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Kreatives Schreiben in der Grundschule: Theorieüberblick und Umsetzungsbeispiele

©2005 Examensarbeit 71 Seiten

Zusammenfassung

Im Rahmen meiner Arbeit möchte ich untersuchen, inwiefern die Ziele des kreativen Schreibens erreichbar sind. Dafür ist es notwendig, die Methoden auf ihre Anwendbarkeit hin zu untersuchen und auch die in der Literatur nur zögernd eingeräumten Probleme gegebenenfalls zu bestätigen.
Im ersten Teil meiner Arbeit gebe ich einen Überblick über das kreative Schreiben. Neben einem Versuch begriffliche Abgrenzungen von Kreativität und kreativem Schreiben zu finden, wird dargestellt, wie es sich das ‚kreative Schreiben‘ entwickelt hat. Des Weiteren gehe ich auf bestimmte Prinzipien ein, nenne Gründe für das kreative Schreiben und erläutere kurz die verschiedenen Methoden.
Der letzte Punkt des Theorieteils beschäftigt sich mit Problemen und Grenzen. Im zweiten Teil der Arbeit wende ich mich der praktischen Umsetzung zu. Es werden Konzepte vorgestellt, wie das kreative Schreiben in der Grundschule umgesetzt werden kann. In der darauf folgenden Reflexion, möchte ich meine Erfahrungen auswerten. Des Weiteren wird das Verhältnis von traditionellem Aufsatzunterricht und kreativen Schreiben beleuchtet.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


3.2 Methodengruppen des kreativen Schreibens

3.2.1 Assoziative Verfahren

Diese Verfahren bilden oft die erste Phase eines Schreib-prozesses. Die assoziativen Verfahren ermöglichen dem Schreiber, Gedanken, Vorstellungen, Bilder, Gefühle, Farben oder Erinnerungen auf eine sehr individuelle Weise darzustellen. Hierbei helfen sie Gedanken zu strukturieren und sie in Sprache umzusetzen.

Schülern mit Angst vor dem leeren Blatt helfen diese Verfahren, um Ideen zu finden, zu gliedern und letztendlich niederzu-schreiben.

Man kann assoziative Verfahren in zwei Gruppen untergliedern. Einerseits die spielerisch-experimentellen Assoziationsver-fahren, wie beispielsweise das Schreiben zu Reizwörtern, das Akrostichon, das Cluster, das Abecedarium oder die Wörterbörse. Die Schüler haben hierbei auch die Möglichkeit in Partner- oder Gruppenarbeit zusammenzuarbeiten, was sich wiederum sehr motivationsfördernd auswirken kann.

Andererseits die meditativen Assoziationsverfahren, wie zum Beispiel Fantasiereisen, Wahrnehmungsübungen oder Metaphern-Meditationen. Hier arbeiten die Schüler eher im Stillen für sich und finden selber Ideen, ohne sich mit anderen in der Erarbeitungs-phase darüber auszutauschen.

Beispiel: Akrostichon zum Thema ‚Herbst’

Die Buchstaben eines Themas (hier: Herbst) werden senkrecht untereinander geschrieben und bilden jeweils den Anfang eines neuen Wortes oder Satzes. Durch assoziatives und gezieltes Denken unter einem bestimmten Zusammenhang werden Wörter gefunden oder kombiniert.

H errlich frische Luft

E s wird jeden Tag früher dunkel

R aureif ist auf der Wiese

B lätter fallen von den Bäumen

S chnee kommt bald

T raurige Stimmung

3.2.2 Schreibspiele

Während im weiteren Sinne unter Schreibspielen alle kreativen Schreibmethoden zusammengefasst werden, sind in diesem Fall nur die Schreibspiele gemeint, die der literarischen Geselligkeit dienen. Hier handelt es sich um lustvolle Schreibanlässe wie beispielsweise ein gemeinsamer Schreibanfang am Morgen oder bei besonderen Anlässen wie Elternnachmittagen, Projektwochen oder Klassenfahrten.

