Folgen und Probleme, die sich aus dem Kauf von Steuer-CDs ergeben
©2010
Bachelorarbeit
54 Seiten
Zusammenfassung
Nach der Liechtensteiner Steueraffäre, aber besonders nach dem Auftauchen einer Steuer-CD aus der Schweiz in diesem Jahr wurde die Existenz von immer mehr Steuer-CDs in Deutschland bekannt. Einige dieser Datenträger enthalten große Datenmengen und auch Informationen über Prominente, andere wiederum beschränken sich auf wenige Einzelfälle. Jede neue Steuer-CD entfachte eine Diskussion darüber, ob diese gekauft werden sollte oder nicht. Allerdings sind bislang weder die rechtliche Grundlage noch die ökonomischen Folgen eindeutig geklärt.
In dieser Arbeit sollen die Folgen und Probleme, aber auch das Für und Wider des Kaufs von Steuer-CDs dargestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei zum Einen auf der juristischen Komponente, die sozusagen die Grundlage bildet, zum Anderen sollen die ökonomischen Auswirkungen insbesondere mit Hinblick auf die Anreizthematik untersucht werden.
In dieser Arbeit sollen die Folgen und Probleme, aber auch das Für und Wider des Kaufs von Steuer-CDs dargestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei zum Einen auf der juristischen Komponente, die sozusagen die Grundlage bildet, zum Anderen sollen die ökonomischen Auswirkungen insbesondere mit Hinblick auf die Anreizthematik untersucht werden.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1. Einleitung
1.1 Relevanz des Themas
Nach der Liechtensteiner Steueraffäre, aber besonders nach dem Auftauchen einer Steuer-
CD aus der Schweiz in diesem Jahr, wurde die Existenz von immer mehr Steuer-CDs in
Deutschland bekannt. Einige dieser Datenträger enthalten große Datenmengen und auch
Informationen über Prominente, andere wiederum beschränken sich auf wenige Einzelfäl-
le. Mit jeder neuen Steuer-CD entfachte eine Diskussion darüber, ob diese gekauft werden
sollte oder nicht. Allerdings sind bislang weder die rechtliche Grundlage, noch die ökono-
mischen Folgen eindeutig geklärt.
In dieser Arbeit sollen die Folgen und Probleme, aber auch das Für und Wider des Kaufs
von Steuer-CDs dargestellt werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei zum Einen auf der
juristischen Komponente, die sozusagen die Grundlage bildet, zum Anderen sollen die
ökonomischen Auswirkungen insbesondere mit Hinblick auf die Anreizthematik unter-
sucht werden.
1.2 Gang der Untersuchung
Neben der Einleitung umfasst diese Bachelorarbeit acht weitere Abschnitte sowie ein ab-
schließendes Fazit.
Das folgende Kapitel soll zunächst einen Überblick über die Situation geben. Dabei soll
sowohl auf den Ablauf des Kaufs der CDs, als auch auf die daraus resultierenden Steuer-
einnahmen eingegangen werden. Zu Beginn wird ein Rückblick auf den Gang der Liech-
tensteiner Steueraffäre im Jahr 2007 gegeben. Danach wird der diesjährige Fall der
Schweizer Steuer-CD vorgestellt. Im Anschluss daran wird eine kurze Übersicht über wei-
tere, sich im Umlauf befindende Steuer-CDs gegeben.
Im dritten Kapitel werden die Reaktionen auf den Kauf der Steuer-CDs vorgestellt. Zuerst
werden die Pro- und Contra-Argumente gegenübergestellt. Anschließend wird ein Einblick
in die öffentliche Diskussion gegeben. Dabei werden neben der Meinung der Bürger insbe-
sondere politische Äußerungen dargestellt. Zum Abschluss dieses Kapitels wird auf die
Meinung des Bundes deutscher Steuerzahler eingegangen.
5
1. Einleitung
Kapitel vier beschäftigt sich mit der juristischen Perspektive. Hier wird zu Beginn unter-
sucht, ob der Ankauf der Steuer-CDs rechtmäßig war. Daran anschließend wird geprüft, ob
die angekauften CDs als Beweismittel zulässig sind oder einem Beweisverwertungsverbot
unterliegen. Da im Zuge der Steuer-CDs häufig die Selbstanzeige als Mittel zur Rückkehr
in die Steuerehrlichkeit diskutiert wird, wird abschließend die juristische Grundlage der
Selbstanzeige dargestellt.
