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Konsumräume und Kaufentscheidungen: Zur Bedeutung des Social Web

©2012 Bachelorarbeit 67 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit hat die Analyse der Wirkung des Social Web auf das Konsumenten- und Kaufverhalten sowie die Entwicklung der Konsumräume durch Web 2.0-Anwendungen zum Gegenstand. Hierbei wird einerseits auf die veränderten Konsumräume wie das Social Shopping und das Social Web als Kaufbegleiter im stationären Handel eingegangen. Andererseits wird der Wandel des Konsum- bzw. Kaufverhaltens anhand einer aktuellen Machtverschiebung der klassischen Medien, der Viralität und Interaktion, sowie der Individualisierungstendenzen im Social Web beschrieben. Abgerundet wird die Arbeit mit einem zusammenfassenden Fazit und einem Zukunftsausblick, den das Thema bietet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis



1. Einführung und Ziel der Arbeit
Web 2.0 ist ein derzeit ein sehr populärer Begriff, welcher inzwischen synonym ver-
wendet wird für die aktuelle Entwicklung des World Wide Web. Weg von der ersten
statischen Internetgeneration hin zu einem verbindenden Medium in dem Nutzer
nicht nur Empfänger (Konsument), sondern auch Sender (Produzent) wurde. Dieser
Trend wurde von dem Autor und Buchverleger Tim O'Reilly beschrieben und ge-
prägt. ,,Web 2.0 is the business revolution in the computer industry caused by the
move to the internet as platform, and an attempt to understand the rules for success
on that new platform" (O'Reilly, 2006).
Neben den technischen Erneuerungen und der verbesserten Verfügbarkeit von Web-
Technologien steht beim Web 2.0 vor allem der gesellschaftliche bzw. soziale As-
pekt der Nutzer im Mittelpunkt. Mit diesem Perspektivenwechsel ist der Internet-
User nun viel mehr als ,nur` passiver Genießer, von Informationsangeboten oder
Verwender von standardisierten Angeboten. ,,Diese Kernidee des Web 2.0, den Kon-
sumenten Raum zu geben, sich zu präsentieren und miteinander zu kommunizieren,
erfreut sich sowohl nutzer-, als auch angebotsseitig noch immer zunehmender Be-
liebtheit" (Walsh, Kilian und Hass, 2011, S. 3). Diese neue Art der Kommunikation
ist wohl das revolutionärste Merkmal des Web 2.0. User sind nun auch in der Positi-
on Informationen zu verfassen, zu verbreiten und zu kommentieren. Die Benutzer
haben damit endlose Partizipationsmöglichkeiten dazu gewonnen. ,,Das Web 2.0
zeichnet sich somit durch eine Veränderung der Sender-Empfänger-Struktur aus"
(ebenda, S. 8).
Laut Münker (2009, S. 74) erfüllt das Web 2.0 alle Kriterien, die der Soziologe und
Kommunikationswissenschaftler Habermas als Grundvoraussetzung für ,,eine Sphäre
der diskursiven Öffentlichkeit als Maßstab vorgegeben hat". Abgesehen von politi-
schen, technischen oder finanziellen Voraussetzungen, ist das Internet inzwischen
fast jedem (in der westlichen Welt) zugänglich. Es begegnen sich alle User auf einer
gemeinsamen Ebene und die meisten Angebote sind tatsächlich für jedermann offen
(vgl. ebenda, S. 74f.). Was im Web 1.0 nur öffentlichen Institutionen, Unternehmen
oder Einzelpersonen mit Web-Kenntnissen vorbehalten war, ist nun für alle möglich.
1

Der User profitiert weiterhin von Informations- und Wissensangeboten, kann diesen
Content
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aber oftmals selbst mitgestalten oder zur Weiterentwicklung kommentieren
und diskutieren. Das Web 2.0 wird demnach auch als Mitmach-Netz oder durch User
Generated Content (UGC) paraphrasiert (vgl. Ebersbach, Glaser und Heigl, 2011, S.
29). ,,Anders als vermutet, hat das Fehlen eines zentralen Redaktionsprozesses keine
Qualitätseinbußen zur Folge" (ebenda). Ein Beispiel dafür ist die Online-
Enzyklopädie Wikipedia. Hier hat jeder Internet-Nutzer die Möglichkeit einen Lexi-
kon-Eintrag selbst zu verfassen. Jeder Artikel kann hier grundsätzlich von jedem
verändert und verbessert werden. Das Lexikon Wikipedia gehört heute zu den meist-
besuchten Websites weltweit.
