Studie der Musikalität in Abhängigkeit von der Händigkeit
©2011
Bachelorarbeit
68 Seiten
Zusammenfassung
Anhand dieser Studie wurde überprüft, ob Händigkeit und Musikalität zusammenhängen. Die Studie verschafft zunächst einen Einblick in beide Themengebiete und befasst sich mit ähnlichen empirischen Studien sowie deren Ergebnissen. Um einen eventuellen Zusammenhang festzustellen, wurden 80 Probanden verschiedener Händigkeit unabhängig von musikalischer Vorbildung einem Musikalitätstest (den Advanced Measures of Music Audiation) unterzogen und es folgte eine umfassende statistische Auswertung der Ergebnisse sowie der Versuch einer Erklärung auf neuropsychologischer Ebene.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
möglichen Zusammenhang zwischen Musikalität und Händigkeit getroffen
werden kann.
Das Resultat der Studie, unabhängig davon, ob ein Zusammenhang besteht
oder nicht, soll dann anhand neuropsychologischer Aspekte erklärt und
bekräftigt werden. Durch diese Arbeit sollen weder Links- noch Rechtshänder
auf Grund ihrer Händigkeit diskriminiert oder für unmusikalisch erklärt werden.
Es geht lediglich darum, eine allgemeine Aussage zu treffen. Auch werden eine
eventuelle musikalische Vorbildung sowie das Geschlecht bei der Studie mit in
Betracht gezogen und Unterschiede die auf diese Punkte zurückzuführen sind
werden untersucht.
Ein weiteres Ziel ist das Erstellen einer aussagekräftigen Studie. Um dieses Ziel
zu erreichen müssen möglichst viele Probanden getestet werden, und der Autor
wird jeden einzelnen Test mit den Probanden persönlich durchführen um somit
ein gleiches Testumfeld und gleiche Testkonditionen zu garantieren, damit die
Resultate nicht durch Schwankungen in den Instruktionen und variierenden
Testumfeldern beeinflusst werden.
Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass Linkshänder musikalischer als
Rechtshänder sind und dies beispielsweise auf eine erhöhte Beanspruchung
ihrer rechten Gehirnhälfte zurückzuführen ist, soll diese Studie auch dazu
bewegen, Linkshänder nicht mehr wie bisher üblich, bei klassischen
Instrumenten auf Rechts umzuschulen, da somit ein Teil ihrer Musikalität
verloren gehen könnte, sie also ihre musikalischen Fähigkeiten nicht voll
ausschöpfen könnten. Vor allem bei Streichinstrumenten, welche eigentlich
händigkeitsabhängig sind, ist es üblich Linkshänder umzuschulen. Diese Arbeit
soll jedoch nicht zu einer Abhandlung über die Notwendigkeit von speziellen
Instrumenten für Linkshänder werden. Das Resultat der Studie kann aber für
solche Zwecke interpretiert und verwendet werden. Dass allgemein ein
Umschulen von Linkshändern nicht sinnvoll und sogar schädlich sein kann, ist
bereits von Jones (1918, p. 75) belegt: "Bei einer Umschulung auf die
schwache Hand droht ein physiologisches Desaster in Form von Stottern."
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2. Grundlagen
2.1 Musikalität
Eine präzise Definition von Musikalität gibt es nicht, sondern eine Vielzahl an
Definitionen die sich in Aussage und Formulierung oftmals bedeutend
unterscheiden. Musikalität ist schwer greifbar und setzt sich aus mehreren
Teilaspekten zusammen. Nach Gordon (1998, p. 9) gibt es keine zufrieden-
stellende verbale Beschreibung von Musikalität, also keine Definition der
Elemente aus denen sich die Musikalität zusammensetzt. Des Weiteren
schreibt Gordon (1998, p. 6) dass alle Forscher die sich mit dem Gebiet der
Musikalität befasst haben übereinstimmen, dass Musikalität angeboren ist.
Generell kann man festhalten, dass "1) wenn beide Elternteile musikalisch sind,
die Kinder mit großer Wahrscheinlichkeit auch musikalisch werden, 2) wenn nur
eines der Elternteile musikalisch ist, die Kinder generell musikalisch werden,
und 3) wenn keines der Elternteile musikalisch ist, die Kinder generell noch
unmusikalischer als die Eltern werden" (Haecker und Ziehen 1925, pp.