Das fünfte Kapitel analysiert die ökonomischen Folgen des Kaufs von Steuer-CDs. Zu
Beginn des Kapitels wird gezeigt, wie sich die Situation bezüglich Anreizen zur Steuerhin-
terziehung vor dem Bekanntwerden von Steuer-CDs darstellt. Darauf folgend wird unter-
sucht, wie sich die Anreize zur Steuerhinterziehung bei Vorliegen von Steuer-CDs und
insbesondere mit der Möglichkeit der Selbstanzeige verändern. Abschließend wird ein kur-
zer Einblick gegeben, wie sich der Kauf von solchen Datenträgern auf potentielle Daten-
diebe auswirkt.
Nach einer kurzen philosophischen Betrachtung in Kapitel sechs setzt sich Kapitel sieben
mit anderen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung auseinander. Hier
wird neben den Amts- und Rechtshilfeabkommen zwischen verschiedenen Staaten auch
auf die Möglichkeit einer gemeinsamen EU-Lösung eingegangen. Zudem werden weitere
Alternativen ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorgestellt.
Im letzten Kapitel werden erste Überlegungen zu einem besseren Steuersystem vorgestellt.
Diese Vorschläge beruhen sowohl auf Überlegungen von Experten als auch aus den Er-
gebnissen dieser Arbeit.
Ein abschließendes Fazit in Abschnitt neun fasst die Ergebnisse der Arbeit kurz zusam-
men.
6
2. Darstellung der Situation
2. Darstellung der Situation
2.1 Der Fall Liechtenstein
Im Jahr 2007 wurde die Liechtensteinische Finanzaffäre bekannt. Bereits im Jahr zuvor,
am 26.01.2006, wurden dem BND durch einen damals anonymen Informanten Daten von
deutschen Kunden angeboten. Diese hatten damals insgesamt 3,5 Milliarden Euro in
Liechtenstein angelegt. Nachdem sich der Informant Heinrich Kieber mehrfach mit dem
BND traf und diesen ,,Probedaten" lieferte, erhielt er vom BND eine neue Identität. Nach
Rücksprache mit dem Kanzleramt und dem Bundesfinanzministerium schloss der BND mit
Kieber einen mündlichen Kaufvertrag der Daten über 4,2 Millionen Euro ab. Der BND-
Chef bat die Steuerfahndung des Finanzamtes Wuppertal nach sorgfältiger Prüfung und
Absprache mit anderen Behörden einen Antrag auf Amtshilfe zu stellen. Dieser wurde
gleich darauf genehmigt. Am 12.06.2007 fand ein Treffen zwischen Kieber und dem BND
zur Übergabe der Daten-DVDs statt. Die Kaufsumme wurde anschließend von einem Kon-
to des BND abgebucht. Zuvor hatte das Bundesfinanzministerium eine Deckungssumme
von 5 Millionen Euro zugesagt.
1
Bereits wenige Tage nach dem Kauf der Daten wurden diese an andere Länder kostenlos
weitergegeben. Sogar Länder wie Slowenien, das nicht als Hochsteuerland bekannt ist,
zeigten Interesse an den gekauften Daten.
2
Heinrich Kieber war von April 2001 bis November 2002 bei der LGT Treuhand AG be-
schäftigt. In diesem Zeitraum kopierte er unter Umgehung von Sicherheitsvorkehrungen
Daten von mehr als tausend Kundenbeziehungen. Bereits im Januar 2003 erpresste er da-
mit Fürst Hans-Adam II. mit der Drohung, die Daten ausländischen Behörden zugänglich
zu machen. Nach einer rechtskräftigen Verurteilung erhielt die LGT Treuhand AG die
DVDs mit den gestohlenen Kundendaten zurück. Allerdings hatte Kieber zuvor Kopien
dieser Daten erstellt.
3
Auf den Datenträgern befanden sich Angaben über 4.527 Begünstigte von Liechtensteiner
Stiftungen aus den 1970er Jahren bis 2005, von denen ca. 1.400 deutschen Anlegern gehör-
ten.