In der Schreibwerkstatt werden als Schreibspiele die Verfahren bezeichnet, die das gemeinsame Schreiben betonen. Diese Verfahren eignen sich sehr gut um Schülergruppen in das kreative Schreiben einzuführen, die sehr spät damit anfangen (3./4. Klasse). Das gemeinsame Schreiben wirkt sich sehr positiv auf die Schreibfähigkeit der Schüler aus. Der Schreibprozess wird bewusster wahrgenommen, eigene Stärken und Schwächen werden besser erkannt und es werden bessere Texte geschrieben.

Schreibspiele sind beispielsweise der Wörtersack, Gedichte reihum, Geschichten erwürfeln oder Klopfwörter.

Beispiel: Klopfwörter

Die Kinder sitzen in einer Gruppe (fünf bis zehn Kinder) an einem Tisch. Jedes Kind hat ein leeres Blatt vor sich. Das erste Kind klopft auf den Tisch und alle Kinder müssen das Wort, das ihnen in diesem Moment durch den Kopf geht, nacheinander dem ‚Klopfer’ diktieren. Jedes Kind ist einmal der ‚Klopfer’ und am Ende hat jeder mehrere Wörter auf seinem Blatt stehen mit denen er dann, in einem festgelegten Zeitrahmen, eine Geschichte schreiben muss.

Dieses Verfahren ist gerade zu Beginn des Schreibens in einer Gruppe sinnvoll, da nicht lange gezögert werden kann und somit die Situation des weißen Blattes überbrückt wird. Es entstehen unterschiedliche Kombinationen von Wörtern, die zum Schreiben anregen. Der Schreibende ist nicht auf sich allein gestellt, er nimmt am Gedankenfluss der anderen Teil (vgl. Brenner 1994, S. 48).

3.2.3 Schreiben nach Vorgaben, Regeln und Mustern

Obwohl das kreative Schreiben große Freiräume bietet, ist es „ein angeleitetes Schreiben, das dialektisch mit Begrenzungen und Spontaneität arbeitet.“[1] Durch inhaltliche Vorgaben (z.B. Thema, Satzanfang), formale Kriterien (z.B. Sprachgebrauch, visuelle Aspekte wie beim Akrostichon), strukturelle Regeln (z.B. Elfchen, Schneeballgedicht) oder literarische und textorientierte Muster (z.B. Rondell, Kurzroman) sind die Schüler nicht nur auf eigene Assoziationen, Erfahrungen oder Wahrnehmungen angewiesen.

Dieses Schreiben lässt sich auch als strukturorientiertes Schreiben bezeichnen, da es sehr stark von äußeren Strukturen gelenkt wird. Neben den oben genannten Beispielen gibt es zudem das Gedicht mit allen Sinnen, das Zeilenumbrechen, das Schreiben zu mathematischen Vorgaben oder die Textreduktion.

Beispiel: Rondell

Ein Rondell ist ein Gedicht aus acht Zeilen. Zeilen eins, vier und sieben sind gleich und auch Zeile zwei und acht stimmen überein. Zeilen drei, fünf und sechs müssen selbst ausgedacht werden. Um die zusammengehörenden Zeilen besser zu erkennen, sind sie mit Symbolen gekennzeichnet. Als Inspiration kann ein Thema, ein Bild, Musik oder eine Geschichte dienen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2.4 Schreiben zu und nach (literarischen) Texten

Diese Methode fördert sowohl das kreative als auch das literarische Schreiben. Nach dem Prinzip des Imitationslernens sollen literarische Texte als Anregung zum Selberschreiben dienen. Einerseits geben diese Texte neue Ausdrucks-möglichkeiten vor, „andererseits fordern der ästhetisch-literarische Charakter und die poetische Sprache der Texte dazu heraus, sich probehandelnd in andere Wirklichkeiten, andere Perspektiven, hineinzubegeben und sich von ihnen forttragen zu lassen“ (Böttcher 1999, S. 24). Dieses Verfahren ermöglicht es also den Kindern nicht nur neue Ausdrucksformen kennen zu lernen und zu verwenden, sie versetzen sich auch in andere ‚Welten’ und lernen so perspektivisch zu schreiben.