191-214). Somit stünde also fest, dass Musikalität vererblich ist. Gordon (1998,
p. 7) bemerkt, dass Musikalität jedoch nicht ausschließlich angeboren ist,
sondern ein Produkt aus angeborenem Potential und äußeren Einflüssen.
Kinder mit sehr hohem musikalischen Potential die nur selten Musik ausgesetzt
wurden können so zum Beispiel in Musikalitätstests schlecht abschneiden.
1919 wurde von Carl E. Seashore der erste standardisierte Test zum Messen
der Musikalität publiziert. Der Test hieß ursprünglich Seashore Measures of
Musical Talent, wurde aber 1939 in Seashore Measures of Musical Talents
umbenannt. Nach Gordon (1998, p. 21) distanzierte sich Seashore durch das
hinzufügen von diesem "s" von jenen die sich damit zufrieden gaben, dass es
nur eine allesübergreifende Musikalität gebe.
Obwohl ab 1919 immer wieder neue Tests publiziert wurden, waren erst die
1958 publizierten Wing Standardized Tests of Musical Intelligence eine wirkliche
Innovation. Der Test umfasste sieben Teilbereiche, Akkorde, Tonhöhen,
Erinnerungsvermögen, Rhythmus, Harmonie, Intensität und Phrasierung.
(Gordon 1998, p. 43)
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1989 veröffentlichte Gordon die Advanced Measures of Music Audiation
(AMMA) und 1995 das Musical Aptitude Profile (MAP). Während AMMA in nur
30 Minuten durchgeführt werden kann, muss man für das MAP mindestens
dreieinhalb Stunden einplanen. Beide Tests setzen sich aus mehreren
Teilbereichen zusammen für die auch einzelne Resultate errechnet werden.
Somit kann man durch diese Tests sehr einfach Stärken und auch Schwächen
der Probanden erkennen. (Gordon 1998, pp. 53-57)
Gordon gilt bis heute als einer der größten Innovatoren auf dem Gebiet der
Musikpsychologie und der Entwicklung von Musikalitätstests. (GIA Publications
2010)
2003 erschien Gordons "Am I Musical?", ein Buch mit dem man spielerisch
prüfen kann ob jemand musikalisch ist. In dem Buch sind so genannte "Music
Audiation Games", unterteilt in zwei Kategorien (Erwachsene und Kinder).
Obwohl diese Spiele weitaus weniger genau als die vorab aufgeführten Tests
sind, schlägt Gordon vor, Kinder mit diesen Spielen zu prüfen. Mithilfe der
Music Audiation Games könnte man außerordentliches musikalisches Talent
früh erkennen und dieses dann auch gezielt fördern. Oftmals bleibt
musikalisches Talent nämlich unentdeckt oder wird erst sehr spät entdeckt.
Für diese Studie wird Musikalität durch das im Test erzielte Resultat definiert. Je
höher das Ergebnis im Test, desto musikalischer der Proband der das Ergebnis
erzielt hat.
2.2 Händigkeit
Im Gegensatz zur Musikalität ist Händigkeit ein greifbarer Begriff. Händigkeit
beschreibt im Grunde genommen welche Hand einer Person die Stärkere und
welche die Schwächere ist. Stark und schwach sind hier nicht auf Kraft zu
beziehen, sondern auf Fähigkeiten wie beispielsweise Schreiben, Hämmern,
Schrauben, etc.
Jones fand bereits 1918 (p. 44) in einer Studie heraus, dass Händigkeit
angeboren ist, und durch Messen der Länger der Knochen des Arms bestimmt
werden kann. Der dominante Arm ist immer der längere. Auch eine Umschulung
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der Hand kann man durch einfaches Messen feststellen, der bevorzugte Arm
weist hier einen größeren Muskelumfang auf.
"96% der menschlichen Rasse werden als Rechtshänder geboren, 4% sind
geborene Linkshänder" (Jones 1918, p. 46). Nach Heilman (2005, p. 73)
bevorzugen 90% der Menschen ihre rechte Hand, die anderen 10%
bevorzugen entweder ihre linke Hand, oder haben keine Vorliebe. Die Vorliebe
für eine der Hände ist hier jedoch nicht mit angeborener Händigkeit
gleichzusetzen. In Jones' Studie gab es Probanden die ohne erkennbaren
Grund im Laufe ihres Lebens auf die schwache Hand gewechselt sind.