4
Der prominenteste Fall unter den deutschen Anlegern war Ex-Post-Chef Klaus
1
Vgl. Pitsch (2009), S. 339
2
Vgl. Wagner (2008), S. 372
3
Vgl. Trüg/Habetha (2008); Wagner (2008), S. 370
4
Vgl. Sieber (2008)
7
2. Darstellung der Situation
Zumwinckel, der im Februar 2008 nach einer Hausdurchsuchung medienwirksam festge-
nommen wurde. Er wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Million Euro
Geldstrafe verurteilt. Infolge dieses Falles gingen hunderte von Selbstanzeigen ein.
5
Insgesamt wurden laut Bundesregierung im Zuge der Affäre bereits 588 Ermittlungsver-
fahren eingeleitet, von denen 191 abgeschlossen sind. Die Einnahmen aus nachgezahlten
Steuern sowie Geldstrafen beläuft sich auf ca. 200 Millionen Euro.
6
2.2 Daten aus der Schweiz
Zu Beginn dieses Jahres, am 31.01.2010, wurde die Existenz einer neuen CD mit Daten
über Steuersünder bekannt. Der erste Kontakt zu deutschen Steuerbehörden fand bereits
Anfang 2009 statt. Der Datenträger, auf dem sich Adressen, Kontonummern und Summen
der angelegten Beträge befanden, wurde zuerst der Steuerfahndung in Wuppertal angebo-
ten.
7
Bei dem Anbieter handelte es sich vermutlich um einen Angestellten der Credit Suisse
Bank, der die Daten während seiner Beschäftigungszeit dort kopiert hatte. Die Steuerfahn-
der in Nordrhein-Westfalen baten den Anbieter zunächst um eine Stichprobe von Daten
aus NRW. Die Überprüfung von fast hundert Datensätzen ergab eine sehr hohe Trefferquo-
te. Nach fast dreiwöchigen Gesprächen mit dem Informanten im Ausland erwarb NRW
diese CD am 04.02.2010 zu einem Preis von 2,5 Millionen Euro.
8
Auf deren Basis laufen
nun rund 1.100 Strafverfahren.
Die Übergabe der CD an vier Wuppertaler Steuerfahnder soll Medienberichten zufolge in
Frankreich stattgefunden haben, da dem Informanten bei Übergabe in Deutschland eine
Festnahme gedroht hätte.
9
Kurz darauf, im Juni 2010, kaufte Niedersachsen eine weitere
CD mit Daten über 20.000 Inhaber Schweizer Konten. Die Kosten für den Kauf der CD
teilten sich Bund und Länder.
10
5
Vgl. Pitsch (2009), S. 339
6
Vgl. Deutscher Bundestag (2010)
7
Vgl. Leyendecker (2010)
8
Vgl. Leyendecker (2010)
9
Vgl. Tagesschau.de (2010 b)
10
Vgl. Riedel (2010)
8
2. Darstellung der Situation
Als Reaktion auf den Kauf dieser CDs hatten sich 21.734 Steuerhinterzieher selbst ange-
zeigt (Stand 07.07.2010). Man vermutet, dass sich die Daten vieler dieser Steuersünder auf
einer oder beiden der gekauften CDs befanden und diese daher ohnehin aufgeflogen wä-
ren.
11
Die meisten Selbstanzeigen hat es bislang in Baden-Württemberg (2.966) und Hes-
sen (ca. 1.700) gegeben.
12
Erst als bekannt wurde, dass die CDs mit den Daten vieler Steu-
ersünder tatsächlich gekauft wurden, setzte die Steuerehrlichkeit ein.
13
Über die Höhe der Steuermehreinnahmen durch den Kauf der Steuer-CD in Nordrhein-
Westfalen konnte bislang nur spekuliert werden. Das Bundesfinanzministerium machte
bislang keine Angaben dazu. Nach Medienberichten war zunächst von 100 Millionen Euro
die Rede, später schon von ca. 400 Millionen Euro.
14
Neben den Daten über deutsche Steuersünder soll die CD der Credit Suisse auch belasten-
des Material aus den Jahren 2004 bis 2008 gegen die Bank selbst enthalten. Die deutschen
Behörden planten daher erstmals, der Bank und ihren Mitarbeitern Beihilfe zur systemati-
schen Steuerhinterziehung nachzuweisen.
Die Wuppertaler Steuerfahndung ging davon aus, dass es in diesem Zusammenhang nicht
nur Verfahren gegen deutsche Steuerhinterzieher geben würde, sondern ebenfalls gegen
Mitarbeiter der Credit Suisse. Ihnen könnte Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgeworfen
werden.
