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"Weiber weiblich"? Frauenleben im Bismarck-Reich und Frauenrollen in ausgewählten Werken Fontanes

©2010 Bachelorarbeit 54 Seiten

Zusammenfassung

Flaubert, Tolstoi, Ibsen - große Namen prägen das 19. Jahrhundert. Eines haben die bedeutendsten Werke dieser Autoren gemeinsam: Die Helden ihrer Werke sind Frauen. Diese geraten in einen Konflikt mit der Gesellschaft, indem sie versuchen, sich aus der patriarchalischen Vorherrschaft der Männer zu befreien. Sie leiden in der Ehe und begeben sich auf die Suche nach ihrem individuellen Glück. Nur Nora Helmer überlebt, befreit sich und ist in der Lage, die geltenden Konventionen in Frage zu stellen: ‘Ich muß mich davon überzeugen, wer recht hat, die Gesellschaft oder ich.’
Auch Fontane schließt sich dieser Thematik an. Das bekannteste Beispiel ist Effi Briest: Durch eine Affäre versucht sie aus ihrer unglücklichen Ehe auszubrechen, wird jedoch von Familie und Gesellschaft verstoßen und stirbt. Ein ähnliches Schicksal widerfährt auch anderen Frauenfiguren aus Fontanes Oeuvre. Sie alle sind sich in einer bestimmten Weise ähnlich. Die einen teilen ihr Schicksal, die anderen haben ein gemeinsames Ende, wobei alle einer Frage nachgehen: Wer hat Recht, sie oder die Gesellschaft?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3 Frauenbilder in Fontanes Werken

Wie viele seiner Zeitgenossen stellt auch Fontane in seinem Spätwerk fast ausschließlich Frauen in den Mittelpunkt des Geschehens. Sie sind die Hauptfiguren. Um sie herum entwickelt sich alles und meist sind sie die Sympathieträger, die Mitleid bzw. Verständnis erregen. Oftmals ist ihr Handeln ausschlaggebend für die Kritik, die an Fontanes Werken ausgeübt wurde. Es treten Frauen aus dem Adel, der Bourgeoisie und dem Proletariat auf. Obwohl sie alle auf ihre Art und Weise einzigartig sind, meint man doch immer wieder Ähnlichkeiten zu erkennen. Aber woran liegt das? Schuf Fontane idealisierte Frauenbilder, die ihm gefielen und für die er schwärmte, möglicherweise um ihr Handeln rechtfertigen zu können? Gab es in seinem persönlichen Umfeld reale Vorbilder für die Figuren? In einigen Fällen, wie bei Effi oder Melanie, griff er auf wahre Vorkommnisse zurück, aber auch ohne solche Vorlagen erscheinen die Werke realistisch.[1]

Im folgenden Kapitel sollen die Frauenbilder Fontanes analysiert und charakterisiert werden. Welche Stellung kommt ihnen in der Ehe zu und wie stehen sie der Gesellschaft mit ihren Werten und Normen gegenüber? Bauer behauptet, Fontane ergreife unbeabsichtigt Partei für die Frauen und stelle die herrschenden Strukturen dadurch in Frage. Er selbst sei eher konser-vativ und stünde der Emanzipationsfrage skeptisch gegenüber.[2] Sind seine Frauenfiguren ein Mittel, sich der Gesellschaft gegenüber kritisch zu äußern oder entstehen die Schicksale vielmehr aus Gerechtigkeit und Mitgefühl? Um einen Überblick über Fontanes Frauenideal zu gewinnen, werden zunächst für ihn biografisch bedeutsame Frauen betrachtet und an-schließend insgesamt sieben ausgewählte Figuren aus fünf Werken genauer untersucht.

3.1 Fontanes Frauenbild

Fast die Hälfte seiner abgeschlossenen Romane tragen im Titel Frauennamen oder verweisen zumindest auf diese.[3] So entwickeln sich die Geschichten um verschiedene Frauengestalten herum und nehmen deren Schicksale in den Fokus. In allen hier betrachteten Romanen geht es um die Ehe und daraus resultierende Probleme, um Standesunterschiede oder tatsächlich um die Liebe, die jedoch häufig in Palmengärten, Hotelzimmern oder auf Landpartien versteckt wird. Während die männlichen Protagonisten überwiegend als Repräsentanten von Ehre und Konventionen dienen, lässt Fontane die Frauen durch und durch menschlich erscheinen. Die Protagonistinnen werden jede auf ihre eigene Art und Weise Opfer der Gesellschaft. Sie leiden, sündigen, handeln unmoralisch in Anbetracht der Konventionen und werden gerade deswegen von Fontane geliebt.[4]

Dank vieler Briefe lässt sich dieser bestimmte Frauentypus charakterisieren, dem der Schriftsteller verfallen ist. Hier sei zunächst der vielzitierte Brief an das Ehepaar Schlenther erwähnt, in dem er sich als Frauenliebhaber bekennt, sich zu „ihren Schwächen und Verirrungen, dem ganzen Zauber des Evatums, bis zum infernal Angeflogenen hin“ hingezogen fühlt und „die echten, ehrlichen Magdalenen unwiderstehlich“ findet.[5]

Aussagekräftiger noch und außerdem ein Erklärungsansatz für die Gestaltung seiner Figuren ist folgender Ausschnitt aus einem Brief an Grünhagen:

Der natürliche Mensch will leben, will weder fromm noch keusch noch sittlich sein, lauter Kunstprodukte von einem gewissen, aber immer zweifelhaft bleibenden Wert, weil es an Echtheit und Natürlichkeit fehlt. Dies Natürliche hat es mir seit lange angetan, ich lege nur darauf Gewicht, fühle mich nur dadurch angezogen, und dies ist wohl der Grund, warum meine Frauengestalten alle einen Knax weghaben. Gerade dadurch sind sie mir lieb, ich verliebe mich in sie, nicht um ihrer Tugenden, sondern um ihrer Menschlichkeiten, d. h. um ihrer Schwächen und Sünden willen. Sehr viel mehr gilt mir auch die Ehrlichkeit, der man bei den Magdalenen mehr begegnet als bei den Genoveven.[6]

Fontane lässt in seinen weiblichen Hauptpersonen ein Ideal aufleben, für das er in seinem realen Umfeld Vorbilder fand. Neben den Geschichten echter Frauen, die ihn zu einigen Werken anregten (so fand er in dem Schicksal der Elisabeth von Ardenne Inspiration für Effi Briest), sind hier vor allem seine Ehefrau Emilie Rouanet-Kummer sowie Martha Fontane (genannt Mete), die gemeinsame Tochter und seine Muse, zu nennen.

Emilie lernte er als eine junge, starke Persönlichkeit kennen. Die nicht immer einfache Ehe und mehrere Fehlgeburten führten jedoch dazu, dass sie krank wurde und begann, unter den typischen Symptomen der von Freud definierten Hysterie zu leiden. Repräsentierte zunächst sie sein „Sehnsuchtsbild“,[7] so übernahm diese Rolle schließlich die gemeinsame Tochter Mete, die sie ihm neben drei Söhnen gebar. Mete war seit ihrer Geburt stets Fontanes Liebling. Sie war ein lebhaftes Kind: In den Briefen der Eltern wird sie „Wirbelwind“ oder „Seiltänzerkind“ genannt. Sie sei „flüchtig wie Quecksilber“, wild und apart.[8] Als junge Frau war sie „ein Liebling der Menschen geworden“.[9] Aber auch sie entwickelte ein Nervenleiden wie ihre Mutter.

Problematisch an dieser Vater-Tochter-Beziehung waren nach Dieterle Fontanes inzestuöse Fantasien.[10] Während Mete körperlich daran zugrunde ging, konnte Fontane seine Gefühle auf die Frauengestalten seiner Romane projizieren. Aus diesem Grund sind beispielsweise bei Effi und Cécile typische Charakterzüge Metes zu entdecken. Sie durchleben ähnliche Begebenheiten wie auch Fontanes Tochter. Charakter und Geschichten der Figuren werden nun vorgestellt.

3.2 „[…] die Geschichte der Frauen ist meist viel interessanter“ -
Einige Romanfiguren

Das Titel-Zitat stammt aus Unwiederbringlich und ist wegweisend für Fontanes Romane.[11] Die ausgewählten Werke bauen sich um die weiblichen Figuren herum auf. Alles Geschehen resultiert aus ihren Entscheidungen und ihrem Handeln. Zwar sind auch männliche Protagonisten zu finden, aber wie bereits oben erwähnt spielen diese eine eher repräsentative Rolle. Sie bleiben statisch, während sich die Hauptdarstellerinnen verändern und weiterentwickeln. Die Charakterisierung einiger Figuren soll herausarbeiten, ob es sich hierbei um eigenständige Gestalten handelt oder ob bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen verallgemeinerbar sind und einen ganz bestimmten Frauentypus erkennen lassen.

3.2.1 L’Adultera - Melanie van der Straaten und Effi Briest

Zwei junge Frauen geben sich einem ähnlichen Schicksal hin: Sie begehen Ehebruch, machen sich so vor der Gesellschaft schuldig und müssen mit den Folgen umgehen. Während Melanies Schicksal in L’Adultera 1882 mit scharfer Kritik und moralischer Entrüstung aufgenommen wurde, weckte Effi Briest 1895 Begeisterung und Lobeshymnen.

Die Hauptprotagonisten Melanie, „[ä]lteste Tochter Jean de Caparoux‘, eines Adligen aus der französischen Schweiz“,[12] und ihr Ehemann Kommerzienrat Ezechiel van der Straaten werden im ersten Kapitel der Novelle einführend vorgestellt. Sie ist eine außergewöhnliche junge Frau, technisch und musikalisch gebildet, sprachlich begabt und auffallend schön: „Ihre heitere Grazie war fast noch größer als ihr Esprit und ihre Liebenswürdigkeit noch größer als beides. Alle Vorzüge französischen Wesens erschienen in ihr vereinigt.“ (LA 9) Doch Melanie empfindet „etwas wie Sehnsucht“, als sie gedankenverloren aus dem Fenster schaut, „als müsse es schön sein, so zu steigen und zu fallen und dann wieder zu steigen […]“ (LA 11). Nicht nur ein gewisses Freiheitsbedürfnis wird hieran deutlich, es ist auch als Vorausdeutung auf das Kommende zu verstehen. Melanie ist eine junge schöne Frau gesellschaftlich höheren Ranges, die für sich selbst den Anspruch auf Individualität einfordert, was - wie bereits herausgearbeitet - im 19. Jahrhundert nicht die Regel war, sondern geradezu mittels Gesetz versagt wurde.

Dem Rezipienten wird bald ersichtlich, dass die bereits zehn Jahre währende Ehe nicht so glücklich ist, wie es scheint. Als van der Straaten die titelgebende Tintoretto-Kopie L’Adultera ins Haus holt, wird das von Melanie mit den Worten kommentiert: „Und daß ich dir’s gestehe, sie wirkt eigentlich rührend auf mich. Es ist so viel Unschuld in ihrer Schuld… Und alles wie vorherbestimmt.“ (LA 13) Hieran wird Melanies Bezug zur Gesellschaft und deren Konventionen deutlich. Sie bringt zum Ausdruck, dass sie sich der Individualität der Menschen und deren Glück bewusst ist. An dieser Stelle trennt sie sich von den elementaren Normen und Regeln, obwohl sie selbst an diese gebunden zu sein scheint. Warum sonst hätte sie eine Ehe mit einem so viel älteren, doch reichen Mann eingehen sollen? Während er ihr ‚nur‘ ein Leben in Wohlstand bieten kann und sie so von den väterlichen Schulden befreit, dient sie ihm als Prestigeobjekt. Letztes Wort ist mit Bedacht gewählt, denn sie ist „fast noch mehr sein Stolz als sein Glück“ (LA 8f.). Mit ihr und ihrem Adelstitel kann er sich schmücken und seinen gesellschaftlichen Aufstieg der Öffentlichkeit präsentieren. Sie ist „[s]eine Sehenswürdigkeit“ (LA 124), mehr nicht.[13] Ihre Individualität wird von van der Straaten verkannt. Er sieht seine Frau nicht als eigenständige Persönlichkeit, sondern erkennt in ihr nur

das Bild ‚Frau‘.[14] Das liegt daran, dass sich das Ehepaar nach wie vor fremd ist und Melanie sich ihm gegenüber distanziert zeigt. Melanie leider weniger unter der ihr abgesprochenen eigenen Persönlichkeit, sondern viel mehr unter seinen anzüglichen Kommentaren, denen sie in aller Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Wenn van der Straaten sie in dreitägigem Abstand in der Villa im Berliner Tiergarten besucht, „versicherte [er] dabei jedem, der es hören wollte, daß dies die stundenweis ihm nachgezahlten Flitterwochen seiner Ehe seien.“ (LA 41f.) Exemplarisch steht hier auch das Kapitel Löbbekes Kaffeehaus, in dem er die Zweideutig-keiten auf die Spitze treibt und sein Publikum dazu veranlasst, Melanies Körper dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken wie er es tut. Van der Straaten will besitzen, was ihm (seiner Meinung nach) rechtlich zusteht. Dabei kommt es ihm - anders als Melanie - nicht auf Leidenschaft und Zärtlichkeit an,[15] sondern um seine Machtstellung ihr gegenüber. Dennoch hat die junge Frau keine Opferrolle inne.[16] Sie ist ihrem Ehemann zwar untergeordnet, doch sie weiß diesem auszuweichen. Nicht umsonst ist es das „Glück ihrer Freiheit“ (LA 42), wenn sie die Sommermonate weitgehend ohne ihn in der Villa verbringen kann.

