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Geografische Informationssysteme in Unternehmen: „Best-Practices“, Einsatzpotentiale und Wettbewerbsvorteile

©2012 Bachelorarbeit 56 Seiten

Zusammenfassung

Im Mittelpunkt Geografischer Informationssysteme (GIS) stehen Entscheidungsunterstützung und Visualisierung auf Basis raumbezogener Daten. Dabei sind GIS mit keinem bestimmten Anwendungsgebiet verknüpft, vielmehr eignen sie sich für eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher Fragestellungen. Da der Raumbezug bei der Entscheidungsfindung zunehmend an Bedeutung gewinnt, können Unternehmen, die diesen Zusammenhang erkannt haben, durch den Einsatz eines GIS einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil erlangen. Anhand der ‚Best-Practices‘ ausgewählter Unternehmensbereiche gelingt es, den GIS-Einsatz idealtypisch darzustellen. Fallbeispiele aus der betrieblichen Praxis verdeutlichen ihre Einsatzpotenziale. Diese Einsatzmöglichkeiten stehen auch Non-governmental Organizations (NGOs) offen, um ihre politischen, gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Interessen zu verwirklichen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


4.1 Begriffliche Grundlagen und Abgrenzungen

Aufgrund zahlreicher, bisher uneinheitlicher, Definitionen und Begrifflichkeiten rund um GIS ist es notwendig, die wichtigsten Begriffe voneinander abzugrenzen, zu interpretieren und sich letztendlich auf eine Definition festzulegen.

Die Motivation, Kapitel 1 dieser Arbeit, erläutert den Begriff „Geografisches Informationssystem“ knapp; diese Erklärung bedarf aber einer genaueren Definition des wichtigsten Begriffs dieser Arbeit. In der Fachliteratur findet man zu GIS viele und sehr unterschiedliche Definitionen:

„Das Instrumentarium der Geografischen Informationssysteme ist wesentliches Handwerkszeug einer modernen Geographie für die systematische Erfassung, Verknüpfung, Bewertung und Darstellung räumlich differenzierter Informationen.“ (Grossmann 1989, S. 2)

Diese Definition betont die technischen Gegebenheiten eines GIS und verknüpft diese mit der Kartographie, die eine Teildisziplin der Geowissenschaften darstellt. Die Internationale Kartographische Vereinigung (International Cartographic Association 2003) beschreibt die Kartographie als eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Art und Weise, wie Karten erstellt werden, auseinandersetzt. Bei der Kartographie setzen GIS Daten in Bezug auf Positionen der Erdoberfläche. Es entstehen raumbezogene Daten (Geodaten). Im Zusammenhang mit der Kartographie spielt auch die Technik der GIS eine Rolle: Die Raster- und Vektortechnik. Mit dieser Komponente der GIS beschäftigt sich das Kapitel 4.2.1 dieser Arbeit.

Einen anderen Schwerpunkt legt die Definition nach Bill fest:

„Ein GIS ist ein rechnergestütztes Informationssystem, das aus den vier Komponenten Hardware, Software, Daten und den Anwendungen besteht. Mit ihm können raumbezogene Daten digital erfasst und überprüft, gespeichert und reorganisiert, modelliert und analysiert sowie alphanumerisch und grafisch präsentiert werden.“ (Bill 2010, S. 8)

Diese Definition zerlegt ein GIS in vier Komponenten: Hardware, Software, Daten und Anwendungen. Dadurch kann man die Zusammensetzung eines GIS sehr leicht nachvollziehen. Die Hard- und Software dient dazu, die Daten einzugeben, zu verknüpfen, sie zu verwalten und auszugeben. Über unterschiedliche GIS-Software gibt das Kapitel 4.3 einen Überblick. Unter Anwendungen versteht man die Analyse- und Auswertungstechniken, die das Kapitel 4.2.3 beschreibt. Darüber hinaus zielt diese Definition auf die rechnergestützten GIS ab, welche Gegenstand dieser Arbeit sind. In der englischen Literatur kommen hauptsächlich die Begriffe „Geographic Information System“ oder „Geographical Information System“ vor, die entsprechend der Definition nach Bill zu verstehen sind.

Die Definition nach Bill (2010, S. 8) ist für diese Arbeit grundlegend, da sie alle notwendigen Komponenten anspricht. Ein GIS ist in dieser Arbeit nach dieser Definition zu verstehen.

Im deutschen Sprachgebrauch werden für GIS teilweise verschiedene Begriffe gebraucht, die jedoch einen unterschiedlichen Sachverhalt darstellen können. Die häufigsten Begriffe mit ihren Akronymen sind:

- Landinformationssystem (LIS)
- Geo-Informationssystem (GIS)
- Rauminformationssystem (RIS)
- Raumbezogenes Informationssystem (RBIS)

Unter LIS wird ein System verstanden, das sich auf Grund und Boden bezogene Daten einer bestimmten Region konzentriert und dabei ein Hilfsmittel für Rechts-, Wirtschafts- und Verwaltungsentscheidungen darstellt. Die Hauptanwendung liegt dabei auf Vermessung, Katasterwesen und amtlicher Kartographie. Das LIS hat somit ein anderes Ziel als ein GIS und wird hiervon verhältnismäßig klar abgegrenzt. GIS, RIS und RBIS unterscheiden sich inhaltlich nicht, da sie sich alle mit der Verknüpfung von Sach- und Geometriedaten befassen. GIS ist darunter jedoch der am meisten verwendete Begriff (Saurer und Behr 1997, S. 6).

4.2 Aufbau und Leistungsumfang

Dieses Kapitel befasst sich mit dem Aufbau und Leistungsumfang von GIS und beschreibt in Abschnitt 4.2.1 die wichtigsten Datenstrukturen: Raster- und Vektordaten. Diese bilden den Grundstein eines GIS um den erforderlichen Datenbestand aufbauen zu können. Ein wichtiger Aspekt der GIS ist auch die Datenbeschaffung, deren unterschiedlichen Wege und Probleme in 4.2.2 dargestellt werden. Ein GIS verfügt über verschiedene Techniken, mit denen der GIS-Anwender die Daten auswertet. Diese Analysetechniken erläutert Kapitel 4.2.3.