15
Anfang August schrieb die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft sich selbst angezeig-
te Steuerhinterzieher an und verlangte von ihnen eine verbindliche Auskunft über das Be-
ratungsvorgehen bei der Credit Suisse. Die Staatsanwaltschaft versprach sich dadurch Na-
men von Mitarbeitern, gegen die ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung
eingeleitet werden könnte. Bereits im Juni wurden 13 Filialen der Credit Suisse in
Deutschland durchsucht.
16
Nach internen Schätzungen der Bank verschwiegen 88 Prozent der deutschen Anleger ihr
Geld vor dem deutschen Fiskus. Das entsprach bis zu 100.000 deutschen Steuerhinterzie-
hern mit einem Vermögen von ca. 34 Milliarden Schweizer Franken, also umgerechnet
mehr als 23 Milliarden Euro.
17
11
Vgl. Riedel (2010)
12
Vgl. Stern online (2010 a)
13
Vgl. Riedel (2010)
14
Vgl. Tagesschau.de (2010 b)
15
Vgl. Der Westen (2010); Leyendecker (2010); Spiegel online (2010b)
16
Vgl. NZZ online (2010 b)
17
Vgl. Spiegel online (2010 b)
9
2. Darstellung der Situation
Obwohl Schweizer Politiker beim Kauf der ersten Steuer-CD aus ihrem Land heftig protes-
tierten und die Rechtmäßigkeit des Kaufes in Frage gestellt hatten, rückten diese von ihrer
früheren Position ab. Stattdessen kündigte der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf
Merz an, kein Interesse mehr an Schwarzgeld zu haben.
18
2.3 Weitere Steuer-CDs
Mitte dieses Jahres (Stand 21.07.2010) beschäftigten sich deutsche Behörden mit mindes-
tens sieben Steuer-CDs, wobei der Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen lag.
19
Die dama-
lige Entscheidung, die Steuer-CD aus Liechtenstein zu einem Preis von 4,2 Millionen Euro
zu erwerben, hatte offenbar ein neues Marktsegment eröffnet. Der Verkauf illegal erlangter
Daten an den deutschen Staat nahm weiter zu. Nach einer Auflistung des Spiegels
20
waren
folgende CDs im Umlauf:
Nordrhein-Westfalen: 1.500 Kundendaten der Credit Suisse (der Kauf erfolgte im
Februar 2010 für 2,5 Millionen Euro)
Baden-Württemberg: 1.600 mutmaßliche Steuerhinterzieher, zudem 20.000 Klein-
beträge (der Datenträger wurde von Niedersachsen gekauft)
Bayern: Datensätze von Banken aus Luxemburg und der Schweiz (Ankauf unge-
wiss)
Schleswig-Holstein: 363 Datensätze wurden den Steuerbehörden im Dezember
2009 anonym und kostenlos zur Verfügung gestellt
Hessen: Steuer-CD mit bislang unbekannten Daten
Einige weitere CDs in verschiedenen Bundesländern mit einer viel geringeren Da-
tenmenge.
21
Der Kauf der Steuer-CD in Baden-Württemberg wurde am 26.02.2010 abgelehnt, da insbe-
sondere von Seiten der FDP verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden.
22
Daraufhin
kaufte der Bund gemeinsam mit Niedersachsen diese CD für einen Preis von 185.000 Eu-
18
Vgl. Dams (2010)
19
Vgl. Der Tagesspiegel (2010)
20
Bartsch/Schmid (2010)
21
Vgl. Heerspink (2010); Ziegert (2010)
22
Vgl. tagesschau.de (2010 a)
10
2. Darstellung der Situation
ro, anstatt der zu Beginn geforderten 500.000 Euro. Obwohl Baden-Württemberg den Da-
tenträger selbst nicht kaufte, möchte es die darauf vorhandenen Daten mit nutzen.
23
Nach
Aussage vom niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllering ergaben sich allein für
das Land Niedersachsen aus den zuvor erhaltenen Probedaten schon Steuereinnahmen von
360.000 Euro.
24
Auf der CD befanden sich nicht wie beim Kauf angenommen 20.000, son-
dern Daten von ca. 35.000 deutschen Steuersündern. Von diesen 35.000 Daten stammten
nach Angaben des niedersächsischen Finanzministeriums 3.873 von Steuersündern aus
Niedersachsen.