An diesem Ort schließlich werden die Weichen für Melanies weiteres Leben gestellt. Als der junge Offizier Ebenezer Rubehn für einige Zeit ins Sommerquartier der Familie zieht, wächst die Spannung zwischen Rubehn und Melanie stetig an. Beginnend mit dem Ballwurf entfaltet sich die Geschichte während eines Bootsausfluges und gipfelt schließlich im Palmengarten in geflüsterte „Worte, so heiß und so süß wie die Luft, die sie einatmeten.“ (LA 82) In den folgenden Kapiteln steht weniger die Liebe an sich, als vielmehr der daraus resultierende Konflikt im Mittelpunkt.[17] Melanie weiß nicht, wohin es sie treibt, doch sie erkennt die „innere Notwendigkeit“, um nicht „hinter die neugewonnene Erkenntnis zurück[zu]fallen“[18] und so lässt sie alles geschehen. Auf der Suche nach ihrem eigenen Glück wird sie sich bewusst, dass van der Straaten nicht Teil desselben ist. Melanie setzt die Affäre mit Rubehn mit dem „Einsetzen ihrer Existenz, [der] rückhaltlose[n] Bekenntnis ihrer Neigung“ (LA 100) gleich. Sie beschließt, Mann und Familie zu verlassen und mit Rubehn im Süden ein neues Leben aufzubauen. Der gesellschaftlichen Folgen ihres Handelns ist sie sich bewusst:

Das wird ein groß‘ Gerede geben, und die Tugendhaften und Selbstgerechten werden es mir nicht verzeihn. Aber die Welt besteht nicht aus lauter Tugendhaften und Selbstgerechten, sie besteht auch aus Menschen, die Menschliches menschlich ansehen. Und auf die hoff‘ ich, die brauch‘ ich. (LA 101f.)

Der Wunsch danach, ihre Identität wiederzugewinnen, ist größer als die Angst vor gesellschaftlichem Abstieg. Becker betont, dass Melanie für sich selbst die Trennung von sex und gender beansprucht, was sie anders als bei van der Straaten in ihrer neuen Beziehung erwarten kann.[19] Bald nach der Scheidung von van der Straaten findet die Eheschließung Melanies und Rubehns statt, was mit der Geburt einer Tochter gekrönt wird. Croner fasst zusammen: „[S]ie leben nur für sich, ein trauliches Liebesleben“.[20]

Doch auch in der neuen Lebenssituation findet Melanie nicht das gesuchte Glück. Sie ist häufig krank und leidet unter der gesellschaftlichen Ausgrenzung. Ihr gelingt zwar die Neugestaltung ihres Lebens, doch letztendlich kann sie nur durch die Aussöhnung mit der Gesellschaft glücklich werden.[21] „Melanies Rebellion hat […] genau abgesteckte Grenzen, die letztlich nie aufhören, mit der Gesellschaftsordnung zu korrespondieren.“[22] Jedoch beginnt sie für sich selbst zu kämpfen. In Rubehn hat sie einen Partner gefunden, der sie als Mensch und nicht als Objekt wahrnimmt und der die Neuverteilung der ehelichen Rollen akzeptieren kann. Indem sie beginnt, als Lehrerin für den familiären Lebensunterhalt zu sorgen, tritt sie über eine Grenze der Gesellschaft hinweg. Sie tritt in die von Männern dominierte Berufswelt ein, trägt zur finanziellen Versorgung bei und veranlasst Rubehn dadurch zu der Feststellung, dass sie „viel, viel mehr war als ein bloß verwöhnter Liebling der Gesellschaft“ (LA 132).

In Effis Schicksal erhält der Rezipient bereits ab deren Kindheit Einblick. Sie wächst im wohlbehüteten, landadligen Hause ihrer Eltern auf und wird als ähnlich schönes und außergewöhnliches Mädchen wie Melanie beschrieben. Effi verkörpert das gesellschaftliche Frauenbild jener Zeit: kindlich, Teil der besseren Gesellschaft und „[i]n allem, was sie tat, paarte sich Übermut und Grazie, während ihre lachenden braunen Augen eine große, natürliche Klugheit und viel Lebenslust und Herzensgüte verrieten.“ (EB 8) Ihre Kindlichkeit äußert sich in Gesprächen mit ihrer Mutter, viel mehr aber noch in Effis Verhalten. Sie ist ein ‚Naturkind‘, liebt es, draußen zu spielen und zu schaukeln, ist verträumt und phantasievoll.[23] Effi sagt dazu: „Was ich nicht aushalten kann, ist Langeweile.“ (EB 32)

Die Werte und Konventionen ihrer Gesellschaft werden Effi vor allem durch die Mutter verinnerlicht. Im Gegensatz zu Melanie steht sie diesen jedoch völlig kritiklos und blauäugig gegenüber, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass sie mit deren negativen Seiten in ihren jungen Jahren noch nicht konfrontiert wurde. Als sie von ihrer bevorstehenden Ehe mit dem sehr viel älteren und prinzipientreuen Geert von Innstetten erfährt, wird deutlich, dass sie darin vor allem die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs erkennt. Sie weiß um die Bedeutung von Adel und beruflichem Vorankommen: „Jeder ist der Richtige. Natürlich muß er von Adel sein und eine Stellung haben und gut aussehen.“ (EB 20) Wenn sie das sagt, spricht darin eigentlich ihre Mutter. Effi selbst ist „nicht so sehr für das, was man eine Musterehe nennt.“ Sie ist „für gleich und gleich und natürlich auch für Zärtlichkeit und Liebe“ (EB 32) und weiß eigentlich nicht so recht, welche Art von Liebe in der Ehe von ihr erwartet wird.[24] Bisher war sie ein Kind und wurde als solches behandelt. Durch den Antrag wird sie aus ihrer Kindheit herausgerissen.[25]

Während Innstetten in den ersten Wochen der Ehe noch versucht Effi eine angenehme Zeit zu bereiten, wird nach der Ankunft in Kessin deutlich, was er von seiner Frau erwartet. „Wirst du dich einleben? Wirst du populär werden und mir die Majorität sichern, wenn ich in den Reichstag will?“ (EB 68) - Effi soll ihm Ansehen sichern. Gleichermaßen äußert Effi im Scherz: „Du glaubst gar nicht, wie ehrgeizig ich bin. Ich habe dich eigentlich bloß aus Ehrgeiz geheiratet.“ (EB 82) Dahinter stecken wohl wahre Worte. Aus diesem kurzen Gespräch wird deutlich, dass es sich hierbei ebenso um eine Konvenienzehe handelt wie bei den van der Straatens: Während die junge Frau für ausreichend Prestige und Ansehen sorgt, liefert der berufstätige Mann das Vermögen und die gesellschaftliche Sicherheit.

Der Ehe fehlt es an Liebe und Zuneigung und Effi fühlt sich zunehmend einsam. Sie geht sogar so weit, Innstetten „frostig wie ein Schneemann“ (EB 67) zu nennen. Effi ist sich zwar bewusst, welche Anforderungen sie selbst an ihren Mann stellt,[26] bekommt aber nicht mehr als ‚ein paar wohlgemeinte, aber etwas müde Zärtlichkeiten‘ (vgl. EB 103). Effi ist nicht in der Lage ihre eigenen Erwartungen an Innstetten zu äußern, da sie zu sehr von dem gesellschaftlichen Ideal geprägt ist und ihre Stellung in der Ehe und in Kessin für natürlich ansieht.

War es zunächst Effis Kindlichkeit, die auf Innstetten so anziehend wirkte, ist es genau diese, die sie in dem neuen Leben verdrängen muss. Um ihre Funktion als Repräsentantin zu erfüllen, beginnt sie ihr Wesen zu unterdrücken und sich zu verstellen.[27] So nimmt sie auf einem Ball, statt ihrem Naturell entsprechend zu tanzen, bei den alten Damen Platz. Innstetten führt ihre Veränderung auf die Geburt der gemeinsamen Tochter zurück,[28] obwohl Effi ihre Mutterpflichten weitgehend an Roswitha abgibt. Er findet diese ‚neue Effi‘ verführerisch und verkennt, dass sie immer mehr sich selbst verliert und unzufrieden ist. Eine erste Auflehnung gegen ihren Mann ist zu beobachten, als das Paar über den Chinesen-Spuk spricht. Erstmals kritisiert sie ihn und seinen Wunsch nach gesellschaftlichem Ansehen, der ihn zwingt, das Einhalten der Konventionen sogar über seine Frau zu stellen.

Aus ihrer Lethargie und Langeweile reißt sie schließlich Major von Crampas heraus, den sie schon vor dem eigentlichen Kennenlernen als „Trost- und Rettungsbringer“ (EB 104) wahrnimmt. Sie ist sich durchaus bewusst ist welche Folgen ein Ehebruch nach sich ziehen würde,[29] nimmt dies aber in Kauf, um wieder zu sich selbst zu finden. Ähnlich wie Melanie sieht sie darin den einzigen Ausweg aus ihrer Einsamkeit:

[…] sie fühlte, daß sie wie eine Gefangene sei und nicht mehr heraus könne. Sie litt schwer darunter und wollte sich befreien. Aber wiewohl sie starker Empfindungen fähig war, so war sie doch keine starke Natur; ihr fehlte die Nachhaltigkeit, und alle guten Anwandlungen gingen wieder vorüber. So trieb sie denn weiter, heute, weil sie’s nicht ändern konnte, morgen, weil sie’s nicht ändern wollte. Das Verbotene, das Geheimnisvolle hatte seine Macht über sie. (EB 169)

‚… mein Gewissen … Effi, du bist verloren.‘ (EB 169)

Den Moment, in dem sie sich Crampas schließlich hingibt, hat Fontane wie auch bei L‘Adultera versteckt dargestellt, doch Innstetten bemerkt die Veränderung seiner Ehefrau trotzdem. Sie ist nicht in der Lage ihre Kindlichkeit völlig abzulegen und entfremdet sich so von Innstetten und der Gesellschaft Kessins.[30]

Nutzte Melanie den Ehebruch, um aus ihrer Ehe und der Gesellschaft auszubrechen, gelingt dies Effi nicht. Trotz des Umzugs nach Berlin lastet etwas auf ihr - doch Schuld ist es nicht, was sie empfindet: „Was da lastet, das ist etwas ganz anderes - Angst, Todesangst und die ewige Furcht: es kommt doch am Ende noch an den Tag. […] Ich schäme mich.“ (EB 219) Entsprechend den gesellschaftlichen Werten, an die sie sich anzupassen versucht, hat sie sich schuldig gemacht und dessen ist sie sich bewusst. Diese Schuld empfindet Effi jedoch nicht, obwohl sie ihre Tat bereut. Auch der Rezipient kann Effi nicht als die Schuldige bezeichnen, denn „Effis ‚Schritt vom Wege‘ wird durch die Sichtbarmachung aller motivierenden Faktoren und Komponenten dem Leser verständlich gemacht. Und wo Verständnis herrscht, da haben moralische Vorurteile keinen Platz.“[31] Effi wird Opfer der Gesellschaft, was dem Rezipienten nur allzu deutlich vorgeführt wird.