Jones (1918, p.75) stellte auch einen Zusammenhang zwischen Umschulung
auf die schwache Hand und Stottern fest. Vor allem beim Schreiben sollten
Linkshänder nicht auf die rechte, schwache Hand umgeschult werden. Bis
heute gibt es jedoch keine eindeutige Erklärung warum dieser Effekt bei
Umschulung auftritt.
Heilman (2005, pp. 73-88) schreibt, dass es bis heute nicht eindeutig möglich
ist die Vorliebe für eine bestimmte Hand zu erklären. Es wurde wohl spekuliert,
dass die Händigkeit auf die Dominanz einer der beiden Gehirnhälften
zurückzuführen sei, dies wurde jedoch von neueren Studien widerlegt. Heilman
beschreibt auch, dass Kreativität (sowie Musikalität) im Allgemeinen oft mit
Linkshändern in Verbindung gebracht würde und es auch Anzeichen gebe, die
dieses vermuten lassen. So ist beispielsweise nicht mit Sicherheit überliefert ob
Leonardo da Vinci Linkshänder war, jedoch dass er in Spiegelschrift schrieb,
welches ein Anzeichen für eine Vorliebe der linken Hand ist. Auch von
Michelangelo und Raphael wird vermutet, dass diese Linkshänder waren.
(Heilman 2005, pp. 73-88)
Vor allem im musikalischen Bereich ist von sehr vielen erfolgreichen Künstlern
bekannt, dass diese Linkshänder sind (oder waren) wie zum Beispiel Kurt
Cobain, Jimi Hendrix, Paul McCartney, Bob Dylan, George Michael, Phil Collins
und Noel Gallagher die alle sehr erfolgreich waren. Es besteht also Grund zur
Annahme, dass die Händigkeit tatsächlich eine Auswirkung auf die Musikalität
haben könnte.
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Bei verschiedenen Instrumenten gibt es eine natürliche Händigkeit, dies
bedeutet, dass die entsprechenden Instrumente in Linkshänder-Versionen
existieren (sollten). Das bekannteste Instrument mit natürlicher Händigkeit ist
die Gitarre. Bei der Gitarre gibt es eine natürliche Händigkeit, da beide Hände
unterschiedliche Aufgaben haben: Die eine greift, die andere führt rhythmisches
und präzises Zupfen durch, welches feinmotorische Fähigkeiten beansprucht,
im Gegensatz zu der greifenden Hand. Dadurch zupfen Linkshänder (meist) mit
Links, bevorzugen also eine Linkshänder Gitarre.
Auch bei allen Streichinstrumenten gibt es theoretisch eine natürliche
Händigkeit. Da man Streichinstrumenten aber fast immer in einer klassischen
Ausbildung lernt, werden fast alle Streicher umgeschult. Es wäre technisch
auch nicht möglich für einen linkshändigen Streicher in einem Orchester zu
spielen, da er ständig mit seinem Bogen gegen den Bogen seines Nachbarn
stoßen würde.
Andere Instrumente hingegen, wie beispielsweise das Klavier oder
Blasinstrumente verfügen nicht über eine natürliche Händigkeit, da hier beide
Hände genau gleich beansprucht werden und die gleiche Aufgabe erfüllen.
Deutsch (1982, p. 336) fand heraus, dass die Händigkeit im Zusammenhang
von ihr erforschten Audio-Illusionen steht. Rechtshänder nahmen beispiels-
weise bei der Oktav Illusion den hohen Ton auf der rechten Seite wahr, auch
wenn die Kopfhörer umgedreht wurden. Bei Linkshändern war kein eindeutiges
Muster zu erkennen.
2.3 Ähnliche Studien und deren Ergebnisse
Bei der Musikalität im Bezug zur Händigkeit gab es bereits einige Studien, die
sich jedoch in ihrer Durchführung und vor allem bei ihren Ergebnissen deutlich
unterscheiden. Viele dieser Studien widersprechen sich gegenseitig. Größter
Kritikpunkt an allen diesen Studien ist, dass sie entweder zu kleine Stichproben
verwendet haben oder Daten aus einer begrenzten Grundgesamtheit wie
beispielsweise der Grundgesamtheit der Orchestermusiker erhoben haben. Auf
zwei dieser Studien werde ich etwas genauer eingehen, da diese beiden
Studien meiner Studie am meisten ähneln.
