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Anbetung im Gottesdienst

©2010 Examensarbeit 66 Seiten

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit thematisiert die Anbetung Gottes und hinterfragt, inwiefern diese im Gottesdienst inszeniert werden kann.
Menschen erfahren an den unterschiedlichsten Orten Gottes Gegenwart. Damit einher
geht eine Ehrfurcht über eine Macht, die größer ist als man selbst und die man nicht zu kontrollieren vermag.
Diese Begegnung zwischen Gott und Mensch ist dabei stark persönlich bedingt und ereignet sich an verschiedenen Orten. Der Gottesdienst ist hierbei einer der drei Hauptorte der Begegnung, bei welchem der Mensch sich im Angesicht Gottes wiederfindet. Er ist mit dafür da, dass das scheinbare Unmögliche möglich wird, dass Gott anwesend ist und man „vor ihm steht“.
In diesem Zusammenhang greift der Autor dieser Arbeit die Problematik auf, dass die Dimension der Anbetung Gottes, im Verhältnis zum Gebet und der Fürbitte, zu wenig Raum findet und zu selten praktiziert wird. Demnach stellt sich die Frage nach der Inszenierbarkeit und Inszenierung von Anbetung im Gottesdienst. Hierzu wird sich zunächst mit den Grundkategorien von Anbetung im Gottesdienst auseinandergesetzt und der Schwerpunkt auf den Psalmen des Alten Testaments, als das Buch der Gebete, Lieder und der Theologie und im Neuen Testament auf die Evangelien gelegt. Anschließend erfolgt eine Untersuchung unterschiedlicher Konfessionen anhand erarbeiteter Kriterien nach „Inszenierungsmodellen“ von Anbetung im Gottesdienst. Abschließend wird sich mit der Frage nach praktischen Umsetzungsmöglichkeiten für den sonntäglichen evangelischen Gottesdienst auseinandergesetzt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3
ERFAHREN: ANBETUNG IN VERSCHIEDENEN TRADITIONEN
25
3.1
A
NBETUNG IN DER ORTHODOXEN
K
IRCHE
25
3.1.1
E
INHEIT VON HIMMLISCHEM UND IRDISCHEM
L
OBPREIS IM
G
OTTESDIENST
26
3.1.2
L
OBPREIS ENTSPRINGT EINER
O
RIENTIERUNG AN DEN TRINITARISCHEN
P
ERSONEN
27
3.1.3
L
OBPREIS ZWISCHEN
K
ATAPHATIK UND
A
POPHATIK
28
3.1.4
L
OBPREIS ALS
T
EILHABE AN DEN
E
NERGIEN
G
OTTES
28
3.1.5
L
OBPREIS UND
E
THIK
30
3.1.6
W
ÜRDIGUNG
30
3.2
A
NBETUNG IN KATHOLISCHER
T
RADITION
31
3.2.1
D
AS
S
ÜHNEOPFER ALS
T
EIL DER
F
EIER DER
E
UCHARISTIE
33
3.2.2
D
OXOLOGIE ALS
W
ORT UND
A
NTWORT
G
OTTES IM
L
OBOPFER DER
S
TUNDENGEBETE
34
3.2.3
D
IE ECCLESIA ORANS ALS
F
ORTSETZUNG DES
G
EBETS
C
HRISTI DURCH DIE
E
KKLESIA
35
3.2.4
W
ÜRDIGUNG
35
3.3
A
NBETUNG IN EVANGELISCHER
T
RADITION
36
3.3.1
D
IE NEUE
R
OLLE DES
W
ORTES
G
OTTES
­
DER
L
OBPREIS ALS
A
NTWORT
37
3.3.2
D
ER REFORMIERTE
,,L
OBPREIS DES
L
EBENS
" 38
3.3.3
W
ÜRDIGUNG
40
3.4
A
NBETUNG IN CHARISMATISCHER
T
RADITION
41
3.4.1
F
RÖMMIGKEITSGESCHICHTLICHE
E
INORDNUNG
41
3.4.2
D
ER
L
OBPREISGOTTESDIENST
42
3.4.3
D
IE
B
EDEUTUNG VON
L
OBPREIS UND
A
NBETUNG
43
3.4.4
B
IBLISCHE
G
RUNDLAGE VON
A
NBETUNG
44
3.4.5
W
ÜRDIGUNG
46
3.5
N
EUERE
F
RAGE
:
G
OTTESDIENST ALS
I
NSZENIERUNG
48
3.5.1
G
OTTESDIENST ALS
E
REIGNIS
:
VON
S
CHLEIERMACHER ZUR NEUEREN
F
ORSCHUNG
48
3.5.2
A
NBETUNG ALS
,,I
NSZENIERUNG
"
RELIGIÖSER
U
RSZENEN
49
3.5.3
P
ROBLEMATIK
50
4
ERNEUERN: ANBETUNG IM EVANGELISCHEN GOTTESDIENST
51
4.1
G
OTTESDIENST ALS
F
EIER
51
4.2
A
NBETENDE
H
ALTUNG AUFGRUND
G
OTTES
A
NWESENHEIT
53
4.3
W
ORT UND
A
NTWORT
54
4.4
D
IE
R
OLLE DES
A
BENDMAHLS
54
LITERATURVERZEICHNIS 56

