Lade Inhalt...

Electronic Word-of-Mouth und die Analyse der Partizipationsmotive im Web 2.0: Fallstudie zu Twitter

©2010 Bachelorarbeit 51 Seiten

Zusammenfassung

Die digitalisierte Welt befindet sich in einem neuen Zeitalter innovativer Entwicklungen und geht einher mit neuen Forschungsfeldern. Insbesondere der Einfluss von Mundpropaganda breitet sich rasant aus und hat mittlerweile einen hohen Stellenwert in Online Umgebungen. Immer mehr Empfehlungen über Produkte und Dienstleistung finden ihren primären Platz in virtuellen Meinungsplattformen und revolutionieren somit das Zeitalter des World Wide Web.
In diesem Buch werden für den interessierten Leser die Auswirkungen von eWOM sowohl für die Unternehmensseite als auch für die Konsumentenseite aufgezeigt.
Ein vertieftes Verständnis der jeweiligen Motive für das Schreiben und Lesen von Meinungen liefert vor allem wichtige Erkenntnisse für die Unternehmensseite. Darüber hinaus können wichtige Informationen zur Steuerung und Kontrolle interaktiver eWOM Prozesse gesammelt werden. Infolgedessen kann mit Hilfe einer detaillierten Analyse der jeweiligen Partizipationsmotive, die Kommunikation insbesondere im C2C Bereich erheblich verbessert werden. Des Weiteren besteht dadurch die Möglichkeit sämtliche Internetkanäle zu verfeinern und die Reichweite gezielt auszubauen.
Hinsichtlich der gewählten Fallstudie über Twitter konnten wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf eWOM gesammelt werden.
Das Verhalten der Internetnutzer und deren Partizipationsmotive gelten insbesondere in der heutigen Zeit als zentrale Untersuchungsgegenstände.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.2 Ausprägungsformen und Effekte

Die Ausprägungsform von WOM soll zunächst veranschaulicht und anschließend analysiert werden. Das Netzwerkkonzept soll dabei den WOM Prozess illustrieren. Nach Johnson Brown und Reingen (1987) sieht ein traditionelles Netzwerk wie folgt aus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Traditionelles Netzwerk (WOM)

Quelle: Johnson Brown , J./ Reingen , P. H. (1987), S. 351.

Dieses Soziogramm eignet sich gut zur Darstellung von WOM und gibt Auskunft über dessen Verbreitung zwischen verschiedenen Interaktionspartnern. Diese allgemeine Kommunikationsform in Netzwerken basiert auf den Überlegungen von Granovetter (1973). Er unterscheidet zwischen starken Beziehungen („strong ties“) und schwachen Beziehungen („weak ties“).[1] Starke Beziehungen äußern sich zum Beispiel zwischen B und C (z.B. zwischen Familienmitgliedern) oder zwischen E und F. Schwache Beziehungen existieren zum Beispiel zwischen A und D (z.B. zwischen Nachbarn) oder zwischen F und G. Das Soziogramm zeigt allgemein, wie sich Empfehlungen zwischen zwei Interaktionspartnern (z.B. zwischen A und B) im kleinen Umfang ausdehnen können und Bestandteil neuer Personengruppen werden (z.B. zwischen F und G).[2]

WOM umfasst somit eine Form der zunehmenden Verbreitung zwischen mehreren Personengruppen und kann sowohl mündlich als auch in Textform stattfinden.[3]

WOM wird des Weiteren in Input und Output unterteilt. Die Inputfunktion bezieht sich beim Konsument auf die Informationssuche vor dem Kauf der jeweiligen Produkte. Produktspezifische Meinungsbeiträge von Konsumenten werden als Input im WOM Prozess dargelegt. Die Outputfunktion äußert sich dementsprechend nach dem Kauf anhand der einzelnen Erfahrungen über das bereits gekaufte Produkt. Der Einfluss von Meinungsbeiträgen auf die Leser wird folglich als Output im WOM Prozess bezeichnet. Dieses Unterscheidungskriterium findet auch seine Gültigkeit bei eWOM.[4]

