteht unter Idee etwas, das ursprünglich eine Gestalt (Aussehen) oder Form besessen hat.[3] Weiterhin kann es auch Bild, Anblick, Art oder Gattung heißen.[4] In der zweiten Definition hingegen spricht man von einem „Urbild, Musterbild, Typus, als reale Wesenheit“[5]. Die deutsche Übersetzung des lateinischen Begriffes spricht von einem Idealbild, welches die Idee als ein wesenhaftes und geistiges Sein charakterisiert. Ein gestalterischer Gedanke, ein Begriff, ein bloßer Gedanke oder eine begriffliche Einheit, sogar ein Leitmotiv oder Endpunkt eines kausalen Denkens wird unter der dritten Bedeutung verstanden.[6] Die vierte Definition versteht hingegen unter einer Idee eine Vorstellung, einen Bewusstseinsinhalt, ein Erinnerungsbild, sogar ein Phantasiegebilde oder gar einen Einfall.[7] Von diesen vier Bedeutungen ist für die weitere Analyse nur die erste, zweite (für Platon) und die vierte (für Leibniz) wie noch zu zeigen ist von Relevanz. Die dritte Definition, die eine Idee als einen bloßen Gedanken auffasst, kann dabei vernachlässigt werden, da sie weder bei Platon noch bei Leibniz eine Verwendung findet.[8]

Ein weiteres Problem, neben der Definition an sich, stellt der Ideenbegriff in den platonischen Quellen dar. Eine philologische Prüfung der Platon-Texte führte daher zu dem Resultat, dass Platon noch keinen ausgearbeiteten Terminus von der Idee an sich kannte.[9] In den platonischen Werken begegnet uns daher der Ideenbegriff auf eine vielfältige Art und Weise. Platon verwendet neben der griechischen Bezeichnung ίδέα, noch die Begriffe γένος und είδος [10]. Wahrscheinlich geht die endgültige Terminologisierung des Wortes Idee und seine Zuordnung auf Platon als deren Urheber auf Cicero (106-43 v. Chr.) zurück.[11] Die frühe Interpretation der platonischen Texte durch Cicero und seine Fixierung auf diesen einen Terminus impliziert die Frage, ob man hier überhaupt von den Ideen bei Platon sprechen kann. Da jedoch dieses Problem hier zu weit führen würde, soll ungeachtet dieser Schwierigkeit die Bezeichnung Ideen für Platon übernommen werden.

Die Ideen werden weiterhin noch mit dem Zusatz „Angeborensein“ erweitert. Angeboren, von lateinisch innatus[12], soll in diesem Fall ausdrücken, dass es keine erworbenen oder gemachten Ideen sind, sondern dass diese Ideen bereits ab der Geburt, also a priori [13], in uns vorliegen.[14] Von diesem Angeborensein werden weiterhin zwei Richtungen unterschieden. Die erste Richtung geht davon aus, dass die angeborenen Ideen in uns als etwas Fertiges vorliegen und deshalb keiner Absicherung durch die Erfahrung bedürfen. Bei der zweiten Strömung hingegen wird das Angeborensein eher als eine Potenz, Anlage und Entwicklungstendenz verstanden.[15] Im Folgenden sollen hier unter den angeborenen (eingeborenen[16] ) Ideen bestimmte Kenntnisse oder Fähigkeiten verstanden, die man aus sich selbst heraus entwickeln kann, weil sie bereits seit der Geburt in uns eingepflanzt wurden. Die Annahme beziehungsweise Leugnung von solchen apriorischen Erkenntnissen stellt den Gegensatz zwischen dem Rationalismus und dem Empirismus dar. Dabei ist der Streit um die Existenz diese angeborenen Ideen nicht erst in der Neuzeit entstanden, sondern Platon und Aristoteles können bereits als Repräsentanten dieser beiden gegensätzlichen Meinungen angesehen werden. Platon hat mit seiner Ideenlehre die sinnliche Erfahrung abgewertet und kann deshalb dem Rationalismus, oder zumindest dem Apriorismus, zugeordnet werden und Aristoteles durch seine Ideenkritik dem Empirismus.[17] Diese Zuordnung ist jedoch nur eine grobe und keine notwendige Einteilung der antiken Philosophen. Leibniz hingegen ist als ein Rationalist zu verstehen, da er die Lehre der angeborenen Ideen aus innerster Überzeugung heraus vertritt.

2.2 Platons Ideenlehre und Ideenbegriff

Das Konzept der Ideenlehre ist der populärste und meist rezipierte Teil der platonischen Philosophie.[18] Die Ideenlehre kann aber trotzdem nicht als ein geschlossenes, in sich homogenes philosophisches System interpretiert werden, weil Platon viele gegensätzliche Lehren in seinen Schriften vertreten hat.[19] Von den frühen Dialogen bis hin zu den Spätschriften kann man einen Wandel seines Philosophierens feststellen.[20] Die platonischen Dialoge präsentieren sich demnach vielmehr als eine heterogene Ideenlehre mit vielen gegensätzlichen Theorien und Vorstellungen darüber, welche Begriffe zu den Ideen gezählt werden können und welche nicht. So wird zum Beispiel die Zugehörigkeit der Substantive, wie Mensch und Feuer, im Werk Parmenides angezweifelt (Parm. 130c3f), aber in den Dialogen Timaios (Tim. 51b8) und Philebos (Phlb.15a4) werden sie zu den Ideen gezählt. Im Phaidon (Phaed. 74b6–c6) und im Staat (Rep. Buch V, 478e7–479e9) hingegen werden keine Substantive zu den Ideen gerechnet, sondern hier sind es vielmehr die Adjektive wie fromm, schön, gerecht und gleich.[21] Man sollte demnach, wie es Hermann Schmitz formuliert hat, nicht von einer Ideenlehre Platons sprechen, sondern eher von einem Ideenmotiv.[22] Für die Philosophiegeschichte hat Platons Ideenmotiv trotzdem eine besondere Bedeutung bekommen, da er damit eines der zentralsten Themen bis in die jüngste Gegenwart hinein geliefert hat.[23] Aus diesem Grund soll nun eine detaillierte Untersuchung über die platonische Begrifflichkeit der Idee erfolgen. Damit ein Vergleich mit Leibnizs Ideenkonzept in einem späteren Kapitel ermöglicht werden kann, soll hier auf eine heterogene Interpretationsweise der platonischen Ideenlehre verzichtet werden. Eine heterogene Interpretation würde nicht nur den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, sondern sie würde auch eine Gegenüberstellung mit Leibnizs Ideenkonzept erschweren. Aus diesem Grund werden hier nur Werke von Platon verwendet, die auf ein einheitliches Muster der Ideenlehre hindeuten. Das Ideenmotiv muss deshalb aus der klassischen Interpretationsweise der Ideenlehre her betrachtet werden.