1
1
Erleben: Anbetung in Gottesdiensten
1.1
Erlebnisbericht:
Während meines Theologiestudiums hatte ich das Privileg verschiedenste Gottesdienste
an verschiedensten Orten und Zeiten mitzufeiern. Aus evangelisch-landeskirchlichen
Verhältnissen kommend mit guter Predigt und guter Lehre, wurde mir erst mit
Verlassen des Elternhauses die Vielzahl liturgischer Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet.
Ich kannte die große Betonung des Bittgebets, breit ausformulierter Fürbitten, das
Leben aufnehmende Dankgebete. Ebenso vertraut waren mir die festen liturgischen
Stücke der Agende, gemeinsames Psalmensprechen und von der Orgel angeleitetes
Choräle singen. Als ansprechend empfand ich diese Liturgie nicht, eher als gewöhnlich
und doch unverstanden. Die Predigt war der Grund meines Gottesdienstbesuchs. In der
Predigt empfand ich ein Verständnis für die Glaubenstatsache: Gott ist für mich.
Im Studium besuchte ich verschiedene Gottesdienstformen. In manch'
landeskirchlichem Gottesdienst lernte ich mit der Gemeinde Psalmen zu singen. In
katholischen Gottesdiensten empfand ich den Gottesdienst wegen all den ehrwürdig
angehauchten Äußerlichkeiten, wie Bekreuzigen, Kniefall vor dem Tabernakel,
Weihrauch und Messdienern, als ehrfurchtsvolle Handlung vor Gott. In freien
charismatischen Gemeinden wurde mir während musikalischer Lobpreis- und
Anbetungsteilen Gottes Größe und meine eigene Unzulänglichkeit spürbar bewusst. Ich
konnte spüren: Gott, der Allmächtige, ist da.
Der Gottesdienst bekam durch diese Besuche eine neue Dimension. Nicht ein perfekt von
mir verstandener Gottesdienst mit brillanter Predigt wurde mir wichtig, sondern ein
Gottesdienst, den ich selbst nicht im Griff hatte, sondern mich ergriff und veränderte ­
ein Gottesdienst in dem ich erleben durfte: Gott ist da für mich!
Menschen erfahren an den unterschiedlichsten Orten Gottes Gegenwart. Damit einher
geht eine Ehrfurcht über eine Macht, die größer ist als man selbst, die man nicht in der
Hand hat. Sie erfahren eine Macht, die sich ihnen in seiner ganzen Größe letztendlich
entzieht. Diese Begegnung zwischen Gott und Mensch ist stark persönlich bedingt. An
unterschiedlichsten Orten ereignet sich jene Begegnung, immer eng mit der
Lebenswelt und der Lebensgeschichte verknüpft. Bei einer persönlichen Umfrage in

2
einem sozialen Internetnetzwerk unter Kommilitonen mit der Fragestellung ,,Wo
erfährst du: Gott ist da?" präsentiert sich dieses breit gefächerte Bild von Orten:
In der Arbeit; im Stellen von Fragen; im charismatischen Lobpreis; im anderen Christen;
in Gesprächen mit Atheisten; als roten Faden im Leben ­ nicht immer voraus aber im
nachhinein sichtbar ­ der durch alles durchträgt; in der Symmetrie und Perfektion; im
Umgang mit anderen Menschen; in christlichen Zeugnissen; durch Freunde; in
brenzligen Situationen;
wenn die ganze Natur mich anlacht und die Sonne scheint;
überall; in der Liebe zu Menschen, die man eigentlich nicht mag; in der Nächstenliebe
(bei Altenheimbesuchen und Jugendarbeit); in der Bibel; im Gebet; im
Nichtweiterwissen und Abgeben von Problem, im Loslassen von Hass, im Zugeben, dass
man selbst nicht mehr vergeben kann und dann merken, dass die Arbeit von Gott
weitergeführt wird.
Gott begegnet jeder Lebensgeschichte individuell. Gottes Wege sind nicht des
Menschen Wege. Es gelingt nicht, Gottes Wege in ein Korsett zu knüpfen und danach
zu wissen, wem Gott begegnen möchte. Trotzdem zeigen sich drei Hauptorte der
Begegnung: die Natur, der Mitmensch und der Gottesdienst.
1.2
Fragestellung: Lässt sich Anbetung inszenieren?
Es gibt die unterschiedlichsten Orte, an denen Menschen sich im Angesicht Gottes
wiederfinden. Der Gottesdienst ist einer dieser Orte. Wir feiern den Gottesdienst im
Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Der Name Gottes steht im Alten
Testament für seine Anwesenheit. Der Gottesdienst ist mit dafür da, dass das
scheinbare Unmögliche möglich wird, dass Gott anwesend ist, man ,,vor ihm steht". Alle
irdischen Unterschiede verblassen. Da kann es passieren, dass ein mächtiger Manager
in Ehrfurcht vor dem Allmächtigen neben und mit Straßenkindern seine kostbare Zeit
,,verschwendet" um ,,heilig, heilig, heilig" zu rufen.
In der faktisch erlebten Realität des Gottesdienstes erlebe ich oft Missstände. Meiner
Reaktion auf Gottes gnädiges Sorgen begegne ich ausführlich im Gebet und der
Fürbitte. Die Rufe nach Hilfe und auch der Dank für Gottes Eingreifen und Handeln
finden Raum. Aber die Dimension der Anbetung tritt zu kurz: Gott um Gotteswillen
anzubeten. Zwar gäbe es Orte in der Liturgie, die dafür vorgesehen sind, wie die
Abendmahlsfeier, das Gloria und das Gloria Patri. Doch so oft erlebe ich diese nicht als