Als Innstetten die Liebesbriefe von Crampas findet, wird sie verstoßen - nicht nur von ihm oder der Gesellschaft, auch von ihren Eltern. Scheinbar gelangt auch die mütterliche Liebe an eine Grenze, wenn sie in Konfrontation mit den Konventionen gerät. Anders als Melanie kann Effi ihr Leben nach der Scheidung nicht allein in die Hand nehmen. Sie wird krank und leidet darunter, verstoßen worden zu sein. Eine Begegnung mit ihrer Tochter lässt Effi die Ungerechtigkeiten der Gesellschaft erkennen:

‚[…] Mich ekelt, was ich getan; aber was mich noch mehr ekelt, das ist eure Tugend. Weg mit euch. Ich muß leben, aber ewig wird es ja wohl nicht dauern.‘ (EB 275)

Nochmals wird klar, dass sie ihre Tat zwar bereut, sich jedoch nicht schuldig fühlt. Letztendlich führt ihre innere Auflehnung nur dazu, dass sie noch kränker wird. Effis „Nerven zehren sich auf“ (EB 276). Dies lässt den alten Briest erkennen:

‚Eins geht vor.‘ […] ‚Liebe der Eltern zu ihren Kindern.‘ ‚Dann ist es vorbei mit Katechismus und Moral und mit dem Anspruch der ‚Gesellschaft‘.‘ […]

‚Es ist schwer, sich ohne Gesellschaft zu behelfen.‘

‚Ohne Kind auch. Und dann glaube mir, Luise, die ‚Gesellschaft‘, wenn sie nur will, kann auch ein Auge zudrücken.‘ (EB 277)

Er holt Effi zurück in ihre Heimat und beweist damit, dass es möglich ist, außerhalb der Gesellschaft zu leben und deren Grenzen selbstständig festzulegen.[32] In Hohen-Cremmen wird sie in ihre Kindheit zurückversetzt, doch obwohl es scheint, als würde sie schnell genesen, zehrt die Krankheit weiterhin „still das Leben auf“ (EB 278). So einfach wie Melanie wird es Effi nicht gemacht: Sie geht an ihrer Schuld und dem Ausstoß aus der Gesellschaft zugrunde. Auf ihrem Grabstein steht schließlich wieder ihr alter Name: Effi Briest. Sie hat diesen letzten Wunsch damit begründet, dass sie dem Namen Innstetten keine Ehre gemacht habe.

Fontane hat zwei Frauenbilder geschaffen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Effi ist ein Kind, dem die Rolle der Ehefrau aufgezwungen wurde und die sie nicht erfüllen konnte. Melanie hingegen war fähig zu echter Liebe, wie sich an der zweiten Ehe mit Rubehn zeigt. Obwohl beide den Ehebruch als Parallele in ihrem Leben vorweisen, ist ihr Schicksal voll-kommen unterschiedlich. Melanie hat den Weg zurück in die Gesellschaft gefunden und deren Grenzen überschritten. Eine Frau, die erkennt, dass die ihr verinnerlichten Moralvorstellungen nicht allgemeingültig sind, sich scheiden lässt und zudem einen Teil des Lebensunterhaltes der Familie verdient, war unüblich in Fontanes Zeit. Er bietet eine Alternative zu dem vorherrschenden Weiblichkeitsbild, doch ob er damit tatsächlich Kritik an der Gesellschaft ausübt, ist fraglich.

Effi benötigt gesellschaftliche Anerkennung um zu existieren, denn anders hat sie es von ihrer Mutter nie gelernt. Sie wird sich der Grenzen und Probleme zwar bewusst, ist aber nicht fähig, diese zu übertreten. Fontane zeigt hier, wie das Glück aller Beteiligten vernichtet wird und verweist dadurch auf die Verbesserungswürdigkeit der gesellschaftlichen Moralvor-stellungen.[33]

3.2.2 Kranke Schönheit - Cécile

Ein ähnliches Schicksal in gesellschaftlicher Hinsicht wie Effi und Melanie widerfährt auch Cécile, der Hauptprotagonistin der gleichnamigen Novelle (1886) Fontanes. Cécile wird als eine außerordentlich schöne junge Dame beschrieben, die jedoch kränklich und eigenartig fremd ist. In Begleitung ihres Ehegatten Pierre von St. Arnaud trifft sie während eines Kuraufenthaltes in Thale im Harz auf den Zivilingenieur Robert von Gordon-Leslie. Dessen Interesse ist schnell geweckt, denn er bemerkt: „‚Dahinter steckt ein Roman.‘“[34]

Er beginnt Nachforschungen zu betreiben, von denen der Rezipient stets unterrichtet wird. Dies zeigt eine Besonderheit der Novelle: Fontane tritt als Erzähler hinter seine Protagonisten zurück und lässt diese berichten. Daraus resultiert, dass das Geschehen vorwiegend aus männlicher (vor allem Gordons) Perspektive und damit stets einseitig und unzuverlässig geschildert wird.[35] Gleichzeitig distanziert sich Fontane auf diese Weise von den Äußerungen und Wertvorstellungen der Figuren und veranlasst den Leser zu selbstständigem Denken. Dieser ist dabei aber immer auf die Äußerungen und Beobachtungen der Figuren angewiesen. Im Verlauf der Handlung wird deutlich, was Gordon interessiert: nicht Cécile als Person, sondern ganz allgemein als Projektionsfläche seiner Idee von Weiblichkeit. Er verkennt ihre Persönlichkeit und formt sie zu einer „Kunstfigur“.[36] Eingangs stellt er Vermutungen über ihre Herkunft an und verleiht ihr damit Sinnlichkeit und Fremdheit.[37] Was er an dieser Stelle noch nicht weiß ist, dass diese Fremdheit weniger mit ihrer Herkunft als vielmehr mit ihrer Vergangenheit zusammenhängt. All seine Vermutungen über Cécile und ihre Ehe mit St. Arnaud führen nicht zu einem stimmigen Ergebnis, was ihn dazu veranlasst in einem Brief seine Schwester Clothilde um Hilfe zu bitten. Darin beschreibt er Cécile mit folgenden Worten:

‚[…] eine Schönheit ersten Ranges. Wundervoll geschnittenes Profil, Gemmenkopf. Ihre Augen stehen scharf nach innen, wie wenn sie sich suchten und lieber sich selbst als die Außenwelt sähen […] Es gibt ihr aber entschieden etwas Apartes […]‘ (CC 187)

Was er hier formuliert, ist der Prototyp der ‚femme fragile‘, wie sie beispielsweise von Thomalla definiert wird: eine anmutige, zarte junge Frau, sehnsuchtsvoll und kindlich. Sie tritt blass und morbide auf, wirkt fast madonnenhaft.[38] Zudem verhält sich Cécile während einiger Ausflüge in die Umgebung recht ungewöhnlich, bisweilen geradezu geheimnisvoll. Mehrmals wird deutlich, dass sie vor allem in Kunst und Kultur wenig gebildet ist. Sie wirkt in sich gekehrt und schweigsam, gleichzeitig scheint sie aber mit Gordon zu kokettieren. Während eines Ausflugs zum Quedlinburger Schloss besichtigen das Ehepaar St. Arnaud, Gordon und die neu gewonnene Freundin Rosa Hexel die Räumlichkeiten der Königsfamilie. Während der Kastellan angesichts eines fehlenden Kristallspiegels eine Anekdote erzählt, langweilt sich Cécile, bedauert das Fehlen und “hätte sich gern in dem Kristallspiegel gesehen“ (CC 179). Anhand dieser Schilderung lässt sich vermuten, Cécile wäre eingebildet und von allen Gesprächen gelangweilt, die nicht sie zum Mittelpunkt haben. Becker erkennt in dieser gelangweilten Erscheinung einen „Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Rechte-losigkeit“, einen „in Analogie zur soziokulturellen Lebenssituation von Frauen vorgenommene[n] narrative[n] Kunstgriff Fontanes“.[39] Es zeigt sich an diesem Verhalten vor allem, dass Cécile das ihr zugeteilte Frauenbild erfüllt bzw. erfüllen möchte. Sie bemüht sich, Teil der Gesellschaft zu sein und sich nach deren Konventionen zu richten. Zum Bild der ‚femme fragile‘ passen neben den hier erwähnten Beispielen auch frühere Beobachtungen Gordons[40] und vor allem die folgende Äußerung im Brief an Clothilde:

Daß sie nervenkrank ist, ist augenscheinlich, aber der Oberst (vielleicht, weil es ihm paßt) macht unter Umständen mehr davon als nötig. (CC 188)

Hierin zeigt sich eine wichtige ‚Eigenschaft‘ Céciles: Sie ist krank, St. Arnaud macht dies mehrfach deutlich. Es handelt sich dabei um ein „Zeitsympton“,[41] nämlich Neurasthenie bzw. Hysterie. Während sich diese bei Cécile in einem gesteigerten Ruhebedürfnis, in Lähmungs-erscheinungen oder nervösem Zittern äußert, haben Sigmund Freud und Josef Breuer als Symptome von Hysterie eher übermäßige Unruhe und Lebhaftigkeit festgestellt - nicht Apathie.[42] Auffällig jedoch ist, dass Cécile selbst diese Krankheit nie erwähnt und auch nie über eine ärztliche Diagnose gesprochen wird. Lediglich St. Arnaud und später auch Gordon unterstellen der jungen Frau dieses Leiden. Cécile sagt, „‚St. Arnaud […] macht sich gelegentlich interessant mit meinen Nerven […]‘“ (CC 168). Nu in Anwesenheit weiterer Personen kommt er darauf zu sprechen. Dies erfolgt stets in einer Weise, die Cécile peinlich berührt sein lässt. Wie bei Melanie und van der Straaten in Löbbekes Kaffeehaus erfolgt auch hier eine Demütigung allein durch Worte.

Cécile wehrt sich dagegen nicht, denn sie ist sich bewusst, dass diese ihr zugeschriebene Krankheit Distanz zu den sie umgarnenden Männern schafft. Es scheint für sie die einzige Möglichkeit zu sein, Mitleid und Zuneigung zu erregen.[43] Und gerade dies ist (laut Gordon) ihre Natur, womit er sie in das vorherrschende Frauenbild seiner Zeit eingliedert. Dass auch St. Arnaud sie in dieser Rolle sieht und sie selbst sich dem nicht zur Wehr setzt, wird auf den Ausflügen ebenfalls deutlich. Zwar ist sie sich ihrer untergeordneten Stellung bewusst, doch sie findet sich darin zurecht. Als Andeutung eines inneren Widerstands ist folgender Ausspruch Céciles zu werten:

‚Die Männer sitzen ohnehin auf dem hohen Pferd; schlimm genug; reitet man aber gar noch aus freien Stücken zu Esel neben ihnen her, so sieht es aus wie Gutheißung ihres de haut en bas. Und das darf nicht sein.‘ (CC 235)

In dieser Situation ist dies zwar wörtlich gemeint, doch zeigt sich hierin, dass Cécile die Unterdrückung wahrnimmt. Sie ist nur nicht emanzipiert genug, dagegen aufzubegehren und hat die ihr auferlegte Rolle völlig verinnerlicht.[44] Cécile hat die Werte und Normen der Gesellschaft voll und ganz internalisiert und passt sich an die Erwartungen an. So ist sie mit St. Arnaud „mehr aus Schutzbedürfnis als aus Liebe“ und „aus bloßer Caprice“ (CC 187) eine Konvenienzehe eingegangen, widerspricht ihm nicht, wenn er auf ihre ‚Krankheit‘ zu sprechen kommt und bemüht sich ihm zu gefallen. Auch Gordon nimmt ihr kokettierendes Verhalten ihm gegenüber wahr, bemerkt aber auch immer wieder das eigenartige Verhalten Céciles. Beispielhaft ist hier eine weitere Szene während des Besuchs von Schloss Quedlinburg zu betrachten: Die kleine Gruppe besichtigt eine Galerie von Fürstabbatissinnen, unter denen auch ein Bild der Gräfin Aurora von Königsmark zu sehen ist. Zeigte Cécile sich bisher nicht sehr gebildet, ist ihr diese Geschichte bekannt. Gordon verspottet indes jene Werke und damit auch die abgebildeten Damen. Er unterzieht die Mätressen einer Stereotypisierung, gleichzeitig verübt er unwissend, indem er Lola Montez erwähnt, einen Angriff auf Cécile.[45] Als er deren Reaktion auf seine Aussage wahrnimmt, beginnt er sich über die Ambivalenz von Céciles Charakter Gedanken zu machen. Ist sie einerseits „so gesellschaftlich geschult“ (CC 241) und „Dame von Welt“, so ist sie an anderer Stelle „voll Kindersinn“ (CC 188), naiv und reagiert sensibel auf sexuelle Anspielungen. Diese Diskrepanz wirkt auf ihn derart anziehend, dass er sich schließlich zu einem Handkuss hinreißen lässt.

