Zwei Krisenreden, die die Welt veränderten: Die "Cuba Missle Crisis"-Speech und die "Our Mission - Our Moment"-Speech von George W. Bush im Vergleich samt Darstellung typischer Merkmale von Krisenreden
Zusammenfassung
Die beiden in diesem Buch behandelten Reden (Namentlich die „Cuba – Missle – Crisis Speech“ von John F. Kennedy und die „Our Mission – Our Moment Speech“ von George W. Bush) sind beide als erfolgreiche Krisenreden in die Geschichte eingegangen. Während John F. Kennedys Präsidentschaft von außen- und innenpolitischen Krisen geprägt war, stand für George W. Bush die erste große Herausforderung seiner Amtszeit an. Beide Präsidenten führten ihre Nation durch die Krise und ihre Reden haben auf ihre Weise Amerika und auch die Welt verändert. Dies gelang ihnen sowohl durch typische Stilmerkmale amerikanischer Reden, als auch durch eine ausgeklügelte und außergewöhnliche rhetorische Leistung. So wiesen beide Krisenreden beispielsweise einen enormen Anteil an zivilreligiösen Bezügen sowie typische charakteristische Phrasen der Führung durch den Präsidenten auf.
In diesem Fachbuch werden einleitend sowohl die einzelnen Persönlichkeitsprofile beider Präsidenten, als auch der historische Kontext der jeweiligen Krise dargestellt. Gerade weil Kennedy und Bush Vertreter unterschiedlicher Parteien und Führungsstile waren, gewinnt diese Studie an besonderer Bedeutung. Aufgrund dessen widmet sich der Kern der Abhandlung dem Vergleich beider Reden anhand eines eigens vom Autor aufgestellten Funktionsschemata von Krisenreden. Diese werden hierzu auf ihre spezifischen Charakteristika hin untersucht und ihre Gemeinsamkeiten herausgearbeitet. Im Schlussteil werden typische Merkmale von Krisenreden ausgewiesen und veranschaulicht.
Dabei werden unter anderem folgende Fragen geklärt:
Welche Besonderheiten zeichnen eine präsidentielle amerikanische Krisenrede aus? Unterscheiden sich George W. Bush und John F. Kennedy in ihrer Artikulation oder ihrer Argumentationslogik? Unterscheiden sich amerikanische Krisenreden in Struktur und Aufbau?
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
2.2. Welche Merkmale zeichnen eine (politische) Krise aus?
Verschiedenste Merkmale sind typisch für politische Krisen. Einige seien in diesem Abschnitt nun kurz erläutert.
Wie bereits bemerkt, erfordert die Reaktion auf eine Krise zeitliche Nähe und verlangt nach Führung durch das jeweilige politische Oberhaupt:
„Crisis are transitional phases, during which the normal ways of operating no longer work. Most people experience such transitions as an urgent threat, which policy makers must address.“ [1]
Im Falle der USA sind es jedoch nicht direkt die gewählten Vertreter des Kongresses, welche vor die Bürger treten, sondern hauptsächlich der Präsident der Vereinigten Staaten. Er tritt mit einer „Adress to the Nation“ den Bürgern gegenüber und schildert die Situation, liefert Lösungsvorschläge und weist der Bevölkerung seines Landes den von ihm vorgegebenen Kurs der Nation[2].
Als weiteres Merkmal politischer Krisen nennt Professor Arjen Boin – Professor an der Leiden University und anerkannter Krisenforscher – „ urgency “: „Time compression is a defining element of crisis: the threat is here, it is real, and it must be dealt with as soon as possible (at least that´s the way it is perceived).“[3]
Nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch jedes andere Land muss – je nach Situation – angemessen auf auftretende Krisen reagieren. Ein zu langes Hinauszögern der Antwort auf eine Krise kann – wie nachfolgend dargestellt - zu großer Unsicherheit in der Bevölkerung führen.
Unsicherheit („ uncertainty “) ist dabei ein weiteres Merkmal von Krisen. Aufgrund der Krise stellen sich für die Bevölkerung viele Fragen über die Konsequenzen des Ereignisses, aber auch über das Ereignis selbst. Aufkommende Fragen, wie beispielsweise, „[...] what is happening and how did it happen? What´s next? How bad will it be? More importantly, uncertainty clouds the search for solutions: what can we do?“[4], müssen von den politischen Führungskräften beantwortet werden. Eben genau diese Fragen haben eine tragende Rolle in der Rede George W. Bushs anlässlich 9/11 und werden im Kapitel 7.1 noch einmal aufgegriffen.