Das Verbreiten von Inhalten ist ein wichtiger Punkt in der Entwicklung des Internets.
Nutzer verbreiten Informationen, nicht nur selbst initiierten Content, und lassen ihre
Freunde teilhaben. Der virale Effekt, das Mund-zu-Mund propagieren, die Tell-a-
Friend-Funktion kann als Mittelpunkt des Web 2.0 gesehen werden. ,,[...] Hierbei
[ist] das Entstehen einer neuen Generation von Internetnutzern zu beobachten, die
einerseits als kritische Konsumenten in Meinungsplattformen Produkte und Unter-
nehmen bewerten und andererseits durchaus exhibitionistische Tendenzen zeigen
und sich selbst im Netz präsentieren (Selbstoffenbarung)" (Walsh, Kilian und Hass,
2011, S. 9). Das ,neue Netz` bringt die ,Social Networks` mit sich. Communities, die
den Usern zum Austausch von Inhalten und Meinungen, wie das Publizieren von
Fotos und Videos und das alltägliche Kommunizieren untereinander möglich ma-
chen. ,,Da das Netz damit auch menschlicher und sozialer wird, ist anstelle vom Web
2.0 immer häufiger vom Social Web die Rede" (Altmann, 2011, S. 13).
,,Unter dem neuen gesellschaftspolitischen Umfeld und dem Einfluss der Informati-
ons- und Kommunikationstechnik ist der Mensch ein neuer Typ von Konsument ge-
worden" (Günther, 2007, S.91). Diese These werde ich im Laufe der Arbeit überprü-
fen und zunächst die relevanten Begriffsbestimmungen und Theoriegrundlagen klä-
ren, um das Spannungsfeld der hohen empirischen Relevanz der Forschungsfrage
und das Defizit an systematischer Aufarbeitung des Themengebietes theoretisch und
definitorisch zu verorten. Dazu werden die Oberbegriffe der Analyseachse ,Social
Web`, ,Konsum` und ,Kaufverhalten` getrennt voneinander beleuchtet.
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Content: Im Folgenden oftmals als Synonym für (Website-)Inhalt verwendet.
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Die vorliegende Arbeit hat die Analyse der Wirkung des Social Web auf das Konsu-
menten- und Kaufverhalten sowie die Entwicklung der Konsumräume durch Web
2.0-Anwendungen zum Gegenstand. Hier wird einerseits auf die veränderten Kon-
sumräume wie das Social Shopping und das Social Web als Kaufbegleiter im statio-
nären Handel eingegangen. Andererseits wird der Wandel des Konsum- bzw. Kauf-
verhalten anhand einer aktuellen Machtverschiebung der klassischen Medien, der
Viralität und Interaktion, sowie der Individualisierungstendenzen im Social Web
beschrieben. Abgerundet wird die Arbeit mit einem zusammenfassenden Fazit und
einem Zukunftsausblick, den das Thema bietet.
2. Begriffsbestimmungen und Theoriegrundlagen
2.1 Das Social Web
Das World Wide Web der zweiten Generation, das Web 2.0, kann aufgrund seiner
Benutzer-Aktivitäten-Orientierung, auch als ,Social Web` deklariert werden.
Schmidt und Welker (2008, S. 22) erklären: ,,Aus kommunikationssoziologischer Sicht er-
scheint die Bezeichnung ,Social Web` besser geeignet, weil sie zum Ersten keine Unterschei-
dung zeitlicher Phasen enthält, zum Zweiten auf das World Wide Web als zunehmend univer-
saler Dienst des Internets verweist und zum Dritten den grundlegenden sozialen Charakter des-
jenigen Bereichs des Internets betont, der Kommunikation und anderes aufeinander bezogenes
Handeln zwischen Nutzern fördert, also über die Mensch-Maschine-Interaktion hinaus geht".