Wenig später muss sich Gordon aus beruflichen Gründen auf Reisen begeben, was die Situation zunächst entschärft. Zwar kennt er die Risiken, die das Verhältnis zu Cécile birgt, dennoch spricht er, zurück in Berlin, dem Wohnort Gordons und auch des Ehepaars St. Arnaud, bei ihr vor. Wurde dem Leser aufgrund eines Gespräches zwischen Cécile und ihrem Vertrauten, dem Hofprediger Dörffel, mittlerweile klar, dass Céciles Vergangenheit in jedem Fall ein Geheimnis bergen muss, versucht sich Gordon zu beruhigen:

‚Ich glaube jetzt klar zu sehen. Sie war sehr schön und sehr verwöhnt, und als der Prinz, auf den mit Sicherheit gerechnet wurde, nicht kommen wollte, nahm sie den Obersten. Und ein Jahr später war sie nervös, und zwei Jahre später war sie melancholisch. Natürlich, ein alter Oberst ist immer zum Melancholischwerden. Aber das ist auch alles. Und schließlich haben wir nichts als eine Frau, die, wie tausend andere, nicht glücklich und auch nicht unglücklich ist.‘ (CC 262)

Auf diese Weise erklärt er sich nicht nur ihr Verhalten, sondern gibt dem Rezipient mit dem letzten Satz nochmals einen Hinweis auf die Stellung der Frau in der Ehe: Es wird gar nicht erwartet, dass die Ehe glücklich ist. Dass dies auch im Hause St. Arnaud nicht der Fall ist, stellt Gordon in den folgenden Wochen fest. Während seiner Besuche trifft er häufig auf „ziemlich sonderbare Leute“ (CC 265), dafür aber nie auf St. Arnaud, der sich stets im ‚Club‘ aufhält. Auch Rosa erkennt, dass diese Ehe wohl aus „‚Rechthaberei, Dünkel und Eigensinn, und weil er den Stolz hat, eine schöne Frau zu besitzen‘“ (CC 277) geschlossen wurde.

In diesen Tagen erreicht Gordon die lang ersehnte Antwort seiner Schwester. Dieser Brief ist der Anfang vom Ende, denn Cécile ist „eine Dame von zweifelhaftem oder […] von eigenartigem Ruf.“ (CC 280) Seit ihrem 17. Lebensjahr war sie eine Fürstenmätresse - über zwei Generationen. Für die Charakterisierung Céciles aber ist die Beilage des Briefes noch interessanter: ein weiteres Schreiben von einer Dame namens Eva Lewinski. Sie, die ihre Kindheit mit Cécile verbracht hat, beschreibt diese als „[v]erwöhntes Kind, aber träumerisch und märchenhaft“ (CC 283). Die Mutter gestaltete die gesamte Kindheit des Mädchens als märchenhaftes Spiel, um von den Geldsorgen abzulenken. Schon damals zeichnete Cécile sich durch eine besondere Schönheit aus, was ihre Mutter dazu veranlasste, ihr jegliche Bildung zu verweigern und die stattdessen „wohl von Anfang an ihre Pläne mit ihr hatte.“ (CC 283) Zusammenfassend formuliert Gordon: „‚Großgezogen ohne Vorbild und ohne Schule und nichts gelernt, als sich im Spiegel zu sehen und eine Schleife zu stecken.“ (CC 284) Hierin findet sich Céciles ungewöhnliches Verhalten während der Ausflüge begründet. Sie ist ungebildet, weil ihre Mutter entsprechend der gesellschaftlichen Konventionen auf das Aussehen der Tochter gesetzt und nie im Sinn hatte, diese auf ein selbstständiges Leben vorzubereiten. Ebenfalls aus diesem Grund ist Cécile auf die Huldigungen und Zuwendungen der Männer erpicht, denn sie hat nie gelernt, sich anders als durch ihr Äußeres zu behaupten.

Gordon nimmt Cécile nun völlig anders wahr. Statt der ‚femme fragile‘ sieht er in ihr nun die ‚femme fatale‘. Nach Blänsdorf handelt es sich hierbei um eine schöne und leidenschaftliche Frau, die mit ihrer Sexualität spielt. In ihr liegt ein „Versprechen auf Glück, ein Wunsch nach leidenschaftlicher Liebe“.[46] Ihr Charakter ist geprägt durch ungezügelte Sinnlichkeit und Rätselhaftigkeit. Sie ist die Verführung in Person und wird dadurch zur Gefahr.

Obwohl er zunächst eher von ihrem puppenhaften Auftreten fasziniert war, wirkt auch diese neue Seite Céciles sehr anziehend auf ihn. Eine sinnliche Erscheinung hatte er ihr bereits bescheinigt, als er über ihre Abstammung philosophierte. Und auch eine gewisse von ihr ausgehende Gefahr scheint den männlichen Protagonisten bereits in Thale aufgefallen zu sein, denn hier erfolgten mehrmals Anspielungen auf die für den Ort typischen ‚Hexen‘, die sich indirekt auch auf Cécile bezogen. Trotz dieser neuen, anderen Faszination beginnt Gordon sie herablassend und respektlos zu behandeln. Da sie ihren Ruf in seinen Augen bereits verloren hat, glaubt er nun, er hätte „ein Anrecht auf Forderungen und Rücksichtslosigkeiten“ (CC 305) und dürfe jede moralisch begründete Distanz aufheben. Er verkennt die Individualität Céciles und ordnet sie ein in seine vorgefertigte Schablone ‚Mätresse‘, macht sie quasi zum Teil der Quedlinburger Galerie.[47] Er nennt sie „Erbschaftsstück“ und „Favoritin in duplo“ (CC 282). Er spricht ihr jeglichen menschlichen und gesellschaftlichen Wert ab.

Effi und Melanie durchleben das Ereignis, das ihr Leben verändert, vor den Augen des Rezipienten. Céciles Geschichte ist eigentlich seit vielen Jahren abgeschlossen, nimmt jedoch bis in die Gegenwart Einfluss auf ihr Leben und die Ehe mit St. Arnaud. Wie von Gordon wird sie von der gesamten Gesellschaft missachtet und verstoßen, obwohl sie deren Konventionen so verinnerlicht hat und sich ihrer Schuld bewusst ist.

‚Nun denn, die Gesellschaft hat mich in den Bann getan, ich seh‘ es und ich fühl‘ es, und so leb‘ ich denn von der Gnade derer, die meinem Hause die Ehre antun. […] Ich habe nicht den Anspruch, den andre haben.‘ (CC 306)

Cécile versucht, Gordon mit Worten zurechtzuweisen, denn sie ist sich bewusst, wie St. Arnaud auf diese Respektlosigkeiten und Eifersüchteleien reagieren wird. Obwohl sie ihm verzeihen kann und ihn vor ihrem Ehegatten in Schutz nimmt, kommt es, wie es vor einigen Jahren schon einmal kam: zum Duell. Gordon fällt. Es geht hierbei jedoch nicht um die Ehre Céciles, sondern lediglich um den verletzten Stolz St. Arnauds. Dennoch ist es Cécile, auf der die Schuld letztendlich lastet und so ist es nicht verwunderlich, dass sie ob ihrer Schwäche den letzten Ausweg im Selbstmord sucht. Ihr letzter Wunsch ist folgender:

Ich wünsche nach Cyrillenort übergeführt und auf dem dortigen Gemeindekirchhofe, zur Linken der fürstlichen Grabkapelle, beigesetzt zu werden. Ich will der Stelle wenigstens nahe sein, wo die ruhen, die in reichem Maße mir das gaben, was mir die Welt verweigerte: Liebe und Freundschaft und um der Liebe willen auch Achtung … (CC 316)

Mittelmann sieht in diesem Suizid einen „Akt der Selbstbehauptung“.[48] Cécile weigert sich auf diese Weise, die Schuld an Gordons Tod sowie die gesellschaftliche Verurteilung nochmals hinzunehmen, obwohl sie sich bis zuletzt dagegen gewehrt hat. Vor sich selbst und auch vor Gott konnte sie sich von ihrer Vergangenheit lossagen, jedoch nicht vor den gesellschaftlichen Konventionen. Sie hat erkannt, dass nicht sie selbst verachtenswert ist, sondern vielmehr die Gesellschaft, die ihr jene Schuld auferlegt hat und sie mit Missachtung straft.[49] Sie erhebt den Anspruch auf eine christliche Beerdigung und findet damit im Tod letztendlich doch einen Weg, gegen die Konventionen und Wertvorstellung der Gesellschaft aufzubegehren. Downes geht sogar so weit zu sagen, Cécile sterbe als ‚moderne Mär-tyrerin‘.[50]

Céciles diskrepantes Verhalten ist Zeichen einer inneren Unzufriedenheit. Sie ist keine ‚femme fatale‘, auch keine ‚femme fragile‘. Sie ist nur nicht in der Lage, sich gegen die Stereotypisierung durch die Männer und ihre Unterdrückung zu wehren. Ihre Sehnsucht nach Liebe, Respekt und einer heilen Welt bleiben ihr aufgrund ihrer misslichen Vergangenheit von der Gesellschaft versagt. Durch ihre Mutter in diese Rolle gedrängt, kann sie ihrem Ruf nicht mehr entkommen. Fontane selbst sagte, dieser Roman solle die „unerbittliche[ ] Macht zurückliegender Geschehnisse [zeigen], die durch reinen Wandel und aufrichtige Buße vor Gott zu sühnen, aber gesellschaftlich nicht zu tilgen sind.“[51] Die gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen werden über Gott gestellt und so bleibt Cécile letztendlich nur der Suizid, um ihrem Schicksal zu entkommen.

3.2.3 Einfache Leben - Lene und Stine

Die genaue Entstehungszeit beider Werke kann kaum datiert werden, da Fontane über mehrere Jahre parallel an ihnen gearbeitet hat. Irrungen, Wirrungen erschien im Januar 1888, Stine ein Jahr später.

In beiden Romanen geht es um ständeübergreifende Liebschaften und deren Scheitern an der geltenden Moral. Dies tritt in Stine noch stärker zutage als in Irrungen, Wirrungen. Mesalliancen und ungleiche Paare begegneten dem Rezipienten bereits in den vorherigen Werken. Was also ist nun anders? Stammen die bisher vorgestellten Frauenfiguren aus gehobenen Gesellschaftsschichten, wird es im Folgenden um zwei Vertreterinnen des Proletariats gehen: Magdalene Nimptsch und Ernestine Pittelkow. Dies ermöglicht einen neuen Blickwinkel auf die Konventionen der Gesellschaft und damit auch auf die Stellung der Frau. Während Effi, Melanie und Cécile zu gehorsamen, kindlichen und demütigen Damen mit möglichst wenig Lebensinhalt erzogen werden sollten, ist man in Arbeiterkreisen auf die Mithilfe der Frau in der Wirtschaft angewiesen. Aufgabe der Frau war nicht nur die Kindeserziehung, sie mussten mithelfen den Haushalt zu finanzieren. Häufig wurde als Amme, Dienerin oder Köchin gearbeitet, wodurch auch die arbeitende Frau vor allem im häuslichen Bereich tätig war. Während Melanie diesen Schritt später aus finanzieller Not wagt, arbeiten Lene und Stine bereits in jungen Jahren zu Hause als Plätterin und Näherin. Proletarische Frauen entwickelten ein völlig anderes Selbstbewusstsein als die Bourgeoisie, die bisher vorgestellten Geschlechterrollen wurden bezüglich der Frauenarbeit modifiziert, sodass sie ihr Leben selbst finanzieren konnten - zumindest theoretisch, denn die Löhne der Frauen waren weitaus geringer als die der Männer. Dennoch waren sie dadurch weniger abhängig vom Mann waren.[52] Dies zeigte sich auch in einer veränderten sexuellen Moral, die in den beiden Werken deutlich wird. So sagt beispielsweise Frau Dörr zu Lene: „Kind, es schad’t nichts. Eh man sich’s versieht, is man alt“.[53] In der Ehe zählen Werte wie Zuverlässigkeit und Tüchtigkeit statt Schönheit und Gehorsam. Ein außereheliches Verhältnis, wie es sowohl Frau Dörr als auch Pauline Pittelkow unterhalten, kann zu finanzieller Unabhängigkeit führen und damit eine Frau zur ‚guten Partie‘ machen. Diesen beiden Protagonistinnen wird in einem eigenen Kapitel Aufmerksamkeit geschenkt. Nun soll es zunächst um Lene und Stine gehen.