Um einen Zugang zu den platonischen Ideen zu bekommen, muss man sich erst die Wirklichkeitsauffassung der Welt, welche Platon vertreten hat, vergegenwärtigen. Aus diesem Grund sei hier nur kurz auf die Begründung der angeborenen Ideen verwiesen, da sie detailliert im nächsten Kapitel erfolgen soll. „Wie wir sagen, gibt es zwei Mächte; die eine ist Herrin über Art und Raum des Erkennbaren, die andere über das Sichtbare […].“[24] Platon vertritt mit dieser Ansicht eine Zwei-Welten-Theorie,[25] eine dualistische Wirklichkeitsbetrachtung.[26] Dieses erste Reich ist nach Platon die Welt des Werdens und Vergehens. Damit ist die empirische Welt, der alle real existierenden Gegenstände angehören, gemeint. Auf der anderen Seite gibt es eine unveränderliche und ewige Welt der Ideen. In dieser Welt gibt es keine Gegenstände, die den Prozessen des Werdens und Vergehens unterworfen sind. Ihr werden ideale, immaterielle, ungewordene, unvergängliche, unveränderliche, nur dem Denken zugängliche Ideen zugerechnet.[27] Diese idealen Ideen sind, nach der platonischen Auffassung, Urbilder der realen Gegenstände und liegen den Abbildern zu Grunde. Sie haben sogar die Dinge der sichtbaren Welt geformt und existieren deshalb unabhängig von unserer Gedankenwelt.[28] Platon erläutert die Ideen im Staat wie folgt: „wir pflegen für all die Einzeldinge, die wir unter einem Namen zusammenfassen, eine einzelne Idee anzunehmen“[29]. In seinen weiteren Ausführungen versucht er seine Vorstellung von Urbildern und Abbildern an den Beispielen von einem Tisch und einem Stuhl exemplarisch darzulegen. „Tisch“ und „Stuhl“ sind materielle Gegenstände der Außenwelt und haben eine Vielzahl von unterschiedlichen Variationen und Ausprägungen in ihrem Erscheinen auf der Welt – sie sind Abbilder des wahrhaft Seienden. Aber „Ideen gibt es für diese Dinge nur zwei, eine Idee für den Tisch und eine für den Stuhl“[30]. Die Ideen sind somit nichts Subjektives, was man mit seinen Sinnen wahrnehmen kann, sondern ihnen kommt Einzigartigkeit und Objektivität (Allgemeinheit) zu.[31] Die konkreten Dinge der Wirklichkeit verhalten sich demnach wie Schattenbilder (z.B. der reale Tisch) zur Wahrheit (z.B. Urbild des Tisches). Platon bezeichnet es als die Nachahmung (mimēsis[32] ) zu den wahren Ideen (z.B. Idee des Tisches). Die Abbilder der Dinge (z.B. Stuhl oder Tisch) konstituieren sich dabei an den jeweiligen Urbildern der Dinge, die das „wahrhaft Seiende“ überhaupt darstellen. Die realen Gegenstände haben dabei an den Ideen nur Teilhabe – was Platon methexis [33] nennt – und erhalten dadurch ihr Sein.[34] „Wie ich glaube, nachdem ihm dieses eingeräumt und zugestanden war, daß jeglicher Begriff etwas sei an sich und durch Teilnahme an ihnen die anderen Dinge den Beinamen von ihnen erhalten“[35] haben. Platon erklärt im Dialog Phaidon das Verhalten der realen Gegenstände im Vergleich zu den Ideen mit der Idee des Schönen. Auf der Suche nach dem Wesen des Schönen kommt Platon zu dem Ergebnis: „daß nichts anderes es schön macht als eben jenes Schöne, nenne es nun Anwesenheit oder Gemeinschaft, wie nur und woher sie auch komme, denn darüber möchte ich nichts weiter behaupten, sondern nur, daß vermöge des Schönen alle schönen Dinge schön werden.“[36] Im Dialog Symposion spricht Platon darüber, dass das Schöne auf der Welt entsteht und vergeht, aber das wahrhaft Schöne „weder auf irgendeine Weise mehr oder weniger wird, noch ihm sonst irgendetwas widerfährt.“[37]

Aus dieser Wirklichkeitsauffassung folgt auch der Dualismus von Leib und Seele, der eine scharfe Trennung von beiden vorsieht – der Körper gehört zum vergänglichen Teil der Welt und der Geist zur unsterblich-göttlichen Sphäre.[38] Die Auffassung, die Platon hier vertritt, ist der von René Descartes (1596-1650)[39] in seinen Meditationen sehr ähnlich, nur dass Platon keine Bezeichnungen wie res extensa (ausgedehntes Ding) und res cogitans (denkendes Ding) verwendet.[40] Descartes beantwortet in den Meditationen die Dritte erkenntnistheoretische Frage[41] nach der Beschaffenheit von Subjekt und Objekt als bekennender Dualist, der eine scharfe Trennung von Leib (Körper) und Geist (Seele) vorsieht.[42] Platon vertrat diese Position des Dualisten bereits zweitausend Jahre vor Descartes, indem er die Unsterblichkeit der Seele vom Körper im Dialog Phaidon bewies. In diesem Dialog wird die Frage gestellt: Wann die Seele zur Wahrheit kommt? Platon beantwortet diese Frage, indem er sagt, dass solange die Seele mit dem Leib versucht etwas Wahres zu finden, hintergangen wird. Die Seele wird erst, wenn sie sich nicht von den Sinnen und Gefühlen beeinträchtigen lässt, zum wahren Seienden gelangen.[43] Der Leib wird als der Kerker der Seele verstanden und der Tod des Körpers bedeutet nicht das Ende der Seele, sondern er nimmt eine Postexistenz für die Seele an.[44] Die Seele ist dabei dem Göttlichen verwandt und der Körper gehört dem Reich des Werdens und Vergehens an.[45]

Nachdem die dualistische Wirklichkeitsauffassung von Platon deutlich gemacht wurde, stellt sich nun die Frage, wann der Seele diese Ideen eingepflanzt werden. Die Antwort auf diese Frage wird durch die platonische Anamnesislehre[46], die im Menon eingeführt und im Phaidon zu ihrer vollen Entfaltung gebracht wird, dargelegt.[47] Die Anamnesislehre geht davon aus, dass der Mensch in einem früheren Leben – die Präexistenz der Seele wird hier angenommen – die Ideen geschaut hat.[48] Die Ideen werden somit in einer geistigen Welt[49] von der Seele geschaut und wenn die Seele in den Körper eingeht, werden diese angeborenen Ideen vorübergehend bis permanent verschüttet.[50] Die Erkenntnisse, die durch diese angeborenen Ideen zustande kommen können, liegen dabei als Dispositionen im Menschen vor.[51] Durch die sokratische Methode[52], wie sie beispielsweise im Menon beschrieben wird, kann man sich an diese eingeprägten Erkenntnisse erinnern.[53]

Für die Analyse des Verständnisses soll abschließend an der Idee des Dreieckes die platonische Vorstellung von den angeborenen Ideen nochmals in ihrem vollen Umfang und ihrer Tragweite dargelegt werden. Die Seele hat die Idee des Dreieckes im Hades geschaut und bei ihrem Eintritt in den Körper vergessen. Durch bestimmte Bedingungen (z.B. sokratische Methode, Denken oder durch sinnliche Wahrnehmungen – dazu im vierten Kapitel mehr) kann die Seele dieses verschüttete Wissen wieder aus sich hervorholen und es so zu aktuellem Wissen transformieren. Die empirische Welt mit all ihren verschiedenen Dreiecken kann dabei nur eine Art Schattenbild der Idee des Dreieckes liefern und ist nur ein Teil (methexis) dieser Idee. Es gibt demnach eine vielfältige Ausprägung des Dreieckes in der sinnlichen Welt, aber nur eine Idee des Dreieckes in der geistigen Welt. Die Seele ist dabei unsterblich mit dem Göttlichen verwandt und hat diese eine Idee lediglich in einer göttlichen Sphäre geschaut. Die Erkenntnis, also was ein Dreieck ist, ist dabei ein Wiedererinnern. Die hier vorgestellten angeborenen Ideen sind damit Urbilder der Dinge, die man als apriorische Erkenntnisse verstehen und die jeder durch Wiedererinnerung sich bewusst zu machen vermag. Seit Platons Zeiten wird als paradigmatisches Beispiel für solche angeborenen Ideen die Arithmetik und Geometrie verstanden, da ihre Erkenntnisse nicht einem bestimmten Sinn zugeordnet werden können und sie deshalb schon im Menschen vorhanden sein müssen.[54] Mit dieser Vorstellung von den angeborenen Ideen lieferte Platon den späteren Zündstoff für den Streit zwischen Rationalismus und Empirismus. Platon kann man daher, weil er die angeborenen Ideen als erster annahm und die Sinne als trügerisch verstand,[55] als den Vater[56] des Rationalismus oder zumindest als das Urbild eines Rationalsten ansehen. Die Empiristen hingegen sahen das menschliche Erkenntnisvermögen durch die Sinne bestimmt: „Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu […].“[57] Mit dieser Position wurden alle eingeprägten Wahrheiten im Menschen konsequent ausgeschlossen.