Dass Krisen - wie beispielsweise die Weltwirtschaftskrise 1929 oder die BP Krise 2010 - als unvorhergesehene Ereignisse betrachtet werden müssen, erschwert für politische Führer die Reaktionsmöglichkeiten. Bei einer Vielzahl von Krisenfeldern, wie beispielsweise Wirtschaftskrisen, Umweltkatastrophen oder Skandalen, sind die Variationen fast grenzenlos. Zu Beginn des 21sten Jahrhunderts, ausgelöst durch die Anschläge vom 11. September 2001, wird nun auch internationaler Terrorismus als ein Auslöser für Krisen beschrieben[5], da er die westlichen Nationen direkt bedroht.
Allgemein betrachtet wird das Ereignis der Krise meist als negativ und fatal interpretiert. Nach Coombs können Krisen jedoch sowohl als „Wachstumschance“, sowie als möglicherweise einzige Rettung für eine Organisation gesehen werden.[6]
Gleichzeitig geht immer ein Gefühl der Unsicherheit mit Krisen einher, weshalb in den Vereinigten Staaten dem Amt des Präsidenten zu dieser Zeit noch größere Bedeutung beigemessen wird:
„In times of crisis, citizens look at their leaders: presidents and majors, [...]. We expect these policy makers to avert the threat or at least minimize the damage of the crisis at hand. They should lead us out of the crisis; they must explain what went wrong and convince us that it will not happen again.“[7]
Zusammenfassend werden die Merkmale einer (politischen) Krise wie folgt dargestellt[8]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grafik 1. Krise
Fortwährend schreibt Ulmer: „A troubling event cannot reach the level of crisis without coming as a surprise, posing a serious level of threat, and forcing a short response time.“ [9]
Diese Bachelorarbeit orientiert sich an einigen dieser Merkmale und wird unter anderem in den verschiedenen Funktionen von Krisenreden erneut darauf zurückgreifen.
Vorab sei aber erwähnt, dass, um in einer Krise die Bevölkerung beruhigen zu können, nicht nur rhetorische Begabungen notwendig sind, sondern auch ein strukturierter und kontrollierter Kommunikationsfluss, beziehungsweise Redeaufbau (siehe Kapitel 7.1.).
3. Biografisches und rhetorisches Profil der Redner
Da die biographischen Daten beider Präsidenten für die Reden von geringerer Relevanz sind, seien diese in jeweils kurzen Abschnitten nur knapp umrissen. Stattdessen sollen die Kapitel 3.1. und 3.2., nach den biographischen Daten auf die einzelnen Kommunikationsstile und Merkmale der Präsidenten eingehen, da diese für beide Reden von Bedeutung sind.
3.1. John F. Kennedy als Präsident und Rhetor
John Fitzgerald Kennedy wurde am 29. Mai 1917 geboren. Sein Vater hatte eine leitende Position in einer Schiffswerft, wodurch Kennedy letztlich in Kontakt mit Franklin D. Roosevelt kam. Verschiedene Krankheiten und frühzeitige, gesundheitliche Probleme, wie Rückenleiden, Fieber und Diphterie verweigerten Kennedy eine unbeschwerte Kindheit. Da Kennedys Vater sich hauptsächlich seinen Verpflichtungen im Beruf hingab, oblag die Verantwortung der Erziehung, wie auch zur damaligen Zeit üblich, seiner Mutter – Rose Kennedy.[10]
Von vielen Bürgern und Politikern als „zu jung“ und „zu katholisch“ beschrieben, musste er sich während seines Wahlkampfes bereits gegen diese Vorurteile behaupten. Zwar brachte Kennedys römisch-katholischer Hintergrund in einigen Staaten mit hohem katholischen Bevölkerungsanteil Vorteile, jedoch verlor er in Staaten mit evangelischem Hintergrund. Teile der Bevölkerung zweifelten an ihm und glaubten, Kennedy würde Befehle des Papstes entgegennehmen[11]. Nach seiner knapp gewonnen Wahl im November 1959, sah er den kalten Krieg als das wichtigste Thema der amerikanischen Politik an[12].
Noch bis heute gilt Kennedy als „Playboy“, Kriegsheld, erster „Fernsehpräsident“ und insbesondere als nahezu einzigartiger Charismatiker[13]. Die Wahrnehmung Kennedys als brillanten und herausragenden Rhetoriker begann mit seiner „Inaugural Adress“ am 20. Janauar 1961. Der Ausspruch “ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country “[14] ist bis heute eng mit seinem Namen verbunden.