WOM kann sich durch zwei Wirkungsdimensionen äußern. Die erste Wirkungsdimension umfasst die positive Ausprägungsform von WOM und die zweite Wirkungsdimension beinhaltet folglich die negative Ausprägungsform.[5]

In einer Studie von East, Hammond und Wright (2007) wurde der Unterschied zwischen negativem und positivem WOM untersucht. Nach East et al. steht negatives WOM in Verbindung mit Konsumenten, deren Bedürfnisse nicht befriedigt wurden. Die Erwartungen der Konsumenten wurden demnach nicht erfüllt, so dass das jeweilige Produkt als negativ eingestuft wird. Oft werden auch Produkte kritisiert, die der Konsument selbst nie benutzt hat. Positives WOM hingegen bezieht sich immer auf aktuelle Produkte und Marken, welche aktuell im Besitz der jeweiligen Konsumenten sind. Hinzu kommt, dass positives WOM mit dem jeweiligen Marktanteil positiv korreliert und somit zur Folge hat, dass die Höhe des Marktanteils negatives WOM verdrängen oder zumindest reduzieren kann. Im Allgemeinen vollzieht sich positives WOM parallel mit dem Grad der Zufriedenheit und negatives WOM mit dem Grad der Unzufriedenheit der jeweiligen Konsumenten.[6]

In der Studie wurden die Faktoren Ausdrucksweise, Kategorisierung und Stärke von WOM vernachlässigt. Desweiteren wurden neutrale Antworten zu positivem und negativem WOM nicht aus der Befragung herausgefiltert. Insgesamt muss die Studie von East et al. durch zusätzliche Forschungsfelder erweitert werden um somit Forschungslücken zu schließen und Einschränkungen zu minimieren.[7]

Glaubwürdigkeit und Qualität sind wesentliche Faktoren für positives WOM. Konsumenten tendieren eher zu negativem WOM, wenn das jeweilige Produkt oder die jeweilige Dienstleistung ihre Glaubwürdigkeit verloren haben.[8]

Die Verbreitung von positivem und negativem WOM nimmt durch die globale Verbreitung des Internets drastisch zu. Dies hat zur Folge, dass sich negatives WOM viel schneller ausbreiten kann und somit einem Unternehmen auch mehr Schaden zufügen kann. Insbesondere erschwert sich dadurch jegliche Kontrollmaßnahme hinsichtlich der Verbreitung von negativem WOM.[9]

Brown, Broderick und Lee (2007) haben das traditionelle WOM Netzwerk von Johnson Brown und Reingen (1987) mit der globalen Online Community erweitert und somit den Fokus auf eWOM gesetzt. Nach Brownet al. (2007) lässt sich ein Online Netzwerk wie folgt veranschaulichen:

Abb. 3: Online Netzwerk (eWOM)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Brown , J./ Broderick , A.J./ Lee , Nick (2007), S. 12.

Diese Abbildung eignet sich gut zur Darstellung der Verbreitung von Empfehlungen im eWOM Prozess. Empfehlungen werden an eine Online Community gesendet und können ohne zeitliche Beschränkung in derselben Community gelesen werden. Darüber hinaus basiert eWOM auf formellen und emotionslosen Beziehungen, die sich lediglich auf den Austausch von Empfehlungen oder Meinungen beschränken.[10] Die Online Community fungiert als virtuelle Person, die Empfehlungen von Personen (z.B. Person A, G, E oder H) speichert und der ganzen Welt im Internet zur Verfügung stellt. Die Reichweite und die Effizienz von WOM werden folglich mit Hilfe von online Communities erhöht.[11] Dieser Sachverhalt wird in Abbildung 3 verdeutlicht.

Kieker und Cowles (2001) haben online WOM in zwei Arten eingeteilt: „Spontan“ und „Quasi Spontan“. Spontanes WOM erfolgt durch das individuelle Wissen der Konsumenten mit eigenen Hilfsmitteln (z.B. Email). Quasi-Spontanes WOM wird über ein fremdes Portal im Internet, zu dem die Konsumenten Zugang haben, initiiert.

