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Binnendifferenzierte Lernumgebung: Lernstationen im Biologieunterricht

©2006 Examensarbeit 127 Seiten

Zusammenfassung

Binnendifferenzierung, heterogene Schülerschaft, Inklusion!
Lehr- und Lernprozesse erfordern Lernumgebungen, die einer leistungsheterogenen Schülerschaft auf unterschiedlichen Niveaustufen gerecht werden. Das vorliegende Buch setzt sich mit diesem Themenkomplex theoretisch auseinander und gibt dem Leser am Beispiel von „Stationenlernen“, als eine Möglichkeit binnendifferenzierter Lernumgebungen, ein konkretes und erprobtes Praxisbeispiel an die Hand.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


5
1. Einleitung
Bei Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen, wie auch in der öffentlichen Diskussion ver-
nehme ich immer wieder Entsetzen, Verdruss und auch Resignation über die Schülerschaft.
Die Kinder haben sich verändert. Das liegt an vielfältigen gesellschaftlichen Veränderungen ­
wobei der Wandel der Familie als Wichtigstes zu nennen ist - und nicht an den Schülerinnen
und Schülern
1
selbst. Auch aktuelle Ereignisse, wie die an der ,,Rütli-Schule" in Berlin, haben
eine erneute Diskussion über gewalttätige Schüler und den Ruf nach Veränderung entfacht.
Ich möchte an dieser Stelle nicht die ganze Diskussion aufgreifen. Die Schüler sind also aus
den verschiedensten Gründen
2
,,anders", doch die gesellschaftlichen Faktoren sind gegeben
und die Schule muss mit neuen Lehr- und Lernmethoden der veränderten Schülerschaft entge-
genkommen um ihrem Bildungsauftrag nachzukommen. Die Arbeitsweise in der Sekundarstu-
fe I - dabei ist es gleich, um welche Schulform es sich handelt ­ ist von lehrerzentrierten Un-
terrichtsmethoden dominiert.
3
Als zentrales Unterrichtsanliegen gilt die Vermittlung von
Fachwissen. Offene Arbeitsformen, wie Projektarbeit, Wochenplanarbeit, Freiarbeit sowie das
Stationenlernen ­ welche in der Grundschule schon seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert
werden ­ gehen in den weiterführenden Schulen meist verloren. Diese Tendenz ist äußerst be-
dauerlich, werden doch von der Wirtschaft immer mehr Schlüsselqualifikationen - sog. ,,Soft
Skills" - wie Eigeninitiative, Teamorientierung, Motivation, Kommunikationsfähigkeit und
Selbständigkeit gefordert.
4
Außerdem fehlen den Kindern aufgrund der demografischen und
gesamtgesellschaftlichen Veränderungen gerade soziale Kompetenzen, die gerade in offeneren
Unterrichtsformen unterstützt werden.
,,Die Bildungsbemühungen des Biologieunterrichts zielen auf die Schüler und gehen von
[ihnen] aus."
5
Die zu vermittelnden biologischen Kenntnisse sollen für die Entwicklung des
Selbst- und Weltverständnisses und für die Lebenswirklichkeit bedeutsam sein.
6
,,In einer Pä-
dagogik, die auf Selbstbestimmung, Mündigkeit und Aufklärung zielt, steht das selbstbe-
stimmte Subjekt im Zentrum der Überlegungen und Konzepte. Aufklärung und Mündigkeit
lässt sich nicht lehren [...], wohl aber lassen sich [...] Lernmöglichkeiten organisieren, in de-
nen die Lerner selbstbestimmt Selbstaufklärung betreiben können."
7
Nach den niedersächsischen Rahmenrichtlinien ist die Erziehung zu einem verantwortungs-
bewussten Umgang mit dem eigenen Körper eine wesentliche Aufgabe des Biologieunter-
richts. Die Ziele gehen dabei über rein kognitiven Lernziele hinaus. Der Biologieunterricht
soll ebenso die Erlebnisfähigkeit der Schüler fördern und so zu einer vielschichtigen Persön-
1
Im Folgenden verwende ich die Form Schüler gleichermaßen für Mädchen und Jungen.
2
Die Gründe ergeben sich aus dem gesellschaftlichen Wandel. ,,Ein-Elternfamilien", keine Geschwis-
ter, keine Nachbarskinder und viele Faktoren mehr bedingen diese Veränderungen der Schüler.
3
vgl.
http://www.sowi-online.de/reader/oekonomie/bda_memo.htm
; 17.07.2006, 20:00
4
Ein aktueller Bericht vom Juli 2006 über die Wichtigkeit dieser sog. ,,Soft Skills" findet sich auch un-
ter:
http://focus.msn.de/jobs/karriere/schluesselqualifikationen
; 18.07.2006, 17:00
5
vgl. Gropengießer; Kattmann 1994, 321
6
vgl. ebd., 321
7
zit. nach Kattmann et. al. 1998, 136

6
lichkeitsbildung beitragen. Alle diese Ziele fordern einen handlungsorientierten Unterricht,
der ein hohes Maß an Schüleraktivität voraussetzt.
8
Bereits hier wird durch den Bildungsauftrag der Schule die Forderung nach offenen Unter-
richtsformen deutlich. Erst wenn die Schüler selbständig lernen, können sie auch Verantwor-
tungsbewusstsein entwickeln.
Die Idee für diese Arbeit entwickelte sich aus Erfahrungen aus dem eigenen Biologieunter-
richt der achten Schuljahrgänge. Eine Reihe von empirischen Untersuchungen zu Interessen
an naturwissenschaftlichen Themen stützen meine Erfahrungen. Es hatte sich nämlich gezeigt,
dass das Interesse an der Biologie vom Schulalter abhängig ist. In der achten Klassenstufe
zeigen sich so gravierende alterspezifische Veränderungen, dass von einem ,,Interessenverfall"
gesprochen werden kann. Da dieser Effekt unabhängig vom Lebensalter eintritt, scheint es ei-
nen Zusammenhang mit dem Einsetzen des Fachunterrichts zu geben.
9
Jedoch sind die Inhalte
nicht alleine verantwortlich, auch die äußere und innere Form des Unterrichts spielen eine
große Rolle, wenn das Lernen erfolgreicher sein soll. Besonders zu erwähnen ist dabei eine
positive Lernatmosphäre.
10
Es muss aber doch das Ziel unserer Arbeit als Lehrer sein, bei den Schülern die Neugierde an
naturwissenschaftlichen Themen und am Lernen allgemein zu wecken.
11
Aus diesem Grund
bestand mein Anliegen darin, die Themen schülergerecht und interessengeleitet anzubieten um
einen aktivitäts- und erfolgsversprechenden Unterricht zu erhalten. Eine sehr gute Möglichkeit
bieten dafür offene Unterrichtsformen, die sowohl die von den Rahmenrichtlinien vorgegebe-
ne Wissensvermittlung ermöglichen, als auch den Schülern die Möglichkeit der selbständigen
und selbsttätigen Auseinandersetzung mit einem Thema ermöglichen.
12
Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen die Schüler dort abgeholt werden, wo sie stehen.
13
Aus diesem Grund habe ich mich für das Thema ,,Sinnesorgane" entschieden, da Themen mit
einem sog. ,,human touch" auf das größte Interesse der Schüler stößt.
14
Aus den genannten Gründen beschäftige ich mich im Rahmen dieser Arbeit mit der zentralen
Frage, ob es mit Hilfe des Lernens an Stationen möglich ist, die Schüler einer 8. Realschul-
klasse zu einem selbständigen und insbesondere motivierten Lernen anzuleiten. Zur Beant-
wortung dieser Frage muss die Methode auf ihre Durchführbarkeit und ihren Erfolg erprobt
werden. Hierfür liegt die zentrale Betrachtung auf den sozial-affektiven Lernzielen, doch ge-
hört aufgrund der eingangs angeführten zunehmenden Heterogenität der Schüler, die Förde-
rung der individuellen Lernprozesse ebenso zu einer erfolgreichen Methode im o. g. Sinne.
8
vgl. NRRL1992, 10
9
vgl. Löwe 1987, 62; Hesse 1984 b
10
vgl. Bauer 2003, 161
11
vgl. ebd. 157
12
vgl. ebd., 158
13
vgl. ebd., 160
14
vgl. ebd., 160