Kennedys Reden wurden zu einem Großteil in Zusammenarbeit mit seinem Hauptredenschreiber Theodore C. Sorensen verfasst. Sorensen galt als einer von Kennedys engsten Vertrauten und ihm wurde ein hoher Einfluss auf Kennedy und dessen Regierungsstab beigemessen[15].
Kennedys Rhetorik wird von verschiedenen Seiten unterschiedlich bewertet. Jedoch zogen seine Rhetorik und sein Stil viele Amerikaner in den Bann[16].
Um John F. Kennedys Amtszeit am besten zu beschreiben, eignet sich eine von ihm selbst getroffene Aussage aus einem Bericht an das amerikanische Volk am 25. Juli 1961:
„Als ich mich um das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten bewarb, wußte ich, daß unser Land ernsten Gefahren und Bedrohungen entgegenging, aber ich konnte nicht ermessen – und niemand, der nicht selbst die Bürde dieses Amtes trägt, könnte es ermessen – wie schwer und unveränderlich diese Lasten sein würden.“[17]
Tatsächlich hatte kaum ein Präsident bis zum damaligen Zeitpunkt mit derartig vielen Krisen zu kämpfen wie Kennedy. Theodore O. Windt, Professor für politische Rhetorik in Pittsburgh, schreibt dazu treffenderweise in seinem Werk „Presidents and Protesters“: „ John F. Kennedy´s presidency was a crisis presidency“ [18]. Die zahlreichen Krisen während seiner Präsidentschaft (alleine 15 in den ersten acht Monaten seiner Amtszeit), wie beispielsweise die Steel Crisis 1961, Bay of Pig´s Crisis oder die Berlin Crisis, sorgten jedoch auch dafür, dass Kennedy einige wertvolle Erfahrungen im Umgang mit externen Faktoren und dem medienwirksamen Auftreten sammeln konnte.[19]
3.2. George W. Bush als Präsident und Rhetor
George W. Bush wuchs als Sohn von George Herbert Walker Bush auf, welcher neben seiner Tätigkeit im Öl-Gewerbe auch der 41ste Präsident der Vereinigten Staaten war[20]. Nach einem Abschluss in Geschichte an der Yale Universität, war Bush zeitgleich im Wahlkampf für den Republikaner Winton Blount und für die U.S. Air Force tätig. Nach seinem MBA an der Harvard Business School unterstützte er im Jahre 1987 seinen Vater – George Herbert Walker Bush – bei der Kandidatur für das Amt des Präsidenten.
Nach einer erfolgreichen zweifachen Amtszeit als Gouverneur von Texas, gab George W. Bush im Juni 1999 seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten bekannt[21].
Während seiner Kampagne für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten konnte Bush die Zuhörer durch seine Rhetorik und Selbstdarstellung nicht beeindrucken und wurde wegen seiner falschen Betonung und syntaktischen Fehler kritisiert[22]. Er behalf sich damit, sich von seinem direkten Amtsvorgänger Bill Clinton zu distanzieren, indem er dessen Fehltritte mit anderen historischen Fehltritten verglich[23]. Trotz der verschiedenen öffentlichen Zweifel – unter anderem auch an seinem Intellekt – wurde er am 20. Januar 2001 zum 43sten Präsidenten der USA vereidigt[24]. Die Wahl selbst war nicht unumstritten[25]. Letztlich trug die Stimme eines einzelnen Richters des Supreme Court Florida dazu bei, dass George W. Bush die Wahl gewann und schließlich am 12. Dezember als Präsident vereidigt wurde[26].