Beispielsweise sind Weblogs von Unternehmen, virtuelle Communities und Foren wichtige Portale für Quasi-Spontanes WOM.[12]

Liu und Shrum (2002) betrachten eWOM aus einem anderen Blickwinkel, indem sie versuchen Interaktivität mit „Online Marketing Tools“ zu kombinieren. Demnach muss WOMM im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Nach Liu und Shrum sind „Synchronicity“, „Active Control“ und „Two-Way Communication“ die drei Dimensionen von WOMM. „Synchronicity“ beruht auf der Tatsache, dass die Kommunikation zwischen den jeweiligen Interaktionspartnern gleichzeitig erfolgt. Diese spezielle Art der Kommunikation findet meistens in diversen Internetforen und in chat rooms statt.[13]

„Active Control“ bezieht sich insbesondere auf das Engagement der Konsumenten. Internetnutzer entscheiden freiwillig was und wie sie etwas sehen wollen. Die Kontrolle über die vielen Informationen im Internet obliegt allein der Willenskraft der jeweiligen Konsumenten. Der Internetnutzer kann unerwünschte Informationen ausblenden oder die störende Internetseite jederzeit verlassen.[14]

Die letzte Dimension umfasst zwei unterschiedliche Wege der Kommunikation im Internet. Dieser „Two-Way Communication“ Prozess umfasst sowohl die nicht kommerziellen Nutzer virtueller Meinungsplattformen als auch die kommerziellen Nutzer. Demzufolge umfasst dieser Prozess den C2C und den C2B Bereich. Beispielsweise können Unternehmen mit potenziellen Kunden im Internet kommunizieren.[15]

WOM umfasst zahlreiche Effekte, wobei sich die einzelnen Effekte ausschließlich auf WOMM beziehen. Dem Thema entsprechend wird nur „virales Marketing“ als der Haupteffekt von WOMM erläutert. Dieser Effekt äußert sich sowohl im C2C Bereich als auch im C2B Bereich und fungiert insbesondere als Hilfestellung für die globale Verbreitung von zahlreichen Produktempfehlungen und Meinungen.[16]

Langner (2009) definiert virales Marketing wie folgt:

„Virales Marketing beschreibt das gezielte Auslösen von Mundpropaganda zum Zwecke der Vermarktung von Unternehmen und deren Leistung.“[17]

Informationen werden mit Hilfe von viralen Kampagnen wie ein Virus verbreitet. Das Ziel von viralem Marketing ist die unaufhaltbare Weiterleitung von Informationen oder Empfehlungen in sozialen Netzwerken und soll darüber hinaus soziale Epidemien auslösen. Der Ursprung liegt bei denjenigen, die Informationen zuerst weiterempfehlen und damit den Ausbreitungsprozess in Gang setzen. Wie ein richtiger Virus werden zahlreiche Konsumenten von der jeweiligen Marketingbotschaft angesteckt und verbreiten diese wiederum in weiteren sozialen Netzwerken aus. Virales Marketing steht für eine unaufhaltsame Verbreitung der jeweiligen Marketingbotschaft und löst darüber hinaus richtige soziale Epidemien aus.[18]

Im Allgemeinen betreibt das Virusmarketing eine offene Informationspolitik und setzt des Weiteren wichtige Anreize zur Weiterempfehlung. Als wichtigste Rahmenbedingung gelten die aktuell bestehende Kommunikationsnetze und Verhaltensmuster, in denen sich die verschiedenen ansteckenden Marketingbotschaften frei entfalten können. Insbesondere wird das virale Marketing immer nur von Empfehlungen geprägt, die in kurzen Abständen wiederholt versendet werden.[19]

Schlussendlich stellt das virale Marketing einen wichtigen Effekt im Bereich der elektronischen Mundpropaganda dar.

Nach einer strukturierten Fundierung der theoretischen Grundlagen zu WOM und eWOM, sollen nun die einzelnen Motive für das Lesen und Schreiben von Meinungen in den nachfolgenden Abschnitten thematisiert werden.