Möglichkeiten dieses Verfahren anzuwenden sind beispielsweise die Textreduktion, Löchertexte, über den Rand hinaus schreiben, Geschichten zu Ende schreiben, Rechengeschichten oder Rezepte.

Beispiel: Textreduktion

Bei einem vorgegebenen, selbst gewählten literarischen Text oder einem selbst verfassten Text sollen zehn bis fünfzehn Kernwörter herausgefunden und unterstrichen werden. Diese Wörter werden gesondert aufgeschrieben und können so als verdichteter Text stehen gelassen werden oder als Ausgangspunkt für eine neue Textproduktion dienen.

3.2.5 Schreiben zu Stimuli

Die Funktion dieses Verfahrens ist es die Schüler durch verschiedene Stimuli zum Schreiben anzuregen und anzuspornen. Man hat dabei unzählige Möglichkeiten. Das Schreibklima, die Atmosphäre, die Schreibbedingungen durch Orte, Landschaften oder Bilder, Gegenstände, Musik oder Bewegung. Die Schüler werden ohne sprachliche Gedankenbahnen zum Schreiben angeregt und können ihre Fantasien sprachlich kreativ umsetzen.

Neben den genannten Stimuli animieren auch Wörter, Fantasie-reisen, Textzeilen oder mathematische Begriffe zum Schreiben.

Beispiel: Schreiben zu einem Gegenstand

Jeder Gegenstand lässt Vorstellungen, Erinnerungen oder Gefühle aufkommen und gibt somit Anregungen zum Schreiben.

Die Schüler sollen sich zu einem Gegenstand eine Geschichte ausdenken und diese aufschreiben. Dieser Gegenstand kann aus dem Klassenzimmer, der Natur oder von zu Hause sein (Stofftiere, Spielsachen, Muscheln, Pflanzen, Koffer,…). Hier kann man kann beispielsweise die Geschichte eines Koffers erzählen.

3.2.6 Weiterschreiben an kreativen Texten

Bei dieser Methode unterscheidet man zwischen kreativen und kriterienorientierten Verfahren.

Kreative Bearbeitungsverfahren beinhalten sowohl Textpro-duktionsverfahren als auch Revisionsverfahren. Dies bedeutet, dass die Methode, die zur Textproduktion verwendet wird auch für die Bearbeitung des Textes genutzt werden kann. Die Schüler werden so in ihrem Schreiben motiviert und dazu gebracht sich spielerisch mit ihren eigenen oder fremden Texten, durch Experimentieren mit verschiedenen Bearbeitungsverfahren, auseinanderzusetzen.

Bei den kriterienorientierten Verfahren findet man diesen spielerischen und experimentellen Charakter wieder. Dadurch eignen sie sich besonders für die intensive Bearbeitung kreativer Texte. Der Lehrer oder die Schüler legen gemeinsam fest nach welchen Kriterien ein Text bearbeitet werden soll. Diese Kriterien können sich beispielsweise auf die Leser-/Hörerwirkung, die Schreibaufgabe, die schriftlichen Normen oder auf die Intention des Schreibers beziehen. Je nachdem welche Kriterien festgelegt werden, ergeben sich unterschiedliche Methoden.

Weiterschreiben an kreativen Texten kann zum Beispiel durch sukzessives Ergänzen von Textanfängen, Textreduktion, Zeilen-umbrechen, die Weiterarbeit in Stationen oder mit einem Rondell geübt werden.