Der Beginn seiner Amtszeit war dabei gezeichnet von dem längsten Urlaub in der Geschichte der Präsidentschaft und von wenigen, öffentlichen Reden[27]. Der Fokus der Öffentlichkeit und des Präsidenten lag hauptsächlich auf der nach Clinton schwächelnden Wirtschaft[28]. Zusätzlich wurde er als eine eher schwache Persönlichkeit beschrieben, die sogar auf die Hilfe seines Vaters angewiesen wäre[29]. Das teilweise negativ geprägte Bild Präsident Bushs, sowie das bemängelte Fehlen von rhetorischen Fähigkeiten, veränderte sich jedoch schlagartig mit den Ereignissen des 11. September 2001, an dem die Vereinigten Staaten von Amerika durch mehrere Terroranschläge erschüttert wurden. Von diesem Zeitpunkt an wurde Bush vor allem durch seine „Adress to the nation“ am 20. September 2001 als Krisen- und Kriegsrhetoriker bekannt[30]. Der verstärkte Patriotismus und der Stolz der Bürger auf die Vereinigten Staaten (auch in den präsidentiellen Reden) nahm in den Wochen und Monaten nach 9/11 immer mehr zu[31]. Eine seiner bekanntesten Aussagen dabei ist: „The „axis of evil phrase (penned by speechwriter David Frum as the „axis of hatred“) [...] referred to North Korea, Iran, Iraq, „and their terrorist allies.“ [32]
Diese teils radikale Weltanschauung spiegelt sich auch in der hier untersuchten Rede wider und soll in den anschließenden Kapiteln erläutert werden. Weiterhin war Bushs Rhetorik geprägt durch die, in ihren Formulierungen antidiplomatische Darstellung von „Gut“ und „Böse“, oder „Schlechtem“ und „Gerechtem“ Handeln[33]. Ebenso verwendete er zahlreiche Metaphern der Stärke und Hoffnung, um der gezeichneten und getroffenen Nation wieder Selbstvertrauen zurückzugeben[34]. Zweifellos ging George W. Bush mit seinen zwei Amtszeiten zwiegespalten in die Geschichte amerikanischer Präsidenten ein: Zum einen waren Präsident Bushs Umfragewerte auf einem Rekordtief, am Ende der zweiten Amtszeit waren die Schulden der USA drastisch erhöht, außen- und innenpolitische Probleme im Irak nach wie vor vorhanden und die amerikanische Wirtschaft in der Krise. Viele Historiker bezeichneten deshalb Bushs Regierungszeit als Fehlschlag und Misserfolg.[35]
Zum anderen hielt George W. Bush absolute Rekordwerte in seiner Zustimmung in den Tagen nach den Terroranschlägen. Rund 90 Prozent der US Bürger befürworteten in den Tagen nach 9/11 (speziell nach dem Tag der „Our Mission – Our Moment Speech“[36] ) die Amtszeit und die Handlungen Präsident George W. Bushs[37]. Diese Werte lagen deutlich über denen von Präsident Harry Truman, anlässlich der Kriegserklärung gegen Japan[38]. Wissenschaftler gehen im Nachhinein von Folgendem aus: „President Bush has done a remarkable job of defining the attacks of September 11 to his advantage and that his rhetoric is a key factor in his success“[39]
4. Kontextuelle Einflüsse auf beide Reden
Nachstehend seien in Kürze die jeweiligen Situationen und Kontexte der Reden dargestellt. Dabei wird insbesondere im Falle des 11. September ein genaues Augenmerk auf den Ort der Rede gelegt.
4.1. Kontext der „Cuban Missle Crisis“ und Rede
Da es sich bei der Kuba-Krise um einen der bekanntesten und auch komplexesten Vorfälle des Kalten Krieges handelt und eine genaue Ausführung den Schwerpunkt dieser Bachelorarbeit verschieben würde, sei diese Krise in diesem Kapitel nur kurz angesprochen.
Nach der gescheiterten Operation in der „Bay of Pigs“ arbeiteten Teile der amerikanischen Regierung nach wie vor auf den Sturz von Fidel Castro hin. Robert Kennedy, Bruder des Präsidenten, leitete dabei mehrere Operationen, um die Insel sowohl wirtschaftlich, als auch militärisch zu schwächen. Sollten Operationen zum Sturz Kubas scheitern, empfahlen die damaligen Stabsmitglieder einen Kriegsgrund vorzutäuschen, um den Kommunismus vor der Küste Floridas zu vertreiben. Konkrete Notfallpläne zur Eroberung Kubas lagen laut Prof. Dr. Bernd Greiner, Dozent am Hamburger Institut für Sozialwissenschaften, bereits im April 1962 vor[40].Wie mittlerweile bekannt ist, wussten der kubanische Führer Fidel Castro, sowie auch der sowjetische Präsident Khrushchev, dass die Amerikaner eine Invasion Kubas in Betracht zogen. Da neben der kubanischen Regierung auch die Sowjet Union eine Invasion Kubas aus verschiedenen Gründen verhindern wollte, ergriffen sie verschiedene Maßnahmen:
„[Nikita Khrushchev] ließ das Arsenal nuklearer Gefechtsfeldwaffen aufstocken. Im Mai und Juni hatte man bereits die Lieferung von 80 atomar bestückten „FKR“ Marschflugkörpern beschlossen; am 7 September [...], zusätzlich sechs Atombomben für die leichten IL-28 Bomber [...].“[41]
Mit der heimlichen Stationierung dieser Waffen auf Kuba[42], erhoffte sich Khrushchev Kennedy dazu zu bringen, Westberlin endgültig aufzugeben[43] und sich den russischen Forderungen zu beugen. Durch die dadurch entstandene Situation sei, nach Robert A. Divine, die Welt der nuklearen Vernichtung so nahe wie noch nie zuvor gekommen[44].