3
lebendige Beispiele von Anbetung sondern eher als verblassende Schatten ehemaliger
Anbetungszeugnisse. Die Frage lautet also: Lässt sich in diese Gegenwart Gottes im
Gottesdienst hineinführen? Lässt sich Gott als gegenwärtig darstellen? Lässt sich
Anbetung im Gottesdienst inszenieren? Dass letztendlich Gott diese Anbetung
bewirken muss ist eine genauso wahre wie triviale Aussage. Aber: an welchen Orten
findet diese Anbetung statt, gibt es Grundvoraussetzungen für ,,gelungene Anbetung"?
1.3
Methodische Herangehensweise
Es stellt sich also die Frage nach der Inszenierbarkeit und Inszenierung von Anbetung
im Gottesdienst. Dazu möchte ich in einem ersten Schritt vom Vaterunser ausgehend in
der Schrift nach Grundkategorien von Anbetung im Gottesdienst suchen. Besonderer
Schwerpunkt liegt dabei im AT auf den Psalmen als dem Buch der Gebete, Lieder und
Theologie. Im NT liegt der Schwerpunkt auf den Evangelien. In einem zweiten Schritt
untersuche ich unterschiedliche Konfessionen anhand der erarbeiteten Kriterien nach
,,Inszenierungsmodellen" von Anbetung im Gottesdienst. Ich schließe mit der Frage
nach praktischen Umsetzungsmöglichkeiten für den sonntäglichen evangelischen
Gottesdienst.

4
2
Erglauben: Anbetung als Ziel
Um der Frage nach der Inszenierung von Anbetung gerecht werden zu können, ist es
nötig ,,zurück zu Quelle von Schrift und Tradition [zu kehren], um heilsamen Abstand
von der Verworrenheit des Lebens zu bekommen und den Horizont des Glaubens zu
erkennen"
1
. Erster Ansatz ist das Vaterunser, denn dieses findet sich in praktisch jedem
christlichen Gottesdienst jeglicher christlichen Konfession. So eint das geläufigste
Gebet der Christenheit die christliche Kirche bzw. Kirchen über alle Differenzen.
2.1
Das Vaterunser
Das Vaterunser, wie es im evangelischen Gottesdienstbuch wiedergegeben wird, geht
als fester Gebetstext auf Didache 8,1-3 zurück, der ,,in der Alten Kirche den
Taufbewerbern zum Einprägen ins Gedächtnis mündlich mitgeteilt wurde."
2
Durch seine
Elementarität und zugleich seine Umfassendheit half es den Glauben auszudrücken
und wurde zum ,,Grundgebet der Getauften"
3
. In der mündlichen Form geht es zurück
auf ein ,,ursprünglich beispielhaftes Vorbild für das Beten der Jünger Jesu"
4
, wie es in
Matt 6,9-13 und Lk 11,2-4 als Gebetsauftrag an die Jünger überliefert wird.
Das Gebet leitet sich durch die schlichte Anrede ,,Vater" ein. Anstelle der im jüdischen
Kontext vorkommenden Verbindung ,,Unser Vater, unser König", die ,,dem
herrscherlichen Regiment Gottes respektvoll Achtung"
5
erweisen möchte, drückt Jesus
mit der Anrede sein ,,tief gegründetes Vertrauen aus, wie es ein kleines Kind seinem
Vater gegenüber erweist".
6
Mit dieser Anrede ist der bestimmende Charakter des Gebets
der Jünger enthüllt. Wie Paulus in Röm 8,15 und Gal 4,6 rufen sie in der Kraft ,,des sie
erfüllenden göttlichen Geistes:
ajbba\ oJ path/r."
7
Stuhlmacher beschreibt: ,,im
Vaterunser werden die
maqhtai÷
an Jesu besonderem Gottesverhältnis beteiligt; sie
dürfen zu Gott beten wie ihr Lehrer auch!"
8
1
M
ÖLLER
, Praktische Theologie 18.
2
Gottesdienstbuch 25.
3
Ebd..
4
Ebd..
5
L
OHSE
, Vaterunser 27.
6
Ebd. Ferdinand Hahn geht davon aus, dass es sich hierbei um ipsissima vox Jesu handelt: s. H
AHN
, Hoheitstitel 475.
7
L
OHSE
, Vaterunser 27.
8
S
TUHLMACHER
, Biblische Theologie 87 (kursive Markierungen nachträglich eingefügt).

5
Darauf folgt das Gebet Jesu ­ ein Hymnus: drei ,,Du" Bitten als Aufgesang werden durch
ein dreifaches Schlusslob begründet. Dazwischen eingeschoben sind drei ,,Wir" Bitten.
Die ,,Du" Bitten orientieren sich an der ehrfürchtigen Anrede an den Gott des Himmels
und der Erde. Jesus nimmt in diesen Bitten die Gebetstradition Israels auf und
verknüpft darin die Heiligkeit des Gottesnamens und seine Königsherrschaft.
9
Die
,,Passivum divinum" Formulierung der ersten Bitte trägt der ,,ehrfurchtsfürchtige[n]
Redeweise Rechnung"
10
, indem sie Gott als eigentlich Handelnden andeutet. Lohse fasst
die ,,Du" Bitten zusammen: ,,In strenger Konzentration und prägnanter Kürze wird Gott,
der Vater in den Himmeln, angerufen, dass er sein Werk, dessen Kommen Jesus ansagt,
vollenden und seine Herrschaft über alle Welt sichtbar aufrichten möge."
11
Die ,,Wir" Bitten der betenden Gemeinschaft nehmen die eschatologische Dimension der
,,Du" Bitten mit in den Alltag der Gläubigen: Jesus lehrt die Jünger darum zu bitten, dass
sich der Herr der Zeiten auch der Belange des morgigen Tages annehme.
12
Dazu zählt
die täglich notwendige Brotration und Gottes Vergebung gleichermaßen. Die letzte
Bitte ersucht in eschatologischer Betrachtung Gottes Treue zu den Seinen angesichts
erschreckender Gefährdungen.
Der Lobpreis schließt die Reihe der Bitten ab. Das ,,denn" gibt der Doxologie ,,den Wert
einer Begründung [...] Weil Gott Weltherrscher ist, kann sich ihm nichts
entgegenstellen."
13
Zwar fehlt die Schlussdoxologie in den ältesten
Textüberlieferungen, dies bedeutet nicht, dass Jesus dieses Gebet ohne abschließenden
Lobpreis den Jüngern weitergegeben hat. Wie für das damalige Judentum üblich,
wurde das Vaterunser mit einem Lobspruch als sog. ,,Siegel" geschlossen, der vom Beter
frei formuliert werden konnte.
14
Der Verweis des ,,Siegels" der Didache auf Reich, Kraft
und Herrlichkeit verweisen wieder zum Anfang des Gebets: Gottes Name ist heilig ­
geheiligt werde dein heiliger Name!
15
J
EREMIAS
fasst das Vaterunser zusammen in dem Ausdruck ,,sich realisierende
Eschatologie. Diese Wendung bezeichnet die sich verwirklichende Heilszeit, die
vorweggeschenkte Vollendung, den Einbruch der Gegenwart Gottes in unser Leben.
9
Vgl. L
OHSE
, Vaterunser 30f.
10
AaO. 31.
11
L
OHSE
, 33.
12
Vgl. P
HILOMENKO
, Vaterunser 78ff: das einzige Adjektiv des Vaterunsers
e/piou/sioß
ist mit der Bedeutung ,,des
morgigen Tages" zu übersetzen.
13
D
ALMAN
, Worte Jesu 363.
14
Vgl. J
EREMIAS
, Abba 170.
15
Das Vorbild kommt wahrscheinlich aus 1Chr 29,11-13.

6
[Zusammenfassend lässt sich feststellen:] Wo Menschen es wagen im Namen Jesu ihren
himmlischen Vater in kindlichem Vertrauen zu bitten, daß er seine Herzlichkeit
offenbaren möge und daß er ihnen heute schon und hier schon das Lebensbrot und
die Tilgung der Schulden schenken möge, da verwirklicht sich schon jetzt, inmitten der
ständigen Bedrohung durch Versagen und Abfall, die königliche Herrschaft Gottes über
das Leben seiner Kinder."
16
Wo sich Gottes Herrschaft verwirklicht, da ist Gott schon jetzt
gegenwärtig. Wo Gott gegenwärtig ist, da wird Gottes Name geheiligt ­ da wird Gottes
Name als heilig erkannt, da wird Gott angebetet.
Im folgenden sollen fünf Kriterien für Anbetung herausgearbeitet werden: Gottes
Heiligkeit (,,geheiligt werde dein Name") und die Rolle des Menschen (Vater unser) fragen
nach dem Wesen der Anbetung. Die Kriterien des heilgeschichtlichen Ortes
(eschatologische Dimension) und des Festes bzw. Alltags (,,unser tägliches Brot") fragen
nach dem Ort von Anbetung. Letztes Kriterium ist die Hineinnahme in Jesu Gottesverhältnis
(,,Vater unser im Himmel") als Frage nach einem ,,System" von Anbetung. Die ersten vier
Kriterien werden hauptsächlich aus den Psalmen als der theologisch
alttestamentarischen Grundlage erarbeitet, die beiden abschließenden Kriterien stellen
diese Kriterien in Zusammenhang mit Gottes Offenbarung in Jesus Christus.
2.2
Anbetung als Proskynese vor dem Königsgott
Einer der zentralen Begriffe des neuen Testaments für Anbetung ist der Begriff der
Proskynese. Dieser leitet sich aus der Septuaginta vom Begriff
hwj
im Histaphel ­
,,verehren" her. Diese Wurzel bezeichnet ursprünglich eine Geste, bei welcher der Akteur
sich sanft auf seine Knie niederlässt, seine Hände ein bisschen vor den Knien auf die
Erde setzt und seine Nase und seine Stirn ebenfalls auf die Erde legt.
17
Diese Geste soll
den Abstand zum verehrten Objekt verdeutlichen, als absolute Unterwerfung im Sinne
eines Totstellreflexes, bei dem ,,das sich anschließend erhoffte Aufgestellt werden ein
Bestandteil des ganzen Vorgangs ist"
18
. Profaner und religiöser Gebrauch gehen in
diesem Begriff ineinander über. Mit dem Begriff verbindet sich ein
Absolutheitsanspruch des Angebeteten, so dass es bspw. bei der Anbetung des Königs
,,zum Hofstil [gehört], daß man einem neuen König zuspricht, es würden alle König ihm
huldigen"
19
. Im Kult wird
hwj
im Histaphel als Huldigung Jahwes verwand. Nicht nur der
16
J
EREMIAS
, Abba 171.
17
Vgl. P
REUß
, Art.
hwj
787.
18
AaO. 787.
19
AaO. 787f.

7
König huldigt Jahwe, sondern das ganze Volk und selbst fremde Völker werden ihn
nach Jes 45,14 Jahwe mit ihren Schätzen anbeten und als alleinigen Gott bekennen. Das
ganze Himmelsheer betet Jahwe an (Neh 9,6) als den Heiligen, als den Herrn der
Heerscharen.
20
2.2.1
Die altorientalische Königstheologie
Die Anbetung Gottes ist im Alten Testament eng mit dem Königtum verknüpft. Der
König galt im vorderen Orient als Repräsentant Gottes auf Erden. Er ist Mittler zwischen
Gott und Mensch. Das bedeutet, dass er sowohl die Gottheit auf Erden vertritt als auch
seine Untertanen vor den Mächten des Himmels.
21
Somit steht er nach außen für die
göttliche Herrschaft ein und bewahrt nach innen die göttliche Ordnung.
Davon ausgehend entwickelte sich in Israel die Jahwe-König-Konzeption, die als König
alleine Jahwe kennt, gemäß der zentralen Formel
Klm
hwhy
. Auf horizontaler Ebene im
Gegensatz zu allen Göttern bedeutet das: Jahwe allein ist König und Gott und jede
Anbetung anderer sogenannter Götter ist Abgötterei.
22
Andere Götter finden lediglich
als Untergötter einen Platz in der Anbetung Jahwes. Auf vertikaler Ebene herrscht
Jahwe über die ganze Erde, alle Völker, Zion und Juda, sowie die bedrückten Gerechten
und Frommen. Daraus ergibt sich ein System der Gerechtigkeits- und Rechtsordnung,
,,welches die göttliche und die irdische Ebene umgreift."
23
Die Königsherrschaft Gottes
geht einher mit der Gerechtigkeit des Armen:
24
Jahwe ist König, er verschafft den
personae miserae ihr Recht. Gese schließt aus dem Einstehen Gottes: ,,in der Errettung des
Frommen aus dem Tod offenbart sich die eschatologische Königsherrschaft Gottes."
25
,
das bedeutet ,,die Bekehrung der Welt [...], die Auferstehung der Toten, wenn auch noch
sehr zurückhaltend konzipiert als Erlösung zur kultischen Teilhabe an Jahwe, und die
Verkündigung dieser Heilstat in alle Zukunft."
26
Letztendlich braucht Israel keinen König, denn Jahwe ist ihr König. Die Aufgaben, die
typischerweise dem König des Alten Orients oblagen, werden statt vom irdischen König
von Jahwe direkt bewirkt. Der irdische König wird ersetzt und seine Amtsfunktionen
werden programmatisch in das Verständnis Jahwes und seines Königtums übersetzt.
Denn er ist der universale ,,Königsgott, der als Retter der Armen das eschatologische
20
Vgl. aaO. 790.
21
Vgl. S
CHMIDT
, Glaube 247.
22
So musste das Volk, das am Berg Sinai nicht auf Mose warten konnte und ein Stierbild anbetete, die Strafe
Gottes auf sich nehmen.
23
L
EUENBERG
, Konzeptionen 47.
24
S. Ps 10,16-18; vgl. J
ANOWSKI
, Konfliktgespräche 115f.
25
G
ESE
, Psalm 22 192.
26
AaO. 22 192.

8
Gericht durchführt (Ps149,5-9) und damit den neuen Himmel und die neue Erde bringt
(Ps 150). Diesem Königsgott gilt der Lobpreis, zu dem Ps 150 den neuen Kosmos ­ »alles,
was Atem hat« (V.6) auffordert und der [...] seinen Grund in der Güte und Barmherzigkeit
dieses Königsgottes hat"
27
.
Wo findet die Begegnung mit dem Königsgott statt, dass er angebetet werden kann?
Gott begegnet mit seiner
dwøbD;k
in der Schöpfung, und in seiner Andersartigkeit, seiner
Heiligkeit im Kult, in dem Gottes Ebene in die profane Ebene der Welt hinein bricht.
2.2.2
Schöpfungslob aus Ps 104
Das Alte Testament versteht unter Schöpfung sowohl creatio prima als auch creatio
continua als ein untrennbares Wirken Gottes durch sein Wort. Das Wort Anfang (Gen 1,1)
weißt nicht auf ein historisches Ursprungsdatum hin, sondern markiert ein
grundlegendes Geschehen ­
aÓrch/, in welchem die täglich gültigen Gesetze von Gott
gesetzt werden.
28
Gott wird als der Schöpfer gelobt, der die ganze Geschichte dauerhaft
zusammenhält, der seinen Segen gibt und Gerechtigkeit bewirkt. Natur und Geschichte
sind in der Schöpfung Gottes integriert. So zeigt sich schon im Aufbau der christlichen
Bibel beginnend mit Gen 1-3 schließend mit Apk 21 der konstitutive Zusammenhang
von Schöpfung und Erlösung.
Parallel zu Gen 1,1-2,4a beschreibt der Beter im Schöpfungshymnus Ps 104 in mehreren
Bereichen die gesamte Schöpfung als das große Haus des Lebens, das ganz ,,von Taten
Gottes getragen und beherrscht [ist], auf die alle Elemente und Kreaturen hin
ausgerichtet sind."
29
Die Richtung innerhalb der verschiedenen Bereiche des Kosmos
weißt von oben, dem Himmel, nach unten, den Menschen und Tieren, bis zum Meer.
Der Mensch erscheint nicht als Krone der Schöpfung. Mythologische Konzepte aus der
Umwelt Israels und ganz alltägliche Erfahrungen werden zueinander in Bezug gesetzt.
Sowohl Mythos als auch Geschichte werden von der Erfahrungswirklichkeit des
himmlischen Königs betrachtet. Selbst über das Chaos herrscht Gott, das zwar in die
Schöpfung integriert wird, aber dennoch böse bleibt und vom himmlischen König
bekämpft wird. ,,Die gesamte Schöpfung [...] ist zu Jahwe hin offen, sie ist absolut von
ihm abhängig, stirbt ohne ihn. [...] mit Jahwes
dwbk
liegt auf der Welt [...] der Glanz der
Königsherrlichkeit Gottes, [...] in der Frevler keinen Raum mehr haben."
30
Wenn die
dwøbD;k
Gottes anwesend ist, dann ist Gott anwesend.
31
Gott residiert innerhalb dieses Kosmos
27
J
ANOWSKI
, Konfliktgespräche 370.
28
Vgl. Ps 93,2-3: ,,von Anfang an bist du".
29
K
RAUS
, Psalmen 887.
30
AaO. 887.
31
Vgl. R
ENDTORFF
, Theologie 101. Vgl. a. Das Opfer in: 2.5.1.1 der vorliegenden Arbeit.

9
im himmlischen Bereich. Durch Ausgriffe auf Bereiche des Kosmos, zu denen der
Mensch keinen Zugriff hat, wird deutlich: Gott steht im Mittelpunkt dieser Welt ­ nicht
der Mensch. ,,In dieser Welt kann der Mensch auf die Taten und Gaben Jahwes nur
reagieren mit einem täglichen, abhängigkeitsbewußten Lob."
32
Gott ist mit seiner
dwøbD;k
anwesend ­ was kann der Mensch anderes machen als anzubeten.
2.2.3
,,Heilig, Heilig, Heilig" aus Jes 6
Wahrscheinlich besuchte Jesaja lediglich einen gewöhnlichen Tempelgottesdienst. In
diesem Gottesdienst, so wird in Jes 6,1-11 berichtet, geschieht die lebensverändernde
Begegnung mit der Heiligkeit Gottes. Dieser Gottesdienst ereignet sich in zwei
unterschiedlichen Dimensionen. In der einen Dimension findet ein gewöhnlicher,
öffentlicher Tempelgottesdienst zur Zeit des Königs Usija statt, bei der ein Priester im
Allerheiligsten das Opfer darbringt. In der anderen Dimension sitzt Gott auf dem Thron.
Diese zweite Dimension bricht in die erste hinein, so dass ,,alles, was an Zubehör zur
Tempelliturgie und zum Tempelraum gehört, völlig neu zum Glühen [gebracht wurde].
Nun sitzt nicht mehr bloß ein Hoherpriester auf dem Stuhl, sondern der Herr selbst, und
sein Saum füllt den Tempel. Nun sind nicht mehr bloß Seraphen auf der Lade, die dort
als hölzernes Gebilde symbolischer Zierat sind, sondern es sind himmlische Wesen mit
sechs Flügeln, die so laut die Heiligkeit Gottes ausrufen, daß die Schwellen des Tempels
erbeben und das Haus von Rauch erfüllt ist."
33
Die einzige Möglichkeit sich bei diesem
Anblick zu verhalten wäre, mit einzustimmen in das ,,Heilig, heilig, heilig ist der Herr
Zebaoth, alle Lande sind voll von seiner
dwøbV;k
." Das ist ihm nicht möglich. In diesem
gewöhnlichen Tempelgottesdienst erkennt Jesaja den Herrn und muss bekennen, dass
er ,,unreiner Lippen ist und wohnt unter einem Volk von unreinen Lippen."
Abschließend lässt sich sagen: Anbetung ist Proskynese vor dem Königsgott. Er wird
nicht angebetet, weil es nicht möglich wäre andere Götter anzubeten, sondern weil er
der einzige lebendige ist, der sich um die Ordnung ­ um die Belange der personae
miserae kümmert. Dafür muss dieser Gott als anwesend erkannt sein. Das ist er durch
seine
dwøbD;k
in Schöpfung und Kult. Höherwertige Anwesenheit findet bei Gottes
unerwartetem Einbruch in das Normale statt.
34
Hier erfährt der Mensch, dass er im
Angesicht Gottes anbeten muss, es aber nicht kann. So bleibt ihm ohne Gottes
Erhebung nur das Vergehen.
32
K
RAUS
, Psalmen 887.
33
M
ÖLLER
, Einführung 102.
34
Vgl. Hiob: Alle Klage Hiobs, jeder Vorwurf gegen Gott veranlasst diesen nicht zum einschreiten. Dieses kommt
unerwartet und heftig, in aller Macht der Schöpfung und des Chaos, so dass Hiob am Ende nur sagen kann: ,,Ich
hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen!" Hi 42,5.

10
2.3
Die Doppelbewegung von Erniedrigung und Erhöhung
Wenn sich ein Mensch bei der Proskynese vor dem König in den Staub geworfen hat,
dann war damit die Erhebung des Königs verbunden. Anbetung bedeutet eine
Doppelbewegung bzw. Doppelrelation zwischen zwei Parteien. Die anbetende Partei
erniedrigt sich selbst, indem sie sich in den Staub wirft. Die angebetete Partei erhöht
die Erniedrigte und spendet ihr so neu Größe. Schon in der Anthropologie zeigt sich
der Mensch zwischen den Polen Bedürftigkeit und Fähigkeit, so dass er erst im Lob
Gottes seine Bestimmung findet.
2.3.1
Der ganzheitliche Ansatz der Anthropologie des AT
In der Anthropologie des ATs ist der Mensch nicht einfach objektivierbar; ,,im Gespräch
mit Gott sieht sich der Menschen [vielmehr] in Frage gestellt, erforscht und damit viel
weniger festgestellt als zu Neuem berufen."
35
Daraus ergibt sich kein einheitliches
Menschenbild, sondern ein dialogisches: Der Mensch vor Gott. Wichtigster Unterschied
zu neuzeitlichen Menschenbildern ist die psychosomatische Einheit des Menschen: der
Mensch ist immer als ganzer im Blick und wird mit unterscherschiedlichen Aspekten
näher bestimmt. Er hat keine Seele, sondern er ist Seele und lebt als Seele.
36
Diese
Aspekte werden meist mit den unterschiedlichen Organen des Menschen beschrieben.
Die Kehle des Menschen
vRpn
zeichnet ihn als bedürftigen Menschen aus, der wie die
Kehle eines Verdurstenden nach frischem Wasser lechzt.
37
So ist er ein lebendiges
Wesen, dem von Jahwe das Leben gespendet wurde. Er wird ermächtigt durch Jahwes
Aj...wr
.
38
Diese Lebenskraft bevollmächtigt den Menschen mit seinen Begabungen, seinem
Geist als Organ des Erkennens, und seiner Willenskraft.
Ein anderer Aspekt des Menschen beinhaltet das Wort Fleisch
rDcD;b
.
39
Er ist Körper, lebt
darin in Verwandtschaft mit anderen Körpern. Er ist ein hinfälliger Mensch und so offen
für Sünde ­ Entfernung von Gott, das gebrochene Verhältnis zu Gott, das er aufgrund
seiner einzigartigen Freiheit wählen kann. Dieser Willensentschluss ist im Herz
bEl
des
Menschen verankert.
40
Sein Herz macht ihn zu einem vernünftigen Menschen, wobei
35
W
OLFF
, Anthropologie 17.
36
Vgl. aaO. 26.
37
Vgl. aaO. 26ff.
38
Vgl. aaO. 57ff.
39
Vgl. aaO. 49ff.
40
Vgl. aaO. 68ff.

11
Vernunft und Gefühl sich nicht widersprechen sondern zusammen agieren. Das Herz ist
in sofern das Personzentrum des Menschen. Hier trifft er seine Entscheidungen.
41
Somit steckt der Mensch in einer Spannung zwischen Bedürftigkeit und Ermächtigung,
zwischen Hinfälligkeit und Vernunft. Im Verweis auf Gott ­ im Lob Gottes findet der
Mensch die Lösung dieser Spannung.
2.3.2
Ps 8: ,,Was ist der Mensch?" ­ ,,Mit Ehre hast du ihn gekrönt!"
In Ps 8 bewundert der Beter in einer nächtlichen Sternschau den Zusammenhang seiner
Wenigkeit mit den ihn übersteigenden Mächten des Kosmos. Ausgangspunkt aller
anthropologischen Aussagen ist der Lobpreis, wie er in Vers 2a.10 konkret wird.
Inhaltlich wird in diesem der Mensch in einen größeren Zusammenhang verwiesen
wird, den er selbst nicht geschaffen hat. Über all dem thront Gott, in diesem Rahmen
betrachtet der Beter den Menschen. Der Lobpreis steht als grundlegende Basis vor und
hinter aller Suche nach Identität des Menschen.
ÔKVmIvoe ryâî;dAa_h`Dm
als rhetorische Frage und die Frage nach dem Menschen in Vers 5
beziehen ihre Antwort aus der Größe Gottes,
...wny´nOdSa hDwhy
. ,,Menschsein ist nach Ps 8 nur
in der Relation zum Gottsein Gottes zu bestimmen."
42
Das zeigt die staunende Frage in
Vers 5, die wie in Vers 2 unbeantwortet bleibt. Schon die Formulierung der Frage macht
wesentliche Aussagen über das Menschsein. Die Bezeichnung des Menschen als
vwønTa
,
die den (vor Gott) kleinen Menschen, das ,,Menschlein" betont, und der Gattungsbegriff
MdDa_NRb
, der ,,die Vergänglichkeit oder das Menschsein als solches konnotiert"
43
zeigen
den großen Abstand zwischen Gott und Mensch. Trotz dieses Abstands von Seiten des
Menschen präsentieren
rkz
und
dqp
Gottes Handeln als positiv, fürsorglich. Gott
gedenkt des Menschen, er erhebt ihn ,,in seine lebensspendende fürsorgliche
Gegenwart."
44
Vers 6a ist entscheidend:
rsj
bezeichnet nicht eine qualitative oder
ontologische Einordnung des Menschen aufgrund des Schöpfungsvorgangs, sondern
einen ­ meistens materiellen ­ Mangel,
45
wie in Ps 23,1: Jahwe ist mein Hirte, mir wird
nicht mangeln. Gott zeichnet den Menschen mit seiner materiellen Fürsorge aus. Wenn
der Mensch versorgt ist wie einer dieser niedrigen Götter
46
, dann mangelt es ihm an
41
Eindeutig wird der Aspekt des Herzens beim Blick auf Gottes Herz. Das ist der Ort der umwälzenden
Lebensentscheidungen durch sein bedingungsloses Erbarmen. Das ist ,,sein freier Liebesentschluß" (aaO. 9) auf
das der Mensch gerettet wird.
42
F
REVEL
, Menschwürde 250.
43
Ebd..
44
Ebd..
45
Vgl. F
ABRY
, Art.
rsj
88f.
46
Traditionsgeschichtlich ist hier an die mesopotamische Vorstellung zu denken, dass der Mensch geschaffen ist,
um die Götter von ihrer Arbeit zu entlasten, vgl. zum Überblick P
ETTINATO
, Menschenbild.

12
nichts. Der Mensch ist von Gott mit
dwøbD;k
und
rdDh
ausgestattet. Das hebt ihn königlich,
und neben Ps 93,1 und 145,5,11f sogar ,,gottköniglich" heraus. Vers 6 weißt eine
,,Demokratisierung der Königsvorstellung"
47
auf.
dwøbD;k
bezeichnet eine Anteilhabe an
Gottes
dwøbD;k
. Es geht um das, was der Mensch von Gott her ist. Das macht seine bzw. eben
Gottes
dwøbD;k
aus.
48
Daraus resultiert die von Gott aufgetragene, funktionale Herrschaft,
die die gesamte Schöpfung bis zur chaotischen Außenwelt umfasst.
49
Indem sich der Mensch auf die Herrlichkeit Gottes richtet, erkennt er diese als
unlösbaren Wert von Gott in sich. Nicht vom Blick auf sich selbst, sondern vom Blick
weg von sich auf Gott erfährt sich der Beter als Ordner der Ordnung Gottes. Da bleibt
nur Lob. ,,Im Gotteslob [...] ist der Mensch außerhalb seiner selbst, d.h. ganz bei dem, der
die ,,Quelle des Lebens" ist (V.10). Das ist eine Form von Theologie, die die
Geschöpflichkeit zum Maßstab für das Menschsein des Menschen macht und die die elementare
Angewiesenheit des Lebens auf alles, was ihm von Gott gewährt wird, nicht aus dem
Blick verliert. Nur so, lehrt Ps 36, lässt sich das Glück der Gottesnähe erlangen: aus der
Hand des Schöpfers, der seine Geschöpfe ­ Mensch und Tier! ­ mit seiner Gegenwart
beschenkt."
50
Indem der Mensch sich als Mensch erkennt, der als Mängelwesen ganz
von Gott abhängig ist und indem er Gott als Erfüller des Mangels erkennt, kommt er
zum Gotteslob.
2.3.3
Die Bestimmung des Menschen ­ Das Lob Gottes
Von der Schöpfung her ist der Mensch zum Lob Gottes bestimmt. Alle anderen
Bestimmungen des Menschen wie zu leben, lieben und herrschen
51
haben ihren letzten
Sinn darin Gott zu loben.
52
Dies geschieht in der Weise, dass der Mensch im Lob weder
glorifiziert noch als nichtig verkannt wird, sondern sein Wert gerade zwischen absoluter
Bedürftigkeit und eigener Fähigkeit bestimmt wird. ,,Wo das Lob Gottes ausfällt, hat der
Mensch die Spannung zwischen seiner Bedürftigkeit und seinen Fähigkeiten verkannt.
Da ist wieder der Unmensch nicht fern."
53
Im Lob Gottes relativiert sich die
Selbstverabsolutierung oder Selbstverleugnung des Menschen. Wo der Mensch Gott
47
F
REVEL
, Menschenwürde 254.
48
I
RSIGLER
, Frage 11.
49
Diese Herrschaft ist gemäß der altorientalischen Königsideologie zuerst als Ordnungsfunktion zu verstehen. Der
Auftrag richtet sich damit nicht gegen die Lebenswelt, sondern für sie.
50
J
ANOWSKI
, Konfliktgespräche 335.
51
Diese Bestimmungen arbeitet W
OLFF
neben dem Lob heraus: vgl. W
OLFF
, Anthropologie 321ff.
52
Jes 38,19 ,,was lebt, was lebt, das lobt dich!" weißt die Bestimmung des Mensch nicht dem Tode zu verfallen als
eng verflochten mit dem Lob auf. Der Herrschaftsauftrag möchte alle Werke der Schöpfung von König bis
Kinder zur Gemeinschaft des Rühmens verbinden. Dieser Verbund ist nur möglich wenn der Mensch im Lob
Gottes seiner Bestimmung ,,zu lieben und allen Haß zu überwinden" (W
OLFF
, Anthropologie 324) nachkommt.
53
W
OLFF
, Anthropologie 329.

13
lobt, da tritt er aus sich selbst heraus und tritt Gott gegenüber. Das Lob Gottes
bedeutet für den Menschen eine Doppelbewegung: Erniedrigung und Erhöhung. An
dieser Stelle ist allerdings nicht an einen Automatismus zu denken, so dass Erhöhung
auf Erniedrigung gefordert werden könnte, sondern an eine dialektische Verknüpfung:
die im Lob geschehene Erniedrigung erweißt sich als Erhöhung. Indem der Mensch sich
selbst erniedrigt und Gott erhöht wird er selbst erhoben. Diese ,,Relativierung"
ermöglicht dem Menschen einen Blick auf die Voraussetzung des Lebens, über die der
Mensch nicht verfügt.
Später wird zu zeigen sein, dass diese Doppelbewegung letztendlich eine trinitarische
Bewegung zwischen Vater und Sohn bzw. Sohn und Vater ist, an der der Mensch durch
den Heiligen Geist Anteil hat.
2.4
Lob Gottes in heilsgeschichtlicher Hinsicht
Wann immer der Mensch lobt, befindet er sich hier auf der Erde. Nicht immer muss dem
Menschen zu Lob zumute sein. Im Leben Jesu Christi sehen wir: Sowohl der hohe Berg
Tabor als auch der dunkle Garten Gethsemane sind doxologische Orte. Wie kann der
Mensch loben, ohne dabei seine Lebensumstände schlichtweg zu vergessen?
2.4.1
Klagelied, Loblied und Hymnus
In den Psalmen, dem Gebetsbuch der Bibel, wird Gott auf unterschiedliche Art gelobt.
Nicht immer muss dafür das Wort ,,loben" vorkommen. In allen großen Gattungen der
Psalmen, nach G
UNKEL
den Hymnen, Klageliedern des Volkes, Klageliedern des
Einzelnen, Dankliedern des Einzelnen und der ,,geistlichen Dichtung", finden sich
hymnische Elemente.
54
Der Hymnus hat zwar in seiner lobenden Funktionen einen
Vorrang vor den anderen Gattungen, er muss aber trotzdem im Kontext dieser anderen
Gattungen betrachtet werden.
Für diese Gattungen gelten Grundrelationen des Menschen, da er ,,nicht als isoliertes
Ich existiert, sondern in grundlegenden Konstellationen der Gesellschaft, in der er lebt
und handelt eingebunden ist"
55
. Das ,,ich" des Beters berücksichtigt die existenzielle
Dimension des einzelnen Beters, der in biologischen oder sozialen Nöten gefangen ist
und von Gott errettet wird. Der Mensch ist darin ein dependentes relationales Wesen,
das in der Schöpfung ohne Bezug zur Schöpfung schon tot ist. Gott als ,,du" soll den
Menschen in die Schöpfung hineinsetzen und ihn dort erhalten. Das ,,du" bezeugt die
54
Vgl. G
UNKEL
, Einleitung 27, 83.
55
J
ANOWSKI
, Konfliktgespräche 43.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783956845130
ISBN (Paperback)
9783956840135
Dateigröße
909 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Gott Glaube Vaterunser Proskynese Trinitarische Anbetung
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Titel: Anbetung im Gottesdienst
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