2.3 Die angeborenen Ideen bei Descartes und Locke

Damit man ein Verständnis über die angeborenen Ideen bei Leibniz entwickeln kann ist es vorher notwendig sich mit Descartes und Locke zu beschäftigen. Die Auffassung, was man unter dem Begriff Idee versteht, hat sich seit dem Beginn der Neuzeit gegenüber der Antike grundlegend geändert. Bei Descartes sind nicht mehr die Ideen die Urbilder der Dinge, sondern Vorstellungen im Kopf. „Von meinen Gedanken sind einige gleichsam Bilder von Dingen, und diesen allein kommt eigentlich der Name „idea“ [Vorstellung] zu; z.B. wenn ich einen Menschen, eine Chimäre, den Himmel, einen Engel oder Gott denke [= im Bewußtsein habe].“[58] Die Ideen werden somit als Formen, die im Bewusstsein sind, angesehen.[59] „Von diesen Vorstellungen nun stellen sich mir die einen als angeboren, andere als von außen gekommen, wieder andere als von mir selbst gebildet dar.“[60] Descartes teilt die Ideen in drei Kategorien ein. Es gibt die angeborenen Ideen – diese gehen auf Platon zurück, z.B. Gott und die Mathematik; die erworbenen Ideen, z.B. Farben und Gegenstände; und die von mir selbst gemachten Ideen, z.B. die Vorstellung eines Minotaurus oder eines Zentauren.[61] Somit wurde der Begriff angeborene Idee von Platon übernommen, aber nicht sein mystischer Hintergrund. Die Übereinstimmung liegt vielmehr in der Tatsache, dass es sich weiterhin um Wahrheiten handelt, die ihren Ursprung nicht in den Sinnen haben können, sondern erfahrungsunabhängige Wahrheiten darstellen – sie sind uns eingepflanzt, „gleichwie ein Künstler seinem Werke sein Zeichen einprägt“[62]. In der weiteren philosophischen Auseinandersetzung, ob es angeborene Ideen und Wahrheiten gibt oder nicht, fand man in John Locke (1632-1704) einen Hauptvertreter des Empirismus[63], einen absoluten Gegner dieser Lehre. In seinem Hauptwerk „An Essay concerning Human Understanding“ (1690)[64] versucht er in seinem ersten Buch die Lehre von den angeborenen Ideen zu widerlegen und in seinem zweiten Buch deren Herkunft aus der Erfahrung nachzuweisen.[65] Die Ideen werden dabei als ein Objekt des Verstandes[66] definiert. Locke geht mit seiner Definition von einer Idee als ein „Phantasma, Begriff, Vorstellung, oder was immer es sei, das den denkenden Geist beschäftigen kann“[67], weiter als das, was Descartes unter einer Idee verstanden hatte. Für John Locke kann es jedoch keine eingeprägten Ideen oder Wahrheiten geben, da die menschliche Seele bei ihrer Geburt (Übergang der Seele in den Körper) einem unbeschriebenen Blatt Papier gleicht – tabula rasa genannt.[68] „Woher hat er [der Geist ist gemeint, Anm. von B.B.] all das Material für seine Vernunft und für seine Erkenntnis? Ich antworte darauf mit einem einzigen Wort: aus der Erfahrung. Auf sie gründet sich unsere gesamte Erkenntnis, von ihr leitet sie sich schließlich her. Unsere Beobachtungen, die entweder auf äußere sinnlich wahrnehmbare Objekte gerichtet sind oder auf innere Operationen des Geistes, die wir wahrnehmen und über die wir nachdenken, liefert unserem Verstand das gesamte Material des Denkens.“[69] Die Seele wird demnach im Verlauf ihres Lebens durch die Erfahrung, die als Sinneswahrnehmung (sensations) und als Selbstwahrnehmung (reflections) bezeichnet wird, beschrieben. Die Lehre von den angeborenen Ideen wird hier in einem psychologisch-genetischen Sinne von Locke interpretiert und verstanden.[70] Kinder müssten demnach bereits ab der Geburt über alle Ideen und Prinzipien bewusst verfügen, dass ist aber nach Locke nicht der Fall, da sie sich nicht an diese erinnern können. Locke versteht demnach unter der Tätigkeit des Denkens nur das bewusste Denken, unbewusstes Denken ist seiner Meinung nach ausgeschlossen: „Wenn man die Meinung vertritt, die Seele denke, ohne daß der Mensch es wahrnehme, so macht man, wie gesagt, aus einem Menschen zwei Personen.“[71] Da sich viele Menschen bis an ihr Lebensende diese eingeprägten Ideen nicht bewusst machen können, ist eine Existenz nach Lockes Auffassung kategorisch ausgeschlossen.

2.4 Leibniz und die „ideae innatae“

In Gottfried Wilhelm Leibniz findet man hingegen einen Kritiker der Lehre Lockes und wieder eine Hinwendung zu Platons und Descartes Auffassung, dass es angeborenen Ideen gibt. An die Aussage von Locke „Nihil est in intellectu quod non fuerit in sensu“ knüpft Leibniz direkt an und fügt den Zusatz „excipe: nisi ipse intellectus“[72] (ausgenommen der Verstand selbst) hinzu.[73] Dieser Satz ist auch der Aufhänger von Leibniz Hauptwerk Nouveaux Essais sur l’entendement humain [74], das eine direkte Antwort auf John Lockes Werk Essay concerning human understanding darstellt. In einer Dialogform lässt Leibniz hier abwechselnd Philalethes[75], der Lockes Positionen vertritt, und Theophilus[76], der seine Gedanken darlegt, miteinander reden. Das Ziel dieses Werkes ist es, eine rationalistische Antwort auf Lockes Empirismus zu geben. Die Dialogform ermöglicht es dabei, beide Positionen miteinander zu vergleichen. Der Aufbau des Buches hält sich an den roten Faden von Lockes Werk. Leibniz ist demnach kein totaler Gegner von Lockes Lehre, vielmehr gibt es zwischen beiden Philosophen, neben den Unterschieden auch Gemeinsamkeiten, weswegen er überhaupt auf Lockes Buch antwortet. Leibniz spricht in seiner Vorrede sogar höchstes Lob für Lockes Werk aus: „Zwar bin ich oft anderer Ansicht als er, aber weit entfernt, deshalb das Verdienst dieses berühmten Schriftstellers zu leugnen, erweise ich ihm meine Hochachtung, indem ich erkennen lasse, worin und warum ich von seiner Meinung abweiche.“[77] Die Nouveaux Essais stellen weiterhin auch ein Unikum in der leibnizschen Schriftenreihe dar, da sie das einzige Buch sind, das Leibniz als direkte Antwort auf ein anderes Buch verfasst hat. Jedoch unterscheiden sich die Auffassungen von Locke und Leibniz in entscheidenden Punkten, weshalb er auch nicht als ein bloßer Rezipient von Locke zu verstehen ist.

Leibniz ist nicht der Ansicht Lockes, dass die menschliche Seele bei ihrer Geburt eine tabula rasa sei, sondern er sieht sie vielmehr als ein Stück Marmor, welches Adern hat, an.[78] Um jedoch diese „Adern“ frei legen zu können, braucht es Arbeit. Die Seele enthält zwar Ideen, die nicht von den Sinnen stammen können, aber diese Ideen kann man nicht in der Seele, wie in einem offenen Buch, lesen.[79] „Wenn auch die Sinne für alle unsere aktuellen Erkenntnisse notwendig sind, so sind sie nicht hinreichend, um uns alle zu liefern, weil die Sinne immer nur Beispiele liefern, d.h. partikulare oder individuelle Wahrheiten.“[80] Die Arithmetik und Geometrie liefern dabei solche Wahrheiten, die nicht durch Beispiele und auch nicht durch die Sinneserfahrung verifiziert werden muss.[81] Genau wie bei Platon werden hier die Wahrheiten, die aus der Mathematik gewonnen werden, zu den Musterbeispielen für die angeborenen Ideen gezählt. Leibniz selbst beschreibt dabei die philosophische Nähe von sich und von Locke wie folgt: „Seines [John Locke ist gemeint, Anm. von B.B.] hat eine größere Nähe zu Aristoteles und meines zu Platon, wenn wir auch in vielen Dingen beide von der Lehre dieser zwei Alten abrücken.“[82] Die Nähe zu Platon setzt voraus, dass Leibniz sich mit den platonischen Quellen auseinandergesetzt haben muss. In der Platon-Leibniz-Forschung geht man davon aus, dass Leibniz die Werke Platons während seines Paris-Aufenthaltes zwischen 1672 und 1676 studiert haben muss.[83] Leibniz hatte sehr gute geschichts-philosophische Kenntnisse von den griechischen Klassikern entwickelt, wobei er sich sehr stark sowohl von Platon als auch von Aristoteles prägen ließ.[84] Platons Faszination und Anziehungskraft hat auch auf Leibniz gewirkt und seine Spuren bei ihm hinterlassen. Leibniz hat manche Auffassungen von Platon übernommen, sie aber von einigen Fehlschlüssen und Widersprüchen (z.B. der Lehre der Wiedererinnerung) gesäubert und sie auf ein neues stabileres Fundament gestellt. Er übernimmt zwar die platonische Bezeichnung der angeborenen Ideen, aber er lehnt die Lehre der Erkenntnis durch Wiedererinnerung an ein früheres Leben ab. Bei Leibniz, wie auch schon bei Descartes und Locke, bleibt demnach die platonische Bedeutung des Ideenbegriffes nicht unverändert. Die leibnizsche Auffassung, was man unter einer Idee versteht, hat sich jedoch nicht nur im Vergleich zu Platon gewandelt, sondern auch zu Descartes und Lockes Vorstellung. Aus diesem Grund und der Tatsache heraus, dass die leibnizsche Vorstellung von einer Idee nicht ohne einen Kontext zu Descartes und Locke zu verstehen ist, wurde sie hier voran gestellt.