Ebersbach, Glaser und Heigl (2011, S.32f.) definieren das Social Web wie folgt:
,,Der Begriff fokussiert auf die Bereiche des Web 2.0, bei denen es nicht um neue
Formate oder Programmarchitekturen, sondern um die Unterstützung sozialer Struk-
turen und Interaktionen über das Netz geht." Das Social Web lässt sich genauer be-
grifflich bestimmen, in dem man die wörtliche Übersetzung des englischen Begriffes
,social` betrachtet. Demnach kann social auch als ,gesellschaftlich` übersetzt werden
(vgl. Sen, 2011, S.7). Daraus erschließt sich ein Charakteristikum des Social Web,
der gesellschaftliche bzw. gesellige Zusammenschluss von mehreren Internet-
Nutzern, z.B. in sozialen Netzwerken (vgl. Ebersbach, Glaser und Heigl, 2011, S.
34).
3

,,Das ,Social Web` besteht aus: (im Sinne des WWW) webbasierten Anwendungen, die für
Menschen den Informationsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommuni-
kation und die kollaborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftli-
chen Kontext unterstützen, sowie den Daten, die dabei entstehen und den Beziehungen zwi-
schen den Menschen, die diese Anwendungen nutzen" (Ebersbach, Glaser und Heigl, 2011, S.
35).
Ganz klar hervorgehoben wird in den Definitionen die Rolle des Individuums selbst.
Die Anwendungen des Social Web sind so konzipiert, dass sie persönlich zugeschnit-
ten scheinen. Die Webseiten des Web 1.0 waren anonym gestaltet und an die Masse
gerichtet. Im Social Web des Web 2.0 agiert jeder individuell, die Akteure schließen
sich meist nach Interessenlage zusammen. Die Aktionen im Web sind so nicht mehr
anonym und sollen auch für andere transparent gestaltet sein. Eine Voraussetzung
dabei ist, dass sich jeder an dieser Art von Community-Struktur beteiligt (vgl. eben-
da, S. 35f.). ,,Der Fokus liegt weniger auf der einzelnen Information, sondern viel-
mehr auf der Struktur, die aus der Verknüpfung derselben erwächst" (ebenda, S. 36).
Laut Ebersbach, Glaser und Heigl (2011, S. 37) kann man das Social Web in folgen-
den Kategorien unterteilen: Wikis (kollaborative Erstellung von Texten), Blogs (per-
sönlich erstellte Journale), Microblogs (Austausch über zentrale Botschaften), Soci-
al-Network-Dienste (Aufbau und Pflege des eigenen Beziehungs-Netzwerkes), Soci-
al-Sharing (Bereitstellung und Tausch von Inhalten) u.v.m. Die ARD/ ZDF-
Onlinestudien (2009 bis 2010) untergliedern die Web 2.0-Applikationen in: Wikipe-
dia, Videoportale, private Netzwerke, Fotosammlungen, berufliche Netzwerke, Web-
logs, Lesezeichensammlungen und Twitter
2
(vgl. Busemann und Gscheidle, 2010).
Walsh, Kilian und Hass (2011, S. 22f.) differenzieren Web 2.0-Anwendungen in
lediglich drei Gruppen: Communities (Kommunikation, Information, Beziehungen),
Entertainment-Anbieter (Technik und Information) und Informationsanbieter. Für die
weitere Ausführung werden nun zentrale Instrumente bzw. Anwendungen des Social
Web beschrieben. Um das Themenfeld einzugrenzen, werde ich mich auf Soziale
Netzwerke, Weblogs und Bewertungsportale beschränken. Diese finden sich in der
Ausarbeitung der Forschungsfrage detailliert wieder.
2
Twitter: Mischform einer Kommunikationsplattform, eines Microblogs und eines Sozialen Netzwerkes. Dient
zum Verbreiten kurzer Nachrichtensequenzen in Echtzeit.
4

2.1.1
Soziale Netzwerke
So vielfältig die Definitionen des Web 2.0 erscheinen, so vielfältig sind auch die
Anwendungen des Social Web. Zunächst wird das Social Web-Instrument Social
Network als eine Applikation mit User Generated Content-Funktion
3
bestimmt. So-
ziale Netzwerke an sich sind keine Phänomene, die erst seit kurzem unsere Gesell-
schaft begleiten.
,,For thousands of years, people have formed into groups, built strong and weak relationships
with others, formed allegiances, and spread rumor and gossip. We have always relied on each
other. Humans are social creatures with a need to connect to others; whether we need infor-
mation, advice, or emotional support, we turn to one another" (Adams, 2012, S. 9).
Soziale Netzwerke sind ein Spiegelbild sozialer Beziehungen einzelner Individuen.