Die heute bekannten „dreizehn Tage“, an welchen ein Atomkrieg, beziehungsweise eine Invasion Kubas kurz bevor stand, sind dank Tonaufnahmen von John F. Kennedy ausreichend dokumentiert. Am Abend des 22.10.1962 schließlich hielt John F. Kennedy die von dieser Bachelorarbeit behandelte „Cuban Missle Crisis – Speech“ – wie häufig aus dem Oval Office – an die Nation.
Aus damaliger und heutiger Sichtweise wird die Rede als Erfolg betrachtet, denn
„Many observers then and later called it Kennedy´s finest hour. The recently released Kennedy White House tapes [...] reveal a deeply engaged, calmly authoritative commander-in-chief, committed to removing the missiles peacefully if possible.“[45]
4.2. Kontext der „9/11 Crisis“ und Rede
Am Morgen des 11.09.2001 wurden die Vereinigten Staaten von Amerika von den schwersten Terroranschlägen ihrer Geschichte erschüttert: Zwei Flugzeuge, entführt von muslimischen Terroristen, flogen in die beiden Türme des World Trade Centers und brachten sie schlussendlich zum Einsturz. Ein weiteres Flugzeug traf das Pentagon und ein viertes stürzte auf einer Wiese in der Nähe von Pittsburgh ab. Insgesamt starben an diesem Tag ungefähr 3000 Menschen. In den Tagen danach, wurde relativ schnell eine Verbindung zu dem bekannten Terroristen Osama Bin Laden hergestellt[46].
Ebenso wurden die insgesamt 19 Terroristen identifiziert, die alle Mitglieder der Terrororganisation Al Quaeda, unter der Leitung Osama Bin Ladens waren. Angeführt wurde die neunzehn-köpfige Gruppe von Mohammed Atta[47]. Die Terroranschläge durch die genannten Terroristen wurden, wie durch die Bekennervideos bekannt, allesamt im Namen Allahs begangen[48]. Eine Thematik, auf welche George W. Bush in seiner Rede anlässlich der Krise Bezug nimmt.
Im Gegensatz zur „Cuban Missle Crisis Speech“ von John F. Kennedy, welche, wie in Kapitel 4.1. erwähnt, traditionell im Oval Office gehalten wurde, fand die „Our Mission and our Moment“ Speech von George W. Bush direkt im – und vor – dem versammelten Kongress statt. Dem Ort der Rede ist in diesem Fall eine besondere Bedeutung beizumessen, weshalb sich die folgenden Absätze eingehender damit beschäftigen werden.
Für gewöhnlich ist es dem Präsidenten während des Jahres absolut untersagt, die Kammern des Kongresses zu betreten. Wie jedoch im Artikel 2, Absatz 3 der Verfassung der Vereinigten Staaten beschrieben, soll der Präsident zur Darstellung der Lage der Nation, dennoch gelegentlich vor dem Kongress sprechen.
„He (Der Präsident) shall from time to time give to the Congress information of the State of the Union, and recommend to their Consideration such measures as he shall judge necessary and expedient [...]“[49]
Nach Vorschrift findet sich der Präsident nur zur sogenannten „State of the Union Speech“ – die für gewöhnlich im Januar eines „Nicht-Wahljahres“ stattfindet – dort ein[50]. Da es jedoch mit wenigen Ausnahmen, beispielsweise, des Angriffes auf Pearl Harbour im Dezember des Jahres 1941, noch nie einen Angriff auf das Staatsgebiet der Vereinigten Staaten von Amerika gab, entschied sich der Kongress, den Präsidenten persönlich einzuladen, um den jetzigen „State of the Union“ zu verkünden.
Bushs Rede wurde aufgrund des hohen Bedürfnisses nach mehr Informationen und nach einer starken Führungsperson sehnlichst erwartet. Zwar gab es am Tag der Anschläge – genauer um 20.30 EAT Abends[51] – bereits ein kurzes Statement seitens des Präsidenten, jedoch war dieses nur wenig informativ und ließ genauere Erläuterungen vermissen[52]. Auch die an dem 11. September anschließenden Tage waren von dem Fehlen eines klaren politischen Kurses gezeichnet[53]. Die Redenschreiber George W. Bushs – Michael Gerson, John McConnell und Matthew Scully[54] – studierten in den neun Tagen nach dem 11. September vor allem die Reden von Franklin D. Roosevelt und Harry S. Truman[55].