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2.3.1 Hassler und Gupta
In einer von Hassler und Gupta (1993) durchgeführten Studie wurden 51 junge
erwachsene Musiker und Nichtmusiker mit den Wing Standardized Tests of
Musical Intelligence getestet. Aus diesem Test konnten folgende Schlüsse
gezogen werden:
Musikalität steht in Verbindung zu einer anomalen Dominanz (Gehirn) für
Sprachfunktionen
Musikalität steht im Zusammenhang mit Linkshändigkeit
Musikalität steht im Zusammenhang mit Immunschwäche
Anomale
Dominanz
für
Sprachfunktionen
steht
im
Zusammenhang
mit
Immunschwäche
(Hassler und Gupta 1993, pp. 657-658)
Die Studie wurde mit großer Sorgfalt durchgeführt, begonnen beim Feststellen
der Händigkeit. Alle Probanden bekamen folgende Fragen gestellt:
Mit welcher Hand würden Sie einen Ball werfen um ein Ziel zu treffen?
Mit welcher Hand zeichnen Sie?
Mit welcher Hand benutzen Sie einen Radiergummi?
Mit welcher Hand nehmen Sie die Karte beim Austeilen?
(Hassler und Gupta 1993, p. 656)
Die Antwort "mit der rechten Hand" war drei Punkte wert, die Antwort "mit
beiden Händen" zwei Punkte und die Antwort "mit der linken Hand" nur einen.
Diejenigen mit einem Ergebnis von 4-9 wurden als Linkshänder eingestuft,
Probanden mit einem Ergebnis von 10-12 als Rechtshänder. (Hassler und
Gupta 1993, p. 656)
Obwohl bei der Vorbereitung und Durchführung der Studie mit großer Sorgfalt
gearbeitet wurde, ist das Ergebnis trotzdem fraglich, da die Anzahl an befragten
Probanden gering ist. Zusätzlich wurden für die Händigkeitsunterschiede nur
noch 30 Personen getestet (15 Links- und 15 Rechtshänder). Bei nur 30
Testpersonen ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Ergebnis auf purem Zufall
beruht sehr hoch. Hassler und Guptas Studie kommt dieser Musikalitätsstudie,
9
zumindest was die Durchführung betrifft, am nächsten, da hier auch eine
Testgruppe auf Händigkeit untersucht wurde und dann an einem Musikalitäts-
test teilnehmen musste.
2.3.2 Hering, Catarci und Steiner
In einer 1995 von Hering, Catarci und Steiner durchgeführten Studie wurde das
Resultat der zwei Jahre vorhergehenden Studie von Hassler und Gupta
widerlegt. Bei dieser Studie wurden professionelle Orchestermusiker analysiert.
Hering, Catarci und Steiner konnten bei den Orchestermusikern keine höhere
Anzahl an Linkshändern feststellen als in der normalen Bevölkerung zu finden
ist. (Heilman 2005, p. 81)
Interessant ist, dass Hering, Catarci und Steiner keinen Musikalitätstest
durchgeführt haben. Somit haben sie zwar festgestellt, dass bei Orchester-
musikern nicht mehr Linkshänder vorkommen als in der allgemeinen
Bevölkerung, jedoch bedeutet dies nicht, dass Linkshänder deswegen nicht
musikalischer als Rechtshänder sein könnten. Zusätzlich ist die Beschränkung
auf Orchestermusiker eine sehr starke Einschränkung, da Musiker (und auch
musikalische Personen) nicht zwingend in klassischen Orchestern zu finden
sind.
2.3.3 Weitere Studien
Es existieren weitere Studien die entfernt auch einen Zusammenhang zwischen
Musikalität und Händigkeit analysieren. Deutsch (1982, p. 336) analysierte wie
die Händigkeit mit den von ihr untersuchten Audio Illusionen zusammenhängt
und Jancke, Schlaug und Steinmetz (1997 pp. 424-432) untersuchten wie sich
Musikalität auf die Händigkeit auswirkt. Sie stellten fest, dass Musiker
(Rechtshänder als auch Linkshänder) eher beidhändig geschickt sind als
Nichtmusiker. Dies, so wird vermutet, wird vor allem durch Training der
motorischen Fähigkeiten erreicht (Heilman 2005, p. 81).