Diese befinden sich in einem Netzwerk mit Knoten, die einerseits die Kontakte selbst
repräsentieren, andererseits stellvertretend für soziale Interaktionen stehen. Grund-
sätzlich umfassen soziale Netzwerke Gemeinschaften und Gruppen, Individuen, die
sich zusammenschließen, auf einer vertrauten Basis, die auch ohne ein großes Hier-
archiegefüge funktionieren können (vgl. Schelske und Herczeg, 2007, S. 77ff.). Das
Soziale Netzwerk bekommt im Web 2.0 zwar ein neues Gesicht, jedoch haben sich
die Grundvoraussetzungen und Bestandteile eines Netzwerkes nicht grundlegend
verändert. Menschen sind immer noch auf der Suche, in der Gruppe Halt, Unterhal-
tung, Spaß, Information, Unterstützung u.v.m. zu finden. Diese Bedürfnisse versu-
chen sie nun online in Communities wie Facebook, zum Beispiel zu befriedigen.
,,Dank der besonderen Qualitäten der Internetversion 2.0 erleben wir gerade die kon-
sequente Virtualisierung der sozialen Interaktion" (Simons, 2011, S. 38). Innerhalb
kürzester Zeit erreichten Social Communities die höchsten Klickraten weltweit.
Der Aufbau ist zunächst bei allen Online-Netzwerken ähnlich: die User erhalten ein
persönliches Nutzerprofil. Hierin werden die Daten des Users festgehalten, wie Alter,
Geschlecht, Wohnort und Beruf, aber auch Interessen oder private Fotos. Anhand
dieser Profile kann man seine Freunde oder Bekannte auch online mit sich verbinden.
Den Nutzern unter sich ist ersichtlich, wer mit wem befreundet ist und wie viele
Freundeskontakte ein jeder hat. Community-Mitglieder können sich Nachrichten
zukommen lassen, untereinander per Chat kommunizieren, Fotos und Alben publi-
3
Text, den Nutzer selbst ins Netz stellen, in Form von Blogs, Communities oder Foren.
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zieren, Interessensgruppen zu entsprechenden Themen gründen und darüber diskutie-
ren.
,,Inzwischen gibt es kaum ein Thema mehr, zu dem nicht auch eine OnlineCommuni-
ty existiert; die Vielfalt der Communities ist so bunt geworden wie das Leben selbst"
(Simons, 2011, S. 42). Es lässt sich der Trend beobachten, dass selbst Soziale Netz-
werke, die sich anfangs hauptsächlich an der Zielgruppe der Heranwachsenden aus-
gerichtet haben, nun auch mehr mitten in der Gesellschaft angekommen sind.
,,Soziale Netzwerke verbinden nicht nur Menschen mit ähnlichen Interessen, politischen An-
sichten oder familiären Hintergründen, sondern fördern auch Beziehungen, die auf sexueller
Orientierung, Religion oder auch nur gleichen Hobbys (Fans derselben Fernsehsendungen,
Musiker usw.) basieren" (Weinberg, 2011, S. 168).
Die BITKOM-Studie 2011 hat ermittelt, dass inzwischen drei von vier befragten
Internetusern bereits Mitglied von Communities sind, gut zwei Drittel davon sind
laut ihren Angaben auch in den Netzwerken aktiv. Die Zielgruppe der 14- bis 29-
Jährigen kann zu den ,Topusern` gezählt werden: 85% von ihnen sind aktive User
von sozialen Netzwerken. Facebook ist die mit Abstand meistgenutzte Community
im Social Web. Rund 45% der User verwenden konstant diese Plattform, bei den 14-
bis 29-Jährigen sind es inzwischen 67%.
Facebook ist in den letzten 6 Jahren exponentiell gewachsen und hat seit langem eine
Vormachtstellung auf dem Markt der Social Communities inne. Für viele Menschen
ist es selbstverständlich geworden, täglich ihr Facebook-Nutzerkonto zu öffnen. Fa-
cebook weiß was wir mögen.
,,Facebook ist zweifellos der größte und hellste neue Stern am Medienfirmament. Inzwischen
hat es über 700 Millionen Nutzer und hat Google als beliebteste Webseite der Welt abgelöst.
Vor allem loggen sich Facebook-Nutzer im Durchschnitt 60 Minuten täglich ein, wobei sie die
Seite erstaunlicherweise 13 Mal vom Aufstehen bis zum Zubettgehen aufsuchen" (Leistert und
Röhle, 2011, S. 51).