3 Partizipationsmotive im electronic Word-of-Mouth Prozess

Aus dem bisher theoretisch Diskutierten geht hervor, dass eWOM neue Implikationen für das Marketing darstellen und der Konsument dabei eine zentrale Rolle spielt.[20] Der Konsument kann gleichzeitig als Sender und als Empfänger im Prozess der Meinungsäußerung fungieren. Demnach können Konsumenten ihre Meinung äußern und gleichzeitig andere Meinungsbeiträge lesen. Hinzu kommt, dass die Verbreitung produktspezifischer Empfehlungen relativ schnell erfolgt.[21] Konsumenten, die im Internet nach Meinungen suchen werden in ihrem Entscheidungsverhalten beeinflusst.[22] Das Schreiben und Lesen von Meinungsbeiträgen ist Bestandteil der Motivationsforschung und wird schon seit einiger Zeit in Blogs und in virtuellen Communities untersucht.[23]

Das Verstehen dieser Partizipationsmotive kann für Unternehmen ein potenzieller Erfolgsfaktor darstellen und kann des Weiteren das Kaufverhalten der Konsumenten beeinflussen.[24]

Nach Abraham H. Maslow ist der Mensch ein Lebewesen mit Bedürfnissen[25] und genau dieser Tatbestand stellt die Grundvoraussetzung für das Schreiben und Lesen von Meinungen dar.

In den nachfolgenden Abschnitten sollen zunächst die einzelnen Motive für das Schreiben und Lesen von Meinungen aufgezeigt werden und anschließend potenzielle Erfolgsfaktoren für Unternehmen analysiert werden.

Die Bedürfnispyramide von Abraham H. Maslow soll den Ausgangspunkt für die Analyse der einzelnen Motive darstellen. Nach Maslow gibt es fünf hierarchisch strukturierte Bedürfnisse, die sich von den grundlegenden physischen Bedürfnissen bis zu den Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung erstrecken.[26]

Mit der Bedürfnispyramide von Maslow kann durchaus eine Verbindung zu eWOM hergestellt werden. Insgesamt bilden die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, nach Liebe, nach Achtung und nach Selbstverwirklichung[27] den Bezugsrahmen der einzelnen Motive.

- (1966) hat sich als erster mit den Motiven für das Schreiben von Meinungen auseinandergesetzt und hat die Motive product-involvement, self-involvement, other-involvement und message-involvement als Hauptmotive gekennzeichnet.[28] Sundaram et al. (1998) hat diese Motive erweitern und überarbeiten können mit Motiven wie z.B. helping the company, altruism und self-enhancement.[29]

Diese Motive wurden aber alle nur im Bereich des traditionellen WOM untersucht. Nach Hennig-Thurau et al. (2004) verändern sich diese Motive im eWOM nicht und können somit in der aktuellen Forschung bezüglich der Partizipationsmotive übernommen werden.[30]

Im Allgemeinen wird bei der Analyse der Motive für das Schreiben von Meinungen, oft auf das Konzept der Meinungsführer verwiesen.[31] Meinungsführer sind Konsumenten, die sich durch produktspezifisches Expertenwissen auszeichnen und des Weiteren mit hohem Involvement in Verbindung gebracht werden.[32] Meinungsführer werden dann zu Market Mavens, wenn neben ihrem Produktwissen auch noch das Marktwissen im Sinne von Marktinformationen hinzu kommt.[33] Für das Schreiben von Meinungen spielen Meinungsführer und Market Mavens eine wichtige Rolle im WOM Prozess und können außerdem sehr einflussreich sein.[34] Konsumenten, die persönliche Meinungen über Produkte oder Dienstleistungen schreiben, werden oft durch ihr relativ hohes Produkt Involvement im WOM Prozess als Meinungsführer bezeichnet.[35]

Im eWOM werden die Beiträge der Meinungsführer als Epinions bezeichnet. Epinions sind elektronische Produktmeinungen, die in diversen Internetkanälen dauerhaft gespeichert werden können.[36]

Nach Tsang und Zhou (2005) gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen traditionellen Meinungsführern und Epinions, so dass beide in ihren Eigenschaften deckungsgleich sind.[37] Die Untersuchungen von Tsang und Zhou basieren aber nur auf den Motiven für das Schreiben von Meinungen, so dass noch weiterer Forschungsbedarf besteht um mögliche Unterschiede zwischen beiden Verhaltensweisen zu untersuchen.[38]

Hennig-Thurau et al. (2004) haben erstmals im Jahr 2004 einzelne Motive für eWOM untersucht und somit mögliche Ursachen für eWOM Prozesse analysieren können.[39] Diese umfangreiche Studie stellt somit den Hauptbestandteil für das Schreiben von Meinungen dar.