4.2.1 Datenstrukturen

Die Kartographie als Komponente eines GIS ermöglicht es, digitale Karten zu erstellen. Die Raster- und Vektortechnik bildet hierfür das Fundament, das elementar für die digitale grafische Darstellung ist (Sturm 2008, S. 10).

Bei der Rastertechnik sind Eigenschaften oder Werte einzelner Bildpunkte (Pixel) in Flächen abgespeichert. Die Formen dieser Flächen sind gleich groß, in der Regel quadratisch und zeilen- und spaltenweise angeordnet. Eigenschaften dieser Bildpunkte können z. B. unterschiedliche Farben sein. Um eine zusammenhängende Grafik mit der Rastertechnik darzustellen, werden einzelne Bildpunkte aneinandergereiht, damit eine Fläche entsteht. Diese Bildfläche bzw. Grafik entspricht dann einem Punkt, Linie, Fläche oder einem Zeichen. Rasterdaten entstehen z. B. beim Scannen von Karten und Luftbildern. Der Rastertechnik liegt das Prinzip der Folientechnik zugrunde, was sich nachteilig auswirkt, da der Bezug zwischen den Objekten nur gering abgebildet ist. Erst der Objektbezug ermöglicht detaillierte Aussagen über die dargestellten Objekte zu treffen. Somit fehlt bei der Verwendung der Rastertechnik teilweise die nötige Detailliertheit. Demgegenüber eignet sie sich jedoch sehr wohl für Betrachtungen, die einen Überblick geben sollen (Grünreich 1992, S. 6).

Die Vektortechnik besteht aus Informationen, die über geometrische Punkte definiert sind. Eine Linie stellt dabei das Grundobjekt dar, die über einen Anfangs- und einen Endpunkt festgelegt ist. Stützpunkte haben die Aufgabe, verschiedene Linien miteinander zu verbinden, so dass eine Grafik entsteht. Mathematische Rechenregeln, die auf vektorbasierten Daten beruhen, beschreiben unterschiedliche geometrische Objekte. Die meisten Softwareprogramme arbeiten mit der Vektortechnik, da sie nach Steingrube (1997, S. 42) wesentliche Vorteile hat: Geringerer Speicherbedarf, kein Qualitätsverlust bei Vergrößerungen einzelner Grafikabschnitte, kürzere Rechenzeiten und das Arbeiten mit der Layertechnik. Layer sind Schichten oder Ebenen einer Karte, die der Anwender bei Bedarf ein- oder ausblendet (siehe dazu Kapitel 4.2.3).

Abbildung 4.2.1–1 zeigt in der Mitte das ursprüngliche Objekt, in der linken Spalte seine Kodierung mit Hilfe der Rastertechnik und zum Vergleich ist in der rechten Spalte die Vektortechnik dargestellt. Besteht die Datenstruktur eines GIS aus der Kombination aus Raster- und Vektordaten, wird es als ein hybrides GIS bezeichnet.

Das Buch „Desktop Mapping. Grundlagen und Praxis in Kartographie und GIS“ von Olbrich et al. (2002, S. 132) erörtert die Datenstrukturen in GIS:

Ein weiterer Begriff der Datenstrukturen in einem GIS sind Geometriedaten, die auf den Raster- und/oder Vektordaten aufbauen und die eigentliche geometrische Definition vornehmen. Geometriedaten beschreiben somit die exakte Lage und räumliche Ausdehnung von Punkten, Linien, Flächen. Erst die Geometriedaten bilden, verknüpft mit einer Metrik, die geografischen Gegebenheit der zu modellierenden Umwelt maßstabsgetreu ab.

Zusätzlich können Geometriedaten ihre Informationen mit räumlichen Attributen, wie die Länge von Linien oder die Größe der Flächen, anreichern. Ein Teil der Geometriedaten sind mit Sachdaten, nicht-räumlichen Attributen über die dort anzutreffenden Entitäten, verknüpft. Nicht-räumliche Attribute entsprechen z. B. Bevölkerungsdaten oder betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eines Unternehmens.

Geometrie- und Sachdaten ergeben über ein Darstellungsverfahren eine thematische oder angewandte Karte. Eine thematische oder angewandte Karte setzt sich aus einer topografischen Basiskarte (sozusagen als Hintergrundinformation) und den darüber liegenden Sachdaten, dem thematischen Inhalt, zusammen.

Um Geometrie- mit Sachdaten zu verknüpfen, erhalten beide eine Verbindungsvariable, um im GIS jederzeit flexible Querbezüge und Auswertungen vornehmen zu können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.2.1 - 1 Vergleich zwischen Raster- und Vektortechnik (Ausschnitt aus Heywood et al. 2011, S. 79)

4.2.2 Datenbeschaffung und Datenqualität

Für die Datenbeschaffung räumlicher Daten greift der Anwender eines GIS auf eine Vielzahl von Quellen zurück. Nach Saurer und Behr (1997, S. 85) stehen folgende Datenquellen zur Verfügung: Statistiken, Geländemesswerte, Klassifikationen, Fernerkundungsdaten, Ergebnisse von Modellrechnungen, Topografische Karten und Pläne. Je nachdem, ob diese Daten analog oder digital vorliegen, muss der Anwender sie unterschiedlich in das GIS eingliedern. Generell bieten sich die folgenden Verfahren für die Beschaffung der Daten an:

- eigene Erhebungen direkt vor Ort
- amtlichen Quellen
- kommerziellen Anbieter wie kartographische Verlage oder Datenverarbeitungsunternehmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.2.2 - 1 Wege der Eingliederung von digitalen und analogen Daten in einen GIS-Datenbestand in Anlehnung an Saurer und Behr (1997, S. 86)

