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Ich will raus: Co-Abhängigkeit als Sucht

©2005 Diplomarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Als ehemaliger selbst betroffener Co-Abhängiger wünschte sich der Autor eine Veränderung in seinem Leben. Da diese Krankheit und Sucht ihm jedoch lange Zeit gar nicht bekannt war, wusste er nicht, wo er anfangen sollte, sich seine Lebensqualität wieder zurückzuholen. Er stellt sich viele persönliche Fragen: Wie viel musste er noch in seinem Leben ertragen? Weshalb ist es so schwer, sein eigenes Verhaltensmuster zu erkennen, und wieso ist es so schmerzhaft, dieses auch wahr- und anzunehmen? Diese Fragestellungen standen am Anfang eines Prozesses, der durch denken und philosophieren allein nicht zu bewältigen war.
Die Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater hat dem Autoren dabei geholfen, seinem Leben eine neue Qualität zugeben. In Selbsterfahrung, Gesprächstherapie und Psychodrama (Rollenspiel) waren der Schlüssel zum seinem Ich verborgen. Ein Abenteuer vom Hier und Jetzt in die Vergangenheit und zurück in die Zukunft. Vom Selbstbild zum Fremdbild, vom Auftrag der Ursprungsfamilie hin bis zur Kündigung seiner Altlasten.
Mit dem vorliegenden Buch möchte der Autor nun anderen Betroffenen Hilfestellung geben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Die verlorenen Brüder

3. Wozu ist eine Familienaufstellung gut?

4. Raus aus der Co-Abhängigkeit

5. Die systemische Einstiegsschleife

6. Gefangen in der Co-Abhängigkeit

7. Meine Entwicklung als Kind

8. Meine als Jugendlicher und Erwachsener

9. Die Wende in meinem Leben

10. Die Liste meiner persönlichen Rechte

11. Meine Ausbildung zum Lebensberater (Prozessverlauf & Klientengespräch)

12. Mein Erlebnis als Praktikant auf der Psychiatrie

13. Der Patientenbrief von Frau Berner

14. Literaturhinweis

1. Vorwort

Wie viele *„saure Zitronen“ musste ich vom Schicksal noch bekommen, um endlich daraus für mich meine Ressource „Zitronenlimonade“ zu machen? Weshalb ist es so schwer sein eigenes Verhaltensmuster zu erkennen und wieso ist es so schmerzhaft auch hinzusehen? Fragen über Fragen die am Anfang meines Prozesses standen die aber nur mit Denken alleine nicht zu lösen waren.

*Dale Carnegie, Scherz- Verlag München 82. Auflage 1997-Seite 174

Meine Ausbildung zum Lebens- und Sozialberater hat meinen Leben eine neue Qualität gegeben. Selbsterfahrung (Gesprächstherapie) und Psychodrama (Rollenspiel), darin war der Schlüssel zum meinem „Ich“ verborgen. Ein Abenteuer vom hier und jetzt in die Vergangenheit und zurück in die Zukunft. Vom Selbstbild zum Fremdbild vom Auftrag der Ursprungsfamilie hin bis zur Kündigung meiner Altlasten. Auch meine Charakterfehler anzunehmen und diese in meine Persönlichkeit zu integrieren. Zuerst war ich umgeben vom Psychonebel der sich von Semester zu Semester nicht nur lichtete sondern sich im Laufe meines Entwicklungsprozesses auch auflöste. Eine meine Lieblingspersönlichkeiten Albert Einstein erkannte schon damals: „Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung. Alle Ressourcen, um ein Problem zu lösen sind immer im System. Jedoch lassen sie sich nicht auf der Selben Ebene des Denkens lösen, auf der sie kreiert wurden.

Am Anfang stand die Selbsterfahrung, mit der ich noch nicht bis gar nicht vertraut war. Was passiert da eigentlich und was hat das alles mit mir zu tun? Ich wurde auf meinen steinigen und sehr schwierigen Weg in meiner Selbstfindung der gezeichnet war mit meiner Wut, meiner Trauer und meinem seelischen Schmerz. Meine Therapeutin und Ausbildnerin Beate Kolouch hat mich von Anfang bis zum Abschluss meiner Ausbildung begleitet. Es sind sehr harte Stunden für mich gewesen und meine Erkenntnis daraus, meine fehlende Eigenliebe. Das hat sehr geschmerzt. Heute, bin ich sehr stolz auf mich, meinen Prozess auch durchgehalten zu haben und nur so ist es mir gelungen, meine fehlende Eigenliebe zurück zu holen. Der fehlende Baustein war mit meinem Verhaltensmuster so sehr verankert, dass ich auf mich selbst vergessen hatte. Wer bin ich und was sind meine Bedürfnisse? Darf ich überhaupt glücklich sein? Dieses Muster ist bzw. war meine Co- Abhängigkeit. Im englischen wird diese Krankheit als Co-Dependance formuliert. Genau übersetzt heißt es: „Mit- Abhängigkeit“. Diese „Mit- bzw. Co-Abhängigkeit“ ist das zentrale Thema meines Buches.