Das leibnizsche Verständnis, was eine Idee ist, geht nicht mit der Definition von John Locke konform, sondern ist eher an Descartes Auffassung von einer Idee angelehnt: „Was darin genügend deutlich offenbar wird, dass selbst die Philosophen in den Schulen es für einen Grundsatz halten, dass es nichts im Verstand gebe, was nicht zuerst in den Sinnen gewesen sei, wo jedoch die Vorstellung [im Original: idées, Anm. von B.B.] von Gott und von der Seele sicherlich niemals gewesen sind.“[85] Die Rede von Descartes besagt, dass manche Ideen nicht von den Sinnen stammen können. Descartes verwendet als ein Musterbeispiel für eine solche Idee, wie es auch in der rationalistischen Tradition gebräuchlich war, die Idee Gottes. Die Idee Gottes gilt unter den Rationalisten als die höchste der eingeborenen Ideen im Menschen. Da die Sinne diese Idee nicht liefern können und der Mensch, da er ein unvollkommenes Lebewesen ist, sich keine Vorstellung von einem vollkommenen Lebewesen machen kann, muss sie folglich von Gott in uns eingepflanzt sein.[86] Dieser Beweis für die Existenz Gottes wird auch als der kausale Gottesbeweis bezeichnet. Leibniz geht, wie Descartes, von Ideen aus, die nicht auf Erfahrungseindrücke zurückzuführen sind und somit einen anderen Ursprung als die Sinnenwelt haben müssen. Jedoch ist die Definition Descartes von solchen Ideen und wo sie herstammen für Leibniz nicht ausreichend ausgearbeitet. Die Ideen bei Leibniz sind zwar wie bei Locke im Bewusstsein angesiedelt, sie sind jedoch keine Meinungen, Perzeptionen, Gefühle, Eindrücke oder Wahrnehmungen. Die Ideen sind unabhängig von den Sinnen aufzufassen und stellen auch keinen Akt des Denkens dar. Vielmehr besteht die Idee aus dem Vermögen, dass man die Erkenntnis eines Dinges überhaupt haben kann, auch wenn man nicht darüber nachdenkt.[87] Eine Neuerung zu Lockes Auffassung ist hier, dass Leibniz das Denken nicht nur als bewusstes Denken definiert, sondern nun das unbewusste Denken hinzuzählt. Leibniz verhilft so „dem Unbewußten und den Träumen zur Anerkennung“[88]. Weiterhin unterscheidet er zwischen Gedanken und Ideen. Die Gedanken stellen einen wirklichen Denkakt dar, der mit den sinnlichen Empfindungen verbunden ist. Die Ideen hingegen stellen den Gegenstand dar, auf den dieser Denkakt sich richtet. Er ist somit von den Sinnen unabhängig.[89] Eine Idee ist demnach in jedem Menschen vorhanden und kann ein Ding nicht nur ausdrücken, sondern auch zu diesem hinführen. Leibniz selbst definiert die Idee kurz und knapp mit folgenden Worten „propinquom quandam cogitandi de re facultatem sive facilitatem“[90]. Wenn Leibniz also von angeboren Ideen spricht, meint er, dass sie im Verstand sind. Jedoch bedeutet das nicht, dass der Verstand sofort einen aktuellen Besitz von diesen Ideen hat: „Sie haben für uns eine ganz andere Bedeutung. Es genügt, daß das, was im Verstande ist, dort entdeckt werden kann und daß die Quellen oder ursprünglichen Beweise der Wahrheiten, um die es sich handelt, nur im Verstande sind: Die Sinne können diese Wahrheiten zuflüstern, rechtfertigen und bestätigen, nicht aber ihre unfehlbare und immerwährende Gewissheit beweisen.“[91] Der Verstand ist somit als der Sitz dieser angeborenen Ideen bestimmt. Leibniz verwendet weiterhin für die angeborene Ideen auch andere Bezeichnungen, wie intellektuelle Ideen, reine Ideen oder intelligible Ideen.[92] Er geht jedoch noch weiter und behauptet, dass diese Ideen der Dinge, die in uns sind, der Tatsache Gottes geschuldet sind: „Somit ist die Idee der Dinge, die in uns sind, ausschließlich der Tatsache zuzuschreiben, das Gott, der Schöpfer sowohl der Dinge als auch des Bewußtseins, unserem Bewußtsein die Fähigkeit verliehen hat, aus seiner eigenen Tätigkeit das herzuleiten, was in allem dem, was in den Dingen ist, entspricht.“[93] Leibniz geht hier davon aus, dass Gott nicht nur existiert, sondern dass Gott auch das menschliche Bewusstsein mit seiner Fähigkeit die Dinge zu erkennen geschaffen hat. Eine nähere Darlegung dieser Begründung der angeborenen Ideen stellt das Zentrum des nächsten Kapitels dar.

3. Platon und Leibniz über die angeborenen Ideen

Nachdem die Begrifflichkeit der angeborenen Ideen im zweiten Kapitel hinreichend dargestellt wurde, soll nun in diesem dritten Kapitel eine genaue Analyse der wesentlichen Begründungen der angeborenen Ideen erfolgen. Das Analysekriterien des kontrastierenden Vergleiches ist dabei die Begründung der angeborenen Ideen. Die Antworten der beiden Philosophen auf dieses Kriterium sollen chronologisch mit Platon beginnen und mit Leibniz enden.

3.1 Die alte Begründung für die Existenz der angeborenen Ideen durch Platon

Der Glaube, dass es de facto angeborene Ideen gibt, ist aus der Annahme von der Anamnesislehre begründet. Die Existenz solcher eingeprägten Wahrheiten erklärt Platon im Menon [94] und im Phaidon [95]. Jedoch wird hier keine ausgearbeitete Theorie für das Dasein der angeborenen Ideen vorgestellt, sondern man findet sie nur am Rande erwähnt. Im Phaidon beschreibt Platon lediglich seine Auffassung von der menschlichen Seele und wie sie seiner Meinung nach beschaffen sein muss. Durch seine aufgeführten Unsterblichkeitsbeweise für die Seele und die damit verbundene Vorstellung von der Konstitution des Menschen als ein Leib-Seele-Wesen schafft Platon jedoch eine notwendige Bedingung für die Existenz seiner angeborenen Ideen. Im Dialog Menon wird die Anamnesislehre ebenfalls nur am Rande erwähnt und am Beispiel eines Sklaven praktisch gezeigt. Aus diesen Gründen können hier nur indirekte und hinführende Beweise als Begründung der apriorischen Erkenntnisse für Platon vorgebracht werden. Die Argumentationen im Phaidon können dabei als eine theoretische Darlegung und im Menon als eine praktische Begründung neben kurzen theoretischen Erläuterungen verstanden werden. Die theoretische Beweisführung im Phaidon befasst sich mit der Konstitution des Menschen und zeigt dabei die platonische Weltauffassung. Durch diese Weltbeschreibung ermöglicht es Platon, apriorische Ideen und Wahrheiten überhaupt anzunehmen. Dabei steht der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele im Zentrum des Phaidon. Die Unsterblichkeitsbeweise implizieren dabei einen Leib-Seele Dualismus und eine dualistische Weltauffassung. Die Beschreibung umfasst so eine Prä- und Postexistenz der Seele. Durch diese Überlegungen kommt Platon schließlich zu seiner Anamnesislehre. Alles Lernen sei Wiedererinnerung an geschaute Ideen (angeborene Ideen), deren Erkenntnis an einem jenseitigen Ort (Hades) gewonnen wird. Bei der praktischen Beweisführung, wie sie im Menon vorgenommen wird, verwendet Platon hingegen eine andere Herangehensweise. Es wird hier versucht, die angeborenen Ideen dadurch zu beweisen, dass ein (ungebildeter) Sklave durch eine gezielte Fragetechnik mathematische Erkenntnisse aus sich selbst heraus entwickeln kann. Die angeborenen Ideen werden hier induktiv am Beispiel eines Sklaven für alle Menschen nachgewiesen. Mit dieser theoretischen und praktischen Begründung sollen die angeborenen Ideen bei Platon hinreichend dargestellt werden.