Abbildung 4.2.2–1 schematisiert die unterschiedlichen Wege zur Eingliederung der Daten. Der Anwender nutzt digitale Daten direkt über ein Konvertierungsprogramm als GIS-Datensatz, während analoge Daten den Zwischenschritt über die Spezial-Hardware nehmen. Scanner sind in der Lage alle drei analogen Datentypen (Karten, Texte, Statistiken), über ein Scan-, Muster-, und Texterkennungsprogramm zu verarbeiten. Der Digitalisiertisch und die mit ihm verbunden Programme wandeln Daten in Karten um. Texte und Statistiken können alternativ zum Scanner über eine Tastatur verbunden mit einem Erfassungsprogramm, das die Umwandlung zum GIS-Datensatz vornimmt, erfasst werden. Somit wird deutlich, dass es sehr unterschiedliche Wege für die Erfassung eines GIS-Datensatzes gibt.

Um die Aussagekraft der späteren GIS-Analysen zu maximieren, ist die Datenqualität der GIS-Datensätze von entscheidender Bedeutung. Die Begriffe „Datenqualität“ oder auch die „Datengüte“ beschreiben die Eignung der Daten, die Realität, d.h. die tatsächliche Situation korrekt abzubilden. Oft spricht man auch von der „Datengenauigkeit“, „Datenkonsistenz“ oder „Informationsqualität“. Der Begriff „Datengenauigkeit“ trifft das Wesen der Datenqualität jedoch nur teilweise, da unter der „Datengenauigkeit“ oft ein Maß für die rechnerische Genauigkeit zu verstehen ist.

Die Maßnahmen der Qualitätssicherung bei der Datenerfassung bestimmt die Datenqualität. Vor der Datenerfassung steht die eigentliche Datengewinnung oder Datenerhebung, diese unterteilt Daten in primäre, sekundäre und tertiäre Daten. Tabelle 4.2 – 1 bildet verschiedene Gruppen von Datenklassen ab, beschreibt diese und die mit ihnen verbundenen Erfassungsmethoden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4.2 - 1 Unterschiedliche Datentypen bei der Datengewinnung in Anlehnung an Saurer und Behr (1997, S. 87)

Eine wichtige Erkenntnis, die mit diesen Datenklassen verbunden ist: Mit jedem Schritt der Aufbereitung von Primärdaten verschlechtert sich die Datenqualität. Saurer und Behr (1997, S. 87) gehen davon aus, dass geeignete Prüfverfahren im Rahmen der Qualitätssicherung grobe Fehler in den Primärdaten eliminieren.

4.2.3 Analysetechniken

GIS unterscheiden sich gegenüber den anderen Informationssystemen durch ihre vielseitigen geografischen Analysefunktionen. Der Anwender kann Abfragen direkt an die Datenbestände formulieren, die sich aus Datentransformationen und –Analysen ergeben. GIS bieten die Möglichkeit der Datenanalyse in Bezug auf topologische und räumliche Aspekte. Zusätzlich berücksichtigen GIS gegenüber anderen grafischen Systemen Sachdaten wie Unternehmensdaten. Durch den Analyseprozess kann der Nutzer aus vorhandenen Daten neue Informationen gewinnen oder Schlussfolgerungen vornehmen, um so Entscheidungen zu fällen (Kappas 2001, S. 141).

Je nach angewandter Software, Anwendungsgebiet, Problemstellung und Unternehmen unterscheiden sich die Analysetechniken der GIS. Für diese Arbeit reicht es aus, diejenigen Techniken kennenzulernen, die Unternehmen am häufigsten einsetzen und die unabhängig von der jeweiligen Software sind.

Unternehmen wollen vor allem Informationen aus verschiedenen Quellen miteinander kombinieren, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Unter diesem Gesichtspunkt spielt die kombinierte Form der Datenanalyse eine Rolle, die Raum- und Sachdaten miteinander verknüpft. Zu den kombinierten Analysen, die Geometrie- und Sachdaten verbinden, gehören folgende Techniken (Szabo 2006, S. 41):

- Die Verschneidungs-, Overlay-, Layer- oder auch Überlagerungstechnik ist eine der Basisanalysen in GIS. Geografische und/oder sachliche Datenebenen überlagern sich als Schichten (engl.: Layer).

Dabei ist es wichtig, dass sich die Objektgrenzen decken, da der Anwender sonst Angleichungen vornehmen muss. Durch Maßberechnungen lassen sich dann z. B. Distanzen zwischen zwei unterschiedlichen Objekten berechnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.2.3 - 1 Layertechnik (Ehlers und Schiewe 2012, S. 48)

Abbildung 4.2.3–1 veranschaulicht vier Schichten, die jeweils aus Gebäude, Straßen, Gewässer und Windräder bestehen. Die Layertechnik legt die einzelnen Schichten übereinander und erzeugt somit eine integrative Karte. Je nach Bedarf blendet der Anwender einzelne Schichten aus oder ein, um eine Karte den Bedürfnissen entsprechend darzustellen.

- Die Nachbarschaftsanalyse kann Aussagen über ein Objekt aufgrund dessen angrenzenden Nachbarn machen. Es sind somit Rückschlüsse auf ein Objekt möglich, die z. B. bei der Charakterisierung von Gelände (Hangneigung) nötig sind.

- Die Topologie-/Netzwerk-Analyse der Graphentheorie (z.B. kürzester Pfad, Routen- und Tourenberechnung) fokussiert sich auf Verbindungen zwischen den Daten und findet vor Allem in der Wegeoptimierung zur Routenplanung (Notdienste, Taxis) oder bei der Standortplanung Anwendung.