2.4 Der Musikforscher Edwin E. Gordon
Edwin E. Gordon ist weltweit als Forscher, Lehrer, Autor, Editor und Dozent für
Musikpädagogik bekannt. Seit 1997 geht er einer Professur an der University of
South Carolina nach, nachdem er sein Amt als Carl E. Seashore Professor in
10
Musikforschung abgelegt hat. Heute berät Dr. Gordon Doktoratsanwärter und
fungiert als Musiklehrer in Grundschulen. Er verfügt über einen Bachelor und
Master in Kontrabass und promovierte 1958. (GIA Publications 2010)
Von Gordon stammt unter anderem die Music Learning Theory, die beschreibt,
wie wir Musik lernen. Sie basiert auf Gordons Forschung und die darin
festgehaltenen Prinzipien sollten von Musiklehrern für jede Altersgruppen
angewandt werden. Hauptziel ist die Entwicklung der tonalen und rhythmischen
Audiation (innerliches Hören) der Studenten, da dieser Faktor die wichtigste
Grundlage für eine gute musikalische Entwicklung ist (Gordon Institute for
Music Learning 2010). Die beiden wichtigsten Prinzipien der Music Learning
Theory sind:
Die Audiation, bedeutet so viel wie "innerliches Hören", also sich einen Ton
vorstellen zu können, auch wenn dieser nicht physikalisch vorhanden ist. Man
audiiert immer wenn man Musik hört, nach Noten spielt, nach "Gehör" spielt,
improvisiert, komponiert oder Musik schreibt. Man sollte Audiation jedoch nicht
mit Hören gleichsetzen, beides geschieht zwar gleichzeitig, jedoch ist Audiation
ein kognitiver Prozess des Gehirns der musikalischen Tönen einen Sinn gibt.
Audiation ist also das musikalische Pendant zum Denken in der Sprache.
(Gordon Institute for Music Learning 2010)
Musikalität (musikalische Begabung), welche durch Standardtests messbar
ist. Wichtig ist, die Tests nicht zu den falschen Zwecken zu benutzen.
Sinn eines Musikalitätstests ist NICHT Studenten aufgrund ihres
Resultats an musikalischen Aktivitäten teilnehmen zu lassen oder
auszuschließen. Alle Kinder (Menschen) haben ein Recht auf eine
verständliche musikalische Ausbildung. Musikalitätstests helfen dem
Lehrer auf die besonderen Bedürfnisse eines einzelnen einzugehen.
(Gordon Institute for Music Learning 2010)
Mithilfe dieser Prinzipien, sowie den in der Music Learning Theory beschrie-
benen Methoden soll es Musikpädagogen ermöglicht werden, besser auf jeden
einzelnen Schüler einzugehen, seine Schwächen zu erkennen und diese
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aufzuarbeiten. Dadurch hat jeder die Möglichkeit sich musikalisch bestmöglich
zu entwickeln.
Zusätzlich hat Gordon mehrere Musikalitätstests entwickelt, unter anderem das
Musical Aptitude Profile und die Advanced Measures of Music Audiation, die
heute beide Standardtests zum Messen der Musikalität sind.
Edwin E. Gordon und seine Arbeit wurden unter anderem in der NBC Today
Show, der New York Times, USA Today und verschiedenen Europäischen und
Asiatischen Publikationen vorgestellt. (GIA Publications 2010)
3. Methodik
3.1 Auswahl der Tests
Zur Bestimmung der Musikalität wird ein Musikalitätstest benötigt. Hier gibt es
eine sehr große Auswahl an unterschiedlichen Formen von Tests die eine
Aussage über die Musikalität treffen können. Es folgt eine Auflistung mit
Beschreibung der wichtigsten Musikalitätstests die heute erhältlich sind.
3.1.1 Seashore Measures of Musical Talents
Der so genannte Seashore Test wurde 1919 als erster Musikalitätstest
überhaupt von Carl E. Seashore entwickelt. Es gibt zwei unterschiedliche
Ausgaben, A und B mit dem einzigen Unterschied, dass bei B der Inhalt
komplizierter ist. 1939 wurde, ohne die Angabe weiterer Gründe, die B-Serie
eingestellt. Der Test untersucht folgende Aspekte:
Tonhöhenwahrnehmung. Laut Seashore besteht eine
Tonhöhenwahrnehmung wenn zwischen zwei unterschiedlichen
Tonhöhen
unterschieden
werden
kann.
Für
Seashore
war
es
nicht
nur
wichtig, beschreiben zu können ob zwei Töne eine unterschiedliche
Tonhöhe haben, sondern auch welcher höher beziehungsweise tiefer ist.
Lautstärkenwahrnehmung. Um diese festzustellen, muss der Proband
angeben, ob der zweite Ton lauter oder leiser als der erste war.