Beispiel: Zeilenumbrechen

Hierbei lernen die Kinder freie Verse zu einem lyrischen Text zu formen. Zuerst wird ein Satz oder ein kurzer Text aufgeschrieben. Der Schüler bricht diesen Text dann in einzelne Zeilen auf und schreibt diese senkrecht untereinander. Hierbei kann gekürzt (Abstrichprobe), ergänzt (Erweiterungsprobe), umgestellt (Umstell-probe) oder auch wiederholt werden. Durch den besonderen Rhythmus unterscheidet der Text sich deutlich von der Alltags-sprache. Durch die senkrechte Anordnung wird ein zu schnelles Lesen verhindert und eine stärkere Betonung und größere Anzahl der Pausen erreicht. Da jede Zeile eine Sinneinheit ist, können die Schüler den Unterschied zwischen Prosa und Lyrik erkennen.

4. Probleme und Grenzen des kreativen Schreibens

Obwohl man bei der theoretischen Betrachtung nicht den Eindruck gewinnt, dass sich beim kreativen Schreiben auch negative Seiten bemerkbar machen, zeigen sich doch auch einige Probleme beziehungsweise Grenzen.

Zweifler des kreativen Schreibens halten das kreative Schreiben zwar für eine gute Abwechslung und Auflockerung des Unterrichts, sie betonen aber, dass es den traditionellen Schreibunterricht nicht ersetzen kann. Die Begründung hierfür ist, dass das kreative Schreiben nur so lange funktioniert, wie ein Schüler erfahrungs-basiert schreiben darf und keine Umstrukturierungen von Wissenselementen notwendig sind, da beim kreativen Schreiben Verknüpfungsfähigkeiten fehlen (vgl. ide 1998).

Ein weiteres Problem stellt die Benotung der kreativen Schreib-ergebnisse dar. Auf der einen Seite ist eine Benotung bei subjektiven, freiwillig erstellen Texten unangebracht, auf der anderen Seite zeigen die Erfahrungen, dass gerade beim kreativen Schreiben überdurchschnittlich gute Leistungen erzielt werden. Vor allem bei Lehrern mit wenig Erfahrung bezüglich des kreativen Schreibens zeigt sich eine gewisse Angst die kreativen Arbeiten der Kinder zu benoten. Hier stellt sich oft die Frage nach welchen Kriterien benotet werden soll.

Bei Klassen, die regelmäßig kreativ schreiben, besteht die Möglichkeit, dass die Schüler persönlich Arbeiten auswählen und zur Benotung abgeben. Hier ist es wichtig, dass der Lehrer mit den Schülern die Bewertungskriterien festlegt und diskutiert.[2]

Alle Ergebnisse des kreativen Schreibens sollten jedoch auf jeden Fall Anerkennung bekommen. Dies kann durch Lob, spürbare Akzeptanz, eine Ausstellung im Klassenzimmer, eine Sammlung im Klassenbuch oder eine Präsentation bei Elternabenden oder Schulfesten sein.

Da sich in der Literatur noch nicht all zu viel über die Grenzen und Probleme des kreativen Schreibens finden lässt, möchte ich zwei Punkte hinzufügen, die neben den oben genannten Problemen meiner Meinung nach noch genannt werden müssen.

Eine Grenze des kreativen Schreibens zeigt sich in der Aufgabe der Schule die Schüler auf das zukünftige Leben vorzubereiten. Die Schüler sollen lernen sich in unserer Gesellschaft zurecht zu finden und sich den Gegebenheiten anpassen. Hierfür ist es für sie wichtig, dass sie nicht nur lernen ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Fantasien zum Ausdruck zu bringen, sondern sie sollen auch beispielsweise die formalen Strukturmerkmale eines Briefes, eines Sachtextes, einer Gebrauchsanweisung oder später auch einer Bewerbung kennen. Gerade beim kreativen Schreiben lernen die Schüler nicht, einen Text strukturiert zu planen und zu verfassen.