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Abbildung 1: Verbrachte Zeit im meist genutzten Netzwerk - nach Alter
(Quelle: BITKOM, 2011)
Abbildung 2: Genutzte Funktionen in Netzwerken - nach Alter
(Quelle: BITKOM, 2011)
BITKOM (2011) hat auch die effektive Nutzungsdauer des beliebtesten Netzwerkes
der Befragten genauer beleuchtet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Nut-
zungsintensität bei einem Drittel bei ca. einer Stunde täglich liegt. Sogar rund 11%
7

der User geben an, mehr als zwei Stunden am Tag in ihrer Community online zu
sein. Sie nutzen ihre Zeit, um Nachrichten an Freunde zu senden, mit ihnen zu chat-
ten, Informationen zu etwaigen Veranstaltungen zu erhalten, Fotos zu teilen, ihren
Aktivitätenstatus mitzuteilen uvm. (siehe Abbildung 2).
2.1.2
Blogs
Weblogs (kurz ,Blogs`) sind jene Webseiten, auf denen User-Beiträge generiert und
dann in chronologischer Weise (umgekehrt nach Aktualität sortiert: das Neueste an
oberster Stelle) angezeigt werden - vergleichbar mit einer Art Internet-Tagebuch.
,,Inhaltlich ergreifen darin Autorinnen und Autoren das Wort, die mit kurzen Texten
auf Inhalte im Netz hinweisen oder persönliche Erfahrungen verarbeiten" (Ebers-
bach, Glaser und Heigl, 2011, S. 61). Blog-Nutzer haben die Möglichkeit, je nach
Interessenlage und Belieben, den Eintrag auch zu kommentieren. ,,Partizipation ist
hier das Stichwort: Die Leser sollen nicht einfach nur lesen, sondern sie sollen teil-
nehmen, den Autor auf Schwachstellen hinweisen, weitere Aspekte des Themas auf-
greifen" (Alby, 2007, S. 22). Die Texte sind meist kurz gehalten, um die Aufmerk-
samkeit auf das Wichtigste zu bündeln und die User nicht abschweifen zu lassen.
Blog-Einträge haben oftmals den Vorteil, sehr aktuell zu sein, da es keinem großen
(redaktionellen und technischen) Aufwand bedarf, sie zu erstellen. Blogs stehen für
,,Authentizität durch Subjektivität" (Ebersbach, Glaser und Heigl, 2011, S. 62), dass
heißt die benutzten Internetquellen werden unterfüttert mit dem eigenen Erfah-
rungshorizont des Webloggers.
Jedem Menschen mit einem Internetzugang ist es inzwischen möglich, seinen eige-
nen, zu einem Themengebiet spezifischen, Blog zu kreieren. Im Zuge von freier So-
cial Software
4
können Inhalte in bereits vorgefertigte ,Content-Management-
Software` problemlos ein gepflegt werden. Hier ist nun kein IT-Fachwissen mehr
von Nöten. ,,Mit der Schnelligkeit, die sie ermöglichen, und mit der Themenvielfalt,
die sie inzwischen abdecken, haben Blogs das Internet in den vergangenen Jahren
deutlich verändert" (Simons, 2011, S. 14). Trotz der eher unprofessionellen redaktio-
4
Grundlage der anwenderbezogenen Instrumente des Social Web (Internetforen, Blogs, Wikis, Soziale Netzwer-
ke).
8

nellen Basis eines Blogeintrags ist er inzwischen zu einer wichtigen Informations-
quelle im Internet geworden.
Die Bandbreite der Blogthemen ist unendlich groß. Ebersbach, Glaser und Heigl
(2011, S. 65) gliedern Weblogs in: Tagebücher, Zeitungsblogs, Watchblogs,
Warblogs, Eventblogs, Hobbyblogs und Infoblogs. Diese können je nach verbreite-
tem Medium (Texte, Links, Fotos, Videos oder Audiodateien) noch differenzierter
dargestellt werden.
,,Über Verweise auf andere Quellen, durch Kommentare zu Beiträgen und durch Blogrolls set-
zen Weblogautoren nicht nur hypertextuelle Links, sondern knüpfen und bestärken auch sozia-
le Beziehungen unterschiedlicher Intensität. Je länger ein Weblog geführt wird, desto umfang-
reicher sind in der Regel auch diese sozialen Netzwerke [...]" (ebenda, S. 72).
