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Lingua Latina per se illustrata? Ørbergs Latein-Lehrbuch in der Schule

©2011 Bachelorarbeit 42 Seiten

Zusammenfassung

„Lingua Latina per se illustrata?“ befasst sich mit dem gleichnamigen Latein-Lehrbuch des Dänen Hans H. Ørberg. In der Arbeit werden vornehmlich theoretische Aussagen zur Anwendbarkeit dieses Lehrbuchs im deutschen, speziell aber im sächsischen Schulkontext getroffen. Grundlagen dieser Analyse sind der sächsische Lehrplan, die Schulbuchverordnung, das Lehrbuch selbst und das Lehrerhandbuch zum Schulbuch.
Die Tatsache, dass Ørberg in anderen Ländern der Welt bekannt ist und dass dort gemäß seiner Vorstellung vom Lernen Lateinunterricht erteilt wird, eröffnet die Frage, warum dieses Lehrbuch in Deutschland keine offizielle Schulbuchzulassung hat. Daher wird versucht, Kriterien zur Anwendbarkeit zu erarbeiten, die anhand der zur Verfügung stehenden Materialien überprüft werden sollen.
Diese Arbeit bietet einen kurzen Abriss über die Anforderungen des sächsischen Lehrplans an ein Schulbuch, eine nützliche Zusammenstellung der Inhalte des Lehrbuchs „Lingua Latina per se illustrata“ sowie Anregungen, die in der praktischen Umsetzung berücksichtigt werden sollten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.1 Italien: Vivarium Novum: Summer Latin School

Luigi Miraglia ist als Präsident der Akademie „Vivarium Novum“ für den Lehrexport der lateinischen Sprache verantwortlich. Er unterrichtet auf der Basis der direkten Methode und der Lehrbücher Ørbergs in Italien um im Ausland[1]. Das bedeutendste Projekt ist die Summer Latin School: Ein achtwöchiger Kurs, der dazu dient, die lateinische Sprache von Grund auf zu lernen. Dazu ist ein Programm aufgestellt worden, das den ganzen Tag die Beschäftigung mit der lateinischen Sprache vorsieht.

Besonders auffallend ist, dass Miraglia nur Latein als Kommunikationsmittel erlaubt, mit dem Ziel, vollständig in die Sprache einzutauchen. Dazu leben die Kursteilnehmer auf dem Campus der Akademie. Im Informationsblatt zur Summer Latin School wird unmissverständlich deutlich, dass die Dozenten der Akademie eine sehr große Lernbereitschaft voraussetzen, damit das Lernziel – in acht Wochen fließend Latein lesen (und sprechen) zu lernen – erreicht wird. Miraglia setzt als Lehrbuchgrundlage für alle drei Kursstufen Ørbergs Reihe Lingua Latina fest. Miraglia kann auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken. Seit 1991 lehren er und andere Dozenten der Akademie auf diese Weise. Plätze sind sowohl in den achtwöchigen Sommerkursen als auch in den regulären Kursen der Akademie stark begrenzt, da die Lehrenden besonderen Wert darauf legen, dass alle Teilnehmer sich aktiv am Geschehen, d.h. an lateinischen Konversationen, beteiligen können[2].

Auch wenn der gesamte, nahezu alternativlose, Ablauf des Sommerkurses künstlich erzeugt anmutet, scheint Miraglia mit diesem Konzept erfolgreich zu sein.

3.2 USA

In den USA ist Ørbergs Lehrbuch weit verbreitet[3]. Insbesondere in Universitätskursen zum Erlernen der lateinischen Sprache, v.a. wenn die Studenten keine Lateinkenntnisse zu Beginn des Studiums mitbringen, wird mit Ørberg gelernt. Als Ian Thomson Anfang der 1970er Jahre erste Unterrichtsversuche mit damals noch Lingua Latina secundum naturae rationem explicata[4] durchführte, gaben andere Lehrer, die Ørbergs Texte nutzten, an, dass ihr Unterricht daran scheitere, dass sie nicht wüssten, mit Ørbergs Texten richtig umzugehen und dass Zusatzmaterial fehle[5]. Daher entwickelten Thomson und Kollegen begleitendes und weiterführendes Unterrichtsmaterial, da Thomson selbst der Überzeugung war, dass Unterricht auf der ausschließlichen Grundlage des Lehrbuchs zu einseitig und dünn sei und Ørberg sein Lehrbuch lediglich als Unterrichtsbasis verstehe[6]. Auch Masciantonio verweist darauf, dass der Lehrer bezüglich der multisensorischen Ausrichtung des Unterrichts gefragt sei[7]. Vier Jahre später konstatiert Thomson, dass es weiterhin Verwirrungen bezüglich der Methode und ihrer Anwendung gebe[8] und dass die Methode bei den meisten Lehrern deshalb scheitere, weil sie nicht konsequent genug mit der Methode lehrten und überdies nicht genug Vertrauen in die Methode hätten[9].

An Lehrerhandbüchern zum Arbeiten mit Ørbergs Büchern mangelt es indes nicht mehr. Rudolph Masciantonio formulierte zunächst 1970 ausführliche Anweisungen für Lehrer, die noch nicht oder nur wenig mit Ørbergs Methode vertraut sind. Es handelt sich hierbei um detaillierte Ausformulierungen der „Pensa“, wie man mit ihnen arbeiten und Lernerfolge abseits vom Auswendiglernen der Kasusendungen erzielen kann[10]. Außerdem verfasste Ian Thomson 1975 ein „Teacher’s Manual“[11]. Auch Brown und Miraglia konzipierten im Rahmen der Reihe Lingua Latina ein Lehrerhandbuch, auf das ich im Kapitel 4 zurückkommen werde.

Dass Lingua Latina in den USA bekannt ist und Verwendung findet, zeigen nicht nur die Existenz zahlreicher Lehrerhandbücher, sondern auch die Auseinandersetzungen einiger Privatpersonen und Dozenten mit den Büchern auf der Internetpräsenz des amerikanischen Vertreibers der Lingua Latina-Reihe[12].

3.3 Deutschland

In Deutschland sind Ørberg, sein Lehrbuch und seine Methode zwar in den fachwissenschaftlichen Kreisen der altsprachlichen Didaktik bekannt und ihnen kommt auch einiges an Bewunderung zu, dennoch kann keinesfalls behauptet werden, dass sich Lingua Latina per se illustrata oder – wie das Buch vorher hieß – Lingua Latina secundum naturae rationem explicata tatsächlich etabliert und Einzug in die bundesweiten Listen der für die Schule zugelassenen Lehrbücher gehalten hätte[13].

Aufgrund der Tatsache, dass Lingua Latina per se illustrata kein in Deutschland zugelassenes Lehrbuch ist[14], ist es verständlich, dass es bisher nur wenige Erfahrungsberichte bezüglich der Anwendung und vor allem der Anwendbarkeit gibt. Stroh befindet den Aufbau und die Vermittlungsweise für durchaus geschickt, auch wenn er auf keine praktischen Erfahrungen mit diesem Lehrbuch zurückgreifen könne[15]. Somit kann er die Fragen nach der Anwendbarkeit und den Erfolgsaussichten nur schwer beantworten.

Praktische Erfahrungen mit diesem Lehrbuch kann hingegen Frank Oborski nachweisen. Er macht die Einführung eines neuen Lehrwerks an den Komponenten der (erfolgreichen) Praxiserprobung und der Schülerevaluation fest. Lingua Latina per se illustrata war der Evaluationssieger seiner Klasse und in seinem Artikel „Da ist mehr Latein drin“ führt er zahlreiche Begründungen an, warum das Lehrbuch „Testsieger“ geworden ist[16]. Für Oborski stellt das Lehrbuch eine Verknüpfung der aktuellen Ansprüche des Lehrplans mit den bis heute aktuellen Vorstellungen Comenius‘ dar. Ørberg sei gleichsam zeitgemäß und zeitlos[17].

Die expliziten Ausführungen Oborskis sollen im abschließenden Vergleich unter Kapitel 6 zur Unterstützung meiner Thesen herangezogen werden.

4 Aufbau und Arbeitsweise von Lingua Latina per se illustrata

Als zentrale Quelle und Hilfsmittel für das nun folgende Kapitel dient das Lehrbuch an sich sowie das Lehrerhandbuch Latine doceo[18] aus der Reihe Lingua Latina per se illustrata. Es enthält wichtige methodische Hinweise, um erfolgreich mit Ørbergs Lehrbuch zu arbeiten. Wenn das Lehrerhandbuch auch in englischer Sprache und speziell für die englische und italienische Ausgabe von Ørbergs Lingua Latina per se illustrata. Familia Romana abgefasst ist, lässt es sich doch ebenso gut durch deutsche Lehrende nutzen, da im Schülerbuch keine andere Sprache als Latein verwendet wird. Somit besteht keine weitere Sprachbarriere, die es zu überwinden gilt.

4.1 Übersicht über die Inhalte der Lektionen

Jede einzelne Lektion in Lingua Latina per se illustrata wird als capitulum bezeichnet und mit römischen Zahlen durchnummeriert. Im ersten Band der Lingua Latina-Reihe, d.h. Familia Romana, sind 35 capitula zu finden, die jeweils insgesamt sechs bis zehn Seiten umfassen. Auf diesen Seiten findet man zunächst einen lateinischen Text, der sich mit Inhalten aus dem Alltagsleben einer römischen Familie aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert beschäftigt. Diese Familie begleitet die Schüler den gesamten Kurs über durch das Buch. Jede Geschichte baut auf der vorherigen auf. Lediglich capitulum I ist von den übrigen capitula losgelöst. Das erste Kapitel gibt einen Überblick über die Ausdehnung des römischen Reichs und seine Topografie. Jeder Text ist in der Regel in drei lectiones unterteilt, die an den römischen Ziffern am Textrand erkannt werden können. Jedes capitulum besitzt einen kleinen Grammatik-Kurs, der die neu aufgetauchte Grammatik im Text systematisiert und wiederholt. Abschließend folgen drei pensa, die im Schwierigkeitsgrad von pensum A zu pensum C zunehmen. Pensum A befasst sich mit dem richtigen Einsetzen von Kasus- oder Personalendungen mit dem jeweiligen Bindevokal, in pensum B müssen in jedem capitulum ganze Wörter aus den neuen Vokabeln richtig flektiert eingesetzt werden und pensum C prüft schließlich das Textverständnis. Insgesamt ist noch einmal zu erwähnen, dass jedes einzelne, im Lehrbuch vorkommende Wort, lateinisch ist. Zur Unterstützung des Lernens aus dem Kontext, wie es von Ørberg angedacht ist, gibt es am Rand Hinweise in Form von Bildern, „Gleichungen“ oder Wortverwandtschafts-verhältnissen[19]. Es folgt eine tabellarische Übersicht mit den Inhalten der Lektionen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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[1] Vgl. Salini 2009.

[2] Vgl. Accademia Vivarium Novum 2011.

[3] Vgl. Herausgeber New England Classical Newsletter 1987: S. 21.

[4] Die lateinische Sprache gemäß der Art ihrer Natur erklärt.

[5] Vgl. Thomson 1972: S. 151.

[6] Vgl. ebd.: S. 151.

[7] Vgl. Masciantonio 1970: S. 9.

[8] Vgl. Thomson 1976: S. 9.

[9] Vgl. ebd.: S. 10.

[10] Vgl. Masciantonio 1970: S. 14.

[11] Vgl. Herausgeber New England Classical Newsletter 1987: S. 21.

[12] Vgl. Focus Publishing/R. Pullins Co. und Miraglia; Brown 2004: Einband.

[13] Vgl. Stroh 2011: Abschnitt C. Neuansätze 1. Schule: Sprechmethode (RWG).

[14] Vgl. dazu: Deutscher Bildungsserver 2011. Bei der Recherche der Datenbank der zugelassenen Lehr-bücher in den einzelnen deutschen Bundesländern ist Ørberg nicht zu finden.

[15] Vgl. Stroh 1994a: S. 85.

[16] Vgl. Oborski 2007: S. 208.

[17] Vgl. ebd.: S. 212.

[18] Ich lehre Latein.

[19] vgl. Miraglia; Brown 2004: S. 9 und 14; vgl. auch den Anhang dieser Arbeit.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2011
ISBN (PDF)
9783955497897
ISBN (Paperback)
9783955492892
Dateigröße
2.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Dresden
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,5
Schlagworte
Lateinunterricht Fremsprache Fremsprachenunterreich Sprache Didaktik
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Titel: Lingua Latina per se illustrata? Ørbergs Latein-Lehrbuch in der Schule
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