Häufige Anwendung finden auch die analytisch-statistischen Verfahren. Dazu gehören vor Allem die multiple Regressions- und Korrelationsanalyse. Die Regressionsanalyse untersucht Variablen nach ihrer grundsätzlichen Abhängigkeit, wohingegen die Korrelationsanalyse die Stärke der bestehenden Abhängigkeiten (Korrelation) misst. Außerdem nimmt die Clusteranalyse für Marketingzwecke eine besondere Rolle ein, da sie mit Hilfe von Raumtypen (Cluster) andere Raumeinheiten einer bestimmten Klassifizierung zuordnet. Nah beieinanderliegende Raumeinheiten weisen oft ähnliche Eigenschaften auf, die daher zu einem Cluster zusammengefasst sind. Dabei entstehen homogene Raumtypen, die es erlauben, den Markt zu segmentieren und Zielgruppen ausfindig zu machen (Szabo 2006, S. 42). Man spricht hier auch von Segmentierung.

Eine sehr beliebte Analyseart stellt die Pufferzonenmethode dar, die verschiedene Ausprägungen hat: Kreis-, Linien-, und Flächenpuffer. Ein Puffer ist eine Fläche, die um ein bestimmtes Objekt herum gebildet wird. Der Kreispuffer bildet sich mit einem definierten Radius um einen Punkt herum. Diese Analysetechnik hilft z.B. bei der Fragestellung, wo sich der nächste Konkurrent eines Unternehmens im Umkreis von 5 km zum eigenen Standort befindet. Dabei stellt der eigene Standort (z. B. eine Filiale) den Punkt dar, um den sich dann der Puffer zieht. Der Linienpuffer kommt zum Einsatz, wenn sich z. B. eine Zone mit der Breite von 100 Meter um eine Straße bilden soll, wohingegen der Flächenpuffer sich um eine definierte Fläche begibt. In der Praxis stellt eine solche Fläche z. B. ein Naturschutzgebiet oder –See dar, zu dem ein 500 Meter breiter Abstand in alle Richtungen einzuhalten ist.

Meist wird die Pufferzonenmethode nicht allein angewandt, sondern in Kombination mit der Überlagerungsanalyse. Durch die Verknüpfung von verschiedenen Puffern desselben Ausschnitts ist es möglich unterschiedliche Datensätze miteinander zu kombinieren, um die Abfrage komplexer zu gestalten. Gleichzeitig steigt die Aussagekraft der Analyse, da mehr Restriktionen Berücksichtigung finden (Ehlers und Schiewe 2012, S. 80).

Am Ende jeder Analyse gilt es aus den Ergebnissen für das Unternehmen, die zugrundeliegenden Aussagen und damit verbundene Schlussfolgerungen abzuleiten. Um die Sachverhalte der Analyse einfach und verständlich präsentieren zu können, ist eine grafische Aufbereitung der Analyse, der Aussagen und Schlussfolgerungen hilfreich. Dabei passt der Anwender das Layout der Karten wie Farben, Formen und Standards an das jeweilige Unternehmen an, damit die Entscheidungsträger in der Lage sind die Karte intuitiv zu verstehen. Das Thema der Präsentation bzw. der Kartenaufbereitung- und Darstellung ist an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt, da der Schwerpunkt der Arbeit auf den Einsatzpotenzialen und den damit unmittelbar verbundenen Analysetechniken liegt.

4.3 Softwareüberblick und neuste Technologien

Als Unternehmen sollte man überlegen, ob nicht der Einsatz einer GIS-Software zur weitergehenden Lösung wirtschaftswissenschaftlicher Fragestellungen sinnvoll, wenn nicht gar notwendig ist. Dabei spielt sowohl die Softwareauswahl als auch das Verständnis ihrer Funktionalitäten eine große Rolle. Der Markt der GIS-Software befindet sich immer noch im ständigen Wandel. Außerdem ist er in Sachen der Funktionalitäten sehr unübersichtlich, da für dieselben Sachverhalte unterschiedliche Begriffe Verwendung finden. Diese Gegebenheiten machen es schwierig, eine gründliche Analyse des GIS-Softwaremarktes vorzunehmen (Olbrich et al. 2002, S. 191).

Es sei angemerkt, dass je nach Anwender individuelle Anforderungen an GIS-Software bestehen. Ein Anwender aus Wissenschaft und Forschung entscheidet sich für eine GIS-Software mit Schwerpunkt Computerkartographie während ein Industrieunternehmen andere Ansprüche besitzt wie die Einbindung in die Unternehmensinfrastruktur und eine einfache Bedienbarkeit (Sturm 2008, S. 23).

Die folgende Auflistung der Softwarelösungen (in Klammern jeweils Hersteller) ist angelehnt an die Auflistung von Olbrich et al. (2002, S. 209) sowie aktualisiert, ergänzt und kurz erläutert. Sie dient dazu, einen groben Überblick über die Softwareprodukte zu bekommen, hat jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

- ArcGIS (ESRI)
- RegioGraph (GfK GeoMarketing)
- EasyMap (Lutum + Tappert)
- MapInfo (PitneyBowes)
- PolyPlot 5 (Institut für Geographie, Dr. Jörn Hauser)

ArcGIS bezeichnet eine Reihe verschiedener Software-Produkte des amerikanischen Herstellers ESRI (Environmental Systems Research Institute). Die Produktfamilie ArcGIS besteht aus 5 Bausteinen: Desktop-, Server-, Mobile- und Online-GIS sowie ESRI Data, die man als Anwender bedarfsorientiert zusammenstellen kann. Die Produkte von ESRI sind in der Praxis beliebt, da maßgeschneiderte Lösungen entstehen. So kann der Anwender die Daten dort anbinden, wo er sie benötigt: Am Desktop, via Server, im Web oder als mobiles GIS (ESRI 2012a).

GfK GeoMarketing bietet drei Versionen von RegioGraph an: Analyse (für Kunden- und Marktanalysen), Planung (für Vertriebsgebietsplanung) und Strategie (für eine detaillierte Standortplanung) (GfK GeoMarketing 2012). Auch diese Software ist weit verbreitet, da sie für Unternehmen alle wichtigen Funktionen (Im- und Export von Unternehmensdaten und Landkarten, Analysearten und Reporting) bereitstellt.