Es braucht Zeit und Abstand, um die eigene Persönlichkeit wieder zu finden und die Schritte zu verstehen, die zu meiner Co-Abhängigkeit geführt haben.

Im Alkoholmilieu meines Vaters, habe ich mich als ein Kind entwickelt in einem besonders beeinträchtigten Raum mit stark eingeschränkten Aussichten. Mein Vater der damals in Deutschland im braunen Sumpf aufwuchs, wurde von einem Nationalsozialistischen System ausgebeutet und seelisch missbraucht. Mein Vater der als Soldat im zweiten Weltkrieg an einer Front verwundet wurde, musste schreckliches Erfahren und miterleben. Der Tod gepaart mit Angst und Schrecken war der tägliche Begleiter meines Vaters als Frontsoldat. Mein Vater hatte es nie in seinem späteren Leben verkraftet, dass alle seine Hoffnungen und Visionen durch Adolf Hitler zerstört wurden. Er wurde wie viele andere auch, getäuscht und betrogen durch Verherrlichung des damaligen Systems. Durch eine Verwundung an der Front, wurde mein Vater in die Stiftskaserne nach Wien stationiert. In dieser Zeit, lernte er meine Mutter in Uniform im Währinger -Park im 18. Wiener - Gemeindebezirk kennen. Meine Mutter war vom Aussehen meines Vaters und noch dazu in seiner schicken Uniform hin und her gerissen. Im Jahr 1944, also ein Jahr vor Kriegsende, vermählten sich meine Eltern. Mein Vater hatte doch längstens erkannt, dass das Nazi-Regime dem Untergang geweiht ist. Er wollte aus dieser scheußlichen Welt aussteigen, doch so einfach war es für meinen Vater der von seinen Landsleuten als Fahnenflüchtling bezichtigt wurde nicht. Sich in der Masse der Wiener Bevölkerung mit deutschem Akzent zu verschanzen, war damals sehr gefährlich. Doch durch seine Kriegsverletzung, konnte er der Front fernbleiben. Wo er aber nicht fernbleiben konnte, waren seine eingebrannten Erlebnisse vom Morden und seiner Gefallenen Kameraden. Diese Traumatisierung, hatte er sein ganzes Leben lang in sich getragen. Meine Mutter Geschäftsfrau, hatte hingegen wieder ihren Pflegedürftigen Vater der im Rollstuhl gefesselt war zu Hause.

Auch er musste sich vor dem Regime als „sogenannter Krüppel“ aus Angst verstecken. Mein Großvater, konnte demnach diesen Druck der Hilflosigkeit und seiner Angst nicht mehr standhalten und nahm sich selbst das Leben durch Erhängen. Dieses Schicksal wiederholte sich bei meinem Vater, der durch Erhängen starb, sowie meine pflegebedürftige Mutter, die durch eine Krebskrankheit einige Monate später ihr Leben verlor.

Somit stand die Basis unserer Familiengeschichte unter keinem guten Stern. Meine Eltern hatten insgesamt drei Kinder, davon bin ich das Dritte. Das erste Kind Ingrid starb mit zehn Jahren an Nierenversagen. Es war für meine Eltern eine weitere zusätzliche Katastrophe und Bürde, die auf ihren Schultern lastete. Mein älterer Bruder Harry, hatte die Traumatisierung meiner Eltern in einer Art einer seelischen schädlichen Generationenüberschreitung als Kleinkind mitbekommen. Somit wurden die Rollen im Familiensystem an meine verstorbene Schwester, meinem Bruder und mir verteilt.

In dieser Zeit wuchs ich als stilles angepasstes Kind auf, war aber meinem Alter im Aussehen und vom eigenen Handeln voraus. Dadurch, bin ich zu einer Art «Eltern meiner Eltern» geworden. Ich war bereits in meiner Rolle gefangen und entwickelte mich zu einem Co-Abhängigen. Mein Bruder ist später genauso wie unser Vater an Alkoholismus schwer erkrankt. Sein Verhalten änderte sich so, dass wir Brüder auf einmal Feinde waren.

Vater & Sohn

Gut ist es, für den Sohn, wenn er werden darf, wie die Mutter,

und wenn er werden darf, wie der Vater.

Dann ist er frei, zu wählen,

das eine, oder das andere,

von Mutter und vom Vater.

Wenn er nicht werden darf,

wie die Mutter, wird er wie die Mutter.

Wenn er nicht werden darf,

wie der Vater, wird er wie der Vater,

aus Rache

gegenüber dem einen,

aus Loyalität

gegenüber dem anderen.

Und dann sucht der Sohn,

sucht in der Sucht,

findet aber nicht.

Aus diesem Grund, habe ich für meinen Bruder Harry der heute Mitte Fünfzig ist und auf dem besten Weg seiner Genesung ist, folgende kurze Geschichte niedergeschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Liebe Dein Bruder Christian

2. Die verlorenen Brüder

Vor gar nicht allzu langer Zeit lebten zwei Brüder namens Harry der Ältere und Christian der Jüngere mit ihren Eltern auf dem Kaasgraben-Hügel in Wien. Von außen gesehen, war die Familie die in einem kleinen Häuschen wohnte eine ganz normale Familie.

Doch eines Tages, wurde das Häuschen von einem dunklen Schatten überzogen. An diesem Tag, nahm das Schicksal seinen Unbarmherzigen Lauf. Da der Vater kein hiesiger Landsmann war, vermisste er immer, wenn familiäre Festtage vor der Türe standen, seine Heimat. Da er seine verlorene Heimat seit dem Kriege nicht besuchen konnte, durfte niemand in sein Heimatland ein- noch ausreisen. Das Risiko und die Gefahr für den Vater wieder in seine Heimat zurück zu kehren, war einfach zu groß. Um nicht zu von diesem Staat eingesperrt zu werden, versuchte er seine Heimat zu vergessen. Doch er konnte nicht vergessen und begann zu Trinken um zu vergessen.

Sein seelischer Schmerz wurde von Tag zu Tag immer größer. Da er ja auch noch den Verlust seiner über allesgeliebten Tochter Ingrid beklagte, verschlimmerte sich sein seelischer Zustand immer mehr. Die Tochter war sein erstes Kind, bevor die zwei Brüder die Welt erblickten. Der Vater hatte seine Tochter sehr geliebt, doch sie musste mit zehn Jahren nach einer unheilbaren Krankheit die Welt verlassen und sterben. Da der Vater nur mehr mit dem schmerzlichen Verlust seiner Tochter und mit seiner verlorenen Heimat beschäftigt war, hatte er ganz auf seine Ehefrau und auf seine zwei Söhne vergessen. Er trank weiter und weiter und immer mehr um zu vergessen.

Die Jahre vergingen und der Ältere seiner zwei Söhne Harry verließ mit 18 Jahren das elterliches Haus. Harry verließ seine elterliche Heimat und zog zu seinem Onkel und seiner Tante in der Hoffnung, dort den ersehnten verlorenen Vater in der Rolle seines Onkels vorzufinden.

Unter dessen, bemerkte der Vater von Harry viel zu spät, dass er jetzt einen seiner zwei Söhne verloren hatte. Sein Schmerz wuchs von Tag zu Tag, aber zum Glück, gab es ja noch den Jüngeren seiner zwei Söhne. Christian, war nämlich die letzte Chance für die Eltern, nicht noch das letzte Kind auch noch zu verlieren. Doch durch die viele Trinkerei des Vaters, schämte sich die Familie. Die weitere Folge war, dass das Vertrauen und der Respekt an den Vater verloren ging. Christian spürte, dass es weder Vater und Mutter damit gut gehe und er versuchte alles, um die Familie emotional noch zu retten. Während Christian mit der Rettungsaktion seiner Familie so beschäftigt war, hatte er auf sich selbst vergessen und wurde so zu einem Co-Abhängigen. Er hatte gelernt auf vieles im Leben zu verzichten um nur gut vor der Familie für die anderen dazustehen. Auch der ältere Harry schämte sich für seinen Vater und wollte einen besseren Vater auf den er aufschauen konnte. Doch das, konnte nicht einmal sein Onkel erfüllen und deswegen zog er auch von dort wieder weg.

Die Jahre vergingen und die verlorenen Brüder wurden immer älter. Harry hatte nach seiner Enttäuschung den gefundenen Vaterersatz den er in der Person seines Onkels erhofft hatte, nicht gefunden. Harry war mit seiner Suche nach der Vaterrolle so beschäftigt, dass er seinen leiblichen Vater und seine leibliche Mutter ganz vergessen hatte. Wie sollte er auch eine Vaterrolle für seine Kinder übernehmen, wenn er nie erfahren dürfte, wie man seinen eigenen Vater liebt. Um zu vergessen, fing Harry an zu trinken und vergaß dabei seine Familie. Eines Tages, lernte Harry eine hübsche junge Dame mit Namen Renate kennen. Er verliebte sich sofort in ihr und die beiden zogen zusammen. Harry konnte endlich die Rolle seines verlorenen Vaters bei Renate ausleben.

In der Zwischenzeit verstarben die Eltern von Harry und Christian. Der jüngere war mit der Plage und der Mühe die Familie zusammen zu halten seelisch und körperlich am Ende. Christian spürte, dass in seinem Leben irgendetwas nicht stimmte. Harry wollte dagegen nur vergessen und machte mit Trinken des Vergessens weiter. Doch Christian erkannte, dass er nicht sein eigenes Leben lebte. Deshalb beschloss er eine * therapeutische Familienaufstellung zu machen. Er musste alle seine konservierten Gefühle aus seiner Kindheit noch einmal durchleben wie des Zornes und des Hasses sowie und auch die falsch verstandene Liebe seines Bruder der ihn dabei emotional nötigte und ausnutzte. An diesem Tage, begann Christian als erwachsener Mensch zu leben und zu handeln. Er konnte endlich seine unterdrückte Familien-Rolle aus seiner Kindheit ablegen. Der dunkle Schatten seiner Familie verschwand über Christian.

Harry hingegen, wurde von seiner jungen Dame verlassen und war jetzt nur mehr mit seiner Selbstvernichtung beschäftigt. Da er noch immer nicht seine Vaterliebe gefunden hatte, zog er sich erschöpft und gezeichnet vom Leben in sich zurück. Er zog sich so sehr in sich zurück, alle die ihm näher kamen, jagte er mit Hass und Zorn in die Flucht.

Harry hatte zwar noch seinen Bruder, aber wie soll er ihn lieben und schätzen, da er ja doch kein Vaterersatz für ich darstellte. Harry hatte nicht erkannt, dass Christian bereits ja selber vor seinen eigenen Bruder die Flucht zum Selbstschutz ergriffen hat.

Seit Christian seine Familiengeschichte (Familienaufstellung) aufgearbeitet hatte und seinem leiblichen toten Vater gedanklich und im Herzen verziehen hatte, lebt er heute in bescheidener Zufriedenheit.

Harry hingegen befindet sich nach einem Entwöhnungsaufenthalt in einer Klinik, auf dem besten Weg seiner Genesung.

Denn, aus zerbrochenen Steinen entsteht wieder ein Haus!

3. Wozu ist eine Familienaufstellung gut?

Hier finden wir mehrere Antworten. Unser ganzes Tun, Denken und Reden ist Dynamik. Jede Beziehung zu einem anderen Menschen oder zu einer anderen Sache nennen wir ebenfalls Dynamik. Die Grundmuster unserer gesamten Dynamiken werden in unserer Kindheit und Jugend in der Familie gelegt. Das heißt, viele Dynamiken in unserem späteren Leben finden ihren Ursprung in der eigenen Familie. Wir haben es dort so gelernt. Daher passiert es häufig, dass wir uns unserer Frau gegenüber so verhalten, wie unserer Mutter gegenüber und unserem Chef wie unserem Vater gegenüber. Will ich nun vorhandene Probleme mit meiner Frau lösen, hilft es oft zur Mutter zu sehen, will ich vorhandene Probleme mit meinem Chef lösen, hilft es zum Vater zu sehen. Die Lösungen finden wir auch hier oft im alten Familiensystem.

Allgemein lässt sich sagen, dass nichts aus sich selbst heraus entsteht. Alles ist nur existent in Dynamik. Kein Streit, keine belastende Beziehung und kein Leid entstehen nur aus sich selbst heraus. Alles ist miteinander in Resonanz. Diese Resonanz nennen wir Dynamik. Das Eine gibt das Andere, das Andere das Eine. Familienaufstellungen sind am besten dazu geeignet diese Resonanz und Dynamik sichtbar zu machen, was immer sich daraus dann auch entwickelt.

Ich beziehe mich in meiner Familienbeziehung auf den Anderen

Ohne Beziehungen, geht gar nichts. Also? Worauf sollte man sich denn sonst beziehen?
Es muss einen Bezug geben. Das hört man ja schon in dem Wort beziehungsweise.
Beziehen wir uns auf etwas, oder beziehen wir uns auf nichts? Und wenn, worauf?
Beziehen wir ein Haus oder beziehen wir eine Wohnung, hängt davon ab, worauf wir uns beziehen möchten. Worauf beziehen wir uns, in unserer Beziehung. Wenn man verliebt ist, reicht das gegenseitige Beziehen, aber was dann? Manche wünschen sich auch, ewig verliebt zu sein.

Das würde dann bedeuten, dass ich mich mehr auf den Anderen als auf mich beziehe.
Daher ist der Bezug zu mir bzw. die Nähe zu mir unangenehm. Also beziehe ich mich lieber auf jemand Anderen. Am besten auf jemanden, der mir angenehme Gefühle verursacht.

Dann bin ich abhängig, klammere und werde abgestoßen, oder besser, muss abgestoßen werden. Dann braucht es gleich einen neuen Partner, auf den man sich beziehen kann, denn man will und kann sich nicht auf sich beziehen, nicht einmal für eine Zeit.

Das dysfunktionale Spiel beginnt von vorne und das Rad dreht sich im Kreis. Die Frage: Wie lange noch? Wie viele Umdrehungen noch?

„Wenn ich meine Vergangenheit nicht kenne,

bin ich dazu verurteilt,

sie ständig zu wiederholen!“

Zitat aus der Suchtprävention

4. Raus aus meiner Co-Abhängigkeit

Als Co-Abhängiger unterstützte ich meinen alkoholkranken Vater bis zur eigenen Selbstaufgabe. Ich war nicht der Lage, die Aussichtslosigkeit meines Verhaltens zu erkennen. Selbst meine Mutter, konnte die Ausweglosigkeit nicht erkennen und demnach konnte sie sich nicht entsprechend dazu verhalten. Es kam so weit, dass ich als Co-Abhängiger mich selbst nicht mehr fühlen und wahrnehmen konnte zumindest in der Beziehung zu meinem Alkoholkranken Vater. Nicht nur ich alleine war vom meinem süchtigen Vater des Helfen Wollens Abhängig, meine gesamte Familie samt allen Angehörigen waren in der Co-Abhängigkeit gefangen.

Mein größter Schritt - „In Liebe loslassen“

und die Verantwortung anderer dort lassen wo sie hingehört!

Vergangenes in Frieden loslassen- bewusst und erfüllt in der Gegenwart leben- Raum schaffen für Neues!

Wie kommt es, dass ein Kind in die Co-Abhängigkeit hineinrutscht?

Die nächsten Seite zeigt die von mir erarbeitete (eigene Erfahrung) und dargestellte Einstiegsschleife meiner Erfahrung als Kind, als zukünftiger Co-Abhängiger einer dysfunktionalen alkoholbelasteten Familienstruktur. Diese Arbeit entstand von mir nach einer Selbsterfahrung- Therapiestunde wo meine Gefühlsebene voll mitschwingen konnte. Diese Einschätzung beruht in erster Linie auf meine emotionalen Erlebnisse und meiner Ausbildung zum Lebens – und Sozialberater.

5. Die systemische Einstiegsschleife

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

6. Gefangen in der Co- Abhängigkeit

Wenn Menschen in eine Suchtabhängigkeit geraten, sind sie nicht die Einzigen, die immer tiefer in den Strudel des Abhängigkeits- und Suchtprozesses mitgerissen werden. Da gibt es Familienangehörige, enge Freunde, Kollegen sowie das Arbeits- und Schulumfeld, welche unterschiedlich stark mitbetroffen sind. Das eigene Leben, Arbeiten und die eigene Person werden neben der Sucht des anderen völlig nebensächlich. Mit- Betroffene wollen helfen und stoßen an ihre Grenzen, reiben sich im Kampf gegen die Sucht auf und werden mitabhängig, also Co-Abhängig. Diese werden auch als „hilflose Helfer“ benannt.

Co-Abhängigkeit ist ein Gefühls- und Verhaltensmuster, das dem Betroffenen angelegt ist und das sich in einer dysfunktionalen Familienstruktur entwickeln kann. In einer Suchtbelasteten Familie besteht keine Kommunikation. Die Eltern sprechen kaum miteinander, oder wenn sie es tun, dann beschimpfen sie sich gegenseitig und haben im Laufe der Zeit bestimmte Kommunikationsmuster entwickelt und sich gegenseitig in Rollen hineingedrängt, die es nicht ermöglichen, befriedigend miteinander zu sprechen. Kinder sind häufig doppeldeutigen Botschaften der Eltern ausgesetzt. Vom Sucht-Abhängigen wie vom Co-Abhängigen Partner werden häufig „Halbwahrheiten“ bzw. Notlügen benutzt.

In einer dysfunktionalen Familie herrschen unausgesprochene Regeln, wie:

- Über Gefühle spricht man nicht!
- Seine Gefühle zeigt man nicht!
- Auftrag an die Kinder:
- Sei stark, gut und perfekt!
- Sei selbstlos!
- Sei nicht kindisch!

Die Wurzeln der Co- Abhängigkeit liegen in der dysfunktionalen Familienstruktur. Sucht bzw. auch Alkoholneigung eines Elternteils, kann sich auf das Verhalten des Kindes entscheitend für den Beginn und Verlaufes der Co-Abhängigkeit auswirken. Um innerhalb der Familie zu überleben, unterdrückt das Kind sein Leid. Die innerfamiliären Prozesswiederholungen begünstigen den Verlust des inneren Selbst des Kindes. Das betroffene Kind kann seine natürlichen Gefühle, seine eigene Vorstellungen und seine Bedürfnisse nicht ausleben. Das innere Kind geht verloren bzw. es wird vergessen. Um in eine dysfunktionalen Familie Überleben zu können, müssen Gefühle von dem eigenen Selbst weg um sein Leid nicht zu spüren verbogen werden. In einer Alkoholbelastenten Ursprungsfamilie spürt das Kind das irgendetwas nicht stimmt, aber es darf ja seinen Gefühle nicht trauen und schon gar nicht ausleben. Die Sucht eines Alkoholabhängigen Familienmitglied muss verheimlicht werden und darf die Außenwelt unter keinen Umständen erfahren. Es wird eine zu große Erwartung an das Kind gestellt, um die Probleme des Erwachsenen zu verstehen. Genau hier beginnt der weitere Missbrauch des Kindes, da die Generationengrenze überschritten wird. Das Kind soll sich verhalten wie ein Erwachsener und wird dadurch seelisch so sehr überlastet, dass es sich selbst nicht finden. Der Auftrag der alkoholbelasteten Familie lautet, Helfen und stützen, damit der Suchtkranke getragen werden kann. Durch dieses Tragen, wird dem Suchtkranken die Eigenverantwortung entzogen und den andern Familienmitglieder ja sogar auf die Kinder übertragen. Dies hat wieder zu Folge, dass dem Kind Schuldgefühle introjiziert werden. Das Muster der Abhängigkeit beginnt. Hat die Alkoholbelastete Familie mehrere Kinder, übernimmt jedes Kind eine bestimmte Rolle. Um sich weiterhin geliebt und bestätigt zu fühlen, übernehmen sie „freiwillig“ immer wieder die Rolle der Helfenden, so dass der Weg in die Co-Abhängigkeit leider gut vorbereitet ist. Die erworbenen Rollen werden in der Kindheit weiter ausgefüllt und sogar perfektioniert.

Provozierte Rollenmuster

Die Sucht- oder dysfunktionale Familie provoziert Rollenmuster, die besonders Kindern helfen zu überleben und sich zu bewähren:

- Die Rolle des Helden / der Heldin
- Die Rolle des schwarzen Schafes oder des „ausrangierten“ Kindes
- Die Rolle des stillen, fügsamen Kindes oder des Träumers
- Die Rolle des Clowns / Spaßmacher oder des „Maskottchenkindes“

Besonders charakteristisch für Co-Abhängige ist die Übernahme der Rolle „des Helden oder der Heldin“ in der Kindheit. Diese Rolle hilft Kindern, im dysfunk-tionalen Familiensystem in dem der Elternteil / beide Elternteile aufgrund des eigenen Suchtsystems ausfallen zu überleben und sich zu bewähren. Sie dienen dem nicht süchtigen Elternteil als Ersatzpartner, den Geschwistern als Ersatzvater oder Mutter. Diese Kinder sind überverantwortlich, sehr leistungsorientiert, wirken nach außen altklug und auf Anerkennung bedacht. Die Rolle bringt für das Kind „Vorteile“: Das, was es in der Familie nicht erhält, nämlich Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung, wird ihm von außen zuteil, allerdings nicht um seiner selbst willen, sondern aufgrund von erbrachten Leistungen. Nicht selten gelingt es einem solchen Kind, nach außen ein funktionstüchtiges Bild der Suchtfamilie zu vermitteln. Umgekehrt erhält es aus der Suchtfamilie die Rückmeldung: „Wir sind stolz auf dich! Auf dich ist wenigstens Verlass! Sei stark! Mach Du uns nicht auch noch Schande!“

Das schwarze Schaf oder das „ausrangierte“ Kind verinnerlicht das Chaos in der Suchtfamilie in sich selbst und lebt ein eigenes auffälliges und oft als „unangemessen“ empfundenes Verhalten aus, zum Beispiel Einnässen. Verhaltens-auffälligkeiten in der Schule, frühe Schwangerschaften und kriminelle Handlungen. Dieses Kind versucht, Beachtung, Aufmerksamkeit und Zuneigung zu gewinnen, hat für sich aber die Grundstimmung verinnerlicht:“ Ich gehöre nirgends richtig dazu.“ Dieses Kind ist häufig das zweite Kind innerhalb der Geschwister-konstellation.

Das stille, fügsame Kind oder der Träumer ist überwiegend das mittlere Kind in der Geschwisterreihe. Es lebt zurückgezogen, zieht weder positive noch negative Aufmerksamkeit auf sich und bleibt für Eltern und andere Bezugspersonen eher unauffällig. Die stillen Kinder sind problemlos, pflegeleicht und werden für dieses Verhalten gelobt. Sie versuchen, Konflikte zu vermeiden, akzeptieren Situationen wie sie sind und passen sich still an. Das Grundgefühl der stillen Kinder ist von Minderwertigkeitsgefühlen und Verlassenheit, von Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt.

Der Clown der Spaßmacher oder das „Maskottchen“ –Kind ist oft das letzt-geborene Kind der Geschwisterreihe. Es bringt durch seine lustigen Geschichten die Familie zum Lachen, nimmt Spannung weg und lenkt so von der unterschwelligen depressiven Grundstimmung innerhalb der Familie ab. Diese Kinder fallen als hyperaktive Zappelphilippe auf, sind aber dennoch sehr sensibel für familiäre Spannungen. Ihr Sinn für Humor und die Lacherfolge heben das Selbstwertgefühl.

[...]

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2005
ISBN (PDF)
9783956846694
ISBN (Paperback)
9783956841699
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
WKO Wirtschaftskammern Wien
Erscheinungsdatum
2014 (Januar)
Note
1,7
Schlagworte
Persönlichkeitsentwicklung Positive Schutzfaktor Provozierte Rollenmuster Sucht-Krankheit Co-abhängig

Autor

Christian Striesenow, Dipl. LSB, wurde 1963 in Wien geboren. Nach seiner Berufsausbildung zum Kaufmann in einem großen Wirtschaftsunternehmen entschied sich der Autor durch seine fachliche Qualifikationen und zahlreichen Ausbildungen, den Weg eines berufsbegleitenden staatlichen anerkannten Diplomierten Lebens- und Sozialberater einzuschlagen. Diese psychologische Ausbildung schloss er im Jahre 2005 an der WIFI-Wien erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende prägende Praktikanten- Erfahrungen als Gesprächstherapeut in einem Psychiatrischen Krankenhaus in Wien. Bereits während seiner psychologischen Ausbildung entwickelte der Autor ein besonderes Interesse am Thema der Co-Abhängigkeit. Als ehemaliger selbstbetroffener Co-Abhängiger will der Autor einen präventiven Beitrag dazu leisten, damit diese Krankheit und Sucht in unserer Gesellschaft besser verstanden wird.
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Titel: Ich will raus: Co-Abhängigkeit als Sucht
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