3.1.1 Die theoretische Begründung der angeborenen Ideen

Der erste Beweisgang, um den es hier gehen soll, ist der platonische Dualismus, der besagt, dass Körper und Geist zwei voneinander unabhängig existierende Substanzen sind. Der Dualismus, den Platon hier vertritt, wird durch die Unsterblichkeit der Seele erklärt. Im Phaidon lässt Platon seinen Protagonisten Sokrates vor seinen Schülern und Freunden die Unsterblichkeit der Seele beweisen. Sokrates Argumentation für die Unsterblichkeit der Seele setzt sich dabei aus vier Beweisen, wobei hier nur auf die ersten zwei verwiesen wird, zusammen.[96] Die anderen zwei Beweise spielen für die Begründung der angeborenen Ideen keine Rolle. Der erste Beweis wird auch als das Zyklus[97] - bzw. Kreislaufargument[98] (Phaed. 70c–72d) bezeichnet. In diesem ersten Argument, welches in zwei Teile zerfällt (Teil A und B), beruft sich Platon darauf, dass die Seelen der verstorbenen Menschen nicht nur in die Unterwelt eingehen, sondern von dort auch wieder ins irdische Dasein zurückkehren werden.[99] Diese Vorstellung hat Platon aus dem religiös-kultischen Verständnis seiner Zeit übernommen.[100] Das Prinzip des Entstehens aus seinem Gegenteil (Teil A) besagt, dass Gegensätzliches aus Gegensätzlichem entsteht: „was eine Entstehung hat, laß uns zusehen, ob etwas so entsteht, nirgend anders her als jedes aus seinem Gegenteil, was nur ein solches hat, wie doch das Schöne von dem Hässlichen das Gegenteil ist und das Gerechte von dem Ungerechten, und ebenso tausend anderes sich verhält.“[101] Platon versteht dieses Prinzip des Entstehens aus seinem Gegenteil als einen notwendigen Kreislauf der Natur, dem alles zugerechnet wird, was eine Entstehung hat.[102] Das Leben und der Tod sind ebenfalls diesem Prinzip unterworfen. Der Tod des Körpers bedeutet demnach nicht das Ende der Seele, sondern nach dem Tod geht die Seele in eine göttliche Welt über.[103] Der Mensch wird somit als ein Wesen definiert, welches aus einem vergänglichen Körper und einer ewigen Seele besteht. „Und daß das heiße tot sein, wenn abgesondert von der Seele der Leib für sich allein ist und auch die Seele abgesondert von dem Leibe für sich allein ist?“[104]

Der zweite Teil des Zyklusarguments wird auch das Prinzip der Reziprozität genannt.[105] Dieses Prinzip besagt, dass zwischen den Dingen entsprechende Werdeprozesse verlaufen. Platon nimmt zur näheren Erläuterung das Beispiel vom Größeren und Kleineren zu Hilfe. Das Kleinere wird durch den Prozess des Wachsens zum Größeren und das Größere wird durch eine Abnahme zum Kleineren verwandelt.[106] Wendet man nun dieses Beispiel auf den Tod und das Leben an, so folgt daraus, dass das eine Sterben und das andere Wiederbeleben bedeutet, wobei das eine notwendigerweise aus dem anderen entstehen muss. „Aus dem Lebenden also, was entsteht? – Das Tote, sprach er. – Und was aus dem Toten? – Notwendig, sprach er, muß man eingestehen, das Lebende. […] Also sind, sprach er, unsere Seelen in der Unterwelt.“[107] Der Übergang vom irdischen zum überirdischen Dasein wird von Platon dabei mystisch erklärt. Die Götter werden hier als die Hüter der Menschen verstanden, die in der Unterwelt (Hades) wohnen. Zu diesen Göttern gelangen die Seelen nach ihrem Tode. Dabei können die guten Menschen etwas besseres nach ihrem Tod erwarten als die schlechten Menschen.[108] Die Seelen der bösen Menschen werden zum Umherziehen verdammt. Sie müssen eine Strafe wegen ihrer Verbrechen büßen. Erst durch die Begierde können diese Seelen sich wieder mit einem Körper vereinen.[109] Dabei werden die Menschen, die sich in einem früheren Leben „der Völlerei und des Übermuts und Trunkes befleißigten“[110], in einen Esel oder in ein ähnliches Tier verwandelt werden. Die Menschen, die sich der Ungerechtigkeit, Herrschsucht und des Raubes im Leben hingaben, werden hingegen in Form eines Wolfes, Habichts oder eines Geiers wiedergeboren werden. Die glückseligsten unter diesen Menschen können auch mit einer Reinkarnation in einer solchen Gestalt wie eine Biene, Wespe oder Ameise rechnen. Aus der Tatsache heraus, dass nach dem Tod ein Urteil über das weitere Dasein des Menschen von den Göttern gesprochen wird, postuliert Platon im Menon ein frommes Leben auf der irdischen Welt zu führen.[111] Der Übergang zu dem Göttergeschlecht bleibt dabei nur den wahren Philosophen vergönnt, der sich nicht den weltlichen Begierden hingibt.[112] Dabei wird die Seele von Platon nicht nur als etwas Ewiges und Wahres definiert, sondern auch als etwas Unveränderliches und Feststehendes. Der Mensch besteht demnach aus einem Körper, der sterblich ist und aus einer Seele, die dem Göttlichen gleicht und unsterblich ist.[113] Platon spricht, im Staat auch, von einer feststehenden Seelenanzahl, die es geben muss: „Wenn es aber so ist, dann müssen, das siehst du doch ein, immer gleichviel Seelen existieren. Denn wenn keine untergeht, können sie nicht weniger werden noch auch mehr. Denn wenn Unsterbliches mehr würde, müßte es aus Sterblichen entstehen, und so würde schließlich alles unsterblich.“[114] Wenn also die Seele nicht weiter existieren würde, dann könnte auch kein neues Leben entstehen. Aus diesem Grund nimmt Platon an, dass die Seele unsterblich ist und der Mensch ein Wesen aus einem Körper und einem Geist ist.

Die Seele hat neben ihrer Post- auch eine Präexistenz vorzuweisen. In der Phase der Präexistenz als die Seele bei den Göttern war, hat sie die Ideen im Hades geschaut. Nachdem sich jedoch die Seele mit dem Körper verbunden hat, vergaß sie diese Ideen wieder. Die Lehre von der Wiedererinnerung an diese Ideen stellt den zweiten Unsterblichkeitsbeweis im Phaidon dar (72e–77b). Die Anamnesislehre wurde dabei zuerst im Menon eingeführt: „Ich hörte nämlich einmal von Männern und Frauen, die sich in göttlichen Dingen auskennen […]. Es sind Priester und Priesterinnen, denen daran liegt, die Dinge begründen zu können, mit denen sie zu tun haben, und darüber Rechenschaft ablegen zu können. […] Da also die Seele unsterblich und oft wiedererstanden ist und da sie alles hier und im Hades geschaut hat, gibt es nichts, was sie nicht weiß.“[115] Platon spielt mit dieser Aussage auf die pythagoreische oder orphische Lehre der Wiedergeburt, die er für sein System übernahm, an.[116] Die platonische Vorstellung von der Anamnesislehre wird dabei für den später entstandenen Dialog Phaidon nicht nur übernommen, sondern noch spezifiziert. Beide Dialoge stellen im platonischen Kanon, durch diese einheitliche Lehre der Wiedererinnerung, eine geschlossene Einheit und somit ein homogenes System dar. Die Erinnerung im Phaidon an die Wiedererinnerung im Menon erfolgt dabei durch die fiktive Gestalt Kebes, der die Anamnesislehre wie folgt zusammenfasst: „wenn die Menschen gefragt werden und einer sie nur recht zu fragen versteht, sie alles selbst sagen, wie es ist, da doch, wenn ihnen keine Erkenntnis einwohnte und richtige Einsicht, sie nicht imstande sein würden, dieses zu tun. Und wenn man sie zu den geometrischen Figuren führt oder etwas Ähnlichem, so zeigt sich dabei am deutlichsten, daß sich dies so verhält.“[117]