Ein weiteres Problem zeigt sich in der Frage, wie viele Vorgaben bei einem kreativen Schreibanlass nötig sind. Lässt man den Schülern zu viel Freiheit, dann geht das kreative Schreiben eher in Richtung freies Schreiben. Gibt man den Kindern zu viele Vor-gaben, sind sie in ihrer Kreativität stark auf diese Angaben beschränkt und können ihre Imaginationskraft nicht frei entwickeln. Die Schwierigkeit besteht also in dem Finden eines Mittelweges, der es zulässt, dass die Kinder ihre Fantasie ausleben können, sie aber trotzdem durch die vom Lehrer gegebenen Schreibimpulse gelenkt werden.

Der nun folgende Teil meiner Arbeit bezieht sich auf die Praxis. Ich hatte die Möglichkeit in zwei Klassen mit unterschiedlichen Erfahrungen bezüglich des kreativen Schreibens einige Methoden auszuprobieren. Im Folgenden werde ich näher auf die Erfahrungen der Klassen eingehen, die Methoden, die ich ausprobiert habe und einige Ergebnisse vorstellen.

5. Praxisteil: Kreatives Schreiben in einer dritten

Klasse

Laut dem Lehrplan[3] für die dritte Klasse der Grundschule in Bayern, sollen die Schüler immer wieder unterschiedliche Schreib-anregungen nutzen und Gelegenheiten zum freien und gebunden-en Schreiben erhalten. Hierbei sollen sie sprachliche Mittel kennen lernen und so ihre schriftliche Ausdrucksfähigkeit steigern. Bei der Gestaltung der Texte sollen die Schüler zunehmend selbst-ständiger arbeiten. Aus den Reaktionen anderer Schüler auf ihre Texte bekommen sie Anregungen für die Weiterarbeit. Die Schüler sollen Texte vorbereiten, schreiben und überarbeiten können.

Unter dem Punkt ‚Texte schreiben’, findet man mehrere Möglich-keiten das kreative Schreiben zu integrieren. Hierzu dient nicht nur das Schreiben in kreativitätsanregenden Situationen, sondern auch das Schreiben von freien Texten, Schreibspiele oder das Schreiben zu Texten.

5.1 Vorstellen der Klasse

In dieser Klasse absolvierte ich mit sieben anderen Studentinnen ein Praktikum, das über ein ganzes Semester ging. Ich hatte also die Möglichkeit die Klasse während des Unterrichts über eine längere Zeit genau zu beobachten.

Die Klasse umfasst 21 Schüler - elf Jungen und zehn Mädchen.

Das Klassenklima ist sehr positiv, was sich auch dadurch bemerk-bar macht, dass es bei Gruppenarbeiten keine Spannungen gibt.

Vier Kinder der Klasse haben Deutsch nicht als Muttersprache, was sich im Deutschunterricht und am allgemeinen Leistungs-stand bemerkbar macht. Diese Kinder sind mir vor allem beim Schreiben der Fantasiereise aufgefallen, wo sie meiner Meinung nach sehr schlechte Ergebnisse erzielt haben.

Die Leistungen der Klasse im Fach Deutsch sind gut, wobei es auch schwache Schüler gibt.

Zwei Schüler haben sehr große Probleme, sinnerfassend zu lesen und drei andere Schüler sollen ihre Schreibaufgaben immer mit Bleistift erledigen, da sie sehr fehlerhaft und schlampig schreiben. Ansonsten ist die Lese- und Schreibkompetenz der Klasse der Jahrgangsstufe entsprechend.