Easy Map von Lutum + Tappert ist ebenfalls für verschiedene Einsatzszenarien zu erhalten, so bietet das Unternehmen EasyMap als „Mapping“, „Programmierschnittstelle“ sowie als „Server“-Variante an. Darüber hinaus gibt es die Software Geo Business Intelligence und Lösungen für spezielle Branchen wie die Energieversorgung, Pharmaindustrie und Verwaltung (Lutum + Tappert 2012).

Eine neue Entwicklung von PitneyBowes stellt MapInfo Professional dar; als Anwender erhält man ein Komplettpaket für das gesamte Unternehmen. Es ist für Entwickler gleichermaßen geeignet wie für GIS-Einsteiger (PitneyBowes 2012a). Außerdem bietet das Softwarehaus eine spezielle Version zur Verbrechensanalyse an (PitneyBowes 2012b). Die Software MapXtreme richtet sich an Unternehmen, für die MapInfo Professional zur Beantwortung ihrer Fragestellungen nicht ausreicht (PitneyBowes 2012c).

Polyplot 5 vom Institut für Geographie richtet sich an geographische Institute im deutschsprachigen Raum, Ämter und Behörden aus den Sektoren der Vermessung und Umwelt oder an privatwirtschaftliche Planungsbüros der Umwelt-, Landwirtschafts- oder Verkehrsplanung (Hauser 2012).

Wichtig für Unternehmen ist, dass sie ihre Unternehmensdaten ohne zusätzliche Konvertierungsprogramme in das GIS eingliedern können. Dazu muss die GIS-Software über Importfunktionen verfügen, mit denen die Unternehmen ihre Daten in das GIS zu Analysezwecken zugänglich machen. Die beschriebenen Softwareprogramme verfügen über Schnittstellen, durch die der Anwender die Unternehmensdaten aus einem Standardprogramm wie Microsoft Excel importieren kann. Meist genügt es, wenn die Daten in „Tabellenform“ vorliegen. Die benötigten Geometriedaten sowie branchenspezifische Sachdaten sind in den meisten Fällen in der ausgelieferten Software inbegriffen. So liefert GfK Geomarketing ihre Software inklusiver digitaler Landkarten und GfK Kaufkraftdaten für Deutschland, Österreich und der Schweiz aus.

Mit zunehmender Anwendung und Verbreitung von mobilen Endgeräten in Geschäftsprozessen, entwickeln sich auch in deren Umfeld interessante Einsatzmöglichkeiten von GIS. Immer mehr Unternehmen wünschen sich, GIS direkt vor Ort oder als eine internetbasierte Anwendung einsetzen zu können. Die aktuellen „Trends“ der Weiterentwicklung von GIS gehen in diese Richtung. Um ein grobes Verständnis zu vermitteln, wie weitreichend der Einsatz von GIS in Unternehmen ist, folgt eine Darstellung der neusten Technologien.

Für die in Kapitel 5 behandelten „Best-Practices“ reicht der heutige Forschungstand der „GIS-Trends“ jedoch nicht aus, da sich gerade erst einheitliche Standards entwickeln und somit „Best-Practices“ noch nicht endgültig und damit fix beschrieben werden können (Jochem 2012, S. 18).

Das Magazin „gis.TRENDS+MARKETS“ gibt zwei Mal jährlich einen umfassenden Überblick über die neusten Entwicklungen auf dem GIS-Markt. So behandelt es in der neusten Ausgabe (01/2012) „Neue 3D-Technologien für zukünftige Geoanwendungen im Netz“ (Jochem 2012, S. 16-23). Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Einsatz von 3D-Stadt- und 3D-Landschaftsmodellen mit neuster Computergrafik. Wie schon bei Spielen, Heimkinos und PC-Anwendungen findet auch auf dem GIS-Markt die stereoskopische Darstellung von Inhalten zunehmend Verbreitung. Mobile Endgeräte eignen sich immer mehr für eine derartige Darstellung, da sie sich in Rechnerleistung samt Hardware und Grafikdarstellung verbesserten. Jochem beschreibt ausführlich die Implementierung eines 3D-Stadtmodells, das „Tweets“ von Twitter und Inhalte von flickr grafisch einbindet. Es werden jedoch nur „Tweets“ mit Ortsangaben berücksichtigt, die das Modell mit Suchanfragen eines bestimmten Umkreises ausfindig macht. Die Software konstruiert ein 3D-Geometriemodell, um dem Anwender eine direkte Interaktion zu ermöglichen.

Eine andere neuartige GIS-Technologie ist ein mobiles GIS, das durch Location Based Services ihre Anwendung findet. Der GIS-Anwender kann Location Based Services durch den Einsatz von mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablets vor Ort nutzen. Diese Dienste stellen Informationen in Bezug auf Geodaten bereit, indem sie das jeweilige Endgerät orten und somit passend zum Standpunkt verschiedene Dienste anbieten.

Eine vielseitige Darstellung dieser Dienste nehmen Zipf und Stobl (2002) in ihrem Sammelband „Geoinformation mobil“ vor. In Form von Fachbeiträgen verschiedener Autoren wird der Einsatz von GIS als Location Based Service aus unterschiedlicher Anwendungsperspektive erörtert. Sie findet Anwendung in dreidimensionalen Karten, der Telekommunikationsbranche, Forstwirtschaft, Navigationsaufgaben insbesondere als Fußgängernavigationssystem, zur Unterstützung von Bergsteigern und Wanderern sowie als mobiler Zugriff auf Umweltinformationen. Die Einsatzmöglichkeiten von mobilen GIS besitzen ein sehr großes Spektrum, dessen ausführliche Darstellung an dieser Stelle jedoch zu weit führen würde. Ergänzend werden Akzeptanz und Erwartungen der Nutzer von Location Based Services diskutiert. Bei der Nutzerakzeptanz spielt auf der einen Seite die Einfachheit der Handhabung eine Rolle, die zusammen mit der Technologie von mobilen Endgeräten zunehmend wächst. Auf der anderen Seite steht der subjektiv wahrgenommene Nutzen, der durch den Einsatz von mobilen GIS und dessen Location Based Services für den Anwender entsteht. Die Erwartungen bzw. die Motivation der Nutzer an mobile GIS stellen Kölmel und Wirsing (2002, S. 89) in Form einer Umfrage der Boston Consulting Group dar. Der höchste Anteil der Nennungen ging dabei auf Zeitersparnisse, Zugriff auf Informationen in Echtzeit und die einfachere Kommunikation zurück.