Lene wohnt gemeinsam mit ihrer Pflegemutter, der alten Nimptsch, zur Miete auf dem Gärtnereigrundstück des Ehepaars Dörr. Sie ist „ein Wesen sui generis“,[54] nicht aufgrund ihres Äußeren wie die bisher vorgestellten Frauenfiguren, sondern vielmehr aufgrund ihres inneren Wesens. Lene hat „aschblonde[s] Haar“ (IW 327) und ist „durchaus nicht klein“ (IW 395), sie ist „propper und fleißig un kann alles und is für Ordnung un fürs Reelle“ (IW 322). Sie entspricht also nicht dem klassischen morbiden Frauenbild wie Melanie, Effi und Cécile, sondern ist tüchtig und kann den Haushalt mit ihrer Arbeit tragen. Gemeinsam ist diesen Frauen jedoch die geringe Bildung, was bei Lene jedoch vor allem auf die fehlenden finanziellen Möglichkeiten zurückzuführen sein wird und weniger auf die Erziehung. Vor allem zeichnet sich Lene aber durch eine besondere Natürlichkeit und Ehrlichkeit aus und ist „‚[…]von Jugend an daran gewöhnt, nach ihren eigenen Entschlüssen zu handeln, ohne viel Rücksicht auf die Menschen und jedenfalls ohne Furch vor ihrem Urteil.‘“ (IW 442)

Dieses naturhafte Wesen fasziniert auch Botho von Rienäcker, ein Baron aus verarmendem Hause. Das junge Paar begegnete sich während eines Ausflugs. Recht schnell entwickelte sich daraus eine „echte Liebesgeschichte“,[55] denn „zieren und zimperlich sein“ (IW 331) konnte sich Lene nie. Die Mesalliance verläuft glücklich. Sowohl die alte Nimptsch als auch Frau Dörr sind von Botho angetan und halten ebenso wie Lene wenig von gesellschaftlichen Konventionen. Frau Dörr stellt das persönliche Glück über die geltenden Wertvorstellungen. Was hier zählt ist Menschlichkeit, nicht Stellung. Das Paar verbringt glückliche Stunden in der Gärtnerei und der Umgebung. In Bothos Augen ist Lene gleichermaßen Sinnbild von Gefühl wie von Vernunft.[56] Er bringt dies mit folgenden Worten auf den Punkt:

‚Jeder Mensch ist seiner Natur nach auf bestimmte, mitunter sehr, sehr kleine Dinge gestellt, Dinge, die trotzdem sie klein sind, für ihn das Leben oder doch des Lebens Bestes bedeuten. Und dies Beste heißt mir Einfachheit, Wahrheit, Natürlichkeit. Das alles hat Lene, damit hat sie mir’s angetan, da liegt der Zauber […].‘ (IW 404)

Botho erkennt ihre Einzigartigkeit, vergisst darüber hinaus sogar seinen Stand und gibt sich seiner Liebe hin. Die Gärtnerei und die Stunden mit Lene reißen ihn aus seinem Alltag heraus, gemeinsam leben sie jenseits aller Konventionen. Dennoch ist es vor allem Lene, die ihre gemeinsame Zukunft genau daran zerbrechen sieht:

‘Glaube mir, daß ich dich habe, diese Stunde habe, das ist mein Glück. Was daraus wird, das kümmert mich nicht. Eines Tages bist du weggeflogen. [...] wegfliegen wirst du, das seh‘ ich klar und gewiß. Du wirst es müssen. Es heißt immer, die Liebe mache blind, aber sie macht auch hell und fernsichtig. (IW 345)

Sie leben einen Traum, der wahr werden könnte, wäre Lene eine Gräfin, doch sie ist nur vielleicht eine Prinzessin.[57] Stattdessen sieht Bothos Mutter eine Heirat mit einer Cousine für ihren Sohn vor. Hierbei geht es natürlich nicht um Liebe, sondern um das Retten des familiären Vermögens. Um den Erwartungen und Munkeleien zu entkommen, begibt sich das Paar auf eine Landpartie zu Hankels Ablage. Lene kann ist glücklich, denn sie können ihr Verhältnis frei zeigen. Die eigentliche Liebesnacht wird von Fontane allerdings wieder ausgespart, es heißt lediglich Lene erlebe einen Moment „höchsten Glücks“ (IW 387). Es geht schließlich sogar so weit, dass Botho sich durch eine Haarsträhne an sie bindet. Wird dieses Symbol zunächst lediglich durch Lenes Aberglauben bedeutungsträchtig, erweist sich das Sprichwort ‚Haar bindet‘ (vgl. IW 379) als wegweisend für die Geschichte: Die „Vertreibung aus dem Paradiese“ (IW 388) lässt nicht lange auf sich warten.

Schon bald stoßen drei Freunde Bothos mitsamt ihrer Mätressen dazu. Wie es in dieser Freundschaft üblich ist, wird an diesem Tag ein Spiel gespielt, auf das sich Botho sofort einlässt: Man hat sich Namen aus Schillers Johanna von Orleans zugelegt und so wird Lene nun zur Agnes Sorel. Agnes Sorel war die erste Mätresse des Königs von Frankreich. Hat Botho ihr den Namen vermutlich spontan verpasst, steckt aus Fontanes Sicht sicherlich Kalkül dahinter. Volker Dörr verbindet mit dieser Figur reine natürliche Weiblichkeit. Sie sei „irdisch und schwach, […] ganz dem Geliebten hingegeben und für ihn aufopferungsfähig“.[58] Ob diese Schilderung auf Lene zutrifft, ist jedoch eher fraglich.

Fortan ist es vorbei mit der Einsamkeit, Lene sieht sich nun umgeben von etwas zwielichtigen Mätressen, mit denen sie auf eine Stufe gestellt wird, obwohl sie selbst schon bei dem Anblick einer etwas anzüglichen Lithographie auf dem Zimmer erschrocken war. Doch diese Damen sind es, genauer ‚Königin Isabeau‘, die den Unterschied in den Beziehungen feststellen:

‚Jott, Kind, Sie verfärben sich ja; Sie sind woll am Ende mit hier dabei‘ (und sie wies aufs Herz) ‚und tun alles aus Liebe? Ja, Kind, denn is es schlimm, denn gibt es ‘nen Kladderadatsch.‘ (IW 396)

Und auch diese Aussage ist vorausdeutend zu betrachten, denn nach der Rückkehr in die Stadt lässt das Ende der Liebschaft nicht lange auf sich warten. Bothos Mutter drängt zur Hochzeit mit der Cousine Käthe Sellenthin und Botho muss sich diesem Wunsch beugen. Fast ein Jahr dauert es, bis Lene sich erholt hat, doch in ihrer Natürlichkeit ist sie dankbar für die Zeit, die sie erleben durfte und zeigt Verständnis dafür, dass Botho sich den Konventionen gebeugt hat.

Ein Ende schließlich gibt es nicht, weder ein tragisches noch ein gutes. Beide haben standesgemäße Partner gefunden: Während Botho mit Käthe recht zufrieden ist, hat Lene sich mit Gideon Franke verlobt. Um das Vorleben seiner zukünftigen Gattin zu erfahren, begibt er sich zu Botho. Dieser ist gefühlsmäßig nach wie vor an sie gebunden, wie sie es beim Binden der Blumen mit ihrem Haar vorhergesagt hatte, spricht aber offen und in besten Tönen über Lene. Letztendlich weiß er: „Gideon ist besser als Botho“ (IW 475).

Lene und Botho haben eine Art Glück gefunden, doch eine „Bindung im Bereich unvermittelter Menschlichkeit, die sich für eine kurze Zeit abzeichnet“[59] wird nicht wiedergefunden. Das persönliche Glück musste hinter die Gesellschaft mit ihren Regeln und Normen zurücktreten. Es geht in Irrungen, Wirrungen nicht um ‚die Gesellschaft‘. Es geht um Botho und Lene, eine einzigartige, individuelle Verbindung. Obwohl Lene Konventionen und Standesordnungen durchaus kritisch betrachtet, tritt sie einen Kampf gegen diese gar nicht erst an.

„Stine, die blasse Titelfigur, die große Leerstelle des Textes“[60] wird häufig als Rückschritt im Vergleich zu Lene Nimptsch betrachtet.[61] Sie tritt in den Schatten ihrer überaus präsenten Schwester Pauline Pittelkow und selbst Fontane spricht dieser - nicht Stine - die eigentliche Hauptrolle zu. Beschäftigt man sich dennoch mit Stines Geschichte, so wird deutlich, dass hier zwar viele Parallelen zum Leben Lenes gezogen werden können, die eigentlichen Konflikte aber intensiver herausgearbeitet wurden.

Auch Stine stammt aus der Arbeiterklasse, verdient sich ihren Lebensunterhalt als Näherin und lebt mit ihrer Schwester und deren zwei Kindern zur Miete im Hause des Ehepaars Polzin. Sie wird als ‚blonde Germanin‘ vorgestellt:

[…] sie trug einen gewellten Scheitel, aber ihr Haar war flachsgelb, und die Ränder der überaus freundlichen Augen zeigten sich leicht gerötet, was, aller sonst blühenden Erscheinung und einer gewissen Ähnlichkeit mit der Pittelkow unerachtet, doch auf eine zartere Gesundheit hinzudeuten schien. (ST 483)

Stine ist der „Typus einer germanischen, wenn auch freilich etwas angekränkelten Blondine.“ (ST 483) Von ihrer Mutter wird sie als nicht besonders hübsch bezeichnet und auch Fontane selbst, der seine Romanfiguren meist nach seinen Vorlieben konzipierte, findet sie „nur soso“.[62] Die kränkliche Erscheinung wird jedoch durch Paulines Aussage „is gesund un propper“ (ST 544) relativiert. Ob dies an ihrer Arbeit, ihrer Umgebung oder an etwas anderem liegt, kann nicht eindeutig erschlossen werden.

Ihrem weniger perfekten Aussehen steht ihr inneres Wesen gegenüber: Stine hat sehr reine, unschuldige Moralvorstellungen. Sie tut nur, was sie vor sich selbst verantworten kann, denn am Sterbebett ihrer Mutter musste sie versprechen ‚auf sich zu halten‘ und dies scheint ihr ausgesprochen wichtig. Das Leben ihrer Schwester, die ihr Geld durch ein Verhältnis mit einem Grafen verdient, ist Stine zuwider. Sie verdient zwar als Heimarbeiterin weniger gut, doch die Arbeit ist für sie Teil des Lebens und nicht Last. Dies heißt jedoch nicht, dass sie Pauline verurteilt. Sie hat Verständnis dafür, kann es lediglich für sich selbst nicht mit ihren Moralvorstellungen vereinbaren.

Im vierten Kapitel lädt Pauline zum Soiree. Neben den Schwestern nehmen daran die Bühnendarstellerin Wanda, Graf Sarastro und dessen Neffe Waldemar von Haldern sowie Baron Papageno teil. Bezeichnenderweise verhält sich Stine zurückhaltend. Nicht weil sie zu schüchtern ist um an den Gesprächen teilzunehmen, es fällt ihr – ähnlich wie Lene - vielmehr schwer gehaltlose Konversationen zu führen. Zudem ist sie die Einzige, die das „Verletzende der Komödie“ (ST 492) bemerkt. ‚Die Komödie‘ meint vor allem die ständigen Intimitäten und Zweideutigkeiten von Papageno und Sarastro, von denen Stine weitgehend verschont bleibt.[63] Nur einmal wird sie von Papageno „eine reine Jungfrau“ (ST 503) genannt. Er glaube, „‚sie hat überhaupt den Schlüssel und schließt uns jedes Glück auf, vorausgesetzt, daß sie will‘“ (ST 498). Er greift damit ihre Intimität an und drückt gleichzeitig seine standesbedingte Überlegenheit aus, aber auch dass Stine trotz ihrer minderen Schönheit durchaus Anziehung auf Männer verübt. In den folgenden Stunden zieht sie sich weiter zurück und lässt sich nur durch das Aufführen der ‚Kartoffelkomödie‘ nochmals in die Runde integrieren. Auf diese Weise nähert sie sich dem jungen Grafen an, der ebenso schüchtern und in sich gekehrt erscheint. Dessen Interesse weckt sie durch ebendieses Verhalten, so dass er am folgenden Tag vor ihrer Tür steht.