In verschiedenen virtuellen Meinungsplattformen wurden 2000 aktive online Konsumenten hinsichtlich ihrer Motive für das Schreiben von Meinungsbeiträgen untersucht. Dabei wurden acht verschiedene Motive untersucht.[40]

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass das Anliegen für andere Konsumenten („ concern for others “) das wichtigste Motiv ist. Das Bedürfnis anderen zu helfen steht dabei im Vordergrund. Dieser Sachverhalt ist auch noch unter dem Namen „Altruismus“ bekannt.[41]

Der Drang zur Einzigartigkeit fördert beispielsweise das Bedürfnis anderen Konsumenten zu helfen und dadurch mehr Anerkennung zu bekommen.[42]

Hinzu kommt, dass eine positive Identifikation mit einem Produkt dazu führt, dass der Konsument das Produkt weiterempfiehlt und somit durch sein Engagement dem Unternehmen aktive Hilfe leistet. Konsumenten, die gute Erfahrungen mit einem Produkt oder einer Dienstleistung gemacht haben, neigen eher dazu anderen zu helfen. Demzufolge stärken positive Erfahrungen den Willen derjenigen, die mit ihrer Produkterfahrung anderen helfen und diese Erfahrung in diversen Diskussionsforen verewigen wollen.[43]

Das aufkommende Zugehörigkeitsgefühl und die Beziehungen innerhalb einer online Community geben dem Konsumenten zusätzliche Motivation verschiedene Produktmeinungen zu verfassen.[44]

Dieses Motiv bezieht sich auf social benefits und beruht darauf, dass Konsumenten mit anderen Konsumenten in Kontakt kommen wollen und dabei versuchen virtuelle Beziehungen aufzubauen. Die Tatsache, dass persönliche Meinungsbeiträge von anderen Konsumenten in Anspruch genommen werden und hilfreich sein könnten, stärkt das eigene Selbstbewusstsein im Hinblick auf das Schreiben von Meinungen. Auch das Gefühl, dass verschiedene Leser den Verfasser der Meinungsbeiträge als Meinungsführer anerkennen könnten und darüber hinaus die jeweiligen Beiträge auch als wichtig empfinden könnten, gibt dem jeweiligen Verfasser zusätzliche Motivation. Dieser soziale Nutzen erhöht wiederum das soziale Kapital des jeweiligen Konsumenten und führt insbesondere dazu, Meinungen im Internet zu verbreiten.[45]

Insgesamt sind Zugehörigkeitsgefühle, das Motiv anderen zu helfen, Altruismus und das eigene Engagement wichtige Motive für das Verfassen von Meinungen im Internet. Diese Motive entsprechen alle den Bedürfnissen nach Zugehörigkeit und Liebe, die somit der dritten Stufe in der Bedürfnispyramide von Maslow zuzuordnen sind.[46]

Die wohl wichtigsten Motive mit dem stärksten Einfluss auf Konsumenten, sind self-enhancement und economic incentives.[47]

Wird der Konsument mit Geld vom Unternehmen belohnt, werden Produktmeinungen eher veröffentlicht als sonst. Jede Form der Belohnung seitens der Unternehmen, spornt die Nutzer aus diversen virtuellen Meinungsplattformen zusätzlich an. Economic incentives stellt demnach ein wichtiges Motiv für das Schreiben von Meinungen dar.[48]

Positive Selbstdarstellung ist das andere wichtige Motiv für Konsumenten, die sich aus der Masse hervorheben wollen und für Aufmerksamkeit sorgen.[49]

Hinzu kommt, dass Konsumenten das Gefühl der Überlegenheit demonstrieren wollen und dabei vor allem mit Insider Informationen nach Anerkennung streben.[50]

Diese Motive entsprechen alle den Bedürfnissen nach Achtung und Selbstverwirklichung und werden demnach der vorletzten Stufe in der hierarchischen Bedürfnispyramide zugeordnet.[51]

Die Studie von Hennig-Thurau et al. (2004) wird durch einige Einschränkungen geprägt und sollte demnach durch weiterführende Forschung ausgebaut werden um bestehende Forschungslücken zu schließen. Die empirischen Ergebnisse geben nur Auskunft über aggregierte Motive, die keine individuellen Aussagen liefern können.