Der Bezug zum Menon spielt auf die mathematischen Erkenntnisse an, die man allein durch die Befragung aus sich selbst hervor holen kann. Die Ideen werden somit von Platon nicht als neues Wissen verstanden, welches man in die Menschen mit Belehrung hineinbringen kann, sondern es ist vielmehr das pränatale Wissen, das aus der früheren Zeit, als die Seele alles im Hades geschaut hat, her stammt. Dieses Wissen wurde jedoch bei der Geburt vergessen und liegt somit zuallererst unbewusst in den Menschen vor, bis man es sich später bewusst durch Erinnerung macht. Man kann sich diese Theorie auch als einen geschlossenen Wissensspeicher im Kopf vorstellen, der mit all unseren Ideen gefüllt ist. Der Schlüssel, um diesen Wissensspeicher aufzuschließen, um so einen Zugriff auf die einzelnen Ideen zu bekommen, erhält man durch das Lernen. Die Ideen werden somit von dem unbewussten in den bewussten Zustand erhoben. Das Lernen verliert demnach nichts von seiner Bedeutung, es bleibt möglich und zweckmäßig. Platon lehnt damit die Position der Sophistik ab, die behauptet, alles Lernen sei zwecklos.[118] Die Natur des Lernens, also des Wiedererinnerns der Seele, stellt dabei den Ausgangspunkt für die angeborenen Ideen dar. Das platonische Verständnis über die Erziehung unterscheidet sich hier von der traditionellen Sichtweise, welche besagt, Lernen setzt neues Wissen in den Menschen – Platon sieht das Lernen eher als eine Voraussetzung für die Reaktivierung der Ideen an. Die Kunst des Erziehens soll demnach nicht das Sehen in den Menschen einpflanzen, sondern nur den Blick auf das Wahre lenken.[119] Dabei wird von Platon nicht angenommen, dass alles im Menschen angeboren ist. „Die übrigen Fähigkeiten [z.B. Tugenden der Gerechtigkeit und Besonnenheit, Anm. von B.B.], die man der Seele gewöhnlich zuschreibt, haben mit den Fähigkeiten des Körpers etwas Nahverwandtes; sie sind tatsächlich zunächst nicht vorhanden und werden erst, früher oder später, durch Gewöhnung und Übung beigebracht; die Fähigkeit des Denkens aber hat offenbar mehr als alles andere etwas Göttliches in sich, das seine Kraft nie verliert […].“[120] Das Denken ist nach Platon unabhängig von der Sinnenwelt aufzufassen. Die Welt des Werdens und Vergehens wird so der Welt des Göttlichen untergeordnet. Aus dieser Sichtweise heraus werden die Erkenntnisse, die der Körper leisten kann, auch geschmälert. Die Wahrnehmungen, die durch den Leib gewonnen werden können, bringen den Menschen dabei keine klare und deutliche Erkenntnis.[121] „Wann also trifft die Seele die Wahrheit? Denn wenn sie mit dem Leibe versucht, etwas zu betrachten, dann offenbar wird sie von diesem hintergangen.“[122] Platon vertritt hier die These, dass die Sinne des Leibes einem nicht die Wahrheit bringen können, da sie trügerisch sind.[123] Aber die Sinneserkenntnis ist nach Platon nicht vollends nutzlos, wie er in einer späteren Passage selbst zugibt.[124] Die Sinne helfen den Menschen, sich der wahren Erkenntnis der Idee wieder bewusst zu werden. Gerade an dieser Stelle scheint eine rationalistische Position bei Platon vorgebildet zu sein.[125]

Der wesentliche Unterschied zwischen dem Rationalismus und dem Empirismus ist die Betonung der beiden Erkenntnisquellen. Der Rationalismus räumt der Vernunft einen Vorrang vor der Erfahrung ein und der Empirismus sieht in der Erfahrung die übergeordnete Erkenntnisquelle. Platon sieht das ähnlich wie ein Rationalist, indem er sagt, dass das wahre Wesen der Dinge nicht durch die Sinne erkannt werden kann, sondern allein durch das Denken. Die Sinne helfen uns nur dabei, uns an diese angeborenen Ideen und Wahrheiten zu erinnern. Man könnte demnach Platon eine Hierarchisierung der beiden Erkenntnisquellen unterstellen, auch wenn er dies mit seiner Lehre nicht implizieren wollte. Platon ist zwar der Begründer des erkenntnistheoretischen Apriorismus, aber ein Rationalist war Platon nicht. Man kann diese platonische Begründung der angeborenen Ideen als eine metaphysisch-mystische Darlegung verstehen. Mystisch ist sie, weil sie sich auf die antike Göttervorstellung bezieht und metaphysisch, da sie sich mit Fragen nach ersten Ursachen und Wirklichkeiten beschäftigt. Eine andere Begründung von den angeborenen Ideen lässt sich im Dialog Menon finden.

[...]


[1] Vgl. Meinhardt, H.: Idee, In: Joachim Ritter und Karlfried Gründer (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 4: I-K, Darmstadt 1976, S. 55.

[2] Vgl. Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1, 2. Auflage, Berlin 1904, S. 465, In: Digitale Bibliothek Band 3: Geschichte der Philosophie, S. 13549.

[3] Vgl. ebd., S. 465, (Digitale Bibliothek: S. 13549).

[4] Vgl. Kirchner, Friedrich; Michaelis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe, 5. Auflage, Leipzig 1907, S. 278, In: Digitale Bibliothek Band 3: Geschichte der Philosophie, S. 11463.

[5] Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1, S. 465, (Digitale Bibliothek: S. 13549).

[6] Vgl. Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1, S. 465, (Digitale Bibliothek: S. 13549).

[7] Vgl. ebd., S. 465 (Digitale Bibliothek: S. 13549).

[8] Vgl. Leibniz unterscheidet zwischen Gedanken, als einen subjektbezogenen Denkakt, und Idee, der eine allgemeine Gültigkeit bei allen lebenden Wesen besitzt. In: Poser, Hans: Gottfried Wilhelm Leibniz zur Einführung, Hamburg 2005, S. 97.

[9] Vgl. Meinhardt, H.: Idee, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 55.

[10] Das griechische Wort είδος (eidos) ist etymologisch mit dem Wort für „ich weiß“ (oida) verwandt und heißt soviel wie „ich habe gesehen“. Es hat damit eine starke visuelle Konnotation und bedeutet vor allem Aussehen, Gestalt und Form. Es ist hier als ein Wort zu verstehen, dass mit dem griechischen idea bei Platon austauschbar ist. Vgl. Platon: Phaidon, übers. von Friedrich Schleiermacher, Stuttgart 2005, Nachwort von Andreas Graesar, S. 112 und Platon: Menon, griechisch-deutsch, übers. und hg. von Margarita Kranz, Stuttgart 2005, S. 95, Anmerkung 5.

[11] Vgl. Meinhardt, H.: Idee, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, S. 55.

[12] Vgl. Hartmut Brands spricht davon, dass Cicero durch die gezielte Verwendung von innatus der Lehre von den angeborenen Ideen ihren Grundbegriff gegeben hat. Vgl. Hartmut Brands: Untersuchungen zur Lehre von den angeborenen Ideen, S. 38.

[13] Der Begriff a priori kommt aus dem Lateinischen und heißt vom früheren oder von vornherein und bedeutet „vor jeder Erfahrung“. Damit ist diejenige Erkenntnis gemeint, die erfahrungsunabhängig ist und somit auch keiner Absicherung durch die Sinne bedarf. Diese apriorische Erkenntnis wurde von den Rationalisten angenommen, die die Existenz der angeborenen Ideen, die einen apriorischen Charakter besitzen, gegen die Empiristen, verteidigten. Der Gegenbegriff zu a priori ist a posteriori und heißt im nachhinein, oder vom späteren und bedeutet erfahrungsabhängige Erkenntnis. Somit ist die Erkenntnis gemeint, die mit unseren Sinneseindrücken erlangt werden können (Position des Empirismus). Vgl. Höffe, Otfried: Immanuel Kant, 7. Auflage, München 2007, S. 57f. und Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 49.

[14] Vgl. Kirchner, Friedrich; Michaelis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe, S. 39 (Digitale Bibliothek: S. 11013).

[15] Vgl. Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, S. 36 (Digitale Bibliothek: S. 12370).

[16] Ideé inneé wird in Gottfried Wilhelm Leibniz „Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand“, von Werner Schüßler mit eingeborene Ideen übersetzt. Die genaue Übersetzung vom französischen Wort inné, e (adj.) heißt jedoch angeboren. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf der Analyse angeboren und eingeboren als identischer Terminus angesehen. Aus Gründen der Einheitlichkeit und der Vorbeugung mögliche Missverständnisse soll jedoch, in den weiteren Ausführungen, nur mit der Übersetzung angeboren gearbeitet werden. Vgl. Schüßler, Werner: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, S. 8, Fußnote 5.

[17] Vgl. Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 39.

[18] Vgl. Erler, Michael: Platon, München 2006, S. 143.

[19] Vgl. Schmitz, Hermann: Die Ideenlehre des Aristoteles. Zweiter Band. Platon und Aristoteles, Bonn 1985, S. 14.

[20] Vgl. Meinhardt, H.: Idee, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 4: I-K, S. 55.

[21] Vgl. Strobel, Benedikt: Idee/Ideenkritik/Dritter Mensch, S. 289, In: Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, (hrsg.) Christoph Horn; Jörn Müller und Joachim Söder, Stuttgart 2009, S. 289–296.

[22] Vgl. Schmitz, Hermann: Die Ideenlehre des Aristoteles, S. 14.

[23] Vgl. Meinhardt, H.: Idee, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 4: I-K, S. 58.