Obwohl Pauline ein problematisches Ende prophezeit,[64] entwickelt sich langsam ein „Sommerspiel“ (ST 553). Stine macht jedoch deutlich, dass sie nicht geneigt ist, ein Leben wie ihre Schwester zu führen:

‚Sie mögen darüber lachen, aber ich bin ein ordentliches Mädchen, und ist keiner in der Welt, der hintreten und zu mir sagen kann: ‚Du lügst.‘ […] ich will mich lieber mein Leben lang quälen und im Spital sterben, als jeden Tag alte Herren um mich haben, bloß um Unanständigkeiten mit anhören zu müssen oder Anzüglichkeiten und Scherze, die vielleicht noch schlimmer sind. Das kann ich nicht, das will ich nicht. Und nun wissen Sie, woran Sie sind.‘ (ST 508)

Auch im Sinne Waldemar ist dies nicht und so wird diese Liebe „nie vor Dämmerstunde“ (ST 549), „immer bei Dagesschluß, […] grad als müßt‘ er die Betglocke läuten“ (ST 519) ausgetragen. Obwohl Stine sich den Konventionen gegenüber scheinbar gleichgültig zeigt, ist es ihr nun wichtig, dem Gerede auf der Straße aus dem Weg zu gehen. Offenbar bleibt auch sie nicht gänzlich von den für allgemeingültig erklärten Normen verschont. Dennoch ist Stine glücklich mit allem, was sie hat, woran wieder ihr genügsames Wesen deutlich wird.[65] Sie strebt nicht danach ein besseres bzw. anderes Leben zu führen, denn sie ist dankbar für ihre Arbeit und das Beisammensein mit ihrer Schwester. Sie ist durch und durch realistisch, Helmstetter nennt sie leidenschaftslos,[66] und so lässt sie sich nicht auf die Träume Waldemars ein, die er ihr während eines Heiratsantrages vorträgt.

Zunächst scheinen es identische Gründe zu sein wie bei Lene, die Stine zur Ablehnung des Antrags bewegen - zu wissen, es ist besser so. Es war ein Traum, dessen Ende vorher-bestimmt war. Pauline und Sarastro sprechen sich gegen diese Verbindung aus und planen, die beiden voneinander zu trennen. Soweit muss es jedoch nicht kommen, denn Stine folgt ihrer Vernunft und lässt sich nicht auf Waldemars Amerika-Pläne ein. Sie „käme [sich] albern und kindisch vor, wenn [sie] die Gräfin Haldern spielen wollte“ (ST 550) und verlangt ein sofortiges Ende, nachdem ihr Verhältnis an die Öffentlichkeit geraten ist. Auf diese Weise möchte sie auch den Grafen schützen: Einerseits vor sich selbst, denn er soll wieder frei sein und sie vergessen, andererseits vor der Gesellschaft, deren Ansichten anhand der Beschreibung von Waldemars Stiefmutter deutlich werden.[67] Stine selbst sieht sich ebenfalls nicht in der Lage, sich über die gesellschaftlichen Konventionen und Standesunterschiede hinwegsetzen zu können.

Waldemar schreibt Stine bald darauf, dass er ihr Verhalten für richtig hielte - es ist sein Abschiedsbrief. Danach vergiftet er sich. Obwohl er sie von einer Schuld frei gesprochen hat und sie sich der Richtigkeit ihres Handelns sicher ist, nimmt sie diese auf sich. Wie auch Effi und Cécile vor ihr, wird sie zum Opfer der Gesellschaft, da sie selbstlos eine platonische Liebe aufgab in dem Denken, es wäre das Beste für ihren Partner. Die Trennung hätte Stine wohl verkraftet, doch der Freitod Waldemars ist auch ihr Ende. Von seiner Beerdigung kehrt sie fiebrig und krank zurück und die Polzin stellt passende fest: „ Die wird nich wieder“ (ST 565).

Die Intention, die Fontane mit beiden Romanen verfolgt, wird an einer Aussage deutlich:

Wir stecken ja bis über beide Ohren in allerhand konventioneller Lüge und sollten uns schämen über die Heuchelei, die wir treiben, über das falsche Spiel, das wir spielen. Gibt es denn, […] noch irgendeinen gebildeten und herzensanständigen Menschen, der sich über eine Schneidermamsell mit einem freien Liebesverhältnis wirklich moralisch entrüstet?[68]

Er selbst, der zwar eher zu den Konservativen zu rechnen ist, vertritt einen liberalen Standpunkt bezüglich der außerehelichen Liebe:

Der freie Mensch aber, der sich nach dieser Seite hin [Ehe] zu nichts verpflichtet hat, kann tun, was er will und muß nur die sogenannten ‚natürlichen Konsequenzen‘, die mitunter sehr hart sind, entschlossen und tapfer auf sich nehmen. Aber diese ‚natürlichen Konsequenzen‘, welcher Art sie sein mögen, haben mit der Moralfrage gar nichts zu schaffen.[69]

Die Geschichten Lenes und Stines zeigen das Zerbrechen des individuellen Glücks an einer Gesellschaft, die nicht in der Lage ist ihre eigenen Konventionen zu relativieren, sondern stattdessen beharrlich an diesen festhält. Es ist ein Versuch, die Probleme der gesellschaftlichen Regeln aufzuzeigen, denen junge, tugendhafte Frauen zum Opfer fallen.

3.2.4 „Nebenfiguren sind immer das Beste“ - Frau Dörr und Pauline Pittelkow

„Nebenfiguren sind immer das Beste“[70] sagte Fontane einst. Da er damit in Bezug auf seine Romane durchaus richtig liegt, sollen nun auch zwei solcher Figuren betrachtet werden. Die fünf vorgestellten Frauenfiguren waren bis auf Lene nicht nur die Namensgeber der Werke, sie teilten auch das Schicksal in der Ehe unglücklich zu sein oder diese gar nicht erst eingehen zu können. Frau Dörr und Pauline Pittelkow hingegen leben anders. Die eine ist seit vielen Jahren verheiratet, die andere bekennt sich offen zu ihrer Mesalliance mit einem alten Grafen. Beide Protagonistinnen spielen eine erhebliche Rolle in den Romanen, sie bilden quasi ein Pendant zu den Hauptfiguren.

In Pauline Pittelkow sieht Fontane die eigentliche Hauptfigur in Stine. Mit ihr beginnt der Roman und ohne sie könnte er sich nicht entwickeln, denn in ihrer Wohnung spielen sich die ersten sechs Kapitel ab. Sie ist etwa dreißig Jahre alt, polnischer Herkunft, das Sinnbild für Exotik und vollkommen anders als ihre jüngere Schwester Stine. Wie sie trägt Pauline einen „koketten und wohlgepflegten Wellenscheitel“ (ST 477), jedoch wird sie im Gegensatz zu ihrer Schwester ganz objektiv als schön und reizvoll geschildert. Selbst beim Fensterputzen findet die Nachbarin Lierschen Laszivität und Anzüglichkeit in ihren Bewegungen. Ein wenig erinnern diese gegensätzlichen Beschreibungen von Stine und Pauline an Sulamith und Maria von Franz Pforr. Mit etwa zwanzig Jahren gebar sie nach einer „gewöhnliche[n] Verführungsgeschichte“ (ST 512) ihre Tochter Olga. Dank einer großzügigen Abfindung konnte sie sich wenig später „mit einem kreuzbraven Mann“ (ST 512) verheiraten. Nach dessen Ableben geriet sie in finanzielle Not, der sie durch ein Verhältnis mit dem Grafen Sarastro entfliehen konnte. Als die Lierschen zu Beginn des Romans feststellte: „sie [Pauline] kehrt sich an nichts“ (ST 477), hatte sie in Bezug auf diese Mesalliance recht. In Zeiten, in denen die doppelte Moral besonders stark ausgeprägt war, war ein solches Verhältnis keine Besonderheit, deckte sich aber dennoch nicht mit der gesellschaftlichen Moral.

Pauline „puste[t] was auf die Grafen“ (ST 521). Ganz objektiv erkennt sie die Standesunterschiede, aber sie weiß, dass diese nicht einfach zu überwinden sind. Während Sarastro ganz in diesem Sinne denkt, er wäre ihr Retter, meint sie nicht, ihm für irgendetwas dankbar sein zu müssen. Sie ist sich ihrer finanziellen Abhängigkeit von ihm und auch des daraus resultierenden Rufes bewusst, doch ist es in ihren Augen in erster Linie eine Möglichkeit Geld ‚zu verdienen‘:

‚[…]Sie nimmt ihr gegenwärtig Leben als einen Dienst, drin sich Gutes und Schlimmes die Waage hält; aber des Guten ist doch mehr, weil sie keine Sorge hat um das tägliche Brot.‘ (ST 512f.)

Friedrich unterstellt Pauline „Kaltschnäuzigkeit und Gefühlsarmut“,[71] aber er verkennt dabei ebendiese Tatsache: dass es eigentlich ein Arbeitsverhältnis ist. Pauline hat Gefühle, jedoch nicht dem Grafen gegenüber. Vor allem um sich selbst und ihr Selbstwertgefühl zu schützen ist sie schroff und kalt zu ihm, nennt ihn „[a]lter Ekel“ (ST 478) oder den ‚Ollen‘ (vgl. ST 479). Seine intimen Anspielungen weist sie rigoros zurück und mahnt ihn, wenn er sie vor der gesamten Abendgesellschaft „Mohrenkönigin, meine Königin der Nacht“ (ST 496) nennt. Es ist nicht das Drastische was ihr an dieser und ähnlichen Bemerkungen missfällt, sondern der Spott, den sie stets implizieren. Zu keiner Zeit lässt sie zu, dass er seine Überlegenheit in Stand, Bildung und Alter ihr gegenüber ausspielt. Sie benötigt keine Bestätigung von Dritten, sondern hat ihren eigenen Wert erkannt. Pauline bewahrt ihren Stolz und trotz ihrer finanziellen Notlage würde sie sich ihm nicht unterwerfen oder von ihm demütigen lassen. Die ganze Affäre basiert auf sozialen Motiven. Sie ist nicht käuflich, sie setzt auf Ordnung.

Man kann nicht sagen, dass sich Pauline Pittelkow der Gesellschaft widersetzt. Das zeigt sich in jener Szene, als der alte Graf zu ihr eilt um sie zu beschuldigen, sie hätte Stine in die Familie Haldern einheiraten wollen. Da muss der Graf erkennen, dass Pauline die mögliche Vermählung als Unglück für Stine - und eben nicht für Waldemar - erkennt. Eine Heirat mit einem Mann aus ihrem Stand würde sie eher zulassen, womit sie sich wiederum den Konventionen anschließt. Sie lebt nach ihren eigenen Regeln und legt keinen Wert auf einen guten Ruf oder besonderes Ansehen.

Ganz so verhält es sich mit Frau Dörr nicht. Sie ist „eine robuste, […] sehr stattlich aussehende Frau, die, neben dem Eindruck des Gütigen und Zuverlässigen, zugleich den einer besonderen Beschränktheit machte.“ (IW 320) Wie Pauline hatte auch sie ein Verhältnis mit einem Grafen, um einer finanziellen Not zu entgehen. Und ebenso „spricht [sie] davon wie von einem unbequemen Dienst, den sie getreulich und ehrlich erfüllt hat, bloß aus Pflichtgefühl“ (IW 343). Allerdings spielt dies im Roman eine weniger bedeutende Rolle als in Stine. In der erzählten Zeit ist sie bereits mit dem alten Dörr verheiratet,

eine Neigungsheirat, bei der die Vorstellung von einer besondren Schönheit seiner Frau mitgewirkt und ihr früheres Verhältnis zu dem Grafen, statt ihr schädlich zu sein, gerad umgekehrt den Ausschlag zum Guten hin gegeben und einfach den Vollbeweis ihrer Unwiderstehlichkeit erbracht hatte. (IW 324)

Dies sagt noch nicht sehr viel über Frau Dörr aus, sondern zeigt eher die Stellung ihres Mannes gegenüber der Gesellschaft. Was die Allgemeinheit als anstößig und unmoralisch empfunden hätte, macht für ihn einen besonderen Reiz aus. Seine Frau hingegen hat eher ihren gesellschaftlichen Ruf vor Augen, weswegen sie auch auf eine kirchliche Hochzeit bestand.

Andererseits hat auch Frau Dörr ihre Eigenheiten, die nicht mit den Konventionen konform sind. So hat sie jenes ‚Lieblingsthema‘, über das sie stundenlang zu plaudern weiß und ist vom Moralischen recht schnell gelangweilt. Weiterhin gesteht sie Lene das außereheliche Verhältnis zu. Sie ist hellauf begeistert von Botho, jedoch nicht aufgrund seines Adelsprädikats, sondern wegen seiner Menschlichkeit. Auch der Grafentitel ihres früheren Geliebten interessierte sie wenig. Frau Dörr hat ihre eigene Idee von Sitte und Moral und nur diese zählt für sie. Zwar ist ihr Bild stark vom gesellschaftlichen Ideal geprägt, doch sie weiß zu differenzieren: Menschlichkeit und das individuelle Glück sind in ihren Augen von größerer Bedeutung als die ausnahmslose Befolgung von gesellschaftlichen Konventionen.