25
Auch Schleswig-Holstein profitierte bereits von den zugespielten Datensätzen. Als Reakti-
on darauf zeigten sich mehr als 500 Steuersünder aus Schleswig-Holstein selbst. Dies
brachte dem Land Mehreinnahmen von ca. 70 Millionen Euro ein.
26
Nach Angaben der
Deutschen Steuergewerkschaft legten deutsche Steuerpflichtige mehr als 300 Milliarden
Euro im Ausland an. Durch Offenlegung dieser Anlagen, könnte der deutsche Staat ca.
10 Milliarden Euro mehr einnehmen.
27
,,,Dieses Jahr ist das CD-Boomjahr`, sagte der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft
(DSTG), Dieter Ondracek. Bis Mitte des Jahres habe es schon 25.000 Selbstanzeigen ge-
geben."
28
23
Vgl. Dams (2010)
24
Vgl. tagesschau.de (2010 a)
25
Vgl. NZZ online (2010 a)
26
Vgl. Hamburger Abendblatt (2010)
27
Vgl. Schäfers
(
2010)
28
Vgl. ZDF (2010)
11
3. Reaktionen auf den Kauf
3. Reaktionen auf den Kauf
3.1 Pro und Contra des Ankaufs
Der Kauf der Steuer-CDs wurde von vielen Seiten diskutiert und analysiert. Im Zuge des-
sen entwickelten sich zahlreiche Argumente, die für, aber auch gegen den Kauf solcher
Datenträger sprechen.
Befürworter des Kaufs sehen den Staat in der Pflicht, jeden Verdachtsmoment der Steuer-
hinterziehung zu verfolgen. Es müsse alles getan werden um eine gleichmäßige Besteue-
rung und damit einhergehend Steuergerechtigkeit herzustellen. Zur Not müssten also auch
illegal beschaffte Daten angekauft werden.
Gegner des Kaufs kritisieren, dass der Deal mit Dieben und Verbrechern unmoralisch sei
und diese nicht auch noch für eine begangene Straftat belohnt werden sollten. Indem der
Staat die Daten-CDs kauft, mache er sich zum Mittäter von Straftätern und übergehe die
Prinzipien eines Rechtsstaates. Somit gäbe der Staat kein gutes Vorbild für die rechtstreuen
Bürger ab und scheine den Rechtsbruch der Datendiebe auch noch gutzuheißen. Gleichzei-
tig verliere der Staat seine Glaubwürdigkeit, wenn er Straftaten von Bürgern durch eigene
Straftaten bekämpfe.
29
Einige Befürworter sehen in dem Ankauf der Steuer-CDs die einzige Möglichkeit des Staa-
tes, um Steuerhinterzieher zu entdecken und zu bestrafen. Kritiker des Kaufs sehen dage-
gen die Gefahr, dass sich der Staat in eine Abhängigkeit von Datendieben begibt. Es stelle
ein Problem dar, Geld für etwas auszugeben, das auf rechtlich fragwürdige Weise in je-
mandes Besitz gelangt ist. Neben dem Kauf von Daten-CDs gäbe es sicherlich auch andere
Möglichkeiten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Es sei ein Unding, dass der deut-
sche Fiskus für den Kauf solcher Daten Steuergelder verwendet.
Weiterhin wird argumentiert, dass man in den neuen Fällen der Steuer-CDs nicht auf ein-
mal anders entscheiden könne, als man es im Fall Liechtenstein getan hat. Dies schaffe
allerdings einen Anreiz zu weiteren Straftaten und treibe den Handel mit illegal beschaff-
ten Daten zusätzlich an. Sobald bekannt würde, dass sich der Staat nach diesem Verfahren
richtet, entstünde der Anreiz zu weiterem Datendiebstahl und der Staat mache sich durch
die Aussage, er kaufe jede Steuer-CD, zum Anstifter der Datendiebe.
29
Vgl. Göres/Kleinert (2008), S. 6
12
3. Reaktionen auf den Kauf
Positiv zu sehen sei, dass der Kauf von Steuer-CDs mit zunehmender Anzahl eine größere
Abschreckungswirkung entfalte und dazu führe, dass sich immer mehr Steuersünder selbst
anzeigten. Der Fiskus könne somit leicht mindestens 1,5 Milliarden Euro Steuern einneh-
men. Diese müsste er sonst mühsam über Steuerfahnder und Staatsanwälte eintreiben.