7
Dies erfordert Lernmethoden, die die Individualität der Lernenden berücksichtigen, wie z. B.
das Lernen an Stationen.
2. Lernen: Neue Theorien erfordern neue Methoden
Das Lernen an Stationen ist auch eine Folge aus der Lerntheorieentwicklung. Ich möchte aus
diesem Grund, bevor ich mich dem Thema Lernen an Stationen widme, einen kurzen Über-
blick über den Begriff des Lernens geben.
Die meist zitierte Definition stammt von BOWER und HILGARD und beschreibt das Lernen
als eine ,,Veränderung im Verhalten oder im Verhaltenspotential eines Organismus in einer
bestimmten Situation, die auf wiederholte Erfahrungen des Organismus in dieser Situation zu-
rückgeht [...]"
15
Die Lernprozesse werden von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie der Biolo-
gie, der Medizin, der Psychologie und natürlich der Pädagogik, erforscht. ,,Der Versuch, die
[gewonnen] Erkenntnisse über Lernen [...] zu systematisieren, führt zu Lerntheorien"
16
, wel-
che seit Beginn des letzten Jahrhunderts einem starken Wandel unterlagen. Mittlerweile lassen
sich zahlreiche Theorien unterscheiden, die sich in zwei große Bereiche einteilen lassen.
1.) Die behavioristischen Lerntheorien sehen den Lernenden als passives Wesen, bei dem
durch Manipulation der Verhaltenskonsequenzen ein erwünschtes Verhalten verstärkt und ein
Unerwünschtes geschwächt wird. Bekanntester Vertreter ist der Russe Iwan P. Pawlow.
17
2.) Die Theorien der kognitiven Organisation, wozu die Gestalttheorie und das Beobachtungs-
lernen gehören, sehen hingegen den Lernenden als ,,reflexiv-epistemologisches Subjekt"
18
.
Das heißt, dass Lernen eine Strukturierung durch Vernunft und Einsicht oder als eine aktive
Aneignung der Umwelt meint. Wichtig dabei ist die Innensteuerung durch den Lernenden.
19
Den deutlichsten Gegensatz zu dem ersten theoretischen Ansatz bildet der Konstruktivismus,
nach dessen Vorstellung das Gehirn nicht bloß von außen Vorgegebenes speichert, sondern
sich aktiv seine Welt konstruiert. Diese Theorie wird von neuropsychologischen Forschungen
gestützt und führte dazu, dass das Lehren und Lernen völlig neu überdacht werden musste. Ei-
ne Folge daraus sind die offenen Unterrichtsmethoden, wie z. B. das Lernen an Stationen.
15
zit. nach Bower,Hilgard in: Gudjons 2001, 213
16
zit. nach Skowronek 1991, 183
17
Pawlow war es mit dem pawlowschen Hund erstmals gelungen Ergebnisse der Lernforschung in ob-
jektivierbarer und messbarer Form vorzulegen.
18
Zit. nach Groeben, Scheele 1977 in: Gudjons 2001, 214
19
vgl. Gudjons 2001, 114

8
3. Das Lernen an Stationen
Das folgende Kapitel setzt sich mit dem theoretischen Hintergrund des Lernens an Stationen
auseinander um daraufhin im vierten Kapitel die Auswahl der Unterrichtseinheit zu begrün-
den.
3.1 Bedeutung des Begriffs Lernen an Stationen
Das Lernen an Stationen ist eine Form des offenen Unterrichts.
20
Synonym werden zahlreiche
weitere Begriffe verwendet, von denen nur einige erwähnt werden können. Hierzu zählen
Lernzirkel, Lernstraße, Lernmosaik, Unterrichtszirkel und Lernparcours.
21
Ich habe mich für
den Begriff ,,Lernen an Stationen" entschieden, da dieser die Methode sehr passend beschreibt
und einige der synonym gebrauchten Begriffe zu fehlleitenden Assoziationen führen können.
Im Laufe dieses Kapitels komme ich noch einmal auf diesen Punkt zurück. Ursprünglich aus
dem Primarbereich stammend, erlangt das Lernen an Stationen wachsende Bedeutung auch im
Sekundarbereich.
22
Die Grundidee dieser Methode besteht in der Untergliederung eines zu be-
handelnden Themas in Teilgebiete. Diese stehen dann bei diesem handlungs- und schülerori-
entiertem Lernen an Stationen, im Gegensatz zum lehrerzentrierten Unterricht, in dem die In-
halte in einem geordneten Nacheinander erarbeitet werden, den Schülern von Beginn an in ih-
rer Gesamtheit zur Verfügung. Die Lernenden wählen an den verschiedenen Stationen selb-
ständig und grundsätzlich in beliebiger Reihenfolge die Themengebiete aus, die sie bearbeiten
möchten. Auch steht ihnen in der Regel die Wahl der Sozialform frei. Hierauf begründen sich
einige unterschiedliche Begriffsverwendungen. So verwendet KRIEGER z. B. den Begriff
,,Lernzirkel" für ein Lernen an Stationen bei dem die Reihenfolge vorgeschrieben ist, da die
Themen aufeinander aufbauen. Für die andere Variante wird von ihm hingegen der Begriff
,,Lernmosaik" gebraucht.
23
Die Stationen müssen dabei didaktisch so aufbereitet sein, dass die Schüler sich individuell
entsprechend der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und -erfahrungen, sowie der persön-
lichen Aneignungs- und Bearbeitungsmethoden mit der Thematik ohne direkte Hilfe des Leh-
renden auseinandersetzen können. Bei Stationen, die eine Aufsicht des Lehres erfordern - ge-
fährliche Experimenten beispielsweise - ist es jedoch denkbar eine sog. ,,Lehrerstation" ein-
zusetzen.
24
Die Ausrichtung des Angebots erfolgt entsprechend nicht am Durchschnittsniveau
der Klasse, sondern beachtet die gesamte Leistungsbandbreite. Oberstes Ziel ist das Ermögli-
chen eines optimalen Lernens für jeden einzelnen Schüler der Lerngruppe.
25
Dabei müssen
20
vgl. Bauer 2003, 99
21
vgl. Bauer 1997, 57 ff.
22
vgl. Hegele in: Wiechmann 2000, 58
23
vgl. Krieger 2000, 32
24
vgl. ebd., 40
25
vgl. Bauer 2001, 60

9
Stationen zu ein und demselben Thema auf unterschiedlichem Schwierigkeitsniveau und un-
terschiedlichen Interessenschwerpunkten angeboten werden.
26
Die Aufteilung der Stationen ist von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten wie vom Thema
abhängig. Es ist also genauso möglich alle Stationen im Klassenraum zu verteilen, wie auch
,,Außenstationen" einzusetzen. Denkbar wären hierfür beispielsweise der Computerraum oder
die Bibliothek.
27
3.2 Ursprung und Entwicklung des Lernens an Stationen
Das Lernen an Stationen geht auf zwei Ursprünge zurück. Schon 1920 wurde von Helen Park-
hurst der sog. Dalton-Plan ­ benannt nach dem gleichnamigen Ort in den USA ­ entwickelt,
bei dem unterschiedliche Fachräume mit verschiedenen Materialien bereitgestellt wurden, an
denen den Schülern die Möglichkeit der individuellen Arbeit an einer gestellten Aufgabe ge-
geben wurde.
28
Ziel war es den Unterricht in jahrgangsübergreifenden Klassen zu differenzie-
ren. Ähnliche Vorformen finden sich auch bei Freinet, Montessori und Dewey.
29
Der zweite Ursprung geht auf das von den Briten Morgan und Adamson für den Sport entwi-
ckelte, ,,curcuit training" zurück. Den Sportlern stehen dabei unterschiedliche Übungsstatio-
nen zur Verfügung, an denen sie für eine bestimmte Zeit die angegebene Übung praktizieren.
Die Sportler durchlaufen den Zirkel in einer vorgegeben Reihenfolge oder in freier Auswahl.
Bis heute ist das Zirkeltraining Bestandteil des Sportunterrichts.
30
Aufgegriffen und weiterentwickelt wurde diese Idee 1980 von Arno Piechorowski und beson-
ders von Ute Wallaschek, die den Lernzirkel, zunächst ausschließlich für die Primarstufe, auf
unterschiedliche Unterrichtsfächer und ­inhalte, sowie fächerübergreifende Angebote übertru-
gen. Im Gegensatz zum Dalton-Plan beschränkte sich die neue Form jedoch meistens auf nur
einen Raum.
31
Der von mir verwendete Begriff Lernen an Stationen wurde erst 1989 von Gab-
riele Faust-Siehl in ihrem gleichnamigen Aufsatz in der Zeitschrift ,,Grundschule"
32
geprägt.
Durch die ,,einfachen Strukturen, ihrer vielseitigen Verwendbarkeit und ihrer vermittelnden
Position zwischen eher offenem und eher geschlossenem Unterricht"
33
gewinnt diese Lernme-
thode auch im Sekundarbereich zunehmend an Akzeptanz.
34
26
vgl. Hegele in: Wiechmann 2000, 58
27
vgl. Krieger 2000, 40
28
vgl. ebd., 37
29
vgl. Hegele 1997, 7
30
vgl. Bauer 1997, 58
31
vgl. Krieger 2000, 37
32
vgl. Grundschule Heft 3/1989, 22-25
33
zit. nach Hegele 1997, 8
34
vgl. Bauer 1997, 58