Unterschiede zwischen Produkten und Dienstleistungen hinsichtlich der einzelnen Motive wurden nicht untersucht. Hinzu kommt, dass die Untersuchungen ausschließlich in deutschen Meinungsplattformen durchgeführt wurden. Die Analyse kultureller Unterschiede bezüglich der Motive für das Schreiben von Meinungsbeiträgen könnte demnach Gegenstand der zukünftigen Forschung sein.[52]

- und Burton (2008) haben in einer Studie versucht kulturelle Unterschiede im Partizipationsverhalten zwischen USA und China zu untersuchen. Zur Messung der kulturellen Unterschiede, wurden die Untersuchungen in sechs verschiedenen Diskussionsforen (eBay, Yahoo, Google, EachNet, Sina und Netease) durchgeführt.[53]

Die Ergebnisse der länderübergreifenden Studie zeigen, dass es signifikante Unterschiede zwischen dem Verhalten von chinesischen und amerikanischen Konsumenten gibt.[54]

In amerikanischen Diskussionsforen sind die Motive für das Schreiben von Produktempfehlungen sehr verbreitet. Im Gegensatz zu asiatischen Kulturen, neigen westliche Kulturen eher dazu, ihr eigenes Wissen über Produkte mit ihren Mitmenschen zu teilen und in Internetforen zu veröffentlichen.[55]

Positive Selbstdarstellung (self-enhancement) und social benefits sind wichtige Motive der westlichen Kulturen zur Meinungsäußerung in Diskussionsforen. Individualistische Kulturen (z.B. USA) sind demnach durch das Schreiben von Meinungen und vor allem durch den Drang diese Meinungen auch für andere zugänglich zu machen geprägt. Dementsprechend erfüllen individualistische Kulturen eher die Merkmale von Epinions und sind somit ausschlaggebend für die Verbreitung von eWOM.[56]

Die Studie von Fong und Burton, hat einige Forschungsdefizite aufzuweisen. Insgesamt wurden nur sechs Diskussionsforen für die Produktkategorie der digitalen Photographie untersucht. Die Studie hat nur eine Produktkategorie untersucht, so dass die Ergebnisse nicht für alle Produktkategorien angewendet werden können. Hinzu kommt, dass die einzelnen Diskussionsforen auch Teilnehmer erfassen können, die nicht unbedingt amerikanischer oder chinesischer Herkunft sind. Dies kann zu verzerrten Ergebnissen führen.[57]

Infolgedessen könnte die Studie in zukünftiger Forschung erweitert werden, so dass noch mehr kulturelle Unterschiede mit größerer Produktvielfalt untersucht werden könnten.

Ein theoretisch fundierter Bezugsrahmen von Lee et al. (2006) veranschaulicht den Prozess der Meinungsäußerung in Diskussionsforen und richtet den Fokus auf drei wichtige Motive für das Schreiben von Meinungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Bezugsrahmen für das Schreiben von Meinungen

Quelle: In Anlehnung an Lee , Matthew K.O. et al. (2006), S. 292.

Der soziale Kontext, im Sinne von social benefits, und die persönlichen Interessen umfassen die psychosoziale Komponente. Die technologischen Attribute sind Bestandteile der technologischen Komponente. Beide Komponenten fördern das Verfassen von Meinungen in diversen Diskussionsforen.[58]

Diskussionsforen werden allgemein als soziotechnologische Systeme betrachtet und werden auch von vielen Konsumenten als primäre Plattform für das Schreiben von Meinungen genutzt.[59]

Kosteneinsparung und Convenience sind wichtige Motivationsfaktoren für die Nutzung des Internets zur Meinungsäußerung. Das Internet bietet eine kostenlose Quelle für das Schreiben von Meinungsbeiträgen. Demnach können die Internetnutzer ihr Wissen jederzeit veröffentlichen. In manchen Fällen wird lediglich nur ein Benutzerkonto vorausgesetzt. Diese Konten können aber wiederum dauerhaft und kostenlos erstellt werden. Darüber hinaus ermöglichen die verschiedenen Internetkanäle eine schnelle und bequeme Bedienung. Die meisten Internetforen und Meinungsplattformen verzeichnen vor allem einen relativ hohen Convenience-Faktor.[60]

Infolgedessen kann die Kosteneinsparung den persönlichen Interessen und der Convenience-Faktor der technologischen Komponente zugeordnet werden.