Der Einblick in die Umsetzung eines mobilen GIS rundet das nachfolgende Anwenderbeispiel der letzten CeVIT 2012 ab. Dort stellte das Softwarehaus g.on experience ihre neusten Generation des Web Portals „g.on aimPort mobile“ vor (g.on experience 2012). In Verbindung mit einem mobilen Endgerät kann der Anwender z. B. den Schaden an einem Verkehrsweg, die Erfassung von Zählerdaten oder die fotografische Erfassung von Details für eine geplante Baumaßnahme sehr einfach aufnehmen. G.on experience geht davon aus, dass Unternehmen mit dem Portal ihre Kosten reduzieren und die Prozesse vereinfachen können. Dieses Web Portal nutzen vor allem Standortbetreiber von Industrieanlagen, Büro- und Gewerbeparks sowie Flug- und Seehäfen.

5 „Best-Practices“ geografischer Informationssysteme in Unternehmen

Dieses Kapitel stellt „Best-Practices“ dar, die Unternehmen zur Problemlösung mit Hilfe von GIS einsetzen. Es sind drei Anwendungsbereiche ausgewählt: Marketingplanung, Standortplanung und das Risikomanagement bei Versicherungen. Unternehmen setzen GIS in diesen Anwendungsbereichen häufig ein, deswegen eignen sie sich sehr gut für die Ausarbeitung von „Best-Practices“. Die Beschreibung von „Best-Practices“ dient dazu, einen allgemeingültigen Musterablauf für die Lösung eines Problems darzustellen. Je nach eingesetzter GIS-Software gestaltet sich der Lösungsablauf unterschiedlich und basiert auf verschiedenen Analysefunktionen. Die hier entwickelten „Best-Practices“ sind jedoch unabhängig von der Software und eignen sich deswegen perfekt um Nutzenpotentiale aufzuzeigen.

Als Literatur dienen überwiegend Artikel von GIS-Softwarehersteller sowie Fallbeispiele von Unternehmen, die GIS erfolgreich einsetzen.

5.1 Darstellung ausgewählter Anwendungsbereiche

Die Analyse der ausgewählten Anwendungsbereiche gestaltet sich wie folgt: Begrifflichkeiten und allgemeine Grundlagen der Bereiche sind als erstes knapp dargestellt. Danach gilt es, die jeweiligen „Best-Practices“ herauszuarbeiten, die in einem nächsten Schritt durch Praxisbeispiele veranschaulicht sind. Die Praxisbeispiele gehen jeweils von einer konkreten Problemstellung aus und zeigen eine geeignete Lösung auf. Aufgeworfene Fragestellungen stammen von einem bestimmten Unternehmen, um die Darstellung möglichst anschaulich zu gestalten. Während die „Best-Practices“ immer allgemein gehalten sind, beziehen sich die Praxisbeispiele oft auf einen konkreten Daten- und Softwarelieferanten.

5.1.1 Anwendungsbereich: Marketingplanung

Planung im Marketing lokalisiert und analysiert Kunden und Zielgruppen, um anschließend gezielt Marketingmaßnahmen durchführen zu können. Dabei ist es wichtig, den Streuverlust zu minimieren, also möglichst keine Marketingmaßnahme an einen Kunden zu richten, der nicht zur definierten Zielgruppe gehört und sich nicht für das Produkt interessiert (GfK GeoMarketing 2010, S. 8).

Für das weitere Verständnis muss der Begriff „Geomarketing“ bekannt sein, zu dessen Anwendungsbereich die Marketingplanung gehört. „Geomarketing“ wird im Zusammenhang mit GIS häufig und oft auch als Synonym für GIS verwendet. Leider definieren verschiedene Verfasser den Begriff unterschiedlich und interpretiert ihn deshalb auch verschieden.

Eine häufig im deutschen Sprachgebrauch anzutreffende Definition geht auf Schüssler (2000, S. 9) zurück: „Geomarketing bezeichnet die Planung, Koordination und Kontrolle kundenorientierter Marktaktivitäten von Unternehmen mittels GIS. Es werden Methoden angewandt, die den Raumbezug der untersuchten unternehmensinternen und –externen Daten herstellen, analysieren und visualisieren sowie sie zu entscheidungsrelevanten Informationen aufbereiten.“ Im Folgenden wird diese Definition herangezogen, um auf den breiten Aspekt des Geomarketings aufmerksam zu machen. Der Schwerpunkt dieses Unterkapitels liegt jedoch auf der Marketingplanung.