30
Durch den Kauf oder der glaubwürdigen Drohung eines Kaufes ergäbe sich zudem der
Vorteil, dass sich Steuersünder, die sich nicht auf den CDs befinden, selbst anzeigten. Die-
se wären ansonsten nicht entdeckt worden, hätten aber befürchtet, ebenfalls entdeckt zu
werden. Somit wurden dem Staat neben den Steuersündern auf den CDs auch weitere
Straftäter bekannt.
Hingegen sei bislang nicht eindeutig, ob die CDs als Beweise verwertet werden dürfen.
Falls dies nicht der Fall sein sollte, hätte der Staat viel Geld dafür ausgegeben und könnte
in Zukunft wohl auch nicht mehr mit so vielen Selbstanzeigen als Reaktion auf einen Steu-
er-CD-Kauf rechnen.
Zum Problem des Datenschutzes äußern sich Befürworter und Kritiker besonders unter-
schiedlich. ,,Wer Steuern hinterzieht hat keinen Anspruch auf Datenschutz", findet der
Landeschef der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft Christian Bäumler.
31
Sigmar Gabriel argumentiert: ,,,Wir können Ganoven nicht laufen lassen, nur weil sie von
Ganoven entlarvt werden.` Wenn die Regierung auf diese Daten verzichte, ,setzt sie sich
einmal mehr dem Verdacht aus, ihre Politik an den Interessen einer Klientel von Wohlha-
benden auszurichten`."
32
Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar hingegen kann es
,,nicht gutheißen, dass unsere Behörden sogar vorbei an Rechtshilfeabkommen, auf die
Daten zugreifen, die in anderen Staaten gestohlen worden sind".
33
Immerhin könnte die
CD auch Daten von Kunden beinhalten, die keine Steuern hinterzogen haben. Für die
Richtigkeit der Daten auf den CDs gäbe es jedoch keine Garantie.
3.2 Öffentliche Diskussion
Nach Bekanntwerden der Steuer-CDs ist in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion über
den Kauf dieser Datenträger ausgebrochen. Auf der einen Seite gibt es Befürworter des
30
Vgl. Riedel (2010)
31
Manager magazin (2010)
32
Sueddeutsche.de (2010)
33
Sueddeutsche.de (2010)
13
3. Reaktionen auf den Kauf
Kaufs, die vor allem aus den Reihen der steuerehrlichen Bürger stammen und bereits einen
,,Sieg der Gerechtigkeit"
34
feiern. Auf der anderen Seite lehnen insbesondere Datenschüt-
zer den Kauf solcher CDs ab.
Während der Kauf der Steuer-CDs in der breiten deutschen Bevölkerung auf Zustimmung
stieß, bestehen politisch, moralisch und besonders rechtlich einige Zweifel. Fragen, die die
Rechtmäßigkeit des Kaufs ebenso wie die Verwertungsmöglichkeit der Beweise angehen
sind bisher nicht eindeutig geklärt. Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht in Zukunft
zu dem Urteil kommen sollte, dass die Daten problemlos verwertet werden dürfen, so hat
der Kauf der Steuer-CDs durch den Staat einen bitteren Beigeschmack. Rechtsstaatliche
Prinzipien und Garantien würden durch einen solchen Kauf umgangen da der Staat mit
Straftätern quasi zusammenarbeite, um andere Straftäter zu überführen.
35
Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sah den Kauf der illega-
len Steuer-CDs skeptisch. ,,Der Handel mit gestohlenen Daten darf durch den Ankauf des
Staates nicht angeheizt werden."
36
Neben der Ahndung von Steuerhinterziehung sei es
auch Aufgabe des Staates, den Diebstahl von sensiblen Daten zu verhindern und zu bestra-
fen anstatt ihn zu belohnen. Zudem dürfe sich der Staat nicht in eine Abhängigkeit begeben
und auf Steuer-CDs angewiesen sein. Die illegale Beschaffung solcher Daten und deren
Handel solle nicht durch falsche Signale angetrieben werden.
37
Angela Merkel hingegen war der Meinung, ,,dass es ein gemeinsames Interesse gibt, diese
Informationen zu kennen. Steuerhinterziehung ist alles andere als ein Kavaliersdelikt."