Aus Abbildung 4 geht hervor, dass die Motive für das Schreiben von Meinungen im eWOM Prozess vor allem durch technologische, soziologische und psychologische Merkmale geprägt sind.

Im Bereich der Psychologie stellen die Emotionen ein wichtiges Motiv dar. Produktspezifische Informationen, die beim Leser bestimmte emotionale Reaktionen hervorrufen, werden dementsprechend auch weitergeleitet. Demnach neigen Konsumenten eher dazu die gefühlten Emotionen mit anderen zu teilen und folglich im persönlichen sozialen Netzwerk zu verbreiten. Zudem können Emotionen beispielsweise Freude, Angst, Humor oder Inspiration ausdrücken und die jeweilige Person dabei unterschiedlich beeinflussen. Menschen, die sich durch Angst einflößende Informationen beeinflussen lassen, neigen eher dazu Meinungen zu schreiben als diejenigen, die Freude empfinden. Darüber hinaus kann das Schreiben von Meinungsbeiträgen dazu beitragen, dass die empfundene Angst zeitweilig unterdrückt werden kann. Je mehr Konsumenten über ihre Sorgen schreiben, umso eher können sie sich auch wieder beruhigen. Insgesamt sind Emotionen sehr einflussreich und spielen eine zentrale Rolle für das Zustandekommen von Meinungsbeiträgen im Internet.[61]

Die Untersuchungen von Phelps et al. (2004) haben die Ursachen für das Schreiben von Meinungen überwiegend im Bereich des viralen Marketings analysiert.[62]

Die bisherigen Beschreibungen richteten sich auf einzelne Motive für das Schreiben von Meinungen. In den nachfolgenden Ausführungen werden mögliche Motive für das Lesen von Meinungen erläutert.

[...]


[1] Vgl. Granovetter , Mark (1973), S. 1363.

[2] Vgl. Johnson Brown , Jacqueline/ Reingen , Peter H. (1987), S. 352f.

[3] Vgl. ebenda, S. 351f.

[4] Vgl. Oetting , Martin/ Jacob , Frank (2007), S. 2f.

[5] Vgl. Sernovitz , Andy (2006), S. 52.

[6] Vgl. East , Robert/ Hammond , Kathy/ Wright , Malcolm (2007), S. 181ff.

[7] Vgl. ebenda, S. 182f.

[8] Vgl. Sernovitz , Andy (2006), S. 128.

[9] Vgl. Shankara , Venkatesh et al. (2003), S. 160f.

[10] Vgl. Brown , Jo/ Broderick , Amanda J./ Lee , Nick (2007), S. 12f.

[11] Vgl. ebenda

[12] Vgl. Kiecker , P./ Cowles , D. (2001), S. 79.

[13] Vgl. Liu , Yuping/ Shrum , L.J. (2002), S. 55.

[14] Vgl. ebenda, S. 56.

[15] Vgl. ebenda, S. 56f.

[16] Vgl. Allard , S. (2006), S. 199f.

[17] Langner , Sascha (2009), S. 27.

[18] Vgl. Langner , Sascha (2009), S. 27f.

[19] Vgl. ebenda, S. 46ff.

[20] Vgl. Schwarz , Torsten/ Braun , Gabriele, (2006), S. 184.

[21] Vgl. ebenda, S. 182.

[22] Vgl. Flynn Leisa , Reinecke/ Goldsmith Ronald , E./ Eastman Jacqueline , K. (1996), S. 137.

[23] Vgl. Sun , Tao et al. (2006), S. 1104f.

[24] Vgl. Hennig-Thurau , Thorsten et al. (2004), S. 50f.

[25] Vgl. Maslow , Abraham H. (1981), S. 51.