Bei der Durchführung der Marketingplanung ergibt sich folgender Ablauf als „Best-Practice“ (GfK GeoMarketing 2011a, S. 8):

Das Ziel des ersten Schrittes ist die Zielgruppenlokalisierung. Dazu definiert das Unternehmen zunächst ihre Zielgruppe. Nach deren Definition folgt mit Hilfe des Geomarketings die Lokalisierung der potentiellen Kunden. Dabei gilt das Prinzip „Gleich und Gleich gesellt sich gern“. So lassen sich Ballungsräume für verschiedene Zielgruppen herausfinden wie „Singles in Berlin“, „Senioren in Brandenburg“ oder „Personen mit einer hohen Kaufkraft für das zu bewerbende Produkt“. Jedoch ist bei dem Prinzip „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ Vorsicht geboten, denn es trifft nicht auf alle Zielgruppen zu. So gilt dies nicht bei der Zielgruppe „Brillenträger“, jedoch schon bei der Aussage, dass mit zunehmendem Alter der Bedarf an Sehhilfen steigt. Dieses Prinzip bedarf also der Überprüfung der zugrundeliegenden Gruppenbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5.1.1 - 1 Anteil der Single Haushalte 2009 (GfK GeoMarketing 2010, S. 11)

Die Lokalisierung geschieht über die Einbindung von passenden Marktdaten in das GIS. Diese Marktdaten können je nach Art Auskunft über z. B. das Alter von Kunden, deren Kaufkraft und Wohnort geben. Anbieter dieser Daten gibt es viele, wie „GfK Geomarketing“. Abbildung 5.1.1–1 zeigt Bevölkerungsstrukturdaten dieses Anbieters und bildet dabei alle deutschen Single Haushalte im Jahr 2009 ab. Diese sind in Prozent aller Haushalte gemessen, wobei eine dunklere Farbe auf einen höheren Prozentsatz deutet. Es fällt auf, dass Single Haushalte vor allem in großen Städten zu finden sind.

Als nächstes folgt die IST-Analyse der vorhandenen Kunden, da Unternehmen dadurch viel über den eigenen Markt lernen und ihren Erfolg objektiver beurteilen können. Dabei stellt sich die Frage, wie gut Unternehmen ihre Kunden wirklich kennen. In Kundendatenbanken werden Informationen über Adresse, Umsatz, Produktkäufe, Zugehörigkeit zu Servicegebieten usw. gesammelt aber oft nur ungenügend ausgewertet. Ein GIS wertet diese nützlichen und aussagekräftigen Informationen vor allem regional aus und stellt sie anschaulich dar. Durch die Einbindung von Unternehmensdaten in GIS können Karten erzeugt werden, auf denen die Verteilung der Kunden inklusive deren Umsatz zu sehen ist.

So ist ein Überblick sogar mit 10.000 Kunden noch möglich und das Wesentliche fällt schneller ins Auge. In diesem Schritt sollten Unternehmen vor allem darauf achten, ob sie mögliche Lücken auf der so erzeugten Landkarte erkennen. So ist schnell ersichtlich, ob in einer bestimmten Region noch keine oder nur wenige umsatzstarke Kunden zu finden sind.

Bei der Kundenanalyse spielt auch die Funktion des „Drill-Down“ und „Drill-Up“ eine Rolle. So kann der Anwender den Blickwinkel z. B. auf eine bestimmte Stadt verkleinern oder bei Bedarf auf ein Land vergrößern. Dabei darf der Anwender die laufende Aktualisierung der Daten nicht vergessen. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass die Reihenfolge des ersten und diesen Schrittes keine Rolle spielt.

Nachdem die Zielgruppe lokalisiert und die Kundenanalyse abgeschlossen ist, folgt als letzter Schritt die Analyse der Marketingpotentiale. Dabei gibt es zwei Perspektiven: Die Mikro- und Makroperspektive. Makrodaten kommen bei der Aufbereitung von Unternehmensdaten für die Geschäftsführung, Präsentationen und Webseiten zum Einsatz. Wohingegen Mikrodaten einen sehr detaillierten Einblick geben und es ermöglichen, regionale Marketingaktionen zu planen wie Marketingevents, Plakatwerbung oder Prospektverteilungen. Mit Hilfe von Mikrodaten kann ein GIS regionale Marktbesonderheiten aufdecken, die sich auf einen feinräumigen Wirkungskreis beziehen. Je nach Fragestellung greift der Anwender also auf die Mikro- oder Makroperspektive zurück.

Das folgende Praxisbeispiel zur Marketingplanung befasst sich mit der optimalen Platzierung von Außenwerbung, also die Werbung im öffentlichen Raum, die immer auf eine bestimmte Zielgruppe gerichtet ist. Damit die Werbung von der jeweiligen Zielgruppe wahrgenommen wird, muss sie dort platziert sein, an der die Zielgruppe sich am häufigsten aufhält. Mit der Allokation der Zielgruppe und dessen Aufenthaltsort im öffentlichen Bereich gelingt es, die maximale Erreichbarkeit von Werbekampagnen zu erreichen.

Es gilt also die Zielgruppe zu erreichen und den Streuverlust so niedrig wie möglich zu halten. Bei der Außenwerbung erweisen sich die Planungsansätze als ausgereift und erfolgreich. Das macht dieses Thema als Praxisbeispiel so interessant.

Problemstellung:

Im Jahr 2008 stellte sich der Erfrischungsgetränkehersteller „Bionade“ die Frage, wo die optimale Platzierung für ihre Außenwerbung sei. Das Unternehmen entwarf dabei Werbe-Slogans, die eine bestimmte Zielgruppe ansprach wie Schüler, Studenten, Anwohner, Kunden eines bestimmten Geschäfts oder Menschen, die sich überwiegend in bestimmten Regionen aufhielten. Die Werbe-Slogans erschienen unter dem Begriff „Botschaften 2008“ und seien laut Unternehmen „frech, freisinnig sowie humorvoll“. Diese Botschaften stehen immer im direkten Zusammenhang mit dem Standort des Motives (Bionade 2012). Es galt herauszufinden, wo das Unternehmen ihre Plakate optimal platzieren sollte.

Problemlösung:

Bionade beauftragte die Jost von Brandis Service-Agentur GmbH (JvB), eine der führenden Spezialagenturen für Außenwerbung in Deutschland mit der Lösung ihrer Fragestellung. Das Unternehmen setzt seit 8 Jahren Instrumente des Geomarkteing für die Verwaltung und Planung von Medien ein.

Bei der Problemlösung war an erster Stelle die Kartendarstellung mittels postalischen Grenzen entscheidend, die eine übersichtliche und aussagekräftige Darstellung von regionalen Zusammenhängen ermöglichten. Eine nützliche geografische Gebietseinteilung sind PLZ-Bereiche, welche aber in unterschiedlichen Genauigkeiten vorliegen. Diese Daten erhielt die JvB von der Digital Data Services GmbH (dds), die Daten rund um das Thema Geodaten anbietet (dds 2012a).