38
Auch Strafverteidiger Ulrich Ziegert sah keine Einwände gegen den Kauf der Datenträger:
,,Wer Beamte ins Drogenmilieu einschleust und Heroin ankaufen lässt, der muss auch eine
Daten-CD fragwürdiger Herkunft erwerben dürfen."
39
Ähnlich argumentierte die Deutsche
Steuergewerkschaft. Sie plädierte für eine gesetzliche Regelung, die den Kauf solcher Da-
ten ausdrücklich gestattet. ,,Der Gesetzgeber muss ein Signal setzen und klarstellen, dass
für die Datensätze bezahlt werden kann."
40
Negative Reaktionen gab es auch anlässlich der zahlreichen Selbstanzeigen, durch die die
Steuerhinterzieher in der Regel straffrei ausgehen. Auch hier bezog die Steuergewerkschaft
34
Vgl. Gesellensetter (2010 b)
35
Vgl. Heerspink (2010)
36
Tagesschau.de (2010 b)
37
Vgl. tagesschau.de
(
2010 b)
38
Spiegel online (2010 b)
39
Gesellensetter (2010 a)
40
Spiegel online (2010 a)
14
3. Reaktionen auf den Kauf
ganz klar Stellung: ,,Diejenigen, die mit Vorsatz und ausgeklügelten Hinterziehungsme-
thoden Kapital am Fiskus vorbei auf ausländische Schwarzgeldkonten schleusen, sind Tä-
ter, die die Selbstanzeigenmöglichkeit bewusst und nüchtern in ihre Kapitalanlagestrate-
gien einbeziehen."
41
Diese Aussage zielte auf eine Neuregelung der Selbstanzeige ab. Zu-
dem gab es Stimmen, zum Beispiel aus den Reihen der SPD, die für eine komplette Ab-
schaffung der Selbstanzeige plädierten.
42
Die Steuerberaterkammer warnte jedoch davor, die strafbefreiende Selbstanzeige abzu-
schaffen. Dies hätte zur Konsequenz, dass es auch bei versehentlicher Unrichtigkeit der
Steuerangaben bei einer Korrektur zu einem Verfahren kommen müsse. Dies würde Steu-
erpflichtige von einer Korrektur ihrer Angaben abhalten und damit den Tatbestand der
Steuerhinterziehung erfüllen.
43
Es müsse also weiterhin möglich sein, im Falle einer nicht
beabsichtigt falschen oder fehlenden Angabe eine Berichtigung vorzunehmen, ohne dass
man dafür bestraft würde.
3.3 Stellungnahme des Bundes deutscher Steuerzahler
Der Bund deutscher Steuerzahler bezeichnet sich selbst als die Vertretung aller ehrlichen
Steuerzahler. Er forderte vom Staat insbesondere die effektive Bekämpfung von Steuerhin-
terziehung. Zu diesem Zweck solle der deutsche Staat auch internationale Rahmenbedin-
gungen schaffen, die es ermöglichen, Steuerhinterziehung zu bekämpfen oder sogar un-
möglich zu machen. Zum Schutz der Daten ehrlicher Steuerpflichtiger, sollten Steuer-CDs
nicht gekauft werden, sondern auf eine europäische Lösung gesetzt werden.
44
Die beste Möglichkeit zur Verhinderung von Steuerhinterziehung sei nach Meinung des
Bundes deutscher Steuerzahler eine Vereinfachung des Steuerrechts. Demnach sollte das
neue Steuersystem gerechter sein und eine niedrigere Belastung der Bürger bewirken, so-
dass deren Steuermoral stiege.
45
Zwar befürwortete der Bund der Steuerzahler keineswegs, dass Steuerhinterzieher die
Möglichkeit der Selbstanzeige von vornherein einkalkulierten, doch sah er ebenso die Ge-
fahr, dass bei Abschaffung auch ehrliche Steuerpflichtige mit der Einleitung eines Straf-
41
Schäfers (2010)
42
Vgl. Riedel (2010)
43
Vgl. Schäfers (2010)
44
Vgl. Däke (2010)
45
Vgl. Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (o. J.)
15
Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2010
- ISBN (PDF)
- 9783955497231
- ISBN (Paperback)
- 9783955492236
- Dateigröße
- 281 KB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- Frankfurt School of Finance & Management
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Note
- 1,3
- Schlagworte
- Liechtenstein Schweiz Steuer Steuerzahler Steuersünder Selbstanzeige