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Kundenorientierung von Dienstleistungsmitarbeitern: Konstrukt, Messung und Wirkungen

©2012 Bachelorarbeit 56 Seiten

Zusammenfassung

Der Dienstleistungssektor hat eine bedeutungsvolle Rolle in der weltweiten Wirtschaft eingenommen. Im Hinblick auf Deutschland hat er mit Abstand den größten Anteil an der Bruttowertschöpfung. Dienstleistungen sind häufig immaterieller, heterogener und integrativer als Sachgüter. Diese Eigenschaften erfordern bei der Interaktion zwischen Kunde und Mitarbeiter ein höheres Maß an Kundenorientierung, um die Kundenbedürfnisse befriedigen zu können. Zu dem Konstrukt Kundenorientierung sind sehr unterschiedliche Forschungsansätze aus den Wirtschaftswissenschaften, der Psychologie und der Biologie entstanden. Deswegen hat sich die Autorin der vorliegenden Studie zum Ziel gesetzt, einen Überblick über das Konstrukt der Kundenorientierung, seiner Messung, der Determinanten und der Auswirkungen auf die Mitarbeiter, das Unternehmen und die Kunden zu geben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.1.2 Messung der Kundenorientierung

In diesem Unterabschnitt wird ein Überblick über die gängigen Items und Skalen gegeben, die zur Messung der Kundenorientierung von Mitarbeitern verwendet werden. Die ausformulierten Items werden tabellarisch, nach ihrem Entwickler geordnet im Anhang aufgeführt (siehe Anhang B).

Um die Kundenorientierung der Dienstleistungsmitarbeiter zu messen, können die Vorgesetzten, die Kunden oder die Mitarbeiter befragt werden. Eine Beschränkung der Umfrage auf die letztere Personengruppe kann die Qualität der Ergebnisse verfälschen, da eine Selbsteinschätzung häufig durch eine Wunschvorstellung verzerrt werden kann und grundsätzlich nichts darüber aussagt, wie die Kundenorientierung von dem Kunden wahrgenommen wurde. Mithilfe der folgenden Items und Skalen wurden sowohl Dienstleistungsmitarbeiter als auch Sachgüteranbieter befragt, so dass hier alle Indikatoren auf den Dienstleistungssektor angepasst werden. Es wurden Einrichtungen von stark bis schwach immateriell in die Studien einbezogen, wie beispielweise Restaurantketten (vgl.: Grizzle et al. 2009, S. 1232; Donavan, Brown und Mowen 2004, S. 131), ein Reiseveranstalter (vgl.: Homburg, Wieseke und Bronemann 2009, S. 69) und ein Finanzdienstleister (vgl.: Kelley 1992, S.31).

Die SOCO-Skala („selling orientation - customer orientation“-Skala) von Saxe und Weitz (1982, S. 345) ist eine allgemein anerkannte Skala zur Messung der Kundenorientierung von Verkaufsmitarbeitern. Im Hinblick auf die Dimensionen wird hiermit das kundenorientierte Verhalten der Mitarbeiter gemessen. Von vielen Autoren wurde die SOCO-Skala vollständig, teilweise oder in einer abgewandelten Form übernommen (siehe Anhang B), wie beispielsweise durch Anpassung an den Dienstleistungssektor (vgl. auch: Brown et al. 2002, S. 118). Die SOCO-Skala beinhaltet zwölf positive Items für die Messung der Kundenorientierung von Mitarbeitern (und zwölf negative Items für die Messung von Verkaufsorientierung; die hier irrelevant sind (siehe Kapitel 3.1.3 Begriffsabgrenzung)). Die Items werden alle in der originalen SOCO-Skala von eins (= das trifft für keinen Kunden zu) bis neun (= das trifft für alle Kunden immer zu) bewertet (Reliabilität der Skala in der 1. Studie von Saxe und Weitz: 0,86; in der 2. Studie: 0,83).

Die SOCO-Skala wird häufig auch in gekürzter Form gebraucht, beispielsweise von Thomas, Soutar und Ryan (2001, S. 66), die die Skala auf fünf Punkte beschränken (vgl. auch: Guenzi, de Luca und Troilo 2011, S. 285; Wieseke et al. 2007, S. 275). Zusätzlich ergänzen sie die Skala durch ein weiteres Item (siehe Anhang B, Item-Nr. 13), das erfragt, ob ein Problemlösungsansatz in der Verkaufssituation verwendet wurde. Dieses Item hat ebenfalls bei anderen Autoren Anklang gefunden (siehe Anhang B).