Zeitliche Wahrnehmung. Dem Probanden werden zwei Töne
vorgespielt, beide mit einer Länge von 0,05 bis 0,3 Sekunden. Der
Proband muss dann angeben welcher dieser Töne länger ist.
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Klangfarbenwahrnehmung. Bei zwei Tönen die durch einen Generator
erzeugt werden muss der Proband angeben ob diese gleich oder
verschieden
klingen.
Konsonanz. Bei dieser hatte Seashore Probleme, sie so zu definieren,
dass sie messbar wurde. Für den Test werden dem Probanden
konsonante und dissonante Intervalle vorgespielt, dieser muss dann
Angaben zur Konsonanz machen.
(Gordon 1998, pp. 21-33)
Da der Test der erste Musikalitätstest überhaupt ist und auch in neueren
Ausgaben inhaltlich nicht verändert wurde und insbesondere neueren Tests
eine höhere Reliabilität und Validität nachgewiesen werden konnte, kann er für
diese Studie nicht verwendet werden.
3.1.2 Wing Standardized Tests of Musical Intelligence
Nach Seashore war Herbert Wing der erste wirkliche Innovator auf dem Gebiet
der Musikalitätstest. Der Wing Test wurde 1958 publiziert und besteht aus
sieben Subtests: Akkordanalyse, Tonhöhenwechsel, Gedächtnis, Rhythmus,
Harmonie und Intensität. Der größte Unterschied zwischen dem Wing und
Seashore Test ist, dass bei jedem von Wings Subtests ein musikalisches
Instrument, nämlich das Klavier, benutzt wurde um die Beispiele vorzuspielen
(bei Seashore wurden die Töne meist von Frequenzgeneratoren erzeugt).
Leider gibt es von den Wing Tests keine Validitätsstudien. (Gordon 1998, pp.
43-49)
Dadurch, dass bei den Wing Tests keine longitudinalen Validitätsstudien
vorhanden sind (dem Test also keine eindeutige Validität nachgewiesen ist),
kommt der Test für diese Studie nicht in Frage.
3.1.3 Musical Aptitude Profile
Der gängigste Musikalitätstest heute ist das 1995 von Gordon publizierte
Musical Aptitude Profile, kurz MAP. Der Test wurde für Kinder und Jugendliche
im Alter von 9-17 Jahren entworfen. Er ist in drei Teilbereiche unterteilt: Tonale
Darstellung, Rhythmische Darstellung und musikalische Empfindsamkeit. Diese
Teilbereiche sind wiederum in Subtests unterteilt; Melodie und Harmonie für den
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ersten, Tempo und Takt für den zweiten und Phrasierung, Ausgewogenheit und
Stil für den letzten. (Gordon 1998, pp. 53-54)
Im Melodie und Harmonie Subtest muss der Proband eine musikalische Antwort
mit der zugehörigen musikalischen Frage vergleichen. Die Antwort
unterscheidet sich entweder in Melodie oder Anzahl der Töne. Falls die Melodie
sich ändert (bei gleicher Anzahl der Töne) soll der Proband dies als tonale
Variation angeben, falls die Anzahl der Töne sich ändert soll er dies mit einer
nicht-tonalen Variation angeben. Im Melodietest werden Fragen und Antworten
von einer Violine gespielt, im Harmonietest von einer Violine und einem Cello
im Duett. Die Beispiele sind in den unterschiedlichsten Tonarten und teilweise
auch atonal. Im Zweifelsfalle gibt es immer eine "ich bin nicht sicher"
Wahlmöglichkeit. (Gordon 1998, pp. 53-54)
Für den Tempo Subtest werden die Enden der musikalischen Antworten
entweder schneller, langsamer oder genau gleich neu aufgenommen. Die
tonale Komponente ist bei Frage wie auch Antwort genau gleich. Der Proband
gibt nun an, ob das Tempo gleich oder verschieden ist. Auch hier hat er wieder
die "ich bin nicht sicher" Auswahlmöglichkeit. (Gordon 1998, pp. 53-54)
Im Takt Subtest gibt der Proband an, ob musikalische Frage und Antwort im
gleichen Takt sind oder sich unterscheiden. Die "ich bin nicht sicher"
Wahlmöglichkeit wird natürlich auch hier gegeben. (Gordon 1998, pp. 53-54)
Bei den Subtests im Empfindsamkeits-Teil muss der Proband angeben, welche
musikalische Aussage mehr Sinn macht. Im Phrasing Subtest wird die gleiche
Melodie mit einem anderen Ausdruck gespielt, und der Proband muss
entscheiden welche der beiden Versionen die bessere ist. Im Ausgewogenheit
Subtest unterscheiden sich die Enden der beiden Melodien, und der Proband
muss angeben, welche Melodie das bessere Ende hat. Im Stil Subtest wird die
Melodie beim zweiten Mal in einem anderen Tempo gespielt, und der Proband
muss angeben, welches Tempo am besten zur Melodie passt. (Gordon 1998,
pp. 53-54)
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Durch die vielen einzelnen Testbereiche gibt das MAP eine sehr ausführliche
Auskunft über die Musikalität eines Probanden. In einer zweijährigen
longitudinalen Validitätsstudie von Gordon wurde dem Test zusätzlich eine hohe
Validität bezeugt, die trotz weiterführender musikalischer Erziehung zwischen
Test und Kontrolltest nicht beeinträchtigt wurde (Gordon 1998, p. 55). Dieser
Test wäre eigentlich optimal für meine Studie, jedoch kommt er durch die sehr
lange Administrationszeit (3,5 Stunden) nicht in Frage.