Während die Heirat zugunsten eines guten Rufes kirchlich ausgetragen wurde, verhält sich Frau Dörr in ihrer Ehe völlig entgegen der Norm. Sie widerspricht ihrem Ehegatten, übergeht ihn und weist ihn manches Mal drastisch zurecht. Volker Dörr bezeichnet sie in ihrer Sprache sogar als männlich und geht so weit, dem Ehepaar ‚gender crossing‘ zu unterstellen. Obwohl sie sich ihm gegenüber so schroff verhält, steht es eigentlich anders:

Sie sprach […] ausschließlich von ihrem Manne, dabei regelmäßig einen Ton anschlagend, als ob die Verheiratung mit ihm eine der schwersten Mesalliancen und eigentlich etwas halb Unerklärliches gewesen wäre. In Wahrheit aber stand es so, daß sie sich nicht nur äußerst behaglich und zufrieden fühlte, sondern sich auch freute, daß Dörr gerade so war wie er war. Denn sie hatte nur Vorteile davon, einmal den, beständig reicher zu werden, und nebenher den zweiten, ihr ebenso wichtigen, ohne jede Gefahr von Änderung und Vermögenseinbuße sich unausgesetzt über den alten Geizkragen erheben und ihm Vorhaltungen über seine niedrige Gesinnung machen zu können. (IW 423)

Anders als Pauline will Frau Dörr den Konventionen entsprechen. Sie hatte aufgrund ihres Standes nur nicht immer die Möglichkeit dazu. Ob man in ihrer Ehe von Liebe sprechen kann, wird nicht ganz deutlich, aber sie ist zufrieden mit ihrem Mann. Fontane hat hier zwei verschiedene Frauenbilder entworfen, die jedoch eins gemeinsam haben: sie stellen ihr persönliches Glück über die Konventionen der Gesellschaft.

3.3 Zwei, drei oder mehr Frauentypen?

Auf den ersten Blick erscheint es, als würden sich Fontanes Frauentypen einander sehr ähneln. So würde es sich anbieten, diese thematisch zu gruppieren, wie es auch in dieser Arbeit erfolgt ist: Es gäbe eine Einteilung in Ehebrecherinnen (Melanie, Effi), Arbeiterinnen (Stine, Lene) und Nebenfiguren (Frau Dörr, Pauline Pittelkow, aber auch Wanda, Rosa oder die Tripelli). Einzig Cécile würde wohl eine Sonderstellung einnehmen.

Diese Vorgehensweise verfolgt auch die herrschende Meinung in der bestehenden Forschungsliteratur. Weber etwa stellt folgende Verbindungen her: Aufgrund ihres Erscheinungsbildes würden Frau Dörr und Pauline Pittelkow den ‚Typ Berlinerin‘ repräsentieren: Sie seien Ende dreißig, realistisch, derb, lebensfreudig und würden über ausreichend Lebenserfahrung sowie Kenntnis über Männer verfügen. Lene und Stine bezeichnet Weber als ‚die Schattenhaften‘. Für sie sei die Liebe zwar noch eine gänzlich neue Erfahrung, trotzdem wären sie für ihr Alter bereits verhältnismäßig reif und klarsichtig. Sie würden die Bereitschaft auf Verzicht sowie der Wunsch nach seelischer Gemeinschaft auszeichnen. Laut Weber leben sie einen „Traum mit offenen Augen“. Effi sei ‚die Bezaubernde‘ und Melanie ‚die Weibliche‘. Cécile wäre nach diesem Schema wohl in einem Bereich zwischen Melanie und Effi anzusiedeln: auch sie strahlt Weiblichkeit aus, ist schön und auf eine geheimnisvolle Art und Weise bezaubernd.[72]

Erler und Ziegler gliedern hingegen, in Anlehnung an Fontanes Werk, in Mathilden und Melusinen. Frau Dörr und Pauline seien in diesem Sinne Mathilden: emanzipiert, resolut und in Bezug auf ihr körperliches Aussehen und ihren Charakter ein wenig burschikos, was sich auch in der Ehe mit einem ihnen unterlegen zu scheinenden, Partner zeigen würde. Melu-sinen seien zauberhafte Wesen, die Anziehungskraft und überdurchschnittliche Attraktivität ausstrahlen würden. Sie seien ‚seelenlose Elementargeister‘ mit einer engen Bindung zu den Elementen. Auf der Suche nach Glück und Menschlichkeit, würden sie sich als liebesunfähig erweisen und schließlich unglückliche Verbindungen mit älteren Männern eingehen. Am Ende stehe in jedem Fall der Tod – „wo nicht körperlich, so im Liebestod der Entsagung.“[73]

Effi sei in dem Bild der Melusinen zu erkennen. Auch Melanie, Cécile und Stine könnten in einigen Aspekten wiedergefunden werden. Lediglich Lene fiele völlig aus dem Raster, da sie das Wesen der Mathilde und das der Melusine verbinden würde: Abgesehen von Melanie, die in jeder Hinsicht eine Sonderstellung einnimmt, ist sie die einzige, die nicht an ihrer Liebe zugrunde geht.

Auch eine Gliederung nach Standeszugehörigkeit oder Charakter der Figuren würde sich anbieten. Können diese sieben Individuen aber tatsächlich rigoros bestimmten Parteien zugeordnet werden? Zwar werden die Protagonistinnen in den vorhergegangen Kapiteln bereits gruppiert, aber sollte man tatsächlich von einzelnen Kategorien sprechen? Anhand der textimmanenten Charakterisierung wird einem bei genauerer Betrachtung klar, dass davon abgesehen werden sollte. Zwar erscheinen etwa Effi und Melanie oder auch Lene und Stine bei oberflächlicher Lektüre auffallend ähnlich, doch weisen sie ebenso prägnante Unter-schiede auf.

Melanie, Cécile und Effi zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche Schönheit und Liebenswürdigkeit aus. Sie repräsentieren die ‚Kindfrau‘ und damit das zu jener Zeit vorherrschende Frauenideal. Beide sind die Ehe eher im Sinne eines Tauschgeschäftes eingegangen.[74] Alle drei sind mit einem deutlich älteren Mann liiert, der ihnen gesellschaftlichen Aufstieg und finanzielle Sicherheit verschafft, während sie ihm als Prestigeobjekt dienen. So bringt die Ehe ihnen auch nicht das erhoffte Glück, nachdem sie sich sehnen und sie begehen - abgesehen von Cécile - Ehebruch.

Im Gegensatz zu ihren Leidensgenossinnen ist Melanie für eine Frau ihres Standes ungewöhnlich gebildet und erkennt, dass die gesellschaftlichen Konventionen kritisch zu hinterfragen sind. Sie erhebt Anspruch auf Individualität und setzt sich bis zu einer gewissen Grenze über die moralischen Vorstellungen der Gesellschaft hinweg. Obwohl sie lange unter den Folgen ihres Vergehens leidet, ist sie letztlich in der Lage ihr persönliches Glück zu finden und sich erneut in das gesellschaftliche Leben zu integrieren.

Effi hingegen hat in ihrer Kindheit wenig Bildung genossen. Sie wurde sehr stark von den Moralvorstellungen ihrer Mutter beeinflusst und steht den Normen vollkommen kritiklos gegenüber. Während Melanie von ihrer Reise mit Rubehn gestärkt und als erwachsene, reife Frau zurückkehrt, bleibt Effi ihr kindlicher, teilweise naiver Charakter erhalten. Obwohl sie gegenüber Innstetten vereinzelt Kritik äußert, ordnet sie sich ihm weiterhin unter. Der von ihr begangene Ehebruch erfolgt nicht aus Liebe, sondern aus Naivität und fehlender Standhaftigkeit. Sie empfindet Scham und geht an dem Bruch mit der Gesellschaft zugrunde, obwohl auch sie letzten Endes die rigorosen Regeln und doppelbödigen Tugendvorstellungen in Frage stellt.

Auch Stine und Cécile werden Opfer der Konventionen und ihrer Schuld. Cécile hat größere Ähnlichkeit mit Effi: Sie ist ungewöhnlich schön, dabei aber kindlich und ungebildet. Noch mehr als Effi ist sie bemüht, dem Frauenideal zu entsprechen und trotz ihrer Vorgeschichte Anerkennung zu finden. Sie hat es in ihrer Kindheit nicht anders von der Mutter vermittelt bekommen. Da für sie die Anerkennung der Gesellschaft von großer Bedeutung ist, endet auch ihre Geschichte im Tod.

Lene und Stine werden wie Melanie und Effi oft zusammengefasst. Der Rahmen stimmt überein: Beide sind Arbeiterinnen, nicht ausgesprochen hübsch und in eine Mesalliance verwickelt. Während Lene als natürlich, tüchtig und gesund beschrieben wird, ist Stine kränklich. Der bestehenden Konventionen sind sich beide bewusst, wobei sie unterschiedlich damit umgehen. Stine hat reine Moralvorstellungen und ist bemüht, einem Leben wie es ihre Schwester führt, zu entgehen. So kann man in ihrem Fall nicht einmal von einem Verhältnis mit Waldemar sprechen. Bauer nennt es eine „Episode“ in Stines Leben, was wohl am treffendsten ist. Mit dieser schließt sie aber ab, bevor sie zu einem schicksalhaften Ende führen kann. Ihr ist es wichtig, nicht dem Gerede der Gesellschaft zum Opfer zu fallen und so lässt sie eine Affäre gar nicht erst zu. Auch sie muss am Ende an dieser Entsagung sterben.

Lene hingegen hat in Botho ihre große Liebe gefunden. Sie sind glücklich liiert. Doch auch Lene und Botho ordnen sich und ihr individuelles Glück der ständischen Ordnung unter. Statt ihm heiratet Lene Gideon, mit dem sie zwar nicht das gleiche Glück wie mit Botho findet, aber Teil der Gesellschaft bleibt. Sie überlebt.

Pauline und Frau Dörr ähneln sich oberflächlich hinsichtlich ihrer proletarischen Herkunft, sowie durch ihre Widersetzung gegen die gesellschaftlichen Grenzen durch eine Mesalliance. Ihre Gemeinsamkeiten sind allerdings begrenzt. Pauline wird entsprechend ihrer ‚Tätigkeit‘ als Mätresse als schön und lasziv-reizvoll beschrieben, während Frau Dörr eine einfache Gärtnerin von stattlicher Figur ist. Sie wirkt männlich. Pauline „puste[t] was auf die Grafen“ (ST 521), lebt nach ihren eigenen Regeln und legt keinen Wert auf gesellschaftliche Anerkennung. Der Erhalt ihres Stolzes und die Bewahrung vor Demütigung sind ihr wichtiger, was auch an ihrer Umgangsweise mit dem alten Grafen zu beobachten ist. Frau Dörrs Einstellung zur Gesellschaft ist schwer ermittelbar: Einerseits hatte sie vor langer Zeit ein ähnliches Verhältnis wie Pauline, doch heiratete sie ihren Mann, um nicht Opfer der „Lästerallee“ (IW 346) zu werden und sich überall sehen lassen zu können. Inwiefern Liebe für sie in ihrer Ehe von Bedeutung ist, bleibt offen. Ihr Berliner Jargon und ihr energisches Auftreten lassen sie stärker und männlicher wirken als beabsichtigt. Auch wenn für Frau Dörr das Einhalten von Grenzen von großer Bedeutung ist, stellt sie Menschlichkeit und (Lenes) Glück über diese.

Grundsätzlich können zwischen allen Frauen Parallelen gezogen werden: Bei einigen gleicht sich der Stand, die anderen teilen ihre Stellung in der Gesellschaft und ihre Ansichten zu den Konventionen. Genauso kann nach dem Schicksal der Figuren geordnet werden. Für welche Einteilung man sich auch entscheidet, schlussendlich handelt es sich bei allen Frauen um Individuen. Jede geht mit ihrer Lebenssituation auf eine andere Weise um und alle werden früher oder später Opfer der Ständeordnung. Während viele daran sterben, finden andere ein neues Leben, welches aber - bis auf Melanie - bei keiner zu vollkommenem Glück führt.

[...]


[1] Für die Geschichten Melanies und Effis hat sich Fontane von wahren Vorkommnissen inspirieren lassen. Für Lene in Irrungen, Wirrungen wurde zwar keine reale Vorlage herangezogen, aber trotzdem fand sich auch in dieser Geschichte eine Dame karikiert. Vgl. hierzu Edda Ziegler, Gotthard Erler: Theodor Fontane. Lebensraum und Phantasiewelt. Eine Biographie. Berlin 1996, S. 212.