Die Klasse hat bezüglich des kreativen Schreibens sehr geringe Erfahrungen, da die Lehrerin sich kaum mit diesem Thema identifizieren kann und selber von sich sagt, dass sie mit dem ‚spontan kreativ sein’ ein Problem hat. Die Schüler schreiben zwar viel, meistens aber Bildergeschichten oder Aufsätze, bei denen das Thema oder ein Teil der Geschichte vorgegeben ist. Die Ergebnisse bei diesen Arbeiten sind sehr unterschiedlich. Einerseits gibt es Schüler, die gute Ideen haben, flüssig und zusammenhängend schreiben, stark in der Rechtschreibung sind und sehr gute Aufsätze schreiben. Andererseits haben manche Schüler Probleme ihre Gedanken klar und zusammenhängend aufzuschreiben und es zeigen sich größere Mängel in der Rechtschreibung.

Weiter sagt die Lehrerin, dass sie nicht weiß, wie sie die Ergebnisse des kreativen Schreibens bewerten soll. Um nicht in Schwierigkeiten zu kommen, meidet sie diese Aufgaben.

Da mir bewusst war, dass die Klasse kaum Erfahrungen im kreativen Schreiben gesammelt hat, war ich auf die Ergebnisse der Arbeiten sehr gespannt und teilweise darüber auch sehr überrascht.

5.2 Weiterschreiben der Klassenlektüre

5.2.1 Vorüberlegungen

In der Zeit meines Praktikums sollten die Schüler eine Klassenlektüre lesen. Da es kurz vor Weihnachten war, entschieden wir uns mit der Lehrerin für das Buch „Hinter verzau-berten Fenstern“ von Cornelia Funke. Dieses Buch handelt von einem Papieradventskalender, der bewohnt ist und in den man hineingehen kann. Eine unserer Aufgaben war es die Lektüre einzuführen.

Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Gelegenheit hatte den Schülern einen kreativen Schreibauftrag zu geben, entschied ich mich, die Schüler die Lektüre bis zum dritten Kapitel lesen zu lassen und ihnen dann die Aufgabe zu geben, selbst aufzu-schreiben was in der Geschichte als nächstes passiert. Das dritte Kapitel endet in dem Moment, als die Hauptperson Julia, nachdem sie festgestellt hat, dass sich in dem Kalender etwas bewegt, das zweite Kalendertürchen aufmachen will. Somit war für alle Schüler klar, dass sie als nächstes beschreiben sollten, was hinter dem zweiten Türchen zu sehen ist.

Da wir am Tag nach der Einführung der Klassenlektüre nicht in der Klasse waren, wurde diese Stunde von der Klassenlehrerin durchgeführt.

5.2.2 Grobziele und Intention der Aufgabe

Das Grobziel der Aufgabe war es, einen freien Text mit Hilfe einer leichten Schreibanregung zu erstellen (vgl. Lehrplan 2000, S. 173; Punkt 3.2.1 „Texte verfassen“).

Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Überblick hatte, ob die Schüler in der Lage sind kreative Texte zu verfassen, war mir wichtig, festzustellen, wie die Schüler auf kreative Schreib-aufgaben reagieren und ob sie einen Text aus ihrer Fantasie klar und gegliedert aufschreiben können.

5.2.3 Stundenverlauf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5.2.4 Reflexion

Verlauf der Schreibaufgabe

Nach dem Wiederholen des Wissens über die Autorin und des bisher Gelesenen, wurde die Lektüre gemeinsam weitergelesen. Abwechselnd durften die besseren Leser der Klasse aus dem Buch vorlesen. Nachdem die Schüler das Buch bis zum dritten Kapitel gelesen hatten, wurde ihnen der Auftrag gegeben aufzuschreiben, was sich ihrer Meinung nach hinter dem zweiten Kalendertürchen verbirgt. Hierfür hat die Lehrerin den Anfangssatz ‚Hinter dem zweiten Fenster sah Julia …’ an der Tafel vorgegeben.