[24] Platon: Der Staat, übers. und hrsg. von Karl Vretska, Stuttgart 2008, S. 323, Rep. Buch VI, 509d.

[25] Vgl. Kurzmann, Peter; Burkard, Franz-Peter; Wiedemann, Franz: dtv-Atlas Philosophie, 12. Auflage, München 2005, S. 39.

[26] Vgl. Platon: Phaidon, übers. von Friedrich Schleiermacher, Stuttgart 2005, Nachwort von Andreas Graeser, S. 112.

[27] Vgl. Vgl. Strobel, Benedikt: Idee/Ideenkritik/Dritter Mensch, S. 289, In: Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung, (hrsg.) Christoph Horn; Jörn Müller und Joachim Söder, Stuttgart 2009, S. 289–296.

[28] Vgl. Kunzmann, Peter: dtv-Atlas Philosophie, S. 39.

[29] Rep., Buch X, 596a, S. 432.

[30] Ebd., Buch X, 596b, S. 432.

[31] Vgl. Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie. Band 1. Altertum. Mittelalter. Renaissance, München 2000, S. 105.

[32] „Nachahmung (mimēsis), steht für den nach Platon künstlerischen, aber auch ontologischen immer ungenauen und defizitären Abbildcharakter von Artefakten.“ In: Michael Erler: Kleines Werklexikon Platon, S. 119.

[33] Der Ausdruck methexis kommt aus dem griechischen und bedeutet, nach Platon, die Teilhabe der Dinge an den Ideen. Vgl. Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1, S. 665 (Digitale Bibliothek: S. 14092).

[34] Vgl. Höffe, Otfried: Kleine Geschichte der Philosophie, S. 43.

[35] Phaed., 102a-b, S. 72.

[36] Ebd., 100d, S. 69.

[37] Platon: Symposion, griechisch-deutsch, übers. und hg. von Thomas Paulsen und Rudolf Rehn, Stuttgart 2009, S. 121, 211b.

[38] Vgl. Kurzmann, Peter: dtv-Atlas Philosophie, S. 43.

[39] Ebd., S. 105.

[40] Vgl. Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie, lateinisch/deutsche Ausgabe, übers. und hg. von Gerhart Schmidt, Stuttgart 2004.

[41] Siehe dazu Fußnote 11.

[42] Vgl. Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie, S. 81ff.

[43] Vgl. Phaed., 65b, S. 15.

[44] Vgl. ebd., 82e, S. 42.

[45] Vgl. Rep., Buch VII, 518e, S. 332f. und Phaed., 80a, S. 38.

[46] Anamnesis kommt von dem griechischen Wort anamnêsis und heißt Wiedererinnerung. Vgl. Kirchner, Friedrich; Michaelis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe, S. 39 (Digitale Bibliothek: S. 11012). Margarita Kranz hingegen spricht in ihrem Nachwort zur Menon Ausgabe davon, dass weder im Menon noch im Phaidon eine ausgearbeitete Theorie der Anamnesislehre vorliegt. Aus diesem Grunde sei es irreführend und sogar strittig von einer solchen Theorie Platons zu sprechen. Die Rede von Platons Wiedererinnerung könnte vielmehr in einem übertragenden Sinne bildlich als wörtlich gemeint sein. Im Folgenden gehe ich jedoch von einer ausgearbeiteten Theorie Platons aus. Vgl. Platon: Menon, übers. und hrsg. Margarita Kranz, Stuttgart 2005, S. 115.

[47] Vgl. Oeing-Hanhoff, L.: Anamnesis, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 1: A-C, Basel 1971, S. 263.

[48] Vgl. Phaed., 76c, S. 32.

[49] Vgl. Platon spricht im Menon davon, dass die Seele alles im Hades geschaut haben muss. Vgl. Men., 81c, S. 37.

[50] Vgl. Phaed., 75e, S. 31.

[51] Vgl. Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie. Band 1, S. 111.

[52] Die sokratische Methode oder auch katechetisch genannt, bezeichnet eine Unterrichtsmethode die durch Fragen und Antworten zu Erkenntnissen führt. Platon verwendet diese Methode bei dem Sklaven Menon im besagtem Dialog, damit dieser sich an die angeborenen Ideen erinnert. Vgl. Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, S. 537 (Digitale Bibliothek: S. 13744).

[53] Vgl. Men., 82a–85d, S. 39–51.

[54] Vgl. Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 39.

[55] Platon schreibt über die sinnliche Erkenntnis im Phaidon folgendes: „Und sie denkt offenbar am besten, wenn nichts von diesem sie trübt, weder Gehör noch Gesicht noch Schmerz und Lust, sondern sie [die Seele ist gemeint, Anm. B.B.] am meisten ganz für sich ist […]“. In: Phaed., 65c, S. 15.

[56] Vgl. Kurzmann, Peter: dtv-Atlas Philosophie, S. 41.

[57] Leibniz, Gottfried Wilhelm: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, übers. von Ernst Cassirer, Hamburg 1996, Buch 2, Kapitel 1, § 2, S. 77. Übersetzt: „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen ist.“; Vgl. Hans Poser: Gottfried Wilhelm Leibniz zur Einführung, S. 92.

[58] Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie, S. 103, 3. Med., Abschnitt 5.

[59] Vgl. Halbfass, W.: Idee, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 4: I-K, S. 103.

[60] Descartes, René: Meditationen über die Erste Philosophie, S. 105, 3. Med., Abschnitt 7.

[61] Vgl. ebd., S. 99–137, 3. Med., Abschnitt 1–39.

[62] Ebd., S. 133ff., 3. Med., Abschnitt 37f.

[63] Vgl. Kurzmann, Peter: dtv-Atlas Philosophie, S. 119.

[64] Vgl. Höffe, Otfried: Kleine Geschichte der Philosophie, S. 182.

[65] Vgl. Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 43.

[66] Vgl. Locke, John: Versuch über den menschlichen Verstand. Band 1: Buch 1 und 2, übers. von C. Winckler, 5. Auflage, Hamburg 2000, S. 108, Buch 2, Kapitel 1, Abschnitt 1.

[67] Vgl. ebd., S. 28, Einleitung, Abschnitt 8.

[68] Vgl. ebd., S. 107, Buch 2, Kapitel 1, Abschnitt 2.

[69] Ebd., S. 108, Buch 2, Kapitel 1, Abschnitt 2.

[70] Vgl. Gottfried Gabriel: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 45.

[71] Locke, John: Versuch über den menschlichen Verstand, S. 121, Buch 2, Kapitel 1, Abschnitt 19.

[72] Die Ergänzung „ipse intellectus“ stammt höchstwahrscheinlich gar nicht von Leibniz selbst. Die Forschung geht davon aus, dass Leibniz es entweder bei seinen Lehrer Jacob Thomasius gehört oder bei Sperling gelesen hat. Der gesamte Ausdruck „nisi ipse intellectus“ kann letztlich nicht einer bestimmten Person zugeordnet werden. Der Grund für diese Überzeugung, ist der Tatsache geschuldet, dass man Notizen von Leibniz in einem Exzerpt gefunden hat, als er erst 23 Jahre Alt war. Man geht hier davon aus, dass ein so junger Leibniz sich noch nicht mit erkenntnistheoretischen Fragestellungen beschäftigt hat. Vgl. Werner Schüßler: Leibniz’ Auffassung des menschlichen Verstandes, S. 81. Die Überlegungen könnten jedoch auch falsch sein, da Leibniz selbst in einen Brief erzählt, dass er bereits seit seiner Jugend sich mit philosophischen Fragen und Philosophen beschäftigt hat: „Die Umstände meiner Studien haben mir dabei seit meiner frühsten Jugend geholfen. Schon als Kind lernte ich den Aristoteles kennen, und sogar die Scholastiker schreckten mich keineswegs ab; und das ärgert mich auch heute überhaupt nicht. Doch seitdem gaben mir Platon und auch Plotin einige Befriedigungen, ohne von anderen alten Denkern zu sprechen, die ich später zu Rate zog.“ (Brief an Remond vom 10.1.1714) Zitiert bei Leibniz, Gottfried Wilhelm: Philosophische Schriften. Band V. Briefe von Besonderem Philosophischen Interesse. Zweite Hälfte die Briefe der zweiten Schaffensperiode, übers. und hrsg. Werner Wiater, Frankfurt am Main 1990, S. 318ff.

[73] Vgl. Poser, Hans: Gottfried Wilhelm Leibniz zur Einführung, S. 92.

[74] Übersetzt: „Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand“. Vgl. Hans Poser: Gottfried Wilhelm Leibniz zur Einführung, S. 20.