[2] Karen Bauer: Fontanes Frauenfiguren. Zur literarischen Gestaltung weiblicher Charaktere im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main u.a. 2002, S. 95.

[3] Cécile, Effi Briest, Frau Jenny Treibel, Grete Minde, Stine und andeutungsweise auch L’Adultera. Postum veröffentlich wurde Mathilde Möhring.

[4] Doris Maurer: Fontane und die Frauen. Von der femme fragile zur tüchtigen Person. Zum 100. Todestag von Theodor Fontane. (http://www.fernuni-hagen.de/imperia/md/content/gleichstellung/ heft23 maurer.pdf, 08.08.2010).

[5] An Paul und Paula Schlenther, Berlin, 06.12.1894. In: Fontane, Theodor: Werke, Schriften und Briefe, 5 Bde., hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. München 1982, Bd. 4, S. 405f. Diese Ausgabe wird im Folgenden mit der Sigle HF sowie Band- und Seitenangabe zitiert.

[6] An Colmar Grünhagen, Berlin, 10. 10. 1895 (HF 4, 487f.).

[7] Ziegler/ Erler 1996, S. 239.

[8] Mit diesen Worten beschrieb Henriette von Merckel am 19.03.1865 in einem Tagebucheintrag Fontanes Tochter. Vgl. Regina Dieterle: Vater und Tochter. Erkundungen einer erotisierten Beziehung in Leben und Werk Theodor Fontanes. Bern 1996, S. 124.

[9] An Mathilde von Rohr, Berlin, 26.03.1874 (HF 2, 456).

[10] Dieterle 1996, S. 290.

[11] Theodor Fontane: Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes, Bd. 2, hrsg. von Keitel, Walter und Nürnberger, Helmuth. München 1990, S. 713.

[12] Theodor Fontane: L’Adultera.. In: ders.: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes, Bd. 2, hrsg. von Walter Keitel, Helmuth Nürnberger. München 1971, S. 11. Das Werk wird im Folgenden mit der Sigle LA zitiert.

[13] Vgl. Hanni Mittelmann: Die Utopie des weiblichen Glücks in den Romanen Theodor Fontanes. Bern, u.a. 1980, S. 63.

[14] Als Melanie ihn von ihrer neuen Liebe in Kenntnis setzt, sagt er nur: „Und ich sage dir, es geht vorüber, Lanni. Glaube mir, ich kenne die Frauen. Ihr könnt das Einerlei nicht ertragen, auch nicht das Einerlei des Glücks“ (LA 97). In dieser verallgemeinernden Weise spricht er weiter. Selbst in dem Moment der Trennung kann er sie nicht als Person wahrnehmen.

[15] Dies sagt er ausdrücklich: „Ich will keine Leidenschaft. […] ich verlange keine Liebesgroßtaten von dir. Auch nicht einmal Entsagungen“ (LA 98).

[16] Sabina Becker: ‚Wiederhergestellte‘ Weiblichkeit, alternative Männlichkeit. Theodor Fontanes Roman L’Adultera. In: ‚Weiber weiblich, Männer männlich?‘ Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen, hrsg. von Sabina Becker und Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 134.

[17] Mareike Blum: „Das ist eben das, was man sich verheiraten nennt“. Zu zwei Frauenbildern bei Theodor Fontane. In: Kleine Lauben, Arcadien und Schnabelewopski. Festschrift für Klaus Jeziorkowski, hrsg. von Ingo Wintermeyer. Würzburg 1995, S. 99.

[18] Ebd.

[19] Becker 2005, S. 132.

[20] Else Croner: Fontanes Frauengestalten. Langensalza 1931, S 25.

[21] Vgl. Bauer 2002, S. 109.

[22] Blum 1995, S. 101.

[23] Dass sie in ihrem Spiel als leidenschaftlich, wild und waghalsig beschrieben wird, kann dies als erste Vorausdeutung auf das Kommende verstanden werden, denn hierin findet sich die Erklärung für den Ehebruch.

[24] Effi versteht unter dem Begriff ‚Liebe‘ eher Freundschaft: „Ich liebe alle, die’s gut mit mir meinen und gütig gegen mich sind und mich verwöhnen.“ (EB 34)

[25] Vgl. Bauer 2002, S. 130.

[26] Während sie in Hohen-Cremmen ist, wird ihr bewusst, „was ihr in ihrer Ehe eigentlich fehlte: Huldigungen, Anregungen, kleine Aufmerksamkeiten. Innstetten war lieb und gut, aber ein Liebhaber war er nicht.“ (EB 102)

[27] Mittelmann 1980, S. 51.

[28] „‚Bis Anniechen da war, warst du ein Kind. Aber mit einemmal…‘ […] ‚Mit einem Mal bist du wie vertauscht.‘ […] ‚Du hast was Verführerisches.‘“ (EB 122) sowie „‚Aber es ist, wie ich dir sage. Du hattest so was von einem verwöhnten Kind, mit einem Mal siehst du aus wie eine Frau.‘“ (EB 179).

[29] Im Spiel mit ihren Freundinnen äußert Effi: „‚so vom Boot aus sollen früher auch arme unglückliche Frauen versenkt worden sein, natürlich wegen Untreue.‘“ (EB 14)

[30] Christos Platritis: Die Darstellung der Frau in der Literatur des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Eine Untersuchung des Frauenbildes im Werk von Theodor Fontane, Hermann Hesse und Nikos Kazantzakis. Franfurt/ Main 2005, S. 8.

[31] Mittelmann 1980, S. 54.

[32] Vgl. ebd. S. 58.

[33] Blum 1995, S. 109.

[34] Theodor Fontane: Cécile. In: ders.: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes, Bd. 2, hrsg. von Walter Keitel, Helmuth Nürnberger. München 1971, S. 149. Das Werk wird im Folgenden zitiert unter Verwendung der Sigle CC und Seitenangabe.

[35] Vgl. hierzu Bettina Plett: Rahmen ohne Spiegel. Das Problem eines Betrachters bei einem „Mangel an Sehenswürdigkeiten“ in Fontanes Cécile. In: ‚Weiber weiblich, Männer männlich?‘ Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen, hrsg. von Sabina Becker und Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 161f.

[36] Sabina Becker: „Wer ist Cécile?“ Der „Roman einer Phantasie“: Theodor Fontanes „Cécile“. In: Jahrbuch der Raabegesellschaft, hrsg. von Ulf-Michael Schneider, Silvia Serena Tschopp. Berlin (u.a.) 2002, S. 141.

[37] „‚Übrigens wirkt sie katholisch, und wenn sie nicht aus Brüssel ist, ist sie wenigstens aus Aachen. Nein, auch das nicht. Jetzt hab‘ ich es: Polin oder wenigstens polnisches Halbblut.‘“ (CC 149)

[38] Vgl. Ariane Thomalla: Die ‚femme fragile‘. Ein literarischer Frauentypus der Jahrhundertwende. Düsseldorf 1972, S. 13.

[39] Becker 2002, S. 148.

[40] „Ihr Profil war von seltener Reinheit, und das Fehlen jeder Spur von Farbe gab ihrem Kopfe, darin Apathie der vorherrschende Zug war, etwas Marmornes.“ (CC 154)

[41] Becker 2002, S. 130.

[42] Ulrike Hanraths: Das Andere bin ich. Zur Konstruktion weiblicher Subjektivität in Fontanes Romanen. In: Theodor Fontane, hrsg, von Arnold, Heinz Ludwig. München 1989, S. 168.

[43] Dirk Mende: Frauenleben. Bemerkungen zu Fontanes „L’Adultera“ nebst Exkursen zu „Cécile“ und „Effi Briest“. In: Fontane aus heutiger Sicht. Analysen und Interpretationen seines Werkes, hrsg. von Hugo Aust. München 1980, S. 197.

[44] Bauer 2002, S. 170.

[45] Walter Müller-Seidel: Theodor Fontane. Soziale Romankunst in Deutschland. Stuttgart3 1994, S.191.

[46] Jürgen Blänsdorf: Begriff und Umfang des Themas femme fatale. In: Die femme fatale im Drama. Heroinnen - Verführerinnen - Todesengel, hrsg. von Jürgen Blänsdorf. Tübingen 1999, S. 8.

[47] Vgl. hierzu Mittelmann 1980, S. 42 sowie Müller-Seidel 1994, S. 193.

[48] Mittelmann 1980, S. 44.

[49] Ebd.

[50] Daragh Downes: Cécile. Roman. In: Fontane-Handbuch, hrsg. von Christian Grawe, Helmuth Nürnberger, Stuttgart 2000, S. 574.

[51] An Jesco von Puttkammer, Berlin, 20.01.1886 (HF 2, 451).

[52] Mittelmann 1980, S. 97.

[53] Theodor Fontane: Irrungen, Wirrungen. In: ders.: Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes, Bd. 2, hrsg. von Walter Keitel, Helmuth Nürnberger. München 1971, S. 332. Irrungen, Wirrungen wird im Folgenden mit der Sigle IW angeführt.

[54] Müller-Seidel 1994, S. 266.

[55] Bauer 2002, S. 201.

[56] Lene „hatte die glücklichste Mischung und war vernünftig und leidenschaftlich zugleich.“ (IW 455)

[57] Diese Idee kommt auf, denn Lene ist „ja bloß angenommen un is nich Ihr [Frau Nimptsch, N.R.] eigen Fleisch und Blut un vielleicht is es eine Prinzessin oder sowas“ (IW 322).

[58] Volker Dörr: „Denn Ordnung ist viel und mitunter alles“. Sprache und Geschlecht in Irrungen, Wirrungen. In: ‚Weiber weiblich, Männer männlich?‘ Zum Geschlechterdiskurs in Theodor Fontanes Romanen, hrsg. von Sabina Becker und Sascha Kiefer. Tübingen 2005, S. 196.

[59] Müller-Seidel 1994, S. 268.

[60] Rudolf Helmstetter: Die Geburt des Realismus aus dem Dunst des Familienblattes. Fontane und die öffentlichkeitsgeschichtlichen Rahmenbedingungen des Poetischen Realismus. München 1997, S. 160.

[61] Vgl. beispielsweise Müller-Seide, 1994 S. 270.

[62] HF 6, 326.

[63] „Beider [Papageno und Sarastro, N.R.] Intimitäten aber richteten sich ausschließlich an Wanda, weil sie vor den beiden Schwestern eine gewisse Scheu hatten, vor der älteren um ihres unberechenbaren Temperaments, vor der jüngeren um ihrer Unschuld willen“ (ST 498).

[64] „Er is man schwächlich, un die Schwächlichen sind immer so un richten mehr Schaden an als die Dollen.“ (ST 520); auch Stine selber: „sie hatte das bestimmte Gefühl, daß ihr nur Schweres und Schmerzliches aus dieser Bekanntschaft erwachsen werde“ (ST 513f.).

[65] „Ich bin glücklich, aber nicht wie die, welche die Not nicht kennen und immer nur gute Tage haben. Und ich bin auch nicht so glücklich wie die katholische Schwester, die mich letzten Winter in meiner Krankheit pflegte. […] Aber ich bin so gut dran wie gewöhnliche Menschen, die Gott schon danken, wenn ihnen nichts Schlimmes passiert.“ (ST 510)

[66] Helmstetter 1997, S. 153.

[67] „Sie war die stolzeste Frau weit und breit, […] vor der selbst die Halderns nur mit Mühe bestehen konnten, und der eine Schwiegertochter im Stile von Stine Rehbein einfach Tod und Schande bedeutete.“ (ST 541)

[68] An Theodor Fontane (Sohn), Krummhübel, 8.09.1998. Fontane, Theodor: Fontane. Werke, Schriften und Briefe. Abteilung IV. Briefe, Bd. 3. 1879 - 1889, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. München 1982, S. 559

[69] Ebd. S. 559f.

[70] HF 6, 326.

[71] Gerhard Friedrich: Die Witwe Pittelkow. In: Fontane-Blätter Bd. 3, Heft 2. Berlin 1974, S. 120.

[72] Vgl. Horst Weber: Fontanes Frauengestalten. In: Beiträge zur neueren Literatur, hrsg. von Horst Weber. Heidelberg 1985, S. 110 - 114.

[73] Vgl. Erler/ Ziegler 1996.

[74] Vgl. Mende 1980.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783955499280
ISBN (Paperback)
9783955494285
Dateigröße
946 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
2,1
Schlagworte
Effi Briest Irrung Wirrung Frauenrecht Frauenrolle
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Titel: "Weiber weiblich"? Frauenleben im Bismarck-Reich und Frauenrollen in ausgewählten Werken Fontanes
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