In seiner Biographie „Decision Points“ schildert Bush, dass er der Einladung von Denny Hastert – Sprecher des Repräsentantenhauses – gefolgt sei, der ihm riet, eine Rede direkt im Kongress zu halten[56]. Nur Franklin Delano Roosevelt hatte anlässlich des im oberen Abschnitt erwähnten Angriffs, eine solche Rede im Kongress gehalten. Bush sagte auf die Einladung hin: „I liked the idea but wanted to wait until I had something to say. Now I Did. We scheduled the speech for September 20.“[57] Mit der besagten „Adress to a Joint Session of the Congress“ – wie die Rede offiziell heißt – wurde nach neun Tagen schließlich die mit unter deutlichste Äußerung George W. Bushs verkündet. Weiterhin wurden ihm die umfangreichsten Rechte und Kriegsvollmachten verliehen, wie noch keinem anderen amerikanischen Staatsoberhaupt zuvor[58]. Brigitte Mal, Professorin für Rhetorik an der Örebro University schreibt dazu, dass „ The US media described this speech as a major success for the President.” [59] . Insgesamt wird davon ausgegangen, dass mehr als 80 Millionen Amerikaner die Rede live im Fernsehen gesehen haben[60].
5. Allgemeine Funktionen von Krisenreden
Um eine Gewährleistung der Vergleichbarkeit zu ermöglichen, sieht diese Bachelorarbeit im Wesentlichen vier Funktionen von Krisenreden. Diese dienen zum einen der besseren Strukturierung und zum anderen als Oberpunkte von verschiedenen Kategorien. Welche Funktionen dies im Genauen sind, soll im Folgenden beantwortet werden: Nach Robert E. Denton erfüllt Krisenrhetorik – und somit auch Krisenreden - die Aufgabe, einen bestimmten Kurs politischer Entscheidungsträger zu präsentieren, um unter anderem die Krise zu beheben:
„Crisis rhetoric is the discourse initiated by decision makers in an attempt to communicate to various constituents that a certain development is critical and to suggest a certain course of action to remedy the critical situation..”[61]
In Zeiten von Krisen ist - wie in Kapitel 1.2. erwähnt - der Faktor der Unsicherheit enorm hoch. Um die Erwartungen der betroffenen Bürger zu befriedigen, müssen Krisenreden dabei verschiedene Funktionen erfüllen. Beispielsweise:
„[...] the public´s expectation of strong leadership qualities during crises, require discourse that can seemingly resolve critical situations. Such discourse is expected to offer quick solutions, preserve the strength and integrity of the nation and its leadership, justify necessary action, garner support for action [...] and recover from setbacks. “[62]
Aus diesem Zitat lassen sich unter anderem nachfolgende, im anschließenden kurz erklärten, Funktionen von Krisenreden ableiten: Motivationsfunktion, Angriffsunktion Informationsfunktion und Führungsfunktion.
Um sich von den Auswirkungen der Krise zu erholen und für Unterstützung zu werben, ist selbstverständlich auch die Motivation der Bürger und der Verbündeten von Nöten. Aus diesem Grund lassen sich in beiden Reden auch motivierende Elemente (darunter bestimmte, teils historische Zitate und Wörter), sowie typische religiöse Bezüge finden. Auch die Legitimierung der Handlungen der Vereinigten Staaten über diverse „moralische Elemente“ ist ein Bestandteil der Reden. Diese Merkmale sind in der Bachelorarbeit unter dem Begriff der „ Motivationsfunktion “ zusammengefasst. James M. McPherson sieht in Zeiten der Krise „ communication and inspiration “ als die wichtigsten Funktionen von Präsidenten zu Zeiten der Krise[63].
Anschließend ist es bei, durch andere Länder oder politische Gruppen, ausgelösten Krisen unabdingbar, diese auch öffentlichkeitswirksam zu kritisieren und zu verurteilen. Durch diese Kritik kann, beispielsweise bei einer weltweit übertragenen Rede, der Präsident in gewissem Maße auch um Unterstützung werben. Die Darstellung des Feindes in der Rede und auch das Aufzeigen des eigenen („richtigen“) Weltbildes – in welcher der Feind als das Böse dargestellt wird - ist ein deutliches und entscheidendes Merkmal beider Reden. Diese Kategorien sind in dieser Arbeit unter dem Begriff der „ Angriffsfunktion “ dargestellt.
Aus dem Unsicherheitsfaktor der Bevölkerung während der Krise erwächst infolgedessen auch das erhöhte Bedürfnis nach Information, weshalb der Redner, beziehungsweise jede Krisenrede auch Verweise auf bereits überstandene Krisen, Maßnahmen und Ansätze zur Krisenbewältigung enthalten muss. Diese Funktion sei mit dem Begriff der „ Informationsfunktion “ bezeichnet.
Um die Stärke, beziehungsweise den Führungsanspruch des amerikanischen Präsidenten, sowohl dem Volk, als auch den Verbündeten zu präsentieren, erfüllen Krisenreden eine „ Führungsfunktion “, wobei diese Führung in den Reden von dem Präsidenten ausgeht. Eine Krisenrede dient vor allem der, bei außenpolitischen Krisen notwendigen, Selbstdarstellung des Präsidenten und des amerikanischen Volkes.
Nach der Erklärung der vier verschiedenen Funktionen von Krisenreden ergibt sich somit folgendes Schema:
Abb.1 Funktion, Ziel und Wirkung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nun sollen die einzelnen Funktionen genauer dargestellt, sowie die jeweiligen dazugehörigen Kategorien in ihren Inhalten nachgewiesen werden.
5.1. Motivationsfunktion
Eine Krisenrede muss einem hohen Anspruch gerecht werden: Das Volk, die Bürger und auch der Verbündete muss motiviert werden, um die Krise zu bekämpfen[64]. Im Falle der beiden hier bearbeiteten Krisenreden lassen sich folgende verschiedene Kategorien bilden, welche diese Funktion erfüllen:
Zum einen „Allgemein-motivierende Elemente in beiden Reden“, (Zivil-)religiöse Bezüge und die klassische moralische Rhetorik beider Präsidenten, mit welcher die Handlungen und Entscheidungen der politischen Führung als notwendig und legitim dargestellt werden. Um die Bürger vom politischen Kurs der Regierung zu überzeugen, ist Motivation und auch die Darstellung der eigenen Position eine unerlässliche Eigenschaft beider Reden.
Nach Edward J. Lordan sprechen Präsidenten im Wesentlichen fünf verschiedene Gruppen an, um auf einen etwaigen Krieg vorzubereiten:
„The American public, the American military ( a subset of the American public), Congress, the enemy, and the international community. The president must consider the most obvious audience, the American public, from a number of perspectives [...].”[65]
Damit genau diese Zuhörerschaften motiviert werden können, sind durchaus auch Elemente politischer Propaganda zu finden[66], die in den unten aufgeführten Analysekategorien jedoch nicht getrennt behandelt werden.
[...]
[1] Boin, Arjen. 2011. S. 3.
[2] Vgl. Ebd. S. 2ff.
[3] Ebd. S. 3.
[4] Ebd. S. 3.
[5] Vgl. Ulmer, Robert R. u.a.: Effective Crisis Communication. Moving From Crisis to Opportunity. Thousand Oaks. 2011. S. 9ff.
[6] Vgl. Ebd. S 19.
[7] Boin, Arjen. 2011. S. 1.
[8] Vgl. Ulmer. 2011. S. 5.
[9] Ulmer. 2011. S. 5.
[10] Vgl. Barber, James David: The Presidential Character. Predicting Performance in the White House. 2009. S. 343f.
[11] Vgl. Norton, Mary Beth: A people & a nation. A history of the United States. Andover. 2010. S. 835.
[12] Vgl. Norton. 2010. S. 831.
[13] Vgl. Schwarz, Sonja: The Role of Religion in American Presidential Rhetoric. A Comparative Analysis of Speeches by John F. Kennedy and George W. Bush. Trier. 2010. S. 44.
[14] http://www.americanrhetoric.com/speeches/jfkinaugural.htm (Entnommen: 13.06.2012)
[15] Vgl. Ritter, Kurt und Medhurst, Martin J: Presidential Speechwiriting. From the New Deal to the Reagan Revolution and Beyond. College Station. 2003. S. 217.
[16] Vgl. Norton. 2010. S. 835.
[17] Dallek, Robert: John F. Kennedy. Ein unvollendetes Leben. Frankfurt am Main. 2005. S. 363.
[18] Windt, Theodore Otto: Presidents and Protesters. Political Rhetoric in the 1960s. Tuscaloosa. 1990. S. 17.
[19] Vgl. Windt. 1990. S 17ff.
[20] Vgl. http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/BushGeorgeW/index.html (Entnommen: 22.04.2012)
[21] Vgl. Ebd.
[22] Vgl. Hyde. 2004. S. 138.
[23] Vgl. Duffy, Bernard K. und Leeman, Richard W.: American Voices. An Encyclopedia of Contemporary Orators. Westport. 2005. S. 32f.
[24] Vgl. Ebd. S. 32f.
[25] Vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,102452,00.html (Entnommen 22.04.2012)
[26] Vgl. Duffy. 2005. S. 31.
[27] Vgl. Ebd. S. 33.
[28] Vgl. Wolfe, Wojtek Mackiewicz: Winning the War of Words. Selling the War on Terror from Afghanistan to Iraq. Westport. 2008. S. 42.
[29] Vgl. http://www.sueddeutsche.de/politik/bush-ein-praesident-von-gnaden-der-justiz-1.744769 (Entnommen: 22.04.2012)
[30] Siehe dazu Kapitel 3.4
[31] Vgl. Lösche, Peter (Hrsg.): Länderbericht USA. Bonn. 2008. S. 205ff.
[32] Duffy. 2005. S. 34.
[33] Vgl. Ebd. S. 34ff.
[34] Vgl. Charteris-Black, Jonathan: Politicans and Rhetoric. The Persuasive Power of Metaphor, London. 2011. S. 255.
[35] Vgl. http://www.focus.de/politik/ausland/uswahl/tid-12354/george-w-bush-das-vermaechtnis-des-cowboys_aid_344462.html (Entnommen: 22.04.12)
[36] Vgl. Janz, Nicole: „And no one will keep that light from shining“. Civil Religion after September 11 in Speeches of George W. Bush. Berlin. 2010. S. 29.
[37] Vgl. Lösche. 2008. S. 197.
[38] Vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,159033,00.html (Entnommen: 22.04.2012)
[39] Posch, Claudia. „This World He Created is of Moral Design“. The Reinforcement of American Values in the Rhtoric of George W. Bush. Wien. 2006. S 143.
[40] Vgl. Greiner, Bernd: die Kuba-Krise. Die Welt an der Schwelle zum Atomkrieg. München. 2010. S. 26ff.
[41] Ebd. S. 47.
[42] Vgl. George, Alexander L.: Avoiding War. Problems of Crisis Management. Boulder. 1991. S. 231.
[43] Vgl. Norton. 2010. S. 838.
[44] Vgl. Divine, Robert A.: The Cuban Missile Crisis. New York. 1988. S. 3.
[45] Norton. 2010. S. 839.
[46] Vgl. Winkler, Carol K.: In the Name of Terrorism. Presidents on Political Violence in the Post – World war II Era. New York. 2006. S. 155.
[47] Vgl. Greiner, Bernd: 9/11. Der Tag, die Angst, die Folgen. München. 2011. S. 31.
[48] Vgl. Ebd. S. 33ff.
[49] http://www.archives.gov/exhibits/charters/constitution_transcript.html (Entnommen: 06.05.12)
[50] Vgl. http://www.uswahl.lpb-bw.de/der_uspraesident.html (Entnommen: 06.05.12)
[51] Vgl. Greiner. 2011. S. 81.
[52] Vgl. http://www.americanrhetoric.com/speeches/gwbush911addresstothenation.htm (Entnommen 02.06.12)
[53] Vgl. Riley, Russel L. und Nelson, Michael: The President´s Words. Speeches and Speechwriting in the Modern White House. Lawrence. 2010. S. 220.
[54] Vgl. Ebd. S. 221.
[55] Vgl. Greiner. 2011. S. 85.
[56] Vgl. Bush, George W.: Decision Points. New York. 2010. S. 192.
[57] Bush. 2010. S. 192.
[58] Vgl. Greiner. 2011. S. 85.
[59] Mral, Brigitte: „We´re a peaceful nation“. War Rhetroic after September 11. Västerås. 2004. S. 31.
[60] Vgl. Woodward, Bob: Bush At War. London. 2003. S.107f.
[61] Kiew, Amos: The Modern Presidency and Crisis Rhetoric. Westport. 1994. S. xviii.
[62] Ebd. xvii.
[63] Vgl. Hyde. 2004. S. 137.
[64] Vgl. Boin. 2011. S. 2ff.
[65] Lordan, Edward J.: The Case For Combat. How Presidents Persuade Americans to Go to War. Santa Barbara. 2010. S. 8.
[66] Vgl. Posch. 2006. S. 26.
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2012
- ISBN (PDF)
- 9783955496012
- ISBN (Paperback)
- 9783955491017
- Dateigröße
- 400 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1
- Schlagworte
- Krisenkommunikation John F. Kennedy George W. Bush USA Krisenrhetorik