Nachdem mehrere Kinder gefragt hatten, ob sie denn wirklich schreiben können, was sie wollen, oder ob es etwas mit dem ersten Türchen zu tun haben sollte, hatten nur wenige Schüler Probleme ihre Vorstellungen aufzuschreiben. Nach ca. 15 Minuten waren alle Schüler fertig und haben ihre Arbeiten abgegeben.

Die restliche Zeit der Stunde wurde von den Schülern genutzt, um einen Adventskalender mit Wasserfarben zu malen.

Probleme

Laut Lehrerin haben sich im Verlauf des Unterrichts keine Probleme gezeigt. Die Schüler haben die Aufgabenstellung verstanden und fast alle konnten sie ohne weitere Fragen umsetzen.

Ergebnisse

Bei dieser Schreibaufgabe zeigten sich sehr viele verschiedene Ergebnisse.

Ein großer Teil der Schüler erledigte die Schreibaufgabe sehr gut. Anhang 1 und 2 sind Beispiele für diese Geschichten. Diese Schüler haben ihre Gedanken klar und geordnet aufgeschrieben und die Texte sind gut verständlich.

Es gab aber auch ein paar Schüler, die sich mehrere Dinge vor-gestellt haben und diese einfach aufgezählt haben, wie man in Anhang 3 sehen kann.

Anhang 4 zeigt eine Geschichte, die kaum nachvollziehbar ist. Die Schülerin hat große Probleme ihre Gedanken zu ordnen und auf-zuschreiben. Obwohl die bisher geschriebenen Aufsätze dieser Schülerin sehr gut sind, scheint es mir, als wäre sie mit dieser Schreibaufgabe überfordert.

Natürlich zeigen sich bei dieser Art von Aufgabe auch die Schüler, die keinen Spaß am Schreiben haben, wie man in Anhang 5 erkennen kann. Beide Schüler sind sehr schlecht im Schreiben und zeigen auch bei Aufsätzen keine guten Leistungen.

Zur Präsentation wurden die Arbeiten unter die selbst gemalten Adventskalender ge-klebt. Die besten Arbeiten wurden an einer Pinnwand im Treppenhaus der Schule aufgehängt (Bild links).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die restlichen Arbeiten wurden von uns im Klassenzimmer aufgehängt (Bild unten).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Obwohl einige Schüler Probleme mit der Umsetzung der Aufgabe hatten, bin ich mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Meiner Meinung nach hat es den Schülern viel Spaß gemacht ihre eigenen Ideen aufzuschreiben, den Adventskalender zu malen und schließlich die fertigen Arbeiten im Klassenzimmer zu präsentieren.

Das Ziel der Stunde wurde laut Lehrerin erreicht. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Schüler in der Lage sind ihre eigenen Vorstellungen aufzuschreiben. Ich denke, dass es den Kindern mit weiterer Übung leichter fallen wird, ihre Fantasien klarer und deutlicher aufzuschreiben.

[...]


[1] Böttcher (1999), S. 24

[2] Schober, Otto: Deutschunterricht für die Grundschule; WB-Druck GmbH & Co. Buchproduktions-KG, Rieden, 1998; S. 109

[3] Amtsblatt der Bayerischen Staatsministerien für Unterricht und Kultus und Wissenschaft, Forschung und Kunst; Teil I; München, 25. September 2000 – Lehrplan für die Grundschule in Bayern; S. 172- 173

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2005
ISBN (PDF)
9783956848063
ISBN (Paperback)
9783956843068
Dateigröße
6.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Augsburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Aufsatz Unterricht Deutsch Kreativität Sprachspiel

Autor

Stephanie Schroth, wurde 1978 in Frankfurt geboren. Ihr Studium zur Grundschullehrerin an der Universität Augsburg schloss die Autorin im Jahre 2005 erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen im Bereich des kreativen Schreibens, was sie dazu brachte ihre Abschlussarbeit in diesem Bereich anzufertigen.
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Titel: Kreatives Schreiben in der Grundschule: Theorieüberblick und Umsetzungsbeispiele
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