Eine weitere anerkannte Skala (vgl. auch: Grizzle et al. 2009, S. 1242; Harris, Mowen und Brown 2005, S. 32) ist die von Brown et al. (2002, S. 118), die speziell auf den Dienstleistungssektor ausgerichtet ist. Die Messung der Kundenorientierung wird hier unterteilt in die Bedarfsdimension (Reliabilität = 0,87) und die Vergnügungsdimension (Reliabilität = 0,88). Sie wird von den Befragten auf einer Neun-Punkte Skala bewertet, von keiner Zustimmung bis starker Zustimmung. Die Bedarfsdimension enthält fünf der zwölf Items der SOCO-Skala und das von Thomas, Soutar und Ryan (2001, S. 66) entwickelte Item Nummer 13. Durch die zweite Dimension bei Brown et al. (2002, S. 111), die Vergnügungsdimension, die mit sechs Items gemessen wird, wird die Haltung des Mitarbeiters abgefragt (vgl.: Brown et al. 2002, S. 118). Basierend auf dieser Skala haben Donavan, Brown und Mowen (2004, S. 143) eine weitere Skala entwickelt, die auch bei anderen Autoren komplett (vgl. auch: Babakus, Yavas und Ashill 2009, S. 484f.; Farrel und Oczkowski 2009, S. 166) oder teilweise (vgl. auch: Homburg, Müller und Klarmann 2011a, S. 808f.) Verwendung gefunden hat. Die Neun-Punkte Skala wird von 0-100 Prozent bewertet (Reliabilität der Items > 0,85). Der Unterschied zu der Skala von Brown et al. (2002, S. 118) liegt in der Anzahl der Dimensionen. Denn hier wird das Konstrukt Kundenorientierung vierdimensional dargestellt: „need for personal relationship dimension“, „need to deliver dimension“, „enjoyment dimension“ und „need to pamper dimension“.

Die Items fragen den Mitarbeiter sowohl nach seiner kundenorientierten Haltung als auch nach seinem kundenorientierten Verhalten, dem sich Susskind, Kacmar und Borchgrevink (2003, S. 186) sowie Stock und Hoyer (2005, S. 545) anschließen (siehe Anhang B). Bei Stock und Hoyer (2005, S. 545) konnten die Befragten auf einer Skala von eins bis fünf ihre Zustimmung bis Ablehnung kenntlich machen. Die Reliabilität der Befragung der Mitarbeiter nach ihrem kundenorientierten Verhalten betrug 0,78, bei der Befragung der Kunden 0,98 und bei Befragung der Mitarbeiter nach ihrer Haltung 0,84 (vgl.: Stock und Hoyer 2005, S. 545). Für die Messung der kundenorientierten Haltung wurden hier sechs Items verwendet (siehe Anhang B).

Es lässt sich feststellen, dass zwar viele Studien auf den Items der SOCO-Skala beruhen, die Skalen aber, je nach Konstrukt und seinen Dimensionen, völlig verschieden zusammengesetzt wurden. Daraus resultieren Probleme in der Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Erst eine Einigkeit im Hinblick auf die Definition und die Dimensionen des Konstrukts Kundenorientierung kann zu einem allgemein anerkannten Bewertungsschema führen.

Da der Dienstleistungsmitarbeiter normalerweise länger als ein Mitarbeiter des Verkaufs von Sachgütern mit dem Kunden interagiert, hat er einen größeren Handlungsspielraum im Hinblick auf sein kundenorientiertes Verhalten. Daraus ergibt sich die Überlegung, ob eine Befragung von Dienstleistungsmitarbeitern noch detaillierter und differenzierter gestaltet werden könnte.

3.1.3 Abgrenzung zu anderen Konstrukten

Zur näheren Erschließung wird in diesem Abschnitt das Konstrukt Kundenorientierung von der „Marktorientierung“, „Verkaufsorientierung“ und „Dienstleistungsorientierung“ abgegrenzt, da sie häufig im Zusammenhang mit diesen erwähnt wird.