Abbildung 3: Blogs: Leser und Autoren
(Quelle: IfD-Allensbach, 2009)
Die ,Blogosphäre` beschreibt die globale Vernetzung der einzelnen Blogs im Internet
untereinander. Sie ist ein wichtiges Kriterium für das rasante Ausbreiten von Blog-
Artikeln und basiert vor allem darauf, dass Blogger sich untereinander auf andere
Inhalte beziehen (vgl. Domma, 2011, S.32). Abschließend kann festgesetzt werden,
dass die Zahl von Weblogs weiterhin rasant ansteigt. Laut Alby (2007, S. 28) werden
9

täglich um die 75.000 neuen Blogs geschaffen, allerdings liegt Deutschland im inter-
nationalen Vergleich noch weit im Hintertreffen hinsichtlich der Quantität. Laut dem
IfD-Allensbach (2009) lesen bereits 31% der Befragten Blogs, 18% schreiben eigene
Beiträge in der Kommentarfunktion fremder Blogs und 9% betreiben ihren eigenen
Weblog (siehe Abbildung 3).
2.1.3
Bewertungsportale
,,Mit sogenannten Bewertungsportalen haben sich im Internet innovative Angebote
entwickelt, die Konsumenten die Möglichkeit eröffnen, auf produkt- und/ oder
dienstleistungsbezogene Informationen einer Vielzahl anderer Konsumenten zuzu-
greifen" (Huber et al., 2011, S. 1). Je nach Erfahrung kann man seinen Unmut über
ein Produkt/ eine Dienstleistung kundtun oder bei positiven Erlebnissen dasselbe
weiterempfehlen. Die persönlichen Bewertungen können in den meisten Portalen mit
eigens geschriebenen Erfahrungsberichten erläuternd ergänzt werden. Alles in allem
möchte der User anderen (fremden) Konsumenten unterstützend bei der Auswahl des
Produkts/ der Dienstleistung zur Seite stehen. Bekannte Bewertungsportale schaffen
so, dass themenspezifische Einzelmeinungen der Individuen gebündelt dem WWW
zugänglich gemacht werden. Auch in dieser Web 2.0-Anwendung ist der User-
Generated-Content-Ansatz allgegenwärtig. Ein Bewertungsportal basiert auf der
Mund-zu-Mund-Empfehlungs-Funktion (dies wird im Folgenden spezifisch erläu-
tert).
Gängige Produkt- oder Dienstleistungsbewertungsportale beschäftigen sich mit ei-
nem sehr breiten Content. Man kann jedoch eine Abstufung machen, bei welchem
Konsumgut die ,Mundpropaganda` eine wichtige Rolle spielt und wo eher nicht.
Vorreiter der Relevanz von Bewertungen sind Reisen und Hotels mit 62% aller getä-
tigten Produktempfehlungssuchen. Gemäß der Infosys-Studie des IfD-Allensbach
(2011) informieren sich an die 50% der User vor der Kaufentscheidung über Bewer-
tungen von Handys und anderer Unterhaltungselektronik. Der letzte Platz ist mit 8%
von Lebensmitteln und Getränken besetzt. Hauptsächlich junge Internet-User (14-29
Jahre) informieren sich laut dieser Erhebung in den einschlägigen Portalen. Umso
älter der Nutzer wird, umso weniger interessiert er sich (noch) dafür. Die Zahlen be-
sagen weiter, dass vor allem Menschen mit einem überdurchschnittlichen Einkom-
10

men und einer hohen Bildung ihre Informationen aus Bewertungen und Kommenta-
ren über Produkte und Dienstleistungen vor dem Kauf ziehen (vgl. Köcher und
Bruttel, 2011 und siehe Abbildung 4, 5).
Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, ,,Foren bilden zumindest noch in
Deutschland die größte Quelle für Konsumentenmeinungen. In Deutschland wird die
Anzahl der Foren über 100.000 geschätzt. [...] Wer das Augenmerk nur auf Blogs
setzt, erreicht weniger als 4% des Diskussionsvolumen im Web" (Hemmer, 2011, S.
34).