Die dds entwickelte ein System der PLZ-Bereiche, das über das fünf-stellige System hinausgeht. Es trägt die Bezeichnung PLZ8, da es aus den üblichen fünf plus drei weitere Zahlen besteht. Dabei teilen sich die ca. 8200 PLZ5-Gebiete Deutschlands so auf, dass sie nicht mehr 10.000 Einwohner (im Mittelmaß) sondern nur noch 500 Haushalte aufweisen.

Diese neue Einteilung war nötig, da für viele kleinräumige Betrachtungen die postalischen Gebiete nicht ausreichen. Sie sind nicht fein genug gegliedert und untereinander oft nicht vergleichbar, da sie sich von der Fläche und von der Bevölkerungszahl mitunter drastisch unterscheiden. Die Einteilung in PLZ8 ist kleinräumiger und durch die Zusammenfassung von ca. 500 Haushalten in einem Gebiet auch wesentlich homogener. Die PLZ8 Grenzen lassen sich zu den PLZ5- und Gemeindegrenzen zuordnen. Gemeindegrenzen sind administrative Grenzen, sozusagen die unterste Stufe im Verwaltungsaufbau. Somit lassen sie sich beliebig mit entsprechenden Daten kombinieren. Darüber hinaus sind die PLZ8 Grenzen manuell bereinigt, d. h. Autobahnen, Eisenbahnen und Flüsse wurden bei der Generierung berücksichtigt. Es besteht die Möglichkeit der Aggregation; die 78.000 Datensätze der PLZ8 Grenzen können beliebig mit übergeordneten zwei-, drei- oder fünfstelligen PLZ-Grenzen aggregiert werden (dds 2012b).

Besonderes Augenmerk lag bei der Umsetzung der Lösung jedoch auf der Kombination der PLZ8 Grenzen mit unterschiedlichen Sachdaten. Diese Sachdaten stammen aus einer Marktstudie namens „Typologie der Wünsche“, kurz TdW. Diese Studie befasst sich seit 1974 mit dem Konsum- und Mediennutzungsverhalten der Deutschen. Jedes Jahr werden ca. 20.000 Personen nach ihren Verhaltensweise, Einstellung und Mediennutzung befragt. Das neue Konzept bei der Problemlösung war jedoch, die ermittelten Studienergebnisse mit den PLZ8 Grenzen zu verbinden.

Durch die Verbindung von TdW und PLZ8 ist es dem Anwender möglich, eine beliebige Zielgruppe zu definieren, diese anschließend auf engstem Raum zu lokalisieren. Außerdem erhält der Anwender die Kenntnis, wo sich diese Gruppe überwiegend aufhält und welche Vorlieben sie hat.

In dieser Studie sind viele verschiedene Merkmale über Gruppen gespeichert. Selektiert man z. B. die Altersgruppe 20 bis 30 Jahre, die auch angeben, ihre Einkäufe häufig bei Discountern zu erledigen, weiß man, in welchem sozialen Umfeld sie zu finden ist und welchen Wohntypus sie haben. Durch den Brückenschlag von Marktforschungsdaten und PLZ-Grenzen kann von einer „Topographie der Wünsche“ gesprochen werden (dds 2012c).

Dieser Lösungsansatz ermöglichte es der JvB die Motive der Bionade Kampagne bewusst zielgruppenbezogen zu platzieren. Dabei stand die Lokalisierung spezieller Point of Interests wie Biogeschäfte, Schulen/Unis oder Ikea-Filialen im Mittelpunkt, denen über eine Analyse der nächstgelegenen Werbeträgerstandorte die passenden Plakatmotive zugeordnet wurden. An Schulen prangerte so der Slogan „Gut in Bio. Schlecht in Chemie“ und vor Supermärkten mit zielgruppenrelevanter Kundschaft: „Eine Cola würde Ihren Kindern Bionade zu trinken geben“.

So ermittelten sie in 23 Großstädten Standorte, die einen hohen Anteil der Zielgruppenhaushalte aufwiesen. Ein Beispiel sind Szenenviertel, Verbrauchermärkte und hochfrequentierte Standorte wie die Berliner Straße „Unter den Linden“ (siehe Abbildung 5.1.1–2).

So gelang es dem Limonadenhersteller seine Außenwerbung gezielt zu platzieren um somit die relevanten Zielgruppen zu erreichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5.1.1 - 2 Außenwerbung Bionade (dds 2012c)

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Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2012
ISBN (PDF)
9783955499006
ISBN (Paperback)
9783955494001
Dateigröße
3.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Entscheidungsunterstützung Visualisierung Non-governmental Organisationen Wettbewerbsvorteil Informationssystem NGO GIS

Autor

Ellen Simon, Bachelor of Science (B. Sc.), geboren 1989 in Sindelfingen, studierte sechs Semester Informationsorientierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität Augsburg. Während ihres Studiums spezialisierte sie sich auf Management Support Systeme am Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement. Dieses Spezialwissen bildete die Grundlage für ihre Arbeit über Geografische Informationssysteme (GIS). Ihr Engagement bei der Hochschulgruppe des Bundesverbands Deutscher Volks- und Betriebswirte e.V. in Augsburg motivierte sie, den sozialen Aspekt durch Non-governmental Organizations (NGOs) in ihre Arbeit zu integrieren. Außerdem arbeitete sie zwei Semester bei einem Consulting-Unternehmen der Finanzindustrie. Nach Abschluss ihres Bachelor-Studiums begann sie das Double Degree Master Program ‚Innovation Management and Entrepreneurship‘ an der Technischen Universität Berlin und der University of Twente.
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Titel: Geografische Informationssysteme in Unternehmen: „Best-Practices“, Einsatzpotentiale und Wettbewerbsvorteile
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