Das Marketingkonzept eines Unternehmens wird in der Marktorientierung auf dem organisationalen Level implementiert, das das organisationale Verhalten gegenüber den Kunden und der Wettbewerber der Firma darstellt (vgl.: Stock und Hoyer 2005, S. 536; Kohli und Jaworski 1990, S. 1). Die Marktorientierung ist eine organisationsweite Generierung und Verbreitung von Marktintelligenz bezüglich der gegenwärtigen und zukünftigen Kundenbedürfnisse und ihre organisationsweite Reaktion darauf (vgl.: Kohli und Jaworski 1990, S. 6). Sie lässt sich in drei Aufgabenbereiche unterteilen, die zur Entstehung und Erhaltung des Kundenwertes beitragen: die Kundenorientierung, die Wettbewerbsorientierung und die interfunktionale Koordination (vgl.: Slater und Narver 1990, S. 24; vgl. auch: Donavan, Brown und Mowen 2004, S. 129). Somit ist die Kundenorientierung ein Teil der Marktorientierung, die das Ausmaß anzeigt, in dem der einzelne Mitarbeiter im zwischenmenschlichen Kontakt mit dem Kunden, also auf individueller Ebene, das Marketingkonzept praktiziert (vgl.: Saxe und Weitz 1982, S. 344).

Bei einer Verkaufsorientierung steht für den Mitarbeiter die schnelle Abwicklung des Verkaufsprozess im Vordergrund, auch mittels Überzeugungskraft (vgl.: Bagozzi et al. 2012, S. 639), um einen möglichst hohen Umsatz pro Kunde zu erreichen. Dabei werden das Kundeninteresse und die Erfüllung der Kundenwünsche nur als zweitrangig betrachtet (vgl.: Bagozzi et al. 2012, S. 639; Boles et al. 2001, S. 2; Harris, Mowen und Brown 2005, S. 21; Saxe und Weitz 1982, S. 348). Bei der SOCO-Skala wird die Verkaufsorientierung mithilfe von negativ gerichteten Items gemessen (vgl.: Saxe und Weitz 1982, S. 346). Der Grad, in dem sich der Mitarbeiter zwischen kundenorientiert und verkaufsorientiert verhält, ist von verschiedenen Faktoren (bspw. von dem Gut/Dienstleistung oder dem Kunden) abhängig.

Die Dienstleistungsorientierung ist eine Ansammlung von individuellen Anlagen und Neigungen, die dazu führen, dass der Mitarbeiter sich im Dienstleistungsprozess hilfsbereit und höflich gegenüber dem Kunden und seinen Begleitern verhält und die das Verhalten und die Haltung der Mitarbeiter so beeinflussen, dass die Dienstleistungsqualität steigt (vgl.: Cran 1994, S. 36; Hogan, Hogan und Busch 1982, S. 167; vgl. auch: Bruhn und Homburg 2001, S. 139-140; Grizzle et al. 2009, S. 1227; Rafaeli, ZIklik und Doucet 2008, S. 241). Im Vordergrund steht hier die Orientierung der Tätigkeiten an der Dienstleistung und damit inbegriffen an ihrer Qualität, somit wird sich auf die Leistungserbringung fokussiert; wohingegen die Kundenorientierung die Bedürfnisbefriedigung des Kunden in den Mittelpunkt setzt.

3.2 Ermittlung der Determinanten des Konstrukts Kundenorientierung

Aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven auf das Konstrukt Kundenorientierung wurden sehr verschiedene Einflussfaktoren erforscht, die in den nachfolgenden Unterabschnitten näher erläutert werden sollen. Sie lassen sich in zwei Gruppen untergliedern: die persönlichkeits- und die organisationsbezogenen Determinanten. Diese Unterscheidung ist dahingehend sinnvoll, dass man zum einen Faktoren auf organisationaler Ebene betrachtet, die aus Sicht des Mitarbeiters exogen sind. Solche Einflüsse sind aber häufig aus der Perspektive des Unternehmens veränderbar, d.h. das Unternehmen kann sie beeinflussen (beispielsweise Veränderung der Unternehmenskultur). Zum anderen werden die persönlichkeitsbezogenen Faktoren betrachtet, die die Charaktereigenschaften des Mitarbeiters ausmachen. Diese Determinanten bestimmen das Konstrukt Kundenorientierung auf individueller Ebene. Aufgrund ihrer genetischen Veranlagung und der Lebenserfahrung, lassen sie sich häufig nur schwer vom Unternehmen beeinflussen.