[75] Die Bezeichnung Philalethes kommt von den griechischen Wörtern, die im Deutschen wahr und lieben heißen. Mit der Bezeichnung Philalethes ist, demnach jemand gemeint, der das Wahre liebt. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, übers. und hrsg. Werner Schüßler, S. 54, Anmerkung 110.

[76] Der Name Theophilus leitet sich von den griechischen Wörtern Gott und lieben ab. Ein Theophilus ist jemand, der Gott liebt. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, übers. und hrsg. Werner Schüßler, S. 53, Anmerkung 109.

[77] Vgl. NE, S. 15, Vorrede, Schüßler-Übersetzung.

[78] NE, S. 8, Vorrede, Schüßler-Übersetzung.

[79] Vgl. ebd., S. 19, Vorrede, Schüßler-Übersetzung.

[80] Ebd., S. 18, Vorrede, Schüßler-Übersetzung.

[81] Vgl. ebd., S. 18, Vorrede, Schüßler-Übersetzung.

[82] Ebd., S. 15f., Vorrede, Schüßler-Übersetzung.

[83] Leinkauf, Thomas: Leibniz und Platon, S. 23f.

[84] Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie, Band 2, S. 70.

[85] Descartes, René: Bericht über die Methode, französisch-deutsch, übers. und hg. von Holger Ostwald, Stuttgart 2005, S. 73, Vierter Teil, Abschnitt 6.

[86] Vgl. Descartes, René: Meditationen, S. 99–137, 3. Med., Abschnitt 1–39.

[87] Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Philosophische Schriften, Band IV, Schriften zur Logik und zur philosophischen Grundlegung von Mathematik und Naturwissenschaft, übers. und hrsg. Herbert Herring, Darmstadt 1992, S. 63.

[88] Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie, S. 46.

[89] Vgl. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, übers. Ernst Cassirer, Hamburg 1996, Anmerkungen 58 von Ernst Cassirer, S. 7*.

[90] Zitiert aus Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, S. 471 (Digitale Bibliothek: S. 13563). Die Übersetzung lautet: „eine eigene Möglichkeit bzw. Fähigkeit, über eine Sache nachzudenken“.

[91] NE, S. 64, Buch 1, Kapitel 1, Paragraph 5, Schüßler-Übersetzung.

[92] Vgl. ebd., S. 65, Buch 1, Kapitel 1, Paragraph 11, Schüßler-Übersetzung und Werner Schüßler: Leibniz’ Auffassung des menschlichen Verstandes, S. 83.

[93] Gottfried Wilhelm Leibniz: Philosophische Schriften, Band IV, Schriften zur Logik und zur philosophischen Grundlegung von Mathematik und Naturwissenschaft, übers. und hrsg. Herbert Herring, S. 65 (Quid sit idea).

[94] Der Dialog Menon entstand um 387 v. Chr. und geht der Frage nach „ Was Tugend denn eigentlich sei? “. Auf der Suche nach einer Antwort wird hier zum ersten Mal die Anamnesislehre am Rande erwähnt. Vgl. Michael Erler: Leines Werklexikon, S. 60.

[95] Der Dialog Phaidon wird zu der mittleren Schaffensperiode Platons gerechnet. Er ist wahrscheinlich zwischen 385 und 378 v. Chr. entstanden. Vgl. Michael Erler: Kleiner Werklexikon, S. 79f. In einer fiktiven Darstellung der letzten Lebenstage des Sokrates, lässt Platon, seinen Lehrer Sokrates hier die Unsterblichkeit der Seele beweisen. Einen Hinweis, dass diese Darstellung keine realen Ereignisse über den Tod des Sokrates darstellen, gibt Platon selbst, indem er bei der Aufzählung der anwesenden Personen über sich selbst folgendes sagt: „Platon aber, glaube ich, war krank.“ Zitiert aus Phaed., 59c, S. 5.

[96] Vgl. Erler, Michael: Platon, S. 140.

[97] Vgl. Frede, Dorothea: Platons „Phaidon“. Der Traum von der Unsterblichkeit der Seele, Darmstadt 1999, S. 38.

[98] Vgl. Erler, Michael: Platon, S. 140.

[99] Vgl. Phaed., 70c–70e, S. 22.

[100] Vgl. Erler, Michael: Platon, S. 139.

[101] Phaed., 70d–70e, S. 23.

[102] Vgl. ebd., 70d, S. 23.

[103] Die Vorstellung von der Wiedergeburt findet man auch heute noch in vielen Religionen vor. Der Buddhismus zum Beispiel, der von Siddharta Gautama (450 v. bis 370 v. Chr.) gestiftet wurde, geht davon aus, dass die Menschen geboren werden, existieren, sterben, wieder geboren werden, existieren und wieder sterben. Dieser Wiedergeburtenkreislauf wird dabei als ein Rad interpretiert, dass sich ewig dreht. Das Ziel der Buddhisten ist es diesen Kreislauf der Wiedergeburten zu durchbrechen und in das Nirvana (Verlöschen) einzugehen. Hans-Jürgen Greschat: Die Religion der Buddhisten, München 1980, S. 60ff. Platon sieht dies ähnlich, indem er den Körper als ein Gefängnis der Seele ansieht. Das Erdenleben wird damit, wie im Buddhismus, als nicht erstrebenswert, sondern u.a. als Strafe für vergangene Missetaten, angesehen. Vgl. Dorothea Frede: Platons Phaidon, S. 35.

[104] Phaed., 64c, S. 13.

[105] Vgl. Frede, Dorothea: Platons Phaidon, S. 39.

[106] Vgl. Phaed., 71b, S. 23.

[107] Ebd., 71d, S. 24.

[108] Vgl. Phaed., 62b–64a, S. 10ff.

[109] Vgl. ebd., 81e, S. 40.

[110] Ebd., 81e, S. 40.

[111] Vgl. Men., 81b, S. 37.

[112] Vgl. Phaed., 81e–82d, S.40f.

[113] Vgl. ebd., 80a7–b5, S. 38.

[114] Rep., Buch X, 611a, S. 455.

[115] Men., 81a–81c, S. 35ff.

[116] Vgl. ebd., Anmerkung von Margarita Kranz, S. 97.

[117] Phaed., 73a–b, S. 26.

[118] Vgl. Sigall, Emil: Platon und Leibniz, Teil 1, S. 40.

[119] Vgl. Rep., Buch VII, 518b–c, S. 332.

[120] Ebd., Buch VII, 518d–e, S. 332.

[121] Das eine Erkenntnis klar und deutlich sein kann ist keine platonische Wortwahl. Platon verwendet im Phaidon die Worte „nicht genau“ und „sicher“. Vgl. Platon: Phaed., 65b, S. 14. Da aber diese Wortwahl bei Leibniz eine besondere Bedeutung bekommt und Platon ähnliches mit diesen Worten ausdrücken wollte, werden sie hier für Platon bereits als Synonym verwendet. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Betrachtungen über die Erkenntnis, die Wahrheit und die Ideen, In: Kleine Schriften zur Metaphysik, Philosophische Schriften, Band 1, französisch-deutsch, übers. und hrsg. Hans Heinz Holz, 4. Auflage, Frankfurt am Main 2008, S. 32–43.

[122] Phaed., 65b, S. 14.

[123] Vgl. ebd., 65c, S. 15.

[124] Vgl. ebd., 75e, S. 31.

[125] Der Rationalismus ist eine umfangreiche philosophische Strömung. Das Wort „rationaliste“ ist erst für das 16. Jahrhundert in Frankreich bezeugt. Der Gegensatz zwischen den Rationalismus und Empirismus ist dabei die Sicht der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhundert. Aus dieser Zeit hat man auch versucht eine Rückprojektion der beiden Richtungen auf die Philosophen der Antike und des Mittelalters vorzunehmen. Vgl. G. Gawlick: Rationalismus, In: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Band 8: R–Sc, Basel 1992, S. 44–47.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783863419837
ISBN (Paperback)
9783863414832
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Erkenntnistheorie Rationalist Rationalismus apriorische Erkenntnis a priori

Autor

Benedikt Bärwolf wurde 1982 in Erfurt geboren. Dort besuchte er die Andreas-Gordon-Schule und beendete seine Ausbildung zum staatlich geprüften, technischen Assistenten für Informatik im Jahr 2005. Sein Studium der Philosophie und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien, schloss er 2010, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit dem Ersten Staatsexamen ab. Seit dem Jahr 2011 lebt der Autor, zusammen mit seiner Ehefrau und seinem Sohn in Saarland, wo er sein Referendariat absolviert.
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Titel: Die „angeborenen Ideen“ bei Platon und Leibniz
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