10
3.3 Gründe für das Lernen an Stationen
,,Frontalunterricht ist so anstrengend wie ineffizient ­ und wird trotzdem weithin praktiziert",
heißt es in einem Bericht der Zeitschrift ,,Spiegel".
35
Das Lernen an Stationen ist nicht ,,
die
Methode" und schon gar nicht ist sie besser, nur weil es kein Frontalunterricht ist. Dennoch
gibt es einige Gründe, die für das Lernen an Stationen sprechen.
Die noch recht junge Methode Lernen an Stationen soll also nicht als Ersatz, sondern eher als
Erweiterung zu den vielfältigen traditionellen Unterrichtsverfahren, in denen nach GUDJONS
Lehrende Ausführungsorgane fertiger Pakete und Lernende Lernzieladaptionsobjekte sind,
verstanden werden. Neben den anderen Methoden des offenen Unterrichts stellt auch das Ler-
nen an Stationen eine besonders schülerorientierte Arbeitsform dar, deren Ziel die Befähigung
der Lernenden durch Kreativität, Selbstbestimmung, Selbstvertrauen und Kritikfähigkeit zu
selbständigem Handeln und Lernen zu befähigen.
36
GUDJONS geht sogar noch weiter und
schreibt den offenen Unterrichtsformen ihre Existenz dem Scheitern der herkömmlichen ge-
schlossen Formen des Unterrichts zu.
37
Als Legitimation des Lernens an Stationen lassen sich mehrere Aspekte finden. Zum einen
lässt sich auf den im 2. Kapitel angesprochenen Konstruktivismus und die sich daraus ergeben
Folgen für das Lernen verweisen. Zum anderen sprechen die Ergebnisse der empirischen
Lernforschung und die damit verbundenen unterschiedlichen Lerneingangstypen eindeutig für
einen Unterricht mit hohem Anteil an Schüleraktivität.
38
Durch die Handlungsorientierung des
Lernens an Stationen werden besonders die Selbstständigkeit und das eigenverantwortliche
Arbeiten der Lernenden gefördert. Untersuchungen in diesem Zusammenhang haben gezeigt,
dass selbstständig gelernte Inhalte besser abrufbar und anwendbar sind.
39
Indem Wahl- und
Pflichtstationen kombiniert werden und von den Schülern frei wählbar sind, werden die unter-
schiedlichen Interessen und die individuellen Lerntempi sowie Lernmuster und ­wege berück-
sichtigt.
40
Die Pflichtstationen enthalten dabei die notwendigen Grundinformationen des The-
mas für alle Schüler.
41
Durch die unterschiedlichen Sozialformen innerhalb des Lernens an
Stationen wird zusätzlich die Sozialkompetenz der Schüler gefördert. Die angebotenen Ar-
beitsaufträge und Materialien sollten dabei neben der Ziel- und Produktorientierung ebenso
handlungsorientiert aufgebaut sein. Die unterschiedlichen Lernangebote richten sich somit
auch nicht, wie im klassischen Unterricht, an den Durchschnittsschüler, sondern es werden
lernstarke wie lernschwache Schüler gleichermaßen berücksichtigt. Allen Lernenden ist es
somit im Rahmen ihrer Fähigkeiten möglich eine erforderte Leistung zu erbringen, wodurch
eine hohe Binnendifferenzierung erzielt wird. Diese Erfolgserlebnisse sowie eine angenehme
35
Zeitschrift ,,Spiegel" vom 10.11.2003
36
vgl. Gudjons 2001, 25
37
ebd.
38
vgl. Bauer 1997, 33 ff., 99
39
Siehe hierzu die lernbiologischen Ergebnisse, auf die im Kapitel 6 eingegangen wird.
40
vgl. Bauer 1997, 95ff.
41
vgl. Bauer 2003, 101

11
Lernatmosphäre, welche anstelle von Konkurrenz durch Individualität und Partnerschaftlich-
keit geprägt ist, sind die Grundlage für ein motiviertes Lernen. Unterstützt wird dieser moti-
vierende Charakter durch einen autodidaktischen Zugang, der die Lernziele zu eigenen Zielen
und die Lernaufgaben zur Selbstbildung macht.
Häufig aus Über- oder Unterforderung herrührende Unterrichtsstörungen werden durch diese
unterschiedlichen Gestaltungsformen ebenso weitestgehend vermieden. Als weitere Ursache
für Unterrichtsstörungen ist das Konzentrationsgefälle zu nennen. Schüler haben eine durch-
schnittliche Konzentrationsfähigkeit von zwanzig Minuten.
42
Wird diese Leistungsgrenze
überschritten, führt es a priori über Unaufmerksamkeit und Bewegungsdrang bis zu jeglicher
Form von Störungen. Mit gezielt eingelegten Pausen hingegen lässt sich die Leistungsfähig-
keit steigern. Die Lernpausen sollten von der Länge und Schwierigkeit des Lernstoffs abhän-
gen. Vertreter der Heilpädagogisch-Rehabilitationswissenschaftlichen Fakultät der Uni Köln,
wie auch BAUER, sehen nach 20 Minuten Lernen sogar einen Lernplatzwechsel vor.
43
Die
Aufgaben an den Stationen wirken in ihrer unterschiedlichen Konzeption und ihrer zeitlichen
Dimension dem Konzentrationsabfall entgegen. Kommt es dennoch zu Störungen, wird hier-
durch nicht mehr der gesamte Unterricht gestört, sondern höchstens die Schüler in unmittelba-
rer Nähe. Der Bewegungsdrang wird zusätzlich durch die Möglichkeit der freien Bewegung
im Raum befriedigt. Durch die Möglichkeit des ,,Rückzugs" des Lehrenden ­ hiermit ist nur
eine Zurücknahme aus dem Zentrum des Unterrichtsgeschehens gemeint ­ hat dieser mehr
Zeit für individuelle Beratung zur Verfügung. Außerdem wird hierdurch die permanente Kon-
trolle der Schüler durch die Lehrkraft beseitigt. Die Lernenden kontrollieren einander und sich
selbst
44
. Ich werde auf die Rolle der Lehrerin bzw. des Lehrers im Kapitel 3.5 noch expliziter
eingehen.
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass das Lernen an Stationen den Schülern sowie den
Lehrern den Einstieg in die offenen Unterrichtsformen erleichtert, da bei dieser Methode die
Öffnung vom Lehrenden gesteuert werden kann. So ist es z. B. möglich durch Einteilung in
Pflicht- und freiwilligen Stationen, Festlegung der Reihenfolge oder vorstrukturierten Arbeits-
aufgaben schrittweise die Schüler zu mehr Selbst- und Eigenständigkeit und sich selbst an die
veränderte Rolle heranzuführen.
3.4 Äußere und innere Organisation des Lernens an Stationen
Wie alle Unterrichtseinheiten ist auch das Lernen an Stationen an die curricularen Vorgaben
gebunden. Obwohl die Lerngruppe zeitgleich an unterschiedlichen Aufgaben arbeitet, muss
am Ende das gleiche Lernziel erreicht werden. Beim Lernen an Stationen lassen sich anhand
der didaktischen Funktion vier Arten und eine damit verbundene Platzierung im Unterricht un-
42
vgl.
http://www.erft.de/schulen/aksp/frames/start_folien.html
; 12.07.2006, 19:30
43
http://www.hrf.uni-koeln.de/sitenew/content/psaglauth/files/Aufmerksamkeit.pdf
; 12.07.2006, 20:00
und Bauer 1997, 34
44
Die Lernhilfen für die Selbstverantwortung und ­einschätzung werden im Kapitel 4.1.1 aufgegriffen.

12
terscheiden. Die häufigste Verwendung findet das Lernen an Stationen zum Üben eines bereits
erarbeiteten Themas. Ähnlich der Übung ist die Aufarbeitung von Vorlagen oder Schulbuch-
seiten. Die Angebote ermöglichen eine umfassende Auseinandersetzung mit Berücksichtigung
vieler Aspekte des Übens durch Anwenden. Des Weiteren ist der Einsatz nach einer üblichen
Einführungsphase möglich. Die Schüler führen zuvor gesehene Handlungen selbst durch und
machen dadurch entsprechende Erfahrungen. Die vierte und auch von mir gewählte Form des
Lernens an Stationen ermöglicht den Schülern sich auf unterschiedliche Weise neue Inhalte
selbständig zu erarbeiten.
45
Abb. 1: Arten beim Lernen an Stationen
46
Anhand der didaktischen Funktion und der schon aufgeführten Grundbeschreibung des Ler-
nens an Stationen ergeben sich Folgen für die Organisation, die gründliche Vorüberlegungen
erfordern. Neben dem äußeren Rahmen sind auch die inhaltlichen Aspekte hiervon betroffen.
47
Die Klassenzimmergestaltung muss für das Lernen an Stationen nicht notwendigerweise ver-
ändert werden. Es sollte jedoch durch eine sinnvolle Tischanordnung darauf geachtet werden,
dass es den Schülern möglich ist die Stationen in allen Sozialformen zu erarbeiten und dem-
entsprechend ausreichend Platz zur Verfügung steht. Die Anordnung der einzelnen Lernstati-
onen muss sinnvoll und übersichtlich sein. Die Arbeitsaufträge werden in Form schriftlicher
Anweisungen, als Arbeitsblätter, durch Versuchsaufbauten, als Skizzen mit Aufforderungs-
charakter u. ä. zur Verfügung gestellt und gut sichtbar im Raum verteilt. Dazu können freie
Tische, Stühle, die Fensterbänke genauso wie Pinnwände, (Seiten-)tafeln und weiteres mehr
verwendet werden. Im Sinne der Übersichtlichkeit und Orientierung sollten die Stationen ne-
45
vgl. Bauer 1997, 110
46
in Anlehnung an: ebd., 103
47
An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die beschriebenen Aspekte den idealtypischen
Zustand beschreiben. In der Realität kann dieser meist nur z. T. umgesetzt werden. In der konkreten
Planung meiner Unterrichtseinheit (Kapitel 3) werde ich detaillierter darauf eingehen.
Arten des
´Lernens
an Stationen`
Übung
vertiefendes
Bearbeiten
selbständiges
Erarbeiten
Vorlagen
aufarbeiten