3.2.1 Persönlichkeitsbezogene Einflussfaktoren

Im Abschnitt 3.1.1. wurden die Dimensionen des Konstrukts Kundenorientierung näher beleuchtet; dabei wurde ermittelt, dass das Konstrukt aus zwei Hauptdimensionen, dem kundenorientierten Verhalten und der kundenorientierten Haltung zusammengesetzt ist. Bagozzi et al. (2012) untersuchen in ihrem Werk die Ursache für die Kundenorientierung von Mitarbeitern auf genetischer und neurologischer Ebene. Es wurde herausgefunden, dass es bestimmte Erbinformationen gibt (wie beispielsweise das 7R-Allel des DRD4-Gens), die dazu führen, dass ein Mensch eine höhere Kundenorientierung (und eine geringere Verkaufsorientierung) als andere erreichen kann (vgl.: Bagozzi et al. 2012, S. 446f.). Das 7R-Allel hat zur Konsequenz, dass sich diese Mitarbeiter bei der Interaktion mit den Kunden ganz entfalten können; es ist die Ursache für die Neugierde und die Begeisterung des Mitarbeiters und für seine Motivation im Gespräch mit dem Kunden. Zusätzlich stellen Bagozzi et al. (2012, S. 651-652) fest, dass Kundenorientierung in einer positiven Beziehung zu der Aktivierung des MN-Systems (Blutgruppensystem) steht, das einen Teil des Einfühlungsvermögens des Mitarbeiters bewirkt. Eine höhere Kundenorientierung steht in einer positiven Beziehung mit Prozessen im menschlichen Körper, die darin involviert sind, Glaube, Wünsche, Intentionen und die Empfindungen der Gefühle des anderen abzuleiten, während man sich in seine Rolle versetzt. Die genetischen Informationen führen somit zu den elementaren Persönlichkeitseigenschaften des Menschen, die in verschiedenen Schritten (vgl.: Babakus, Yavas und Ashill 2009, S. 482. Zitiert nach: Mowen 2000) durch die Kindheits-, Sozial- und Kulturerfahrungen geprägt werden. Zusätzlich werden die situationsbezogenen Eigenschaften geformt, indem ein Zusammenspiel der bisherigen Erfahrungen und dem Druck in einer Situation auf eine bestimmte Art und Weise handeln zu müssen, stattfindet. Durch die Kombination dieser grundlegenden, geformten Persönlichkeitseigenschaften und dem spezifischen Kontext einer Leistung entstehen die „surface traits“ oder auch die Tendenzen, sich in einem arbeits- und situationsbezogenen Kontext auf eine immer konsistente Art und Weise in der Interaktion mit dem Kunden zu verhalten (vgl.: Brown et al. 2002, S. 111; Donavan, Brown und Mowen 2004, S. 128f.; Harris, Mowen und Brown 2005, S. 21). Des Weiteren haben die Erfahrungen des Menschen auch einen direkten Einfluss auf das kundenorientierte Verhalten der Mitarbeiter, denn erfahrene Mitarbeiter tendieren dazu, eine größere Fähigkeit zu besitzen, die Kundenbedürfnisse zu identifizieren und zu befriedigen (vgl.: Franke und Park 2006, S. 697) und sich spontan an die Verkaufssituation und an den Kunden anzupassen (vgl.: Franke und Park 2006, S. 693-694).

In einigen Studien wurden einzelne Eigenschaften des Menschen und ihre Auswirkungen auf die Kundenorientierung geprüft. Es wurde festgestellt, dass das weibliche Geschlecht eine höhere Kundenorientierung hat (vgl.: Franke und Park 2006, S. 697), da es aufgrund genetischer Grundlagen weniger aggressiv, umgänglicher, kompromissbereiter, empathischer und beziehungsorientierter ist (vgl.: Feingold 1994, S. 449). Zudem üben die Persönlichkeitseigenschaften Pflichtbewusstsein, Umgänglichkeit, das Bedürfnis nach Aktivität (vgl.: Brown et al. 2002, S. 114f.), Zuverlässigkeit des Mitarbeiters (vgl.: Stock und Hoyer 2005, S. 538) und Besorgnis für Andere (vgl.: Saxe und Weitz 1982, S. 344) einen positiven Einfluss auf die Kundenorientierung aus. Jeder Mitarbeiter hat eine unterschiedlich ausgeprägte Lernorientierung, die sich im Allgemeinen positiv auf die Kundenorientierung auswirkt (vgl.: Harris, Mowen und Brown 2005, S. 27f.). Sie setzt sich zusammen aus dem Bedürfnis nach Lernen und dem Ausmaß, in dem der Mitarbeiter materiellen Besitz als wichtig empfindet. Stock und Hoyer (2005, S. 538) stellen eine moderierende Wirkung der Kompetenz auf die Beziehung zwischen kundenorientierter Haltung und Verhalten fest. Für eine genauere Erläuterung sollte die Kompetenz aber unterteilt werden in Sozial- und Fachkompetenz (vgl.: Hennig-Thurau 2004, S. 463). Die Sozialkompetenz ist eine Eigenschaft des Mitarbeiters, die sich aufgrund der Genetik und der persönlichen Erfahrungen des Menschen im Laufe der Zeit gebildet hat; somit bestimmt sie auf der einen Seite die kundenorientierte Haltung des Mitarbeiters. Auf der anderen Seite kann die Haltung des Mitarbeiters möglicherweise durch höhere Sozialkompetenzen leichter in kundenorientiertes Verhalten transferiert werden, deswegen beeinflusst sie nicht nur die Haltung, sondern moderiert auch die Stärke zwischen der Haltung und dem Verhalten (vgl.: Stock und Hoyer 2005, S. 538). Ein größeres Know-how des Mitarbeiters führt dazu, dass er sich kundenorientierter verhält, weil er mit wertvollen Informationen über die Dienstleistung dem Kunden behilflicher sein kann. Mit Sozial- und Fachkompetenz ist es dem Mitarbeiter möglich, sich relational und funktional kundenorientiert zu verhalten.

Neben der Fachkompetenz gibt es weitere persönliche Faktoren, die als Moderator oder Mediator die Beziehung zwischen kundenorientierter Haltung und kundenorientiertem Verhalten bestimmen. Ein kundenorientiertes Unternehmensklima, das als die Wahrnehmung der Mitarbeiter über die, von der Organisation zum Ziel gesetzte, Zufriedenstellung der Kundenbedürfnisse verstanden wird, beeinflusst die Stärke der Beziehung zwischen der Haltung und dem Verhalten des Mitarbeiters (vgl.: Grizzle et al. 2009, S. 1235; Wieseke et al. 2007, S. 272). Nach Kelley (1992, S. 32f.) findet das Kennenlernen des Unternehmensklimas im Rahmen des Sozialisierungsprozesses des Mitarbeiters in dem Unternehmen statt. Des Weiteren entsteht hier die organisationale Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen, die einen positiven Effekt auf die Kundenorientierung hat (vgl.: Kelley 1992, S. 32f.). Wieseke et al. (2007, S. 272) sprechen in diesem Zusammenhang von der organisationalen Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen, die meint, in welchem Ausmaß der Mitarbeiter sich zugehörig zu der Organisation fühlt (vgl.: Ashforth und Mael, 1989, S. 34; vgl. auch: Wieseke et al. 2007, S. 269). Die Stärke der Beziehung zwischen organisationaler Identifikation und Kundenorientierung ist von dem Inhalt der organisationalen Identität abhängig (vgl.: Wieseke et al. 2007, S. 272). Ist die Organisation kundenorientiert und hat der Mitarbeiter eine grundsätzlich kundenorientierte Haltung, so kann er sich mit dem Unternehmen gut identifizieren und seine Haltung auch in kundenorientiertes Verhalten transferieren.

3.2.2 Organisationsbezogene Einflussfaktoren

Eine kundenorientierte Unternehmenskultur, in der Maßnahmen getroffen werden wie beispielsweise die Bestimmung des Anteils an Verkaufskräften oder die Integration des Personals auf marktbezogene Entscheidungen, hat einen positiven Einfluss auf die Stärke der Beziehung zwischen kundenorientierter Haltung und Verhalten des Mitarbeiters (vgl.: Guenzi, de Luca und Troilo 2001, S. 278). Ein hoher Anteil an Verkaufskräften wirkt sich positiv aus, da ein kundenorientierter Mitarbeiter in so einem Arbeitsumfeld mehr Zeit für die Interaktion mit dem einzelnen Kunden aufbringen kann. Dadurch ist es dem Mitarbeiter möglich, sich nähere Informationen zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse einzuholen und die richtige Dienstleistung anzubieten. Eine unterstützende Arbeitsumgebung, personalisiert durch die Vorgesetzten, beispielsweise mittels einer transformationalen Führung (vgl.: Liaw, Chi und Chuang 2010, S. 478f.) und durch Arbeitskollegen, die dem Mitarbeiter bei einer Problemlösung im Hinblick auf die Arbeitsaufgabe behilflich sind, ist ein organisationaler Faktor, der die Beziehung zwischen kundenorientierter Haltung und Verhalten verstärkt (vgl.: Boles et al. 2001, S. 4f.). Susskind, Kacmar und Borchgrevink (2003, S. 184) konnten ebenfalls einen positiven Einfluss der unterstützenden Kollegen auf die Kundenorientierung des Mitarbeiters ermitteln, jedoch gab es hier keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Unterstützung des Vorgesetzten und der Kundenorientierung des Mitarbeiters. Boles et al. (2001, S. 6f.) und Hennig-Thurau (2004, S. 463) stellen fest, dass die Entscheidungsautorität, die der Mitarbeiter in der Interaktion mit dem Kunden besitzt, die Kundenorientierung positiv beeinflusst. Erst bei der Differenzierung zwischen kundenorientierter Haltung und Verhalten wird klar, wie sich dieser Umstand genau auswirkt. Ein Mitarbeiter, der von Natur und Persönlichkeit aus eine kundenorientierte Haltung hat, würde sich kundenorientiert verhalten, sofern er nicht in seinen Handlungen beschränkt wäre. Für ihn heißt das, dass er sich bei den Verhandlungen, bei dem Verkauf und bei der Erstellung der Dienstleistung, individuell an den Kunden anpassen und auch alleinige Entscheidungen treffen kann. Wenn ihm diese Befugnis fehlt, kann er sich nicht in dem Maße kundenorientiert verhalten, wie es seine Haltung nahegelegt hätte. Somit wird deutlich, dass die Entscheidungsautorität die Stärke der Beziehung zwischen kundenorientiertem Verhalten und Haltung moderiert (vgl. auch: Stock und Hoyer 2005, S. 538). Die Auswirkung der Entscheidungsautorität ist besonders bei Dienstleistungen deutlich stärker als bei Gütern zu bemerken, da aufgrund ihrer Heterogenität die Leistung an den individuellen Kunden angepasst werden muss. Eine zu hohe Entscheidungsfreiheit kann aber auch negative Auswirkungen auf die Stärke der Beziehung haben wie in der Verursachung von Arbeitsstress (s.u.).

3.3 Identifizierung der Wirkungen von kundenorientierten Mitarbeitern

In den folgenden Unterabschnitten werden die Auswirkungen des Konstrukts Kundenorientierung von Dienstleistungsmitarbeitern auf die Mitarbeiter selbst, auf das Unternehmen und auf den Kunden erläutert.

3.3.1 Persönlichkeitsbezogene Wirkungen

Eine höhere Kundenorientierung hat bei Zablah et al. (2012, S. 31f.) positive Auswirkungen auf die selbstbewertete Leistung (vgl. auch: Franke und Park 2006, S. 696) des Mitarbeiters und auf die Neigung des Mitarbeiters das Unternehmen nicht zu verlassen. Diese Beziehungen werden von den Mediatoren Arbeitsstress und Arbeitsengagement beeinflusst. Rollenkonflikte und Rollenunklarheiten (zugehörig zu Arbeitsstress) können zu einer schlechteren Leistung des Mitarbeiters führen. Die Mitarbeiterzufriedenheit und die organisationale Bindung an das Unternehmen (zugehörig zu Arbeitsengagement) wirken sich positiv auf die Leistung aus. Weiterhin gibt es Moderatoren, die die Beziehung zwischen Kundenorientierung und Arbeitsauswirkungen verstärken: zum einen die Kundenauslastung, die das Ausmaß angibt, in dem der Mitarbeiter seine Aufmerksamkeit mehreren Kunden schenken muss und zum anderen der Einsatz von Überzeugungsarbeit, die dafür notwendig ist, den Kunden davon zu überzeugen, die Leistung von diesem Unternehmen erbringen zu lassen. Eine höhere Kundenorientierung führt zu steigender Rollenklarheit und dadurch zu sinkendem Burnoutrisiko (vgl.: Babakus, Yavas und Ashill 2009, S. 486). Der Grund dafür liegt darin, dass Mitarbeiter, die weniger kundenorientiert sind, sich aus eigener Kraft in Verhaltensweisen engagieren müssen (wie in „surface acting“ oder „deep acting“), um die Vorgaben für das Auftreten gegenüber dem Kunden zu erfüllen. Dies kann zu Arbeitsstress sowie zu einem steigenden Burnoutrisiko führen, das sich negativ auf das kundenorientierte Verhalten auswirken kann (vgl.: Singh, Goolsby und Rhoads 1994, S. 566). Da die gewünschten Verhaltensweisen in der Natur des kundenorientierten Mitarbeiters liegen, kennen sie diese Belastung nicht (vgl.: Babakus, Yavas und Ashill 2009, S. 483). Ein geringerer Arbeitsstress führt zu einer sinkenden Neigung des Mitarbeiters, das Unternehmen verlassen zu wollen (vgl.: Zablah et al. 2012, S. 31f.). Die direkte positive Auswirkung der Kundenorientierung des Mitarbeiters auf seine Zufriedenheit ist darin begründet, dass der Mitarbeiter mit Zufriedenstellung der Kundenbedürfnisse seinem eigenen Interesse nachgeht und seine persönlichen Ziele erfüllen kann (vgl.: Donavan, Brown und Mowen 2004, S. 131; Farrell und Oczkowski 2009, S. 155; Franke und Park 2006, S. 697; Harris, Mowen und Brown 2005, S. 25 und 27). Donavan, Brown und Mowen (2004, S. 131) sehen nur eine indirekte Beziehung zwischen Kundenorientierung und Arbeitszufriedenheit, die von der Kontaktzeit moderiert und von dem Mediator „job fit“ bestimmt wird. Hiermit wird der Grad gemeint, in dem die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Mitarbeiters auf die Arbeitsnachfrage passen (vgl.: Donavan, Brown und Mowen 2004, S. 142). Ähnlicher Ansicht sind auch Farrell und Oczkowski (2009, S. 155), bei denen die Verbindung nur teilweise durch den „job fit“ und weiterhin durch die wahrgenommene organisationale Unterstützung und den „organisational fit“ bestimmt wird. Die Kundenorientierung hat weiterhin einen positiven Einfluss auf „organizational citizenship behavior – altruism“ (vgl.: Donavan, Brown und Mowen 2004, S. 131) und „organizational citizenship behavior – courtesy” (vgl.: Farrell und Oczkowski 2009, S. 155); damit sind die uneigennützigen, individuellen Verhaltensweisen und das Zuvorkommen von Mitarbeitern gemeint, anderen Mitarbeitern bei arbeitsbezogenen Problemen zu helfen (vgl.: MacKenzie, Podsakoff und Fetter 1992, S. 71). Eine unterstützende Arbeitsumgebung nimmt der Mitarbeiter als eine Erfahrung auf, die wiederum sein persönliches Verhalten und seine Haltung prägen.

3.3.2 Organisationsbezogene Wirkungen

Neben den persönlichkeitsbezogenen Konsequenzen, hat die Kundenorientierung des Dienstleistungsmitarbeiters auch verschiedene Auswirkungen auf den Kunden und das Unternehmen. Im Folgenden wird dazu ein Überblick über die unterschiedlichen Ansätze gegeben.

Die Kundenorientierung hat einen positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit (vgl. auch: Hennig-Thurau 2004, S. 469; Homburg, Müller und Klarmann 2011b, S. 64; Homburg, Wieseke und Bornemann 2009, S. 71-73; Macintosh 2007, S. 154; Stock und Hoyer 2005, S. 546; Susskind, Kacmar und Borchgrevink 2003, S. 184). Stock und Hoyer (2005, S. 546) differenzieren diese Auswirkung genauer: hier hat die kundenorientierte Haltung über den Mediator kundenorientiertes Verhalten einen indirekten sowie einen direkten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit. Nach Homburg, Wieseke und Bornemann (2009, S. 71-73) wird diese Beziehung zwischen Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit von dem Mediator Wissen über die Kundenbedürfnisse beeinflusst. Homburg, Müller und Klarmann (2011b, S. 64) stellen fest, dass die Kundenzufriedenheit dadurch bewirkt wird, dass die Haltung des Kunden gegenüber dem Produkt und dem Mitarbeiter positiv ist. Die Kundenzufriedenheit führt dann zu der entsprechenden Verkaufsleistung. Die positive Wirkung der Kundenorientierung des Dienstleistungsmitarbeiters auf die wirtschaftliche Leistung des Unternehmens, seine Profitabilität (vgl.: Boles et al. 2001, S. 6f.; Desphandé, Farley und Webster 1993, S. 30; Grizzle et al. 2009, S. 1231f. und 1236; Homburg, Müller und Klarmann 2011b, S. 64; Jamarillo et al. 2007, S. 306) und auf dessen Wachstum (vgl.: Jamarillo und Grisaffe 2009, S. 174) findet allgemeine Anerkennung. Positive Moderatoren der Stärke der Beziehung zwischen kundenorientiertem Verhalten und der Leistung sind der Grad an Individualität der Dienstleistungen, die Preisposition und die Stärke des Wettbewerbs (vgl.: Homburg, Müller und Klarmann 2011b, S. 66f.). Bezüglich der Wichtigkeit der Dienstleistungen für den Kunden konnte nur teilweise ein positiver Effekt getestet werden, da hier zwischen relationalen und funktionalen Kunden differenziert werden muss. Des Weiteren wirkt sich die Kundenorientierung des Mitarbeiters positiv auf seine Zahlungsbereitschaft aus (vgl.: Homburg, Wieseke und Bornemann 2009, S. 71-73). Diese Beziehung wird von dem Mediator Wissen über die Kundenbedürfnisse beeinflusst. Die Beziehung zwischen der Kundenorientierung und dem Wissen über die Kundenbedürfnisse wird moderiert von den Trainingsprogrammen zu kundenorientiertem Interaktionsverhalten. Macintosh (2007, S. 154) sieht die Kundenorientierung der Mitarbeiter, neben ihrer Expertise, als Glied der Beziehungsqualität zwischen Mitarbeiter und Kunde. Durch die Beziehungsqualität kann sich (positive oder negative) Mundpropaganda ergeben (vgl.: Macintosh 2007, S.154). Außerdem kann sich die Kundenorientierung positiv auf die Kundenloyalität auswirken (Homburg, Müller und Klarmann 2011a, S. 799f.). Diese Beziehung wird von zwei Sorten von Mediatoren beeinflusst: dem Kommunikationsstil und den Produkteigenschaften. Der Mitarbeiter sollte je nach Kunde das Ausmaß an relationalem und funktionalem Verhalten (Kommunikationsstil) anpassen. Aufgabenbezogene Kunden wünschen sich einen Dienstleistungsanbieter, der sie im Hinblick auf die Dienstleistung kompetent berät. Hier kann sich ein eher beziehungsbezogener Kommunikationsstil des Mitarbeiters auch negativ auf die Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität auswirken. Die Produkteigenschaften, wie hoher Individualitätsgrad, hohe Markenstärke und geringe Produktkomplexität, stärken die Beziehung zwischen relationaler Kundenorientierung und Kundenloyalität. Im Hinblick auf die Kundenloyalität konnte Hennig-Thurau (2004, S. 469) eine emotionale Bindung des Kunden an das Unternehmen feststellen, die sich teilweise auf die Kundenbindung ausgewirkt hat. Zusätzlich hat die Kundenorientierung nach Guenzi, de Luca und Troilo (2011, S. 278) einen positiven Effekt auf den Kundenwert.

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955497323
ISBN (Paperback)
9783955492328
Dateigröße
226 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Münster
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Marketing Dienstleistung Service Mitarbeiterorientierung Kundenmanagement

Autor

Kathrin Hähnel wurde 1990 in Hagen geboren und begann 2010 ihr Studium der Betriebswirtschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Die Autorin fand schnell ein großes Interesse an Marketing und spezialisierte sich dahingehend theoretisch. Sie sammelte zudem viele praktische Erfahrungen durch Praktika, Engagement und Selbstständigkeit in diesem Bereich, wodurch sie 2012 zu der vorliegenden Bachelorarbeit bewegt wurde.
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Titel: Kundenorientierung von Dienstleistungsmitarbeitern: Konstrukt, Messung und Wirkungen
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