3.1.4 Advanced Measures of Music Audiation
Vor dem MAP publizierte Gordon 1989 die Advanced Measures of Music
Audiation, kurz AMMA. Im Gegensatz zum MAP sind die AMMA in relativ kurzer
Zeit zu administrieren, und können außerdem auch noch für Probanden die
älter als 17 sind (also Studenten) benutzt werden. (Gordon 1998, p. 57)
Bei den AMMA werden dem Hörer wie in Teilen vom MAP auch musikalische
Fragen gefolgt von musikalischen Antworten vorgespielt. Der Hörer muss dann
angeben ob Frage und Antwort gleich sind oder sich tonal oder rhythmisch
unterscheiden. Auch hier gibt es eine "ich bin mir nicht sicher" Auswahl-
möglichkeit. Für jede Testfrage gibt es immer nur eine korrekte Antwort, die
musikalische Antwort kann sich also von der musikalischen Frage immer nur
entweder tonal, rhythmisch oder überhaupt nicht unterscheiden. Die Beispiele
wurden in verschiedenen Ton- und Taktarten von einem professionellen Musiker
auf einem Synthesizer eingespielt. (Gordon 1998, p. 57)
Die AMMA geben drei Endresultate an: Tonales Ergebnis, rhythmisches
Ergebnis und ein Gesamtergebnis. Die Übersicht über die musikalischen
Fähigkeiten in den verschiedenen Teilbereichen ist also nicht so detailliert wie
beim MAP. Dafür kann der Test jedoch in rund einer halben Stunde administriert
werden und verschiedene longitudinale Validitätsstudien von Gordon haben die
Validität des Tests nachgewiesen. (Gordon 1998, p. 57)
Für diese Studie wählte ich daher die AMMA, da diese vor allem in der
computerbasierten Form einfach und in einer annehmbaren Zeit zu
administrieren sind.
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3.2 Testgruppe und Einschränkungen
Für die Musikalitätsstudie werden 80 Probanden befragt und getestet. Die
Hälfte der Teilnehmer sollten Linkshänder, die andere Hälfte Rechtshänder sein.
Die AMMA sind für Probanden ab einem Alter von 13 Jahren valide, für diese
Studie werden jedoch Probanden in einem Alter von 15-40 Jahren bevorzugt.
Obwohl laut Gardner (1982, pp. 144-157) die musikalische Grundentwicklung
bereits im Alter von 5 Jahren abgeschlossen ist, in diesem Alter also bereits ein
Verständnis für Tonhöhe, Tonart und Rhythmus vorhanden ist, sind die
Instruktionen für Kinder in diesem Alter nicht verständlich. Auch mit 13 Jahren
ist das Risiko von mutwilligen Falschaussagen, etwa durch Langeweile oder
Unaufmerksamkeit, höher als bei älteren Probanden.
Bei den Testpersonen wird unterschieden ob diese Musiker, Musikstudenten
oder Nichtmusiker sind. Die AMMA bewerten Musikstudenten und pro-
fessionelle Musiker strenger als Nichtmusiker. Zusätzlich wird das Ergebnis für
Probanden ab einem Alter von 18 Jahren strenger berechnet, als für jüngere
Teilnehmer (Gordon 1989, pp. 28-31). Diese Einschränkungen sind jedoch im
computerbasierten Test integriert und werden automatisch angewendet. Die
genauen Testspezifikationen sind im Manual for the Advanced Measures of
Music Audiation (Gordon, 1989) zu finden.
Testpersonen bei denen keine eindeutige Händigkeit festzustellen ist, die also
beidhändig (ambidexter) sind, dürfen am Test teilnehmen, ihr Resultat fließt
jedoch nicht in die Auswertung mit ein, da hier eine klare Zuordnung zu einer
der beiden Händigkeiten unmöglich ist. Falls eine ausreichende Anzahl an
ambidexteren Probanden am Test teilnimmt, wird ein einzelnes Resultat für
diese Händigkeitsgruppe errechnet. Dieser Fall ist jedoch sehr unwahr-
scheinlich.
Es sollte möglichst vermieden werden, ganze Familien zu testen. Da Musikalität
(oder gegebenenfalls Nichtmusikalität) nach Haecker und Ziehen (1925, pp.
191-214) vererblich ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Familienmitglieder
ähnlich gute oder schlechte Resultate erzielen sehr hoch. Natürlich ist nicht
ausgeschlossen, dass beispielsweise zwei Geschwister am Test teilnehmen,
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jedoch gilt für den Test die Einschränkung, dass höchstens zwei eng
miteinander Verwandte (erster oder zweiter Grad) pro Familie zum Test
zugelassen werden. Dies bedeutet, dass wenn beispielsweise die beiden
Kinder von Herrn Müller bereits am Test teilgenommen haben, Herr Müller nicht
mehr teilnehmen darf. Da durch die Anonymisierung der Studie eine
Verwandtschaft im Nachhinein nicht mehr festzustellen ist, muss bei der
Terminvereinbarung auf Verwandtschaften geachtet werden.
Zum Test werden nur Probanden aus Luxemburg, Deutschland, Frankreich oder
Belgien zugelassen. Diese Beschränkung ist notwendig um so möglichst
"ähnliche" Probanden zu befragen, also Probanden die unter ähnlichen
Bedingungen in Bezug auf Musik und Bildung aufgewachsen sind.
3.3 Wichtige Kriterien zur Fehlervermeidung
Obwohl nicht explizit zwischen Musikern und Nichtmusikern unterschieden wird
sollte trotzdem ein ausgewogenes Verhältnis von Musikern zu Nichtmusikern in
der Rechtshändergruppe als auch in der Linkshändergruppe bestehen, um
somit eine möglichst sinnvolle Gruppierung in Personen mit oder ohne
musikalische Vorbildung für die statistische Auswertung zu ermöglichen.
Ein entscheidender Faktor ist das Testumfeld und derjenige der den Test
beaufsichtigt. Um die Testresultate nicht zu verfälschen sollten alle Tests in
einem ähnlichen Umfeld durchgeführt werden und von der gleichen Person
beaufsichtigt werden, um so eine unbewusste Beeinflussung der Probanden zu
vermeiden. Deswegen wird das Testumfeld genau beschrieben (4.1
Beschreibung des Testumfelds) und die Tests dürfen nur an einem Ort
stattfinden der alle die in dieser Beschreibung festgelegten Kriterien erfüllt. Die
Beaufsichtigung bei allen Tests wird der Autor persönlich durchführen, um somit
einen Einfluss von verschiedenen Personen auf die einzelnen Probanden
auszuschließen. Der Test kann in keinem Fall online oder unbeaufsichtigt
durchgeführt werden. Die einzige Möglichkeit am Test teilzunehmen ist an
einem der vorgesehenen Testorte nach Terminvereinbarung. Nur so kann
garantiert werden, dass der Proband auch wirklich den gleichen Bedingungen
ausgesetzt war, wie alle anderen Probanden. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass
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Details
- Seiten
- Erscheinungsform
- Erstausgabe
- Erscheinungsjahr
- 2011
- ISBN (PDF)
- 9783955497354
- ISBN (Paperback)
- 9783955492359
- Dateigröße
- 3 MB
- Sprache
- Deutsch
- Institution / Hochschule
- ( Middlesex University in London )
- Erscheinungsdatum
- 2015 (Februar)
- Schlagworte
- Musikalität Händigkeit Edwin E. Gordon Musical Aptitude Profile Musik