13
ben einem festen Platz auch durch Ziffern, Buchstaben oder Symbolen gekennzeichnet und
aus der Ferne, also vom Platz des Lernenden, gut lesbar sein. Zudem kann diese Kennzeich-
nung durch farbliche Mittel unterstützt werden, um die inhaltliche Struktur oder organisatori-
sche Betrachtungsweisen zu verdeutlichen.
48
Ich selbst werde die Stationskarten mit großen,
farblichen Nummern gestalten und mit den selben Symbole versehen, die sich auf dem Lauf-
zettel befinden und Auskunft über Stations- sowie Bearbeitungsstruktur geben.
49
Nach Mög-
lichkeit sollten die Schülertische bei diesem Aufbau nicht miteinbezogen werden, denn auf der
einen Seite wird hierdurch ­ gerade im Fachunterricht ­ die längerfristige Bereitstellung be-
hindert und auf der anderen Seite sollten diese auch als ,,Heimat" für die Schüler erhalten
bleiben. Neben ihren Tischen sollten den Schülern auch die Arbeit an anderen Lernorten er-
möglicht werden. SALZGEBER verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff ,,Außensta-
tionen" und meint damit, beispielsweise den Flur, die Bibliothek und den Computerraum.
50
Ebenso wie der Lernort sollte auch - ich habe es schon angesprochen ­ die Wahl der Sozial-
form nach Möglichkeit nur als Vorschlag angegeben werden. Eine solche Offenheit verlangt
aber auch Rahmenbedingungen. Parallel zur Arbeit müssen für einen reibungslosen Ablauf
Verhaltens- und Arbeitsregeln mit den Schülern erarbeitet werden.
51
Diese sind fürs Lernen
an Stationen mindestens genauso wichtig, wie für andere Unterrichtsformen auch. Die Rah-
menbedingungen sollten jedoch ebenfalls mit den Schülern gemeinsam und nicht als ,,Tro-
ckenkurs", sondern parallel zur Arbeit entwickelt werden. Begründen lässt sich dieses darin,
dass manche Dinge gar nicht geregelt werden müssen, da sie gar nicht als Problem auftreten.
Andererseits werden viele Vereinbarungen für die Schüler erst einsichtig, wenn sie es an einer
aktuellen Situation erfahren. Eine Regel ist immer nur so gut wie die gleichzeitige Vereinba-
rung darüber, was bei einem Regelverstoß geschieht.
52
Auch hier sollten die Schüler beteiligt
werden, denn nur dann werden die Folgevereinbarungen auch akzeptiert.
53
Dennoch müssen
einige Regeln, die das Arbeiten an den Stationen direkt betreffen, von Anfang an vorgegeben
werden. Hierzu zählen beispielsweise, dass angefangene Aufgaben zu Ende geführt werden
müssen, bevor neue begonnen werden und dass der Freiraum und die Arbeitsfähigkeit eines
Schülers nicht durch einen anderen, z. B. durch die Belegung mehrerer Tische, eingeschränkt
werden darf.
54
Die Stationen werden je nach didaktischer Intention in Pflicht- und frei wählbare Stationen
unterteilt. Bei der Neuerarbeitung eines Themas kann es u. U. sinnvoll sein, eine bestimmte
Reihenfolge vorzugeben, bei der Übung werden die Stationen meist frei wählbar durchlaufen.
In jedem Fall muss die Anzahl der Arbeitsaufträge und der Materialien der Klassenstärke an-
48
vgl. Bauer 1997, 67 ff.
49
Die Stationskarten finden sich im Anhang (A64)
50
vgl. Salzgeber in: url:
http://www.semrs.aa.bw.schule.de/statione.htm
; 20.07.2006; 09:00
51
vgl. Bauer 1997, 75
52
vgl. Bauer 1997, 74
53
ebd.
54
ebd., 73 f.

14
gepasst sein, so dass gewährleistet werden kann, dass während des Lernens an Stationen alle
Schüler beschäftigt sind. Dabei müssen sie aus inhaltlichen und Differenzierungsgründen den
genannten Kriterien entsprechen.
55
Zur Einführung der Stationen stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Denkbar
wäre ein Rundgang mit der gesamten Klasse, während der Lehrende die Stationen kurz vor-
stellt. Nach BAUER ist dies jedoch nicht sinnvoll, da die Schüler aufgrund der begrenzten
Aufnahmefähigkeit nach nur wenigen Vorstellungen überfordert sind, bzw. nach ihrer Ent-
scheidung für eine Station nicht mehr zuhören. Aus diesem Grund ist es sinnvoll die Arbeits-
stationen ein bis zwei Tage vor dem tatsächlichen Arbeitsbeginn bereitzustellen, oder einen
,,Ausstellungsrundgang" anzubieten, bei dem die Schüler die einzelnen Angebote betrachten
und im Überblick kennen lernen können. Diese Formen der Einführung wecken die natürliche
Neugierde der Schüler und bieten die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen und
dadurch für eine Anfangsstation entscheiden zu können.
56
Neben der Stationsarbeit ist die Einhaltung von Gesprächrunden unbedingt notwendig. Diese
sind einerseits für die o. g. Regelabsprache unerlässlich, aber dienen auch dem Erfahrungs-
und Problemaustausch, da diese Phasen neben dem sonst individuellen Lernen auch das sozia-
le Lernen, das Berichten und Zuhören in den Lernprozess integriert. Die Gesprächsrunden
sollten jedoch situativ begründet eingesetzt werden, weshalb ich mich für Stationsblöcke ent-
schieden habe. Grundsätzlich folgt einem Stationsblock eine Gesprächsrunde, der sich erst
dann eine weitere Stationsarbeit anschließt. Das verbietet natürlich keineswegs bei Bedarf
weitere Gesprächsrunden einzubauen. Auch bietet sich eine Gesprächsrunde zu Beginn jeder
Stunde an, damit sich die Schüler, sowie die Lehrkraft durch diesen gemeinsamen Beginn
sammeln und auf das aktuelle Thema einlassen können. Gleichzeitig gewährleistet ein an die-
ser Stelle platzierter Gesprächskreis die Vorteile des gleitenden Beginns. Die Stunde beginnt
nicht mit der Aufforderung der Glocke, sondern in einer offenen Anfangsphase. Ebenso stören
Schüler, die verspätet zum Unterricht kommen, nicht gleich die Arbeit der gesamten Klasse.
57
Für die Schüler, wie auch für die Lehrkraft, bietet ein Laufzettel
58
die notwendige Orientie-
rung über Inhalt und Struktur der Stationen, sowie über den aktuellen Stand der Bearbeitung.
Neben dem Namen des Schülers werden demnach auf dem Laufzettel die Stationen, deren In-
halt und Struktur, sowie die Pflicht- und Wahlbereiche und ggf. die vorgeschlagene oder not-
wendige Sozialform vermerkt. Aus diesem Grund sollten auf dem Laufzettel dieselben Sym-
bole und Farben wie an den Stationen verwendet werden. Der Orientierung dient es einerseits
deshalb, weil sich durch abhaken der bearbeiteten Stationen der aktuelle Stand erkennen lässt,
andererseits gibt schon der Laufzettel Auskunft über Inhalt und Struktur der Stationen,
wodurch die Schüler sich schon von ihrem Platz aus für eine Station entscheiden können, für
55
ebd., 75
56
vgl. ebd., 88
57
ebd., 86
58
Die Laufzettel finden sich im Anhang zu den jeweiligen Stationsblöcken (A5, A31, A49)

15
die sie sich interessieren. Einige Autoren empfehlen auch einen zusätzlichen Laufzettel in
Form einer Übersichtsliste, die beispielsweise am Lehrertisch ausliegt und in der sich alle
Schüler nach der Bearbeitung einer Station in das entsprechende Feld eintragen. Ein solches
Vorgehen verschafft der Lehrkraft einen guten Überblick über den Stand der gesamten Klasse,
gleichzeitig wird jedoch durch diese Veröffentlichung der Einzelleistungen eine Konkurrenz-
situation geschaffen.
59
Um bei der Entscheidung gegen das letztgenannte System dennoch ei-
nen Überblick über die bearbeiteten Stationen der gesamten Klasse zu erhalten, habe ich mich
dafür entschieden, die Laufzettel von Zeit zu Zeit einzusehen. So verschaffe ich mir einen
Überblick, ohne dass eine Konkurrenzsituation entsteht.
Im Kapitel 3.3 habe ich bereits die Notwendigkeit der didaktischen Aufbereitung der Statio-
nen angesprochen, um neben den rein fachlichen Kompetenzen auch die sozial-affektiven,
methodischen, wie auch kommunikativen Kompetenzen zu fördern. Ebenso wichtig ist die
Aufbereitung der Arbeitsblätter. Ohne an dieser Stelle detailliert auf die einzelnen Stationen
bzw. Arbeitsblätter einzugehen, was den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit sprengen wür-
de, sollen einige grundlegende Aspekte angesprochen werden, die ich für meine Konzeption
für wichtig erachtet hatte.
60
Um die o. g. Kompetenzen zu erreichen, habe ich die Stationen
abwechslungsreich gestaltet, so dass die verschiedenen Lernkanäle berücksichtigt wurden.
Viele handlungsorientierte und offene Aufgaben durch den Einsatz von Versuchen und Com-
putern sollten die Motivation fördern. Die Arbeitsblätter habe ich so gestaltet, dass die Ar-
beitsaufträge selbsterklärend sind und die Schüler ohne weitere Erläuterung durch den Lehrer
selbstständig daran arbeiten können. Das bedeutet, dass die Aufträge alles das beschreiben
müssen, was im ,,normalen" Unterricht verbal ausgedrückt wird. Hierzu zählt, ,,was zu tun ist
oder in welchem Rahmen sich das Tun bewegen soll und ggf. wo die Ergebnisse festzuhalten
sind".
61
Im Sinne des Vorbildscharakters wurden die Arbeitsblätter von mir ansprechend und
ästhetisch wie fachwissenschaftlich einwandfrei gestaltet.
62
Die Arbeitsaufträge sollten unter
Berücksichtigung des Lerntempos der unterschiedlichen Leistungsstände und der Lerntypen
vielseitig sein. Ebenso sollten zur Erlangung höherer Fertigkeiten, vertiefter Einsichten und
tiefgreifenderen Wissen, Umformungen in andere bruner´schen Repräsentationsebenen er-
möglicht werden, denn nur so kann von einem optimalen Lernen die Rede sein.
63
Die Arbeitsaufträge müssen gemäß der in Kapitel 3.3 angesprochen Zeit in Anbetracht des
Konzentrationsabfalls erledigt werden können. Die Kontrolle der Ergebnisse sollte möglichst
selbständig oder durch die Mitschüler durchführbar sein. Ich habe jedoch auf die in der Litera-
59
vgl. Bauer, 1997, 76
60
Auf die Arbeitsblätter gehe ich in meiner Konzeption der Unterrichtseinheit und im Anhang genauer
ein.
61
zit. nach Bauer 2003, 100 und siehe Aufbau meiner Arbeitsblätter im Anhang
62
Ich habe mich aus diesen Gründen für eine Corporate Identity entschieden. So erkennen die Schüler
eine bestimmte Struktur wieder und immer gleich verwendete Symbole und Schriftarten, sowie ­farben
erleichtern das Verständnis.
63
vgl. Bauer 1997, 99 (Die drei bruner´schen Repräsentationsebenen sind enaktiv, ikonisch und symbo-
lisch.)

16
tur als Möglichkeit beschriebenen, zur Selbstkontrolle ausliegenden, Lösungsblätter verzich-
ten. Zum einen bot es sich aufgrund der von Vielzahl an Stationen mit Versuchen nicht an, da
die Schüler hier z. T. individuelle Ergebnisse erzielen werden. Zum anderen verleiten fertigen
Lösungen ­ gerade auch während der Neueinführung einer Methode ­ ggf. zum Abschreiben
der fertigen Ergebnisse.
In den Stationenbetrieb sollten offene Aufgabenstellungen mit einbezogen werden, die u. a.
die Schüler dazu anregen sollen, Ideen zur Verbesserung oder zur Neuerstellung von Stationen
zu entwickeln. Solche Aufgaben regen gerade Schüler an, die lieber Aufgaben erstellen als re-
aktiv arbeiten.
64
Dadurch, dass mehr Stationen bzw. Arbeitsaufträge zur Verfügung stehen als von den Schü-
lern bearbeitet werden sollen, können unterschiedliche Zugänge und qualitative Differenzie-
rungsangebote berücksichtigt werden. Aus den verschiedensten Gründen, wenn z. B. bei ei-
nem begrenzten Thema, kann es jedoch möglich sein, dass nicht ausreichend unterschiedliche
Stationen zur Verfügung stehen. Dann muss aber gewährleistet sein, dass die vorhandenen
Stationen von mehreren Schülern gleichzeitig bearbeitet werden können, damit alle im ge-
nannten Sinne beschäftigt sind. Am unkompliziertesten lässt sich dieses an Stationen errei-
chen, die nur Arbeitsblätter benötigen und so eine ausreichende Anzahl an Kopien diesen An-
forderungen genügt.
Ein abschließender Organisationspunkt betrifft das Expertensystem. In der Literatur werden
die verschiedensten Formen beschrieben. In jedem Fall ist dieses System hilfreich um die
Selbständigkeit der Schüler zu erweitern, sowie deren soziale und kognitive Kompetenzen zu
verstärken.
65
Wenn es für jede Station einen Schüler gibt, der sich mit dem zu bearbeiteten
Lernstoff gut auskennt, hat das positive Auswirkungen für den Verlauf der Arbeitsphase.
66
Bei
Fragen zu den Stationen können sich die Schüler an die Experten wenden. Wobei es nicht da-
rum gehen soll, die Lösungen weiterzugeben, sondern bei der Suche nach Lösungswegen zu
unterstützen. Diese Methode hat sich auch bei Jürgen Reichens Werkstattunterricht
67
bewährt.
REICHEN sieht jedoch für das Expertensystem vor, die erste zu bearbeitende Station vorzu-
geben. Für mich widerspricht sich dieses dem eigentlichen Verständnis dieser Methode. Die
Wahlmöglichkeit ist somit von Anfang an nicht gegeben. Die Experten sollen eine Station
wählen, die sie interessiert, denn nur unter dem Gesichtspunkt der intrinsischen Motivation
setzen die Schüler sich entsprechend mit dem Lernstoff auseinander und sind anschließend in
der Lage, ihre Mitschüler kompetent zu beraten. Die Namen der ,,Experten" werden an der Ta-
fel visualisiert, damit die anderen Schüler ihre Ansprechpartner finden.
64
vgl. Bauer 1997, 97
65
vgl. ebd., 84 f.
66
vgl. ebd.
67
vgl. Reichen 1991

17
3.5 Die Rolle der Lehrkraft beim Lernen an Stationen
Das Lernen an Stationen ist eine stark schülerorientierte Methode, wodurch sich die Lehrerin-
nen- bzw. Lehrerrolle vom zentralen Vermittler zum ,,Initiator und Moderator von Lernpro-
zessen, zum Berater und Beobachter"
68
verändert. Das bedeutet also, dass der Lehrende in die-
ser Form des Unterrichts im Hintergrund fungiert, er begleitet und unterstützt, aktiv hingegen
sind durchgehend die Lerner selbst.
69
Diese Veränderungen bergen viele Möglichkeiten und
Chancen, aber auch Risiken und Schwierigkeiten. Der Schwerpunkt des veränderten Rollen-
bildes liegt in der Vor- und Aufbereitung des Stoffes, sowie in der Organisation des Unter-
richts. Die Lehrkräfte stehen nicht mehr im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens, wodurch
zum einen der direkte Handlungsdruck abgebaut wird, zum anderen wird die direkte Bean-
spruchung im Unterricht geringer ­ der ,,Energieaufwand" sinkt. Dieses bedeutet jedoch zu-
gleich einen nicht unerheblichen zeitlichen und organisatorischen Vorbereitungsaufwand im
Vorfeld des Lernens an Stationen, da hier die Planung von Einzelstunden für den Folgetag
nicht ausreichen, sondern Unterrichtskomplexe oder sogar gesamte Unterrichtseinheiten vor-
bereitet werden müssen.
Die Hauptaktivität während des Unterrichts liegt bei den Schülern, wodurch der Lehrkraft ein
distanziertes Beobachten ermöglicht wird. Es gestattet der Lehrkraft eine stärkere individuelle
Auseinandersetzung mit den Lernenden. Zudem erhält sie einen differenzierten Einblick in die
Lern- und Arbeitsvorgänge und die Lernleistungen des Einzelnen. Gerade hierdurch erhoffte
ich mir für meinen Unterricht stärker auf individuelle Lernschwierigkeiten einzugehen und
mir ein besseres Bild von den Lernleistungen des Einzelnen machen zu können, was auch die
Begabungen und Neigungen mit einschließt. Die Konzentration auf die frei wählbaren, für die
Schüler interessanten Unterrichtsgegenstände führt dazu, dass das Unterrichtsgeschehen selte-
ner gestört wird. Sollte es dennoch dazu kommen, hat die Lehrkraft hier die Möglichkeit sich
mit dem Störenden zu beschäftigen, ohne dass dadurch das gesamte Unterrichtsgeschehen
zum Erliegen kommt.
70
Die Lehrkraft wird deutlich passiver, damit die Schüler aktiv sein
können. Das erfordert auch Vertrauen in die eigenständige Arbeit der Schüler, denn sie gibt im
Lernen an Stationen einen Teil der Kontrollfunktion zugunsten der Lerngruppe ab. Die Lehr-
kraft greift nur ­ wenn nötig ­ korrigierend in das Geschehen ein.
71
Beim selbstständigen Lernen ist eine ständige Kontrolle nicht erwünscht, aber auch nicht
möglich. Dadurch erweist sich die Leistungsbemessung und ­bewertung für die Lehrkraft als
äußerst problematisch. Eine direkte und dauernde Überprüfung aller Schüler, die eine indivi-
duelle Beurteilung benötigt, ist nahezu unrealisierbar. Das bedeutet demnach, dass die Über-
prüfung des Lernerfolgs nur z. T. in den Gesprächsrunden, in Einzelgesprächen, oder bei einer
68
zit. nach Bauer 1997, 157
69
vgl. Reich, in: url: http://methodenpool.uni-koeln.de; 20.07.2006, 12:30
70
vgl. Bauer 1997, 60
71
vgl. Bauer 1997, 160

18
abschließenden Präsentation erfolgen kann.
72
Das Anlegen eines Portfolios, in dem die Schü-
ler ihre Ergebnisse der Stationsarbeit sammeln und sie ggf. ergänzen können, bietet, wie die
schriftlichen Lernzielkontrollen eine Möglichkeit zur Bewertung der individuellen kognitiven
Lernziele. Trotz der häufigen, aus der Fachliteratur stammenden, Kritik an die veränderte Un-
terrichtssituation nicht optimal angepassten Überprüfung, habe ich mich für die Klassenarbeit
entschieden.
73
In der Gesamtreflexion werde ich diese Entscheidung näher begründen.
3.6 Probleme beim Lernen an Stationen
So positiv meine Ausformulierungen bis hier auch gewesen sind, der Einsatz des Lernens an
Stationen birgt auch Risiken und Schwierigkeiten.
Im Kapitel 3.5 sind schon Schwierigkeiten, die die Lehrkraft betreffen, angesprochen worden.
So ist der Vorbereitungsaufwand zunächst höher, da evtl. ein größerer organisatorischer Auf-
wand betrieben und auch die gesamte Einheit bzw. Übungssequenz vorbereitet werden muss.
Erleichterungen bieten hier zahlreiche Kopiervorlagen zu den verschiedensten Themen, die
dann aber immer noch der jeweiligen Lerngruppe entsprechend angepasst werden müssen.
Auch das von BAUER beschriebene Problem der dauernden Überprüfbarkeit der Schüler, so-
wie dem damit zusammenhängenden Überblick über den Leistungsstand der Klasse und der
Leistungsmessung, habe ich im vorherigen Kapitel angesprochen. Alles dieses kann entspre-
chend dazu führen, dass die Eltern Zweifel an dieser Art des Lernens äußern. Die Lehrkraft
muss sich zudem im Klaren darüber sein, Verantwortung abgeben zu müssen, damit die Me-
thode funktioniert.
74
Daneben birgt die Methode aber auch Schwierigkeiten für die Schüler. Diese bringt SCHU-
BERT in einem Satz zum Ausdruck: ,,Lernen an Stationen erfordert und fördert [...]".
75
Die
Schüler müssen nämlich u. a. schon einige Fähig- und Fertigkeiten mitbringen oder vorher ge-
lernt haben, wie ­ um nur ein Beispiel zu nennen ­ die konstruktive Arbeit in Gruppen. Wenn
die Schüler selbstständig den für sie besten Zugang wählen sollen, muss ihnen dieser auch
bewusst sein. An der Erich-Maria-Remarque-Realschule ist den Schülern dieser weitestgehend
durch die monatlichen Lernkompetenztage nach KLIPPERT bekannt.
76
Es ist kritisch zu betrachten, wenn allzu viele Ziele gleichzeitig erreicht werden sollen. Ohne
Vorbereitung einzelner methodischer Schritte kann die Förderung der Schüler durch die Viel-
falt der Eigenständigkeitsanforderungen schnell zur Überforderung werden. Nach den Be-
schreibungen der Landesverfassungen und Schulgesetzte, sowie sogar der Grundrechte, soll
jeder Schüler gemäß seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten, sowie seiner Leistungen eine op-
timale Förderung erhalten. Gleichzeitig birgt dieses auch die Gefahr, dass die ,,Schere" im
72
vgl. Bauer 2003, 171 f.
73
vgl. ebd. 140 und Bauer 2002, 172
74
vgl. ebd. 61; siehe auch Kapitel 3.5
75
vgl. Schubert, M. unter:
http://www.learn-line.nrw.de/angebote/lakonkret/
; 21.07.2006; 09:00
76
nach dem Vorbild der Realschule Enger (s. Literaturverzeichnis)

19
Leistungsvermögen der Klasse hierdurch noch weiter auseinanderklafft und bei der vorgege-
benen Notenbildung nicht ausreichend berücksichtigt werden kann.
77
Ein letztes Problem möchte ich ansprechen, das sich durch die Aufteilung in Pflicht- und frei-
willigen Stationen ergeben kann; die freiwilligen Stationen werden eventuell nur als Zusatz,
oder vielleicht sogar als überflüssig denunziert.
78
Ich werde die Probleme und eventuell aufgetretene Schwierigkeiten in meinen Reflexionen
erneut aufgreifen und auf meine Erfahrungen hin betrachten.
79
4. Konzeption der Unterrichtseinheit ,,Sinne"
Die in den vorhergehenden Kapiteln beschrieben Überlegungen geben den Rahmen meiner
Konzeption für die Unterrichtseinheit ,,Sinne" vor. Dabei sollte sich die Planung jedoch flexi-
bel an die Schülerinteressen anpassen. Zusammenfassend lässt sich die Unterrichtseinheit in
sechs Phasen unterteilen, die folgend kurz dargestellt werden sollen
80
.
1. Planung
Das Lernen an Stationen ist eine planungsintensive Methode, deren Erfolg in hohem Maße
von der Qualität der Vorbereitung abhängt. Diese Phase wird in den meisten Fällen von der
Lehrperson alleine durchlaufen. Jedoch sollten aufgrund der vielfältigen Vorteile die Schüler
früh in die Planung meiner Unterrichtseinheit mit einbezogen werden.
2. Praktische Vorbereitung und Bereitstellung
Das Konzept muss in Lernaufträge übersetzt und im Lernraum installiert werden. Gemeint ist
damit die Sichtung und Auswahl der Materialien, die Formulierung der Aufträge, die Bereit-
stellung von Hilfen und Arbeitsmitteln, sowie schließlich der Aufbau der Stationen.
Wenn die Schüler insbesondere in den Aufbau mit einbezogen werden, kann sich u. U. die
nachfolgende Einführungsphase erübrigen, bzw. gekoppelt werden.
3. Einführung
Spätestens in dieser Phase sollen die Schüler erfahren, wie die bevorstehende Arbeit an Stati-
onen funktionieren wird. Sie sollen Thema, Lernziele und Arbeitsregeln kennen und verstan-
den haben und soweit noch nicht in der dritten Phase geschehen, die Gelegenheit erhalten, die
einzelnen Stationen mit den zugehörigen Aufträgen zu betrachten.
4. Durchführung
Die Erarbeitungsphase kann sich i. d. R. über mehrere Stunden erstrecken. Der Arbeitsrhyth-
mus sollte dabei mit anderen Lernphasen, die das Lernen an Stationen unterbrechen, abge-
77
vgl. Bauer 1997, 61
78
vgl. Stauff, H. unter:
http://www.stauff.de/methoden/dateien/index.htm
; 19.07.2006; 21:00
79
siehe Kapitel 5 und 6
80
Reich, in: url: http://methodenpool.uni-koeln.de; 20.07.2006, 12:30

20
stimmt werden. Aus diesem Grund habe ich die Einteilung in Stationsblöcken vorgenommen,
die gleichzeitig durch die nächsten beiden Phasen bedingt wurden.
5. Ergebniskontrolle
In dieser Phase geht es darum, dass die Lernenden einzeln oder gemeinsam die Ergebnisse ih-
rer Arbeit überprüfen, darstellen und auf einen größeren Zusammenhang beziehen können. Im
Kleinen sollte dieses schon am Ende jedes Arbeitsauftrages geschehen, etwa durch das Anle-
gen eines Portfolios. Im Weiteren soll in Abständen oder im Anschluss an die Arbeitsphase
eine Ergebniskontrolle stattfinden. Das Lernen an Stationen bestärkt die Schüler darin, ihre
Arbeitsweise und ihren Lernfortschritt selbst kritisch zu beurteilen.
6. Auswertung
Nach dem Abschluss des Lernens an Stationen soll es zu einer Auswertung der Arbeitsphase -
im Idealfall gemeinsam zwischen der Lehrperson und den Schülern - kommen. Allen soll da-
bei deutlich werden, wie den Lernern das Lernen und den Lehrenden das Lehren gelungen ist.
Die Ergebnisse kommen Schülern, Lehrern und der weiteren Anwendung der Methode zugute.
Ihre Vorteile sollten in keinem Falle unterschätzt werden. Insbesondere für die Schüler, die
während der Arbeitsphase höchstwahrscheinlich eigenständiger als sonst gearbeitet haben,
kann es von großer Wichtigkeit sein, wie sie und andere den Arbeitsprozess erlebt haben.
Aus diesen Phasen ergibt sich eine Gliederung der Unterrichtseinheit, wie sie in der Tabelle 1
dargestellt ist. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit finden sich die sechs Phasen wieder.
Stunde
Thema
1
Einführung in das Thema und die Methode
(Metamethode)
2
3
Der Stationsblock ,,Auge"
4
5
Auswertung und Reflexion
6
Der Stationsblock ,,Ohr"
7
8
Auswertung und Reflexion
9
Der Stationsblock ,,Haut"
10
11
Auswertung und Reflexion
12
Der Stationsblock ,,Riechen und Schmecken"
13
14
Auswertung und Reflexion
15
Die Weiterleitung zum Gehirn
16 Abschlussreflexion
Tabelle 1: Gliederung der Unterrichtseinheit ,,Sinne"
81
81
Tabelle nach eigenem Entwurf

21
4.1 Organisatorische Voraussetzungen
Aufgrund einiger organisatorischer Vorgaben mussten Überlegungen für die praktische Um-
setzung der Unterrichtseinheit angestellt werden. An der Erich-Maria-Remarque-Realschule
findet der Biologieunterricht für die achte Klassenstufe epochal in zwei getrennten Wochen-
stunden statt. In meinen Vorüberlegungen wollte ich die Stunden gerne zu einer Doppelstunde
zusammenlegen, denn dadurch wären bessere Voraussetzungen für das Lernen an Stationen
gegeben, als es in 45 Minuten möglich ist. Ein Tausch war jedoch aufgrund der Stundentafel
nicht möglich. Vorteil der Einzelstunden war hingegen, dass so zwischen den Stunden nicht
der Zeitraum von einer Woche lag. Auch konnten die Schüler an die Arbeitsform herangeführt
werden, ohne dass es zu einer Überforderung, entsprechend des Konzentrationsgefälles,
kommen konnte.
82
Diese Vorgaben mussten bei der Planung der Stationen bedacht werden,
damit sie nicht zu umfangreich wurden. Auch BAUER empfiehlt, nach dem Motto: ,,Aufhö-
ren, wenn es am schönsten ist!", für die Arbeitsphasen eine, oder maximal zwei Unterrichts-
stunden ,,am Stück" einzuplanen.
83
Der Unterricht fand im Fachraum Biologie der Schule statt. Auch hieraus ergaben sich einige
Vor- aber auch Nachteile für das Lernen an Stationen. Die Arbeitsstationen werden im Raum
verteilt bereitgestellt, wobei im Idealfall die Schülerplätze als ,,Heimat"
84
bestehen bleiben
sollen.
85
Der Fachraum bot aufgrund der starren Sitzanordnung nicht viel Spielraum für Um-
gestaltung. Auch konnten aufgrund des Charakters eines Fachraums die Stationen nicht aufge-
baut bleiben. Ich hatte im Vorfeld angedacht auf den Klassenraum auszuweichen. Da dieser
jedoch zur selben Zeit von einer anderen Klasse belegt wurde, war dieses nicht ohne weiteres
möglich. Allerdings bot der Fachraum auch Vorteile, weshalb ich mich gegen eine Umlegung
in den Klassenraum entschieden habe. Zum einen konnte man schneller auf die Modelle zu-
greifen, die auch nicht im Klassenraum hätten verbleiben können, und zum anderen bietet ein
naturwissenschaftlicher Fachraum bessere Möglichkeiten für Versuche. Durch die zusätzliche
Nutzung des benachbarten Fachraumes für den Zeitraum dieser Unterrichtseinheit, war es
möglich, dass die ,,Heimat" der Schüler gesichert werden konnte und zusätzlich Rückzugs-
möglichkeiten entstanden, die ein ungestörteres Arbeiten ermöglichten.
4.2 Situation der Lerngruppe
Seit Beginn des zweiten Halbjahres unterrichte ich die Klasse 8b eigenverantwortlich zwei-
stündig im Fach Biologie. Die Schüler sind mir aus dem Wirtschaftsunterricht des vorherigen
Halbjahres bereits bekannt. Zwischen der Klasse und mir, der Lehrkraft, besteht durchgängig
ein gutes Verhältnis. Die Klasse 8b setzt sich aus 13 Mädchen und 11 Jungen zusammen. Vor
82
siehe auch Kapitel 3.3 über die Konzentrationszeit von Schülern
83
zit. nach Bauer 2003, 101
84
vgl. Bauer 1997, 75
85
siehe 3.4

22
wenigen Wochen sind zwei Schülerinnen neu in die Klasse gekommen. Beide haben bereits
Anschluss in die Klassengemeinschaft gefunden. Eine Außenseiterposition nimmt hingegen
Joel ein, der ebenfalls erst seit diesem Schuljahr aufgrund seiner schulischen Leistungen von
der Hauptschule in die Realschule wechselte. In meinem Unterricht versuche ich des Öfteren
durch vorgegebene Arbeitsgruppen diesem entgegen zu wirken. Auch hier sah ich einen Vor-
teil im Lernen an Stationen, da besonders durch die Wahlfreiheit der Sozialform für Joel die
Möglichkeit bestand, sich einem Partner oder einer Gruppe anzuschließen.
Das Arbeits- und Sozialverhalten der Klasse ist überwiegend positiv, jedoch kommt in dieser
Klasse der ,,Interessenverfall"
86
bei einigen Schülern deutlich zum Tragen, weshalb ich auch
gerade die Methode Lernen an Stationen in dieser Klasse erproben wollte. Sehr deutlich wurde
dieses durch den direkten Vergleich mit dem Wirtschaftsunterricht aus dem vorherigen Halb-
jahr. Motivation und Interesse der Schüler waren, wie bei LÖWE und HESSE beschrieben, im
Biologieunterricht deutlich geringer als im Wirtschaftsunterricht.
87
Die Lerngruppe ist relativ leistungsheterogen mit sehr guten bis ausreichenden Leistungen.
Durch gezielte Ansprache bzw. Arbeitsverteilung versuche ich die nicht so stark engagierten
Schüler zur aktiven Mitarbeit im Unterricht zu bewegen.
Hervorzuheben sind Fabian, Lars und Senta, die sich sehr engagiert und mit guten Ideen am
Unterricht beteiligen. Es war zu erwarten, dass diese Schüler gut mit der neuen Lernform zu-
rechtkamen.
Bei Schülerinnen, wie Corinna, Sarah, Lea und Pia, handelt es sich um leistungsstarke, aber
sehr ruhige Charaktere. Durch die Methode erhoffte ich mir auch für diese Schülerinnen eine
bessere Arbeitsform, da sie auch im normalen Unterricht in Kleingruppenarbeit sehr engagiert
arbeiteten.
Durch Störungen des Unterrichts fallen häufiger Malte, Christian, Kerim und Irina auf. Nor-
malerweise reichen bei Unruhe in dieser Klasse jedoch mündliche Ermahnungen aus, um für
die notwendige Ruhe zu sorgen.
Unruhe kann aus den verschiedensten Gründen entstehen. Eine mögliche Ursache ist, dass ei-
nige Schüler schon mit dem Arbeitsauftrag fertig sind, während andere noch Zeit benötigen.
Hierbei muss es sich nicht unbedingt um die Leistungsstärksten handeln, denn es kann auch
sein, dass sich Schüler intensiver mit einer Aufgabe auseinandersetzen wollten als andere. Die
gewählte Methode bietet ausreichend Raum für ein individuelles Arbeitstempo
88
und wirkt
damit der dadurch entstehenden Unruhe entgegen. Zudem ist jeder Schüler mit ausreichend
Arbeitsaufträgen versorgt, was unruhigen Phasen zusätzlich vorbeugen sollte.
89
86
siehe Kapitel 1
87
vgl. Löwe 1987, 62; Hesse 1984 b
88
siehe Kapitel 3.3
89
siehe ebenfalls Kapitel 3.3

23
Da das eigenständige Arbeiten in Gruppen für die Klasse 8b selbstverständlich ist und sich nur
selten Schüler versuchen aus der Verantwortung zu ziehen, ergab sich ein guter Ausgangs-
punkt für das Lernen an Stationen.
Abschließend ist noch zu erwähnen, dass das Lernen an Stationen für alle Schüler der Klasse
eine neue Methode darstellte.
4.3 Sachanalyse
Die Sinne sind eng mit Organen verbunden, die in ihrem Aufbau und ihrer Funktionalität äu-
ßerst komplex sind. Zudem steht die Sinneswahrnehmung im direkten Zusammenhang zum
Nervensystem, welches die Aufgabe der Weiterleitung und Verarbeitung der Informationen
hat. Aus diesem Grund werde ich mich an dieser Stelle auf eine Beschreibung des Wesentli-
chen der in der Einheit behandelten Themen und zudem nur auf den Bereich des Menschen
beschränken.
Mit den Sinnen werden die schon von Aristoteles erkannten fünf Sinneskanäle des Menschen,
also Gehörsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn, Sehsinn, sowie Tastsinn bezeichnet. In der
modernen Physiologie kommen für den Menschen noch vier weitere Sinne hinzu; die Thermo-
und Nozizeption, sowie der Gleichgewichtssinn und die Propriozeption. Letztere wurden in
dieser Einheit nicht behandelt. Die Sinneskanäle des Menschen lassen sich in Fernsinne, wozu
Gehör- und Sehsinn zählen, und Nahsinne unterscheiden, zu denen die übrigen Sinne gezählt
werden.
Gleichzeitig lassen sich beim Menschen die Sinnesorgane nach ihren adäquaten Rei-
zen in zwei große Gruppen einteilen. Die Tabelle 2 auf der folgenden Seite gibt hierzu eine
Übersicht.
90
Der Mensch erhält durch die Sinneswahrnehmung Informationen über seine Umwelt. Dieses
geschieht durch Reize, die von entsprechenden Sinnesorganen aufgenommen und durch Re-
zeptoren mit Hilfe von chemischen und physikalischen Prozessen in elektrische Impulse um-
gewandelt werden. Diese Reize werden dann entlang der Nervenfasern über nachgeschaltete
Nerven weitergeleitet und vom Gehirn in Wahrnehmungen umgewandelt.
91
Eine Charakterisierung der einzelnen Sinnesorgane, die in der Unterrichtseinheit bandelt wer-
den sollten, findet sich im Anhang vor den jeweils dazugehörigen Stationen.
90
vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sinne
; 06.07.2006, 15:33
91
vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sinnesorgan
; 06.07.2006, 16:17

24
Adäquater Reiz
Sinnesorgan
1. physikalische Reize
a) Licht
(elektromagnetische Strahlung im Wellenlängenbereich von 380
nm bis 760 nm)
Auge
b) Schall
(Wellenlänge von 20 kHz bis 16 Hz)
Ohr
c) Druck und Bewegung
(Druck- und Berührung durch Tastrezeptoren in der Haut;
Bewegung durch Gleichgewichtsorgan im Innenohr)
Haut,
Vestibularapparat (Ohr)
d) Schmerz und Temperatur
(spezielle freie Nervenendigungen nehmen diese Reize war)
Haut
2. chemische Reize
a) gelöste Moleküle
(unterscheidbare Geschmacksrichtungen: süß, sauer, salzig und
bitter)
Zunge
b) Moleküle im Luftstrom
(Unterscheidung tausender verschiedener Gerüche möglich)
Nase
Tabelle 2: Sinnesorgane und ihre Reize
92
4.4 Didaktische Analyse der Unterrichtseinheit
Die niedersächsischen Rahmenrichtlinien der Realschulen für das Fach Biologie sehen das
Thema ,,Sinne" im Rahmenthema ,,Sinnesleistungen und Verhalten" für die Schuljahrgänge 7
bis 10 vor. Hierbei soll die funktionelle Einheit mit den Nerven und dem Gehirn erfahren wer-
den. Die Reizaufnahme und ­verarbeitung ermöglichen dem Menschen die Orientierung in
seiner Umwelt. Deshalb gehört auch die Gesunderhaltung zu diesem Thema. Die Rahmen-
richtlinien verweisen ausdrücklich auf die Möglichkeit dieses Thema in Form von Freiarbeit
zu behandeln.
93
Auch der Stoffverteilungsplan der Erich-Maria-Remarque-Realschule schreibt
das Thema ,,Sinnesleistungen" verbindlich für die achte Klassenstufe mit einem Zeitrichtwert
von 16 Stunden vor. Daraus ergibt sich der in Tabelle 1
94
abgebildete Ablauf der Unterrichts-
einheit. Eine weitere rechtliche Legitimation erfährt dieser Lerngegenstand durch den § 2 des
Niedersächsischen Schulgesetzes, wonach Schüler befähigt werden sollen gesundheitsbewusst
zu leben. Die Schüler sollen durch den Biologieunterricht zu einem verantwortungsbewussten
Umgang mit dem eigenen Körper erzogen werden. Es sollen die Möglichkeiten und Grenzen
des Leistungsvermögens beurteilt und das eigene Verhalten auf die Bedürfnisse einer gesun-
den Lebensführung der Schüler eingestellt werden. ,,Zur Erreichung dieser Aufgaben genügen
kognitive Lernziele nicht. Der Biologieunterricht soll auch die Erlebnisfähigkeit der Schüler
92
eigener Entwurf in Anlehnung an
http://de.wikipedia.org/wiki/Sinne
; 06.07.2006, 15:33
93
vgl. Nds. Kultusministerium 1997, 81
94
Die Tabelle 1 befindet sich auf der Seite 19

25
fördern und so zu einer vielschichtigen Persönlichkeitsbildung beitragen. Alle diese Ziele er-
fordern einen handlungsorientierten Unterricht, der ein hohes Maß an Schüleraktivität gewähr-
leistet."
95
Der § 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes schreibt weiterhin die Erziehung zum
selbstständigen Lernen vor.
96
Die Unterrichtseinheit leistet durch die vorgesehene Methode
hierzu seinen Beitrag.
Bei der Auswahl des Lerngegenstandes war mir die Wahl eines Themas,
mit dem sich die Schüler direkt identifizieren können, von besonderer Bedeutung, denn das
Schülerinteresse ist eine Grundvoraussetzung für die Arbeit mit einer schülerorientierten Me-
thode und natürlich, wie ich im Verlauf dieser Arbeit noch näher beschreiben werde, unum-
gänglich für die Motivation.
In Bezug auf die Schülerrelevanz muss, wie in meiner Einleitung schon angesprochen, auf
zahlreiche empirische Untersuchungen zum Interesse an biologische Themen verwiesen wer-
den. Dieses nimmt ab der sechsten bis zur achten Klasse so deutlich ab, dass LÖWE von ei-
nem ,,Interessenverfall" spricht, wie ich in meiner Einleitung bereits erwähnt habe.
97
Ähnliche
Untersuchungen gibt es zu den Teilgebieten des Biologieunterrichts. Das Interesse an der
Humanbiologie, wozu auch das Thema ,,Sinne" zählt, liegt auf einem mittleren Niveau und
bleibt nahezu unverändert über alle Klassenstufen hinweg so. Es gerät nicht ,,in den Strudel
des pubertären Motivationsabfalls".
98
Auch hier verweist die Literatur wieder auf die beson-
ders günstigen Gelegenheiten zur Erkundung und Berücksichtigung von Schülerinteressen
durch die Anwendung der Freiarbeit.
99
Die Formen des ,,Offenen Unterrichts" unterstützen
hier zusätzlich, denn durch diese Form des Unterrichts wird besonders der intrinsischen Moti-
vation weiten Raum gegeben. Das ist aus dem Grunde wichtig, da nur die intrinsische Motiva-
tion zu interesseorientierten Handlungen führt und keine zusätzlichen externen Anstöße benö-
tigt. Hieraus ergab sich für mich, diese Einheit in Form des Lernen an Stationen durchzufüh-
ren. Die Schüler fühlen sich relativ frei in der Auswahl und Durchführung ihres Handelns und
können so unabhängig von äußerem Druck und inneren Zwängen engagiert das tun, was sie
interessiert.
100
GEBHARD unterstützt dies, indem er die Lernumgebung für die Aufrechterhal-
tung von selbstständiger Motivation verantwortlich macht. Für ihn muss die Lernumgebung
die Selbstständigkeit fördern, Wahlmöglichkeiten zulassen, anerkennend sein, auf die Interes-
sen der Schüler eingehen, Kompetenzen vermitteln und darf weder unter- noch überfordern.
101
Eine solche Lernumgebung bietet u. a. das Lernen an Stationen.
Es war mir wichtig den Lerngegenstand durch entsprechende Stationen handlungsorientiert
erarbeiten zu lassen. Die Schüler sollten sich dabei überwiegend forschend mit dem Thema
95
vg. Nds. Rahmenrichtlinien 1992, 10
96
vgl. www.schure.de/nschg/nschg/nschg1.htm
97
vgl. Löwe 1987, 62
98
vgl. ebd. 63
99
vgl. Clausnitzer 1992
100
vgl. Decy; Ryan 1993, 226
101
vgl. Gebhard in: Kattmann et. al. 1998, 145

26
auseinandersