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Die Frau im Sprichwort: Türkische, deutsche und spanische Sprichwörter im sprachlich-kulturellen Vergleich

©2008 Bachelorarbeit 50 Seiten

Zusammenfassung

Inwieweit kann man von sprachlichen Eigenheiten auf die kulturellen Gegebenheiten eines Landes bzw. eines Sprachraumes schließen?
Ausgehend von der Typologie des Türkischen, Deutschen und Spanischen und der Darstellung von Sexus und Geschlechterstereotypen in den drei Sprachen, werden die Traditionen der Sprichwörter an dem Thema „Frau“ aufgearbeitet, denn geschlechterspezifische Sprichwörter gab und gibt es vor allem über Frauen.
Anhand eines Korpus von über 200 Sprichwörtern, klassifiziert nach dem Matti Kuusi type system of proverbs, erfolgt die Analyse der Struktur, Thematik und Metaphorik der Sprichwörter und abschließend der kontrastive Vergleich. Daraus ergibt sich ein je spezifisches Frauenbild, welches auch Rückschlüsse auf die Wechselwirkung der Sprachen auf ihre Kultur und Tradition erlaubt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.4.2.1. Türkisch – Sprache ohne grammatisches Geschlecht

Gender ist eines der auffälligsten sozialen Kategorien der türkischen Gesellschaft, ein bestimmender Faktor für Verhaltensmuster in allen Bereichen des Alltagslebens und des öffentlichen Lebens. Paradoxerweise scheint das Genus in der türkischen Sprache jedoch keine herausragende Bedeutung zu haben. Im Türkischen gibt es keine grammatische Geschlechtsunterscheidung und der Sprecher benötigt nur selten einen direkten Hinweis auf das Geschlecht der betreffenden Person. Wie also wird Genus im Türkischen kommuniziert, signalisiert und wahrgenommen? Inwiefern trägt Sprache bei zur gesellschaftlichen Geschlechterordnung?

Das Türkische besitzt sprachliche Mittel, um referentielles (bezugsmäßiges) Genus auszudrücken: Wörter mit lexikalischem Geschlecht (v.a. Verwandtschaftsbezeichnungen), Zusammensetzungen (erkek arkadaş, kız kardeş, kizçocuğu), seltener Suffigierung (-e arabischen Ursprungs, Einzelbildungen mit Entlehnungen aus europäischen Sprachen), aber es gibt keine systematische Genusunterscheidung durch Suffixbildung.

Geschlechterstereotypen und Geschlechterrollen (also das türkische „gender belief system“) haben einen Einfluss auf die Semantik von türkischen Bezeichnungen für Anredeformen. Viele Anredeformen im Türkischen bezeichnen das Geschlecht des Adressaten.

„Geschlechts“-Semantik wird von sozio-kulturellen Faktoren bestimmt. Nach Forschungsergebnissen von Braun aus den Jahren 1998 und 1999[1] (zit. nach 2001) werden solche Berufsbilder maskulin belegt, bei denen man notwendigerweise mit der Öffentlichkeit oder dem anderen Geschlecht in Kontakt kommt (Straßenverkäufer, Taxifahrer), sowie solche, die Machtausübung implizieren (Polizist). Dies stimmt auch mit der zahlenmäßigen Dominanz der Männer in diesen Berufen überein. Der Begriff misafir (Gast) ist dagegen weiblich besetzt, weil vor allem Frauen sich im privaten Raum treffen, wobei die weibliche Konnotation von den Sprechern hier nicht als absolut empfunden wird. Putzkraft (temizlikçi) oder Verkäufer*in sind feminin besetzt.

Generisch neutrale Begriffe werden mehrheitlich maskulin belegt, auch wenn die jeweilige Gesellschaftsgruppe zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen besteht. Die Ergebnisse von Braun spiegeln also die Verteilung der Geschlechter und den sozio-kulturellen Hintergrund wider: „The Turkish gender arrangement is characterized by a male dominance evident in almost all of the subsystems of Turkish society (economy, labor market, politics, law, religion).“ (Braun 2001: 288) Männer sind in diesen Bereichen privilegiert und höherrangig. Im öffentlichen Alltag, in Cafés oder Restaurants sieht man deutlich mehr Männer. Frauen werden an solchen Orten oft als deplaziert oder etwas Außergewöhnliches wahrgenommen.

Anredeformen implizieren im Türkischen das Genus, das Braun „covert gender“ nennt. Umfrageergebnisse[2] weisen den neutralen Begriff kişi (Person) in weiblichem Umfeld (Kochen) zwar als feminin aus, im männlichen (Fußball) und vor allem im neutralen Kontext (Fernsehen) jedoch als maskulin. Die Empfindlichkeit für den Kontext hängt zu einem beträchtlichen Maß vom jeweiligen Lexem ab. Das „covert gender“ von Anredeformen funktioniert als Ausgangswert und wird in Zusammenhängen generell gemäß der generischen Besetzung des Begriffes interpretiert. Im Satzzusammenhang erhielten „nicht passende“ Zuweisungen und Aussagen signifikant weniger Zustimmung, was sich auf den semantischen Konflikt zwischen covert gender und den gemachten Aussagen zurückführen lässt. Eine Genus-Markierung findet sich bedeutend häufiger bei Frauen, wohingegen männliches Geschlecht unabhängig vom Kontext meist unmarkiert bleibt (vgl. Braun 2001: 295). Dies weist auf die Tendenz hin, dass Männer linguistisch als Norm und Frauen als Abweichung behandelt werden.[3]

Im Gegensatz zu Personenbezeichnungen, die eher subtil Botschaften über Genus kommunizieren, bezeichnen Sprichwörter Geschlechterstereotypen sehr deutlich und haben damit auch einen bedeutenden Anteil an der Darstellung von Geschlechter-stereotypen.[4] Trotz der dürftigen Forschungserkenntnisse ist nach Braun folgende Tendenz zu beobachten: „There are apparently more proverbs about women and female characteristics in Turkish than proverbs dealing with maleness.“ (Braun 2001: 299) Daraus könne man auf eine grundlegend männliche Perspektive schließen.

Fazit: „…the absence of grammatical devices does not prevent the Turkish language – or rather, its speakers – from communicating messages about gender. Gender messages are encapsulated in (among other things) covert gender, explicit gender markings, proverbs and terms of abuse. As these linguistic elements correlate with the social gender arrangement, they reflect and reinforce existing social asymmetries.“ (Braun 2001: 304)

2.4.2.2. Problematik des generischen Maskulinums im Deutschen

Im Deutschen haben sich Personenbezeichnungen und Anredeformen als zentrale Streitfrage in der Diskussion um Sprache und Geschlecht erwiesen. Das Deutsche kann das (biologische) Geschlecht durch einen maskulinen oder femininen Artikel zuweisen (der Abgeordnete, die Abgeordnete). Im Plural (die Abgeordneten) geschieht die Genus-Spezifizierung durch die Zuweisung der Adjektive „weiblich“ oder „männlich“. Nicht spezifizierte Nomen weisen eine maskuline Konnotation auf: Man erwartet eher einen männlichen Abgeordneten.

Es existieren viele Komposita mit –mann, die einen höheren sozialen Status, beziehungsweise eine (stereo)typisch männliche Beschäftigung bezeichnen und im Unterschied zu Komposita mit –frau meist schon längere Zeit Bestand haben. Einige Suffixe spezifizieren Nomen generisch, z.B. –in, um ein Femininum zu markieren, ferner –ler/-ner, die maskulin konnotiert sind, aber auch in allgemeinem Kontext benutzt werden (können).

Für geschlechts-unspezifische Äußerungen werden die Nomen neutralisiert oder feminisiert (um weibliche Beteiligte einzuschließen). Dies resultiert in Paarformeln wie Lehrer und Lehrerinnen oder Sparformen wie LeserInnen oder Bürger*innen.

Weibliche Bezeichnungen und Anredeformen werden gewöhnlich von bereits bestehenden maskulinen Begriffen abgeleitet und daher als „marked and secondary“ (Hellinger 2001: 156) charakterisiert. Dies reflektiert auch die geschichtliche Tatsache, dass ursprünglich Männer zuerst prestigeträchtigen Beschäftigungen und Berufen nachgingen, wohingegen weibliche Domänen sich auf wenige Bereiche und meist solche von geringerem Status beschränkten (Krankenschwester, Hebamme, Putzfrau).[5]

Diesen morphologischen und semantischen Asymmetrien liegt die Ideologie des Mannes (das Männliche als Norm) zu Grunde: das Maskuline ist höhere und prestigeträchtigere Kategorie, das Weibliche ist dem nach- und untergeordnet. Dies motiviert die Vorgabe, dass in neutralen Kontexten maskuline Formen für Personalpronomen gewählt werden (jeder Wähler).[6]

Doch lässt sich neben einer zunehmenden Unsicherheit hinsichtlich der Benutzung generischer Maskulina die neue Tendenz beobachten, dass sich im Deutschen eine engere Korrelation zwischen grammatikalischem und lexikalischem Geschlecht ausbildet: maskuline Anredeformen verlieren zum Teil ihr generalisierendes Potential.

Psychologisch betrachtet bestehen im Deutschen Asymmetrien zwischen maskulinen und femininen Anredeformen auf verschiedenen Ebenen: anteilsmäßig treten Maskulina häufiger auf als Feminina, auf morphologischem Gebiet werden feminine Begriffe von existierenden männlichen Formen abgeleitet und auf semantischer Ebene tragen maskuline Begriffe häufiger positive Konnotationen als feminine.

Metaphorische Ausdrücke und Sprichwörter stellen auch im Deutschen eine reichhaltige Quelle für die Übertragung von geschlechtsspezifischen Botschaften dar. Man könnte diese Ausdrücke als verbale Manifestationen von traditionellen und stereotypen Annahmen über gesellschaftlich annehmbare Geschlechterrollen und Verhaltensmuster beschreiben. Relativ wenige dieser Ausdrücke schildern Männer aus weiblicher Perspektive, während umgekehrt die männliche (und impliziert menschliche) Weltsicht die Norm darstellt. Bezeichnenderweise betonen Sprichwörter mit männlichen Protagonisten männliche Dominanz und Autorität. Dagegen wird ein Frauenbild vermittelt, das Frauen verschiedene Arten von gesellschaftlich unwillkommenen Charakterzügen und Eigenschaften wie Geschwätzigkeit, Unzuverlässigkeit für sie und unangemessenes (‚männliches’) Verhalten zuweist.[7]

2.4.2.3. Sexus und Geschlechterstereotypen im Spanischen

Spanische[8] Nomen-Klassifizierung weist die zwei Genera maskulin und feminin auf. Beide wirken jeweils als immanente Eigenschaften dieser Nomen. Die meisten Adjektive, Begleiter und Pronomen folgen der Unterscheidung der Kongruenzmarkierung –o für maskulin (m) und –a für feminin (f). Auch allgemeine Bezeichnungen und so genannte geschlechtsneutrale Nomen (mit der Endung –ista, z.B. periodista) spiegeln die Unterscheidung zwischen feminin und maskulin wider. Im metaphorischen Gebrauch spielt die Beziehung feminin-weiblich und maskulin-männlich eine Rolle: Unbelebte Wörter wie la muerte (f) ‚der Tod’ werden durch eine weibliche Figur dargestellt.[9]

Die Endungen –o und –a dienen also als Markierung für Männlichkeit und Weiblichkeit, und werden von Spanischsprechern genauso als Markierungen wahrgenommen.[10] Das vorherrschende produktive Ableitungssuffix im Spanischen ist –a, wobei es weitere feminine gibt (z.B. -esa, -ina). Ein maskulines Ableitungssuffix existiert nicht. In sehr seltenen Fällen kann es sein, dass aus historischen Gründen ein Maskulinum aus einem femininen Begriff abgeleitet wurde (enfermero von enfermera, Krankenschwester). Geschlechtsmarkierung durch Bildung von Komposita existiert nicht.[11]

Im Bereich der Verwandtschaftsbezeichnungen sind aus verschiedenen kulturellen Gründen Geschlechtsunterscheidungen bedeutend. Während viele europäische Sprachen das Geschlecht der Familienmitglieder lexikalisch unterscheiden, geschieht dies im Spanischen (wie in anderen Sprachen, die sich aus dem Lateinischen entwickelt haben) durch die abwechselnden Vokale (hija/hijo für Tochter/Sohn).

Auch im Spanischen dient die maskuline Form als unmarkierte Form, d.h. im Bezug auf eine gemischt-geschlechtliche Gruppe muss das Maskulinum gebraucht werden. Dies gilt im Plural und im Singular (el obrero für ‚der Arbeiter per se ’). Bei geschlechtsneutralen Bezeichnungen muss unterschieden werden: beispielsweise kann persona in femininem und maskulinem Kontext benutzt werden.[12]

Im Bezug auf Menschen ist das Maskulinum automatisch unmarkiert und das Femininum markiert. Das hat laut Nissen mit „anaphora and agreement“ (2001:258) zu tun: Sitzt in einem Publikum ein einziger Mann, wird die ganze Gruppe mit vosotros (anstatt vosotras) angesprochen. Die feminine Form zu gebrauchen wäre in diesem Zusammenhang gleichbedeutend damit, grammatische Regeln zu brechen.

Im spanischen Wortschatz existieren Asymmetrien, in Form von unterschiedlichen Bezeichnungen für Frauen und Männer, vor allem bei Berufsbezeichnungen (azafata ‚Stewardess’ vs. auxiliar de vuelo ‚Flugbegleiter’), semantischen Unterschieden desselben lexikalischen Begriffs (hombre público ‚Mann der Öffentlichkeit’ vs. mujer pública ‚Nutte’), sowie lexikalischen Lücken: so existiert kein andersgeschlechtliches Pendant zu ama de casa ‚Hausfrau’ oder soldado ‚Soldat’. Während heutzutage in Spanien der Konsens herrscht, eine Ministerin ministra und nicht, wie noch vor zwanzig Jahren, ministro zu nennen, ist eine Benutzung der femininen Variante bei anderen Berufsbezeichnung problematischer: médica bedeutet zum Beispiel neben ‚Ärztin’ auch ‚Doktorgattin’ und die weibliche Form des Gemüsehändlers, verdulera, besitzt daneben die abschätzige Bedeutung ‚schamlose Frau’. Doch ist die Verwendung der weiblichen Formen auf dem Vormarsch. So können Akademikerinnen heute ihren Titel ‚ doctora ’ entgegen nehmen.

Der Gegensatz hombre/mujer (Mann/Frau) ist im Spanischen sehr asymmetrisch. Mujer trägt häufig eine abschätzige Konnotation, von ‚Sexualobjekt’ bis hin zu ‚Prostituierte’.[13] Mujer kann auch die Bedeutung ‚Ehefrau’ tragen (hombre kann in dieser Bedeutung nicht verwendet werden). Bedeutungsunterscheidung findet hier durch Bestimmtheit statt: tiene mujer ‚er hat eine Ehefrau’ und tiene una mujer ‚er hat eine Frau’.

2.4.3. Sprichwortsammlungen und Überlieferung der Sprichwörter

Nach der Auflistung der wichtigen Sprichwortsammlungen in den drei Sprachen werden aufgelistet und der zur vorliegenden Sprichwörterauswahl herangezogenen Werke folgt ein historischer Abriss, der einen Einblick darüber gibt, in welchen Epochen die Sprichwörter eine zentrale Funktion erfüllten und wie sie verwendet wurden und werden.[14]

Neuere Sammlungen sind oft mehrsprachig und versuchen dabei, Äquivalente zwischen Sprichwörtern verschiedener Sprachen zu finden.[15] Doch finden sich in einer der Zielsprachen keine Parallelen, tendieren manche Parömiographen schlichtweg zur Übersetzung eines Sprichworts in die Zielsprache. Der Umstand der bloßen Übertragung fiel bei der Durchsicht verschiedener mehrsprachiger Sammlungen auf.

Stand in mündlichen Gesellschaften die wissensorganisierende Funktion der Sprichwörter im Vordergrund, wandelten sich Sprichwörter in literalen Kulturen zu Mitteln der moralischen Erziehung (pädagogische Verwendung in (Latein-)Schulen). Ab der Romantik wurden sie zur Verdeutlichung nationaler Identität gebraucht. Heute sind Sprichwörter Mittel der Alltagsrhetorik (in Massenmedien, Werbung, Politik). Die noch gebräuchlichen haben sich damit als funktional wandlungs- und anpassungsfähig erwiesen.

2.4.3.1. Sprichworttradition im Türkischen

Die älteste Sprichwortsammlung datiert Şenaltan (1968: 23) auf das Jahr 1073: Mahmud ibn-al Husain al Kaşgari verfasste den Diwan lugat at-Türk in der Volkssprache und sammelte dafür sein Material bei den verschiedenen türkischen Stämmen. Er soll auch heute noch gebräuchliche Sprichwörter enthalten.

Die Sprichwortüberlieferung in den folgenden Jahrhunderten lässt sich anhand der Dichter und Schriftsteller nachvollziehen, die aus Sprichwörtern bestehende Gedichte verfassten oder die Sprichwörter in ihre Werke einarbeiteten. Sprichwörter galten als Kunstformen, die zum Genuss der Gebildeten dargebracht wurden.[16]

Eine gewisse Sammlungstradition entsteht erst im 19. Jahrhundert mit der Orientierung nach Europa. Sprichwörter werden jetzt auch in pädagogisch-didaktischer Weise zur Erziehung des Volkes herangezogen. 1858 wird beispielsweise Şinasis Durub-i emsali Osmaniye, eine osmanische Sprichwortsammlung veröffentlicht. In neuerer Zeit werden überwiegend ältere Sammlungen kommentiert und übersetzt und in eine heute verständliche Form gebracht (vgl. Şenaltan 1968: 24-29).

Der persönliche Eindruck, der sich mir bei meinem Türkeiaufenthalt einprägte war, dass es durchaus auch heute einen lebhaften aktiven sowie auch reichen passiven Sprichwortschatz gibt. Viele Sprichwörter sind bekannt und auch im Volk lebendig. Auf Nachfrage konnten mir Bekannte ohne Überlegen mindestens fünf Sprichwörter sagen.

Zur Erstellung des Forschungskorpus habe ich vor allem Metin Yurtbaşıs Türkisches Sprichwörterlexikon (1994) herangezogen, das eine nach Themen geordnete Sammlung türkischer Sprichwörter enthält, wobei sich der Autor neben einer Übersetzung der Sprichwörter ins Deutsche auch an das Finden paralleler deutscher Sprichwörter gewagt hat, was meiner Meinung nach nur teilweise erfolgreich war, denn die Übertragungen sind vom Sinngehalt her häufig nicht vergleichbar oder gar identisch. Yurtbaşı selbst greift auf eine Vielzahl von Sammlungen zurück (vgl. 1993: XVIf. Literaturverzeichnis)

Zum Abgleich verwendete ich das Werk Türk Atasözleri ve Deyimleri von Tülbentçi, eine streng alphabetisch geordnete Liste von über 10 000 unkommentierten Sprichwörtern.[17] Die ausgewählten Sprichwörter kommen also in beiden Sammlungen vor.

2.4.3.2. Deutsche Sprichworttradition

Die schriftliche Überlieferung deutscher Sprichwörter beginnt vermutlich mit Notker Labeo, einem Mönch aus Sankt Gallen. Diese und spätere Sammlungen liegen meist in deutsch-lateinischer Fassung (in Schul- und Klosterlatein) vor und verfolgen vorrangig das Ziel, Schüler neben dem Lateinischen Moral und Weisheit zu lehren. Dieses Vorgehen wird bis zur Reformation fortgesetzt. Der größte Teil der Sprichwörter stammt aus dem Mittelalter[18], als Blütezeit des deutschen Sprichwortes in kommunikativer Verwendung wird das 15. und 16. Jahrhundert angegeben (vgl. Fleischer 1982: 81). „Seit dem 18. Jh. wird es in seiner Funktion für Erziehung und Bildung zunehmend ersetzt, und ‚neue Sprichwörter entstehen kaum’.“ (ebd.) Zentrale Sammlungen sind Simrocks Die deutschen Sprichwörter (1846) und vor allem das 1867-1880 entstandene Deutsche Sprichwörter-Lexikon von K. F. W. Wander, das bis heute im deutschsprachigen Raum als Standardwerk gilt.

Die vorhandenen und überlieferten Sprichwörter in Deutschland sind heute zwar in der sprachlichen Kommunikation nicht bedeutungslos, doch sind auch nicht alle in gleicher Weise lebendig.[19] Die verwendeten werden, sofern nicht wörtlich gebraucht, häufig in ironischer oder anderer expressiver Weise im Alltag, aber auch in Publizistik und Belletristik variiert und modifiziert. Innerhalb privater Kommunikation werden Sprichwörter gebraucht, ein Tatbestand, der aber laut Burger (2003: 119) „vorwiegend ein Charakteristikum ‚der sozialen Welt kleiner Leute’ ist.“[20]

Die für den deutschsprachigen Teil des Forschungskorpus verwendete Sprichwortauswahl basiert zum einen auf Simrocks Die deutschen Sprichwörter, einer reinen Sprichwort-Sammlung von rund 12.000 alphabetisch geordneten Sprichwörtern.[21] Zum Abgleich wurde W. Körtes aus derselben Zeit stammende Sammlung Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Deutschen (1837), sowie das neuere Zitate, Redensarten, Sprichwörter (1981) von Lutz Mackensen herangezogen. Beide Werke enthalten jedoch, wie im Titel ersichtlich, nicht ausschließlich Sprichwörter.[22]

2.4.3.3. Das spanische Sprichwort im (geschichtlichen) Gebrauch

Eine der ältesten erhaltenen kastilischen Sammlungen ist Refranes que dicen las viejas tras el fuego [23] des Hofdichters Marqués de Santillana aus dem Jahre 1508.[24] Es folgten humanistische Sammlungen, zunächst von Hernán Núñez Pinciano Refranes de la lengua castellana (1555). Auf diesem Werk basieren alle späteren Sprichwortsammlungen, auch das seines Schülers Juan de Mal Lara, La Philosophia Vulgar aus dem Jahre 1568, die, so Brandenberger (1975: 91), deutlich von der Sammlung Adagia des Erasmus von Rotterdam beeinflusst ist. Die umfangreichste klassische Sprichwortsammlung Vocabulario de refranes y frases proverbiales von Gonzalo Correas wurde 1906 herausgegeben, stammt jedoch aus der Blütezeit unter Philipp III., aus dem Jahre 1627. Neueren Datums ist die Sammlung, die der Cervantes-Forscher Francisco Rodríguez Marín 1926 und 1941 veröffentlichte (u.a. Todavía 10.700 refranes más). Das Sprichwort durchsetzt alle Gattungen der kastilischen Dichtung. Ab dem vierzehnten Jahrhundert kommt es in den typisch spanischen Ritterromanen vor.[25]

Die Auswahl der spanischen Sprichwörter erfolgte unter Zuhilfenahme des Refranero español (Brandenberger, 1975), einer spanisch-deutschen Sammlung, und vor allem auf der Grundlage Rodríguez Maríns Todavía 10.700 refranes más (1941).[26] Bisweilen wurden auch die oben erwähnten Werke von Mal Lara sowie Correas konsultiert.

2.4.3.4. Problem der Ahistorizität der Sammlungen

Laut Chlosta et al. (1991: 32) „besteht eine wesentliche Arbeit der Parömiographie in der Übernahme von Sprichwörtern aus älteren Sprichwortsammlungen.“ Ältere wie neuere Sammlungen unterschieden sich darin ebenso wenig wie einsprachige von mehrsprachigen. Eine Sammlung kann deswegen sowohl Lehnübersetzungen als auch veraltete Formen enthalten und gibt keine Antwort auf die Frage nach der tatsächlichen Bekanntheit.

Sprichwortsammler stellten häufig Kollektionen zusammen, um Sprichwörter vor dem Vergessen zu bewahren und griffen auf bereits tradierte Sammlungen zurück. Daraus ergibt sich ein methodisches Problem: „Mit in sich eingebetteten („rekursiven“) Sammlungen von tradierten Sprichwortsammlungen entstehen historisch unkritische Geschichtskonstruktionen, die den Eindruck vermitteln, als ob es in früheren Zeiten weit mehr Sprichwörter gegeben haben müsse als heute.“ (Lewandowska/Antos 2004: 170) Steigt nun die Popularität solcher Sammlungen, besteht die Möglichkeit, dass vergessene Sprichwörter wiederbelebt werden (Dies kann u.a. bei Simrock der Fall gewesen sein.).

Es entsteht die methodisch völlig unübersichtliche Situation, dass zum einen rekursiv tradierte Sammlungen historische Scheinwelten vortäuschen, andererseits aber durch eine gewisse Popularisierung einen teilweise neuen Realitätsgehalt erhalten. Durch diese mehrfach in sich verzerrte Vergleichsperspektive kann man nur schwerlich von „aussterbenden Sprichwörtern“ sprechen.

Bei einem Vergleich auf der Datenbasis von Sammlungen, wie ihn die vorliegende Arbeit anstrebt, werden Sprichwörter ohne ihre historischen, geographischen, sozialen oder situativen Kontexte miteinander verglichen. Problematisch dabei ist, dass die Sprichwortlisten nichts über den Bekanntheitsgrad oder die Häufigkeit des Gebrauchs eines Sprichworts in seinem Kontext aussagen; so können auch hier nur Vermutungen darüber angestellt werden, welche Sprichwörter wann bekannt waren oder benutzt wurden oder ob das überhaupt der Fall war (vgl. 3.4).[27]

2.5. Wechselwirkung von Sprache und Kultur

„Die Sprache übernimmt jedoch auch eine Rolle als Trägerin von Bedeutungselementen, die nicht innersprachlich systematisierbar sind, jedoch trotzdem auf eine kontextunabhängige, überindividuelle Ebene gehören. Es sind dies Konnotationen, die kulturell bestimmt sind (…)“ (Lehmann 1998: 125).

Dieses Phänomen nennt Lehmann „kulturelle Relativität“ und beschreibt es als „von der Sprache getragen, aber nicht vom Sprachsystem bestimmt“ (ebd.) Jedes Wort sei tief in einem kulturellen Zusammenhang eingebettet (1998: 126). Wenn dies bereits für einzelne Wörter gilt, so muss es zu einem noch höheren Grad auf Sprichwörter zutreffen.

Wort-Bedeutungsunterschiede für Mitglieder verschiedener Kulturen können sich zwar auch im Sprachsystem (beispielsweise durch den Reichtum metaphorischer Wendungen) indirekt ausdrücken, doch dieser Bedeutungsbereich ist „nicht-eigentlich sprachlich“ (ebd.), weswegen Lehmann den Begriff der kulturellen Relativität eingeführt hat.

Dogbeh postuliert ergänzend: „… es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Art und Weise, wie die Welt in einer Kultur betrachtet und geordnet wird und den sprachlichen Bildern, die daraus entstehen. Die natürliche Umgebung prägt die Welterkenntnis der Menschen und diese wiederum prägen die sprachlichen Konzepte.“ (2000: 227)[28]

3. Empirischer Teil: Frauen in den Sprichwörtern

Ziel der konfrontativen Phraseologie ist die vergleichende Untersuchung der phraseologischen Systeme von zwei oder mehr Sprachen und die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede (vgl. Fleischer 1982: 30). Die phraseologischen Systeme der drei Sprachen zu untersuchen, würde den Rahmen dieser Arbeit zu weit stecken.

Es „hat sich gezeigt, dass die kontrastive Erforschung der Phraseologie zweier (oder mehrerer) Sprachen viele verschiedene strukturelle, morphosyntaktische, semantische, ja sogar pragmatische Erkenntnisse ans Licht zu bringen vermag. Über diese Aspekte hinaus treten beim interlingualen Vergleich oft auch vielgestaltige kulturelle und national- bzw. landesspezifische Unterschiede in Erscheinung, zumal die Phraseologismen – neben ihrer kommunikativen Funktion – auch über eine kumulative Funktion verfügen.“ (Földes 1996: 17ff.)

Im Folgenden findet sich also eine kontrastive Betrachtung der drei nicht-verwandten Sprachen, die die Parömiologie der behandelten Sprachen in der thematischen Gruppe „Frau“ analysiert, erörtert und vergleichend untersucht.

3.1. Prämissen

Bei meinen Untersuchungen musste ich auf die gesprochene Sprache verzichten. Das von mir erarbeitete „Korpus“ greift in jeder der drei Sprachen auf schriftliche Quellen zurück. Wie bereits erwähnt, erfolgte die Datengewinnung aus einsprachigen wie auch mehrsprachigen Sprichwörtersammlungen. Die Lexika enthalten oft auch Sprachmaterial, das veraltet oder aus anderen Gründen nicht mehr gebräuchlich ist[29]. Außerdem mangelt es bisweilen an der Übersetzung eines Sprichworts in die andere(n) Sprache(n), beziehungsweise am Finden des entsprechenden/passenden Äquivalents.

So habe ich mich auf das Urteil von wenigen muttersprachlichen Informanten gestützt, bei den deutschen Belegen auch auf mein Sprachgefühl.[30] Infolge dieser Materiallage muss eine bestimmte Inhomogenität in Kauf genommen werden, zumal keine praktikable Alternative zur Verfügung stand.

Bei der Auswahl der Sprichwörter achtete ich auf das Vorhandensein von Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten, aber auch Unterschieden in den zum Vergleich anstehenden Sprachen. Der Umfang des Sprichwörterrepertoires der drei Sprache machte eine thematische Einschränkung unumgänglich, und selbst die Thematik ‚Frau’ beinhaltet eine Vielzahl von Komponenten und verschiedenen Sprichwörtern, dass auch aus diesem Gebiet nur ein Teil ausgewählt werden konnte. Das Korpus beansprucht daher keine Repräsentativität, als Grundlage für einen Vergleich kann es aber dennoch dienlich sein.

3.2. Methode zur Klassifizierung: Matti Kuusi type system of proverbs

Eine Methode zur Klassifizierung von Sprichwörtern stellt das „Matti Kuusi international type system of proverbs“ dar – ein „common international reference code“ (Lauhakangas 2001: 91). Es ist flexibel und bietet Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Gestaltung. Outi Lauhakangas bezeichnet das System als „tool“ (2001: 30), als Werkzeug, und als solches will ich es auch hier verwenden. Die Matti Kuusi Klassifikation ermöglicht, die kulturelle und die formale Perspektive von Sprichwörtern zu kombinieren. Diese Herangehensweise erlaubt eine gezieltere Interpretation, als Sprichwörter unter einigen allgemeinen Konzepten zu sammeln.

Ich habe mich für diese Einteilung der Sprichwörter entschieden, da sie eine thematische Ordnung ermöglichte, was mir für den Rahmen der Arbeit am logischsten erschien. Für sein internationales System teilte Kuusi die Sprichwörter in 13 Hauptthemen (main themes) ein, denen 52 Hauptklassen (main classes) untergeordnet sind, die eine spezifischere Unterteilung erlauben. Die darunter liegenden Untergruppen (subgroups) unterscheiden sich voneinander bezüglich ihres thematischen Inhalts und bezüglich des Charakters und der Struktur der beinhalteten Sprichworttypen (vgl. Lauhakangas 2001: 41).

Eine Schwierigkeit bei der Anwendung stellt sich: Es ist eine Frage verschiedener Traditionen und der Fähigkeit zu erkennen, wie scheinbar unterschiedliche Formen denselben Informationsgehalt tragen. Außerdem spielt das starke Verhaftetsein in der eigenen Kultur immer eine Rolle und Objektivität kann nur ansatzweise postuliert werden.

Das System akzeptiert parallele Interpretationen und will jedem Sprichwort einen möglichst breiten Rahmen geben. So wird kein Wert auf exakten Wortlaut gelegt. Endziel ist „to find unifying general concepts“ (2001: 29), was im vorliegenden Rahmen jedoch außer Acht gelassen werden muss.

Für den Forschungskorpus wurden zum größten Teil Sprichwörter der Haupt-gruppe G (Social life) ausgewählt, – die dort enthaltenen Sprichwörter beziehen sich meist auf bestimmte Situationen –, und davon die Hauptklassen G4 (man : woman / ranking and position of both sexes) und G5 (marriage), da innerhalb dieser Klassen die häufigsten Sprichwörter zum Thema „Frau“[31] enthalten sind.

Thematisch sind die Untergruppen folgendermaßen gegliedert (vgl. Lauhakangas 2001: 117):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Untergruppen zeigen dabei schon strukturelle Tendenzen der Sprichwörter auf. Beispielsweise implizieren G4a und G5a einen Vergleich, also eine Pro-Contra-Beziehung mit klarer positiver Betonung des einen Teils. G5c und G5d beschreiben Entweder-oder-Situationen. G5e enthält generalisierende Behauptungen, die aus einem Fall hervorgegangen sind (vgl. Lauhakangas 2001: 53). Beziehungen ohne klare positive oder negative Konnotation finden sich in G5f und G5h.

Die den Korpus bildende Auswahl von insgesamt 213 Sprichwörtern lässt sich wie folgt auf die Untergruppen des Matti Kuusi Type Systems aufteilen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit 71 Sprichwörtern steht die Gruppe G4b, die das Schicksal der Frau sowie Dinge und Handlungsweisen, die mit Frauen gedanklich verknüpft werden beinhaltet, an erster Stelle. Darauf folgt G4c (53), das die Sprichwörter zum Themenkomplex der weiblichen Unverlässlichkeit, Geschwätzigkeit und Bosheit/Boshaftigkeit enthält. An dritter Stelle steht die Bewertung von Frau und Mann (G4a; 26 SW), an vierter die Machtbeziehungen /-verteilung (G5h; 25 SW).

[...]


[1] Die Testpersonen sollten die gängigsten Anredeformen für eine Reihe von Personenkategorien (z. B. sekreter (Sekretär/in), kuyumcu (Goldverkäufer/in)) aus verschiedenen Bereichen nennen. Da viele Anredeformen das Genus des Adressaten bezeichnen, ließ sich erkennen, welches Genus sie mit dem jeweiligen Berufsbild assoziierten.

[2] Die Studie an 386 (239f, 147m) Studierenden untersuchte die drei Begriffe sekreter (Sekretärin, weiblich besetzt (f)), kuyumcu (Goldverkäufer, männlich besetzt (m)) und kişi (Person, neutral (n)) in den drei verschiedenen Kontexten Kochen (f), Fußball (m) und Fernsehen (n).

[3] Bsp. (2001: 295-298) : adam (Mann, Mensch), insan (Mensch), genç (Jugendlicher), çocuk (Kind) sind im Zweifelsfall männlich besetzt.

[4] In diesem Zusammenhang beklagt Braun (2001: 289) den Mangel an systematischen methodologischen Untersuchungen in diesem Bereich. Man müsse sich daher auf unsystematische Beobachtungen beziehen [u.a. Külebi 1989; Yurtbaşı 1994, ein Sprichwörterbuch mit Klassifizierung der Sprichwörter anhand von Stichwörtern, z.B. kadın (Frau). Es gibt in diesem Wörterbuch jedoch kein Kapitel erkek (Mann), wenngleich erkek im Index auftaucht.]

[5] Hierbei fällt auf, dass diese weiblich besetzten Begriffe nicht zur Ableitungsgrundlage ihrer männlichen Entsprechungen dienten. Denn stattdessen wurden neue, neutralere männliche Begriffe eingeführt (z.B. Krankenpfleger) (vgl. Hellinger 2001: 157).

[6] Es wird jedoch zunehmend als sexistisch ausgelegt, wenn in neutralen Kontexten Frauen in generisch maskuline Begriffe miteinbezogen werden. Generische Maskulina haben normalerweise weibliche Gegenstücke, die grammatikalisch femininen und lexikalisch spezifisch weiblichen Charakter aufweisen. Das Nichtbenutzen dieser femininen Varianten wird zum Teil als Beitrag zur „female invisibility“ gewertet.

[7] Beispiel: Ist eine Frau auch dumm, so ist sie niemals stumm. / Küstern, Priestern und Frauen ist nicht zu trauen.

[8] Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf das „Castellano“, on dem auch die meisten spanischsprachigen linguistischen Studien zu „Sprache und Gender“ vorliegen.

[9] Dagegen assoziieren Deutschsprecher den Tod mit einer männlichen Figur.

[10] Nissen (2001: 255) bemängelt jedoch als Unstimmigkeit, dass Feminina in Wörterbüchern so dargestellt würden, als wären sie von den maskulinen Pendants abgeleitet, und dass in etymologischen Wörterbüchern nur die maskulinen Formen aufgelistet würden, während feminine Formen demnach keine unabhängige Herkunft hätten.

[11] In den Fällen, in denen eine Ableitung als ungewöhnlich empfunden würde, werden lexikalische Modifikationen benutzt (z.B. mujer obispo für Bischöfin, oder mujer torrero für Stierkämpferin).

[12] Campesino gilt jedoch nur im Plural auch für Frauen, da im Singular die Form campesina existiert.

[13] Andere stereotypische Konnotationen lassen sich in den folgenden Wendungen erkennen: actu-ar como un hombre (wie ein Mann handeln) richtet sich auf Stärke, Selbstbewusstsein/-behauptung und Tapferkeit, wohingegen actuar como una mujer angewendet auf Männer Schwachheit, Verschlagenheit/Unaufrichtigkeit und Feigheit bedeutet (vergleichbare Wendungen existieren auch im Türkischen). Sexuelle Terminologie stellt den Mann traditionell als den aktiven Part und die Frau als den passiven dar. Die Begriffe hombre honrado und mujer honrada tragen verschiedene Bedeutung. Im männlichen Kontext ‚ehrlich, redlich’, im weiblichen ‚Frau, die nur mit ihrem Ehemann sexuell verkehrt’.

[14] Die empirische Parömiologie ist bedeutend jünger als die Sammlung oder Parömiographie von Sprichwörtern. Autorenabhängig wird ihr Beginn bspw. im deutschsprachigen Raum entweder mit Wanders Abhandlung über Sprichwörter (Das Sprichwort, betrachtet nach Form und Wesen, für Schule und Leben, als Einleitung zu einem großen volksthümlichen Sprichwörterschatz) datiert oder mit Seilers „Das deutsche Sprichwort“ (1918). Doch auch diese Autoren arbeiteten nicht streng linguistisch im heutigen Verständnis.

[15] Sie ähneln sich dabei in ihrem Aufbau. Ein Sprichwort wird in der Ausgangssprache als Überschrift vorangestellt, dann folgen die Parallelen oder Äquivalente in den verschiedenen Sprachen.

[16] Die Vermutung liegt nahe, dass es auch umgekehrte Verläufe gab, also Teile schöner Dichtung mit der Zeit sprichwörtlich wurden.

[17] Geringen Einfluss fand ebenso das kleine Sprichwortkompendium von Özcan/Seuß (2007), da es nur eine geringe Anzahl von Sprichwörtern über Frauen enthält. Weitere zweisprachige Sammlungen, beispielsweise Türk atalar sözü. 410 Türkische Sprichwörter von Manioğlu/Scheuermann, blieben unberücksichtigt, da sie sich sowohl aufgrund ihres Alters, als auch wegen ihres geringen Umfanges als nicht hilfreich erwiesen.

[18] Laut Fleischer lässt sich dies einerseits aus mittelalterlichen Sprichwortsammlungen selbst und andererseits daraus schließen, „daß in den Sprichwörtern ‚das Handwerk hoch gepriesen wird’, während sich ‚dagegen kaum Belege für seinen späteren Niedergang finden lassen’.“ (Fleischer 1982: 81)

[19] Lewandowska/Antos (2004: 167-186) führen dies auf folgende Tatsache zurück: „Sprichwörter als ‚kulturelle Metaphern’ werden in einer Gesellschaft dann (noch) gebraucht, wenn sie aufgrund ihrer ‚kognitiven Ikonizität’ nicht nur als Sprachbilder, sondern als ‚sprachliche Sinnbilder’ fungieren.“ In einer Gesellschaft nicht mehr gebräuchliche Bilder führen damit zum Nichtgebrauch der Sprichwörter, die diese Bilder verwenden.

[20] Burger führt einige Beispiele solcher Sprichwörter aus einer Studie zur Mannheimer Stadtsprache von Keim (1997) an: „ Der kriggd de Eisschrongg abgschlosse (‚Der kriegt den Eisschrank abgeschlossen’) dient zur Charakterisierung ‚der totalen Kontrolle, die eine Ehefrau über ihren Mann im Konsumbereich ausübt’, und Er muß häm die Bedde mache sie gehd in die Lokale (‚Er muß daheim die Betten machen, sie geht in die Lokale’) wird zur Charakterisierung ‚einer von der Frau veranlassten Umkehr der typischen Aufgabenverteilung zwischen Ehemann und Ehefrau’ verwendet.“ Doch weist er im Folgenden selbst darauf hin, dass diese regionalsprachlichen Ausdrücke eher feste Phrasen als Sprichwörter sind, da sie durch Pronomina an den Kontext angeschlossen werden müssen.

[21] Şenaltan attestiert dieser Sammlung Fehlerhaftigkeit (vgl. 1968: 19). Lewandowska/Antos (2004: 169f.) weisen darauf hin, dass es das Thema aussterbende Sprichwörter seit der Romantik gibt und viele von Simrocks gesammelten Sprichwörtern schon zu seiner Zeit nicht mehr gebräuchlich waren. Er sammelte sie – wie viele andere Kollektoren auch – um sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren und griff auf ältere tradierte Sammlungen zurück.

[22] Das Zurateziehen des digital vorliegenden Wanderschen Sprichwortlexikons erwies sich als schwierig, zum einen aufgrund seines Umfanges und des Vorkommens vieler Regionalismen und Archaismen, zum anderen aufgrund der eingeschränkten Möglichkeit in den Suchfunktionen.

[23] übersetzt: „Sprichwörter, die die alten Weiber hinter dem Ofen sagen (erzählen)“

[24] Informationen zu diesem Kapitel sind Brandenberger (1975) und Sevilla Muñoz (2001), sowie Krauss (1949) entnommen.

[25] Sevilla Muñoz bemerkt, dass zentrale spanische literarische Werke durch den lebhaften Gebrauch von Sprichwörtern gekennzeichnet sind: „... muchas de las más importantes obras de los Siglos de Oro incorporan numerosos refranes: Libro de Buen Amor, El Corbacho, El lazarillo de Tormes, El Quijote (vgl. S.13-15)

[26] Außerdem finden sich vereinzelt Sprichwörter aus den mehrsprachigen Sammlungen von Davidoff (1946), Gluski (1971) und Paczolay (1997) in der Auswahl der spanischen und deutschen Sprichwörter, sofern diese auch in den Hauptreferenzsammlungen (Rodríguez Marín, bzw. Simrock/Körte) vorhanden sind.

[27] Als störend erwies sich zudem, dass sich in vielen Sammlungen außerdem Redensarten, Zitate und Sprichwörter in einem Werk gemeinsam finden und keine Differenzierung zwischen den Gattungen der verschiedenen existierenden festen Formen erfolgt.

[28] Ob dies jedoch für die kulturell zwar nicht verwandten, aber doch relativ ähnlichen Kulturen von Türken, Spaniern und Deutschen gilt, möchte ich wenigstens zum Teil bezweifeln. Sicherlich lassen sich solche Beobachtungen besser zwischen Völkern machen, die so unterschiedlich wie das Deutsche und eine afrikanische Sprache (in diesem Falle das Fcn) sind.

[29] Diesen liegen auch moralische Anschauungen der Entstehungszeit zugrunde. Allgemeine Aussagen sind nur bei einem Teil der Sprichwörter eng mit der feudalen Gesellschaftsordnung verbunden, einige haben zum Teil bis heute ihre Geltung bewahrt, „auch dort, wo das sprachliche Bild Situationen fixiert, die nicht mehr unserer Zeit entsprechen.“ (Fleischer 1982: 82)

[30] Um einen Anhaltspunkt über die Gebräuchlichkeit und Bekanntheit der von mir ausgewählten Sprichwörter zu bekommen, legte ich einigen älteren Frauen aus meinem Bekanntenkreis den erarbeiteten Sprichwortkorpus vor und bat sie, diejenigen Sprichwörter zu kennzeichnen, die ihnen unbekannt sind. Die heute noch den Befragten bekannten Sprichwörter sind in der Tabelle kursiv gekennzeichnet. Im Türkischen sind es zwei, im Deutschen sechs und im Spanischen 14, obwohl die befragten Spanierinnen mit Abstand die jüngsten im Durchschnitt waren. Aufgrund der geringen Anzahl der Befragten (6) kann man hierbei aber nicht von einer allgemeinen Tendenz sprechen. Daher soll die Gebräuchlichkeit der Sprichwörter im Folgenden weitgehend außer Acht gelassen werden.

[31] Während das Spanische für das Konzept „Frau“ nur das Wort mujer kennt, existieren im Deutschen Frau und Weib (was sicherlich zum Teil auf das unterschiedliche Alter der Sprichwörter zurückzuführen ist). Das Türkische kennt eine Reihe von Begriffen: avrat (Frau, Weib), (Ehefrau), kadın (Dame, Ehefrau, Frau), karı (Ehefrau, Frau). Diese Begriffe wurden für die drei Sprachen in der Auswahl berücksichtigt.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2008
ISBN (PDF)
9783955497033
ISBN (Paperback)
9783955492038
Dateigröße
326 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Parömiologie Geschlechterstereotyp Kultur Sprache Geschlechterrolle

Autor

Veronika Seitz, geboren 1985, studierte Europastudien (Sprache, Literatur, Kultur) an der KU Eichstätt-Ingolstadt und beendete mit der vorliegenden Arbeit ihr Bachelor of Arts Studium. Von Anfang an gehörten die türkische und spanische Sprache und Sprachwissenschaft zu ihren Studienschwerpunkten. Es folgten Projekte in Madrid und ein längerer Aufenthalt in Istanbul. Türkische Kommilitonen inspirierten sie, sich mit Sprichwörtern in den verschiedenen Sprachen zu beschäftigen.
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Titel: Die Frau im Sprichwort: Türkische, deutsche und spanische Sprichwörter im sprachlich-kulturellen Vergleich
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