Abbildung 4: Relevanz von Bewertungen und Kommentaren anderer Nutzer unterscheidet sich deutlich nach
Produktkategorie
(Quelle: IfD-Allensbach, 2011)
11

Abbildung 5: Profil der Nutzer von Produktbewertungen
(Quelle: IfD-Allensbach, 2011)
2.2 Der Konsum
2.2.1
Definition und Konsumentenverhalten
Eine einheitliche Definition für ,Konsum` sucht man auf interdisziplinärer Ebene
vergebens. Die Wirtschaftssoziologie legt begriffsbestimmend den Fokus darauf,
dass Konsumenten gewissen Produkte oder Dienstleistungen gebrauchen und dafür
bezahlen, also konsumieren.
,,Konsum ist demnach einmal eine Verhaltensweise von Konsumenten, die eine Art Einkom-
mensverwendung - im Gegensatz zum Sparen - und zugleich einen Entscheidungsakt (Kauf)
für eine bestimmte Ware beinhaltet. Materiell und wertmäßig entspricht diesem Vorgang die
Marktentnahme von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten" (Kleinschmidt, 2008, S.
8).
Hellmann unterscheidet in ,Konsum im engen und weiten Sinne`. Seiner Auffassung
nach beschäftigen sich die Wirtschaftswissenschaften mit dem Aspekt des Konsums
im engen Sinne. Die Sozialwissenschaften fangen da an, wo die Ökonomie aufhört,
12

beim Konsum im weiten Sinne. Konsum im engen Sinne beschreibt die direkte Be-
dürfnisbefriedigung durch den Gebrauch von Gütern. Im weiten Sinne bedeutet hier
nicht das Verbrauchen an sich, sondern vor allem das Konsumentenverhalten nach
dem Kauf selbst (vgl. Hellmann, 2005, S. 11). Es geht ,,[...] darum herauszufinden,
wozu sich die Leute eine bestimmte Sach- oder Dienstleistung gekauft haben und
was sie damit, aus welchen Gründen nach der Marktentnahme konkret anstellen"
(ebenda).
,,Das Konsumentenverhalten beschäftigt sich vordringlich mit der Beschreibung, der
Erklärung, dem Verstehen und der Prognose des Konsumverhaltens von Menschen
(Erkenntnisaufgabe)" (Balderjahn und Scholderer, 2007, S. 1f.). Hierbei zählen nicht
nur der Kauf und die Nutzung kommerzieller Produkte bzw. Dienstleistung, hier
wird auch das Augenmerk auf das Verhalten der Verbraucher gelegt (vgl. ebenda).
Anhand Kroeber-Riel und Weinberg (2003) lässt sich das Konsumentenverhalten
nicht nur in der Disziplin Marketing verorten, sondern kann selbstständig bzw. inter-
disziplinär bei den Wirtschafts- sowie Sozialwissenschaften betrachtet werden.
2.2.2
Konsum als Raumerfahrung
Die Themenstellung dieser Bachelorarbeit hinterfragt auch, inwieweit sich das Gefü-
ge der Konsumräume durch das Social Web geändert hat. Im Zuge dessen wurde
einleitend eine Definition für Konsum und Konsumentenverhalten gesucht, um nun
allgemein auf den Konsum als Raumerfahrung einzugehen. Später wird der Konsum-
raum erneut aufgegriffen und analysiert, welche neuen Orte des Konsumierens im
Social Web geöffnet werden.
,,Offenbar galt der Raum, in dem Konsum geschieht, vorkommt, sich ereignet, als
derart selbstverständlich, a priori immer schon vorhanden, daß [sic!] man ihn über
Jahrzehnte hinweg übersehen hat - so wie es den Fisch nicht kümmert, daß [sic!]
Wasser ihn umgibt" (Hellmann, 2008, S. 9). Diese Ansicht unterliegt nun jedoch
einem Funktionswandel in der Soziologie. Der Raum des Konsums, das Konsumie-
ren des Raumes wird nun zu Analysezwecken genauer betrachtet. Hellmann (2008,
S. 11) unterteilt die Schnittstellen zwischen Raum und Konsum in vier Kategorien
(siehe Tabelle 1). Im ersten Schnittpunkt zwischen ,Mittel` und ,kommerziell` (Nr.
13

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783955499235
ISBN (Paperback)
9783955494230
Dateigröße
1.7 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,7
Schlagworte
Soziales Netzwerk Blog Konsum Erlebniskauf Online-Shop
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