[26] Vgl. Maslow , Abraham H. (1981), S. 62ff.

[27] Vgl. ebenda, S. 72f.

[28] Vgl. Dichter , E. (1966), S. 149ff.

[29] Vgl. Sundaram , D.S./ Mitra , Kaushik/ Webster , Cynthia (1998), S. 528ff.

[30] Vgl. Hennig-Thurau, Thorsten et al. (2004), S. 40.

[31] Vgl. Blackwell , Roger D./ Miniard , Paul W./ Engel , James F. (2001), S. 409f.

[32] Vgl. Feick , Lawrence F./ Price , Linda L. (1987), S. 84.

[33] Vgl. ebenda, S. 85.

[34] Vgl. Levine , Robert (2007), S. 88.

[35] Vgl. ebenda

[36] Vgl. Blackwell , Roger D. / Miniard , Paul W. / Engel , James F. (2001), S. 179f.

[37] Vgl. Tsang , Alex S.L./ Zhou , Nan (2005), S. 1191f.

[38] Vgl. ebenda, S. 1192.

[39] Vgl. Hennig-Thurau , Thorsten et al. (2004), S. 40.

[40] Vgl. ebenda, S. 44ff.

[41] Vgl. ebenda, S. 49.

[42] Vgl. Bertrandias , Laurent/ Goldsmith , Ronald E. (2006), S. 30.

[43] Vgl. Brown , Tom J. et al. (2005), S. 133.

[44] Vgl. Pitta , Dennis A./ Fowler , Danielle (2005), S. 269f.

[45] Vgl. Hennig-Thurau , Thorsten (2004), S. 49f.

[46] Vgl. Maslow , Abraham H. (1981), S. 70.

[47] Vgl. Hennig-Thurau, Thorsten et al. (2004), S. 50.

[48] Vgl. ebenda, S 48.

[49] Vgl. Jin , Yan / Bloch , Peter / Cameron , Glen T. (2002), S. 18f.

[50] Vgl. ebenda

[51] Vgl. Maslow , Abraham H. (1981), S. 72f.

[52] Vgl. Hennig-Thurau, Thorsten et al. (2004), S. 51.

[53] Vgl. Fong , John / Burton , Suzan (2008), S. 236.

[54] Vgl. ebenda, S. 237f.

[55] Vgl. ebenda, S. 238ff.

[56] Vgl. Laroche , Michel/ Kalamas , Maria/ Cleveland , Mark (2005), S. 281f.

[57] Vgl. ebenda, S. 241.

[58] Vgl. Lee , Matthew K.O. et al. (2006), S. 291ff.

[59] Vgl. Lee , Matthew K.O. et al. (2006), S. 291.

[60] Vgl. Zinkhan , George M. et al. (2003), S. 25.

[61] Vgl. Phelps , Joseph E. et al. (2004), S. 344f.

[62] Vgl. ebenda, S. 346f.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783956847233
ISBN (Paperback)
9783956842238
Dateigröße
6.3 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Trier
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Electronic Word-of-Mouth Partizipationsmotive im Web 2.0 virtueller Meinungsaustausch Twitter interaktiver virtueller Prozess

Autor

Jerry Felten, M.Sc., wurde 1987 in Luxemburg geboren. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Dienstleistungsmanagement an der Universität Trier schloss der Autor im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad Master of Science erfolgreich ab. Bereits während des Studiums konnte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Dienstleistungsbereich sammeln. Fasziniert von den globalen Vernetzungsoptionen moderner Informations- und Kommunikationstechnologien sowie vom zunehmenden Gesellschaftswandel hat sich der Autor besonders auf sämtliche Electronic Word-of-Mouth Prozesse spezialisiert. Insbesondere die Analyse der Motive für das Lesen und Schreiben von Meinungen im Internet motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
Zurück

Titel: Electronic Word-of-Mouth und die Analyse der Partizipationsmotive im Web 2.0: Fallstudie zu Twitter
book preview page numper 1
book preview page numper 2
book preview page numper 3
book preview page numper 4
book preview page numper 5
book preview page numper 6
book preview page numper 7
book preview page numper 8
book preview page numper 9
book preview page numper 10
51 Seiten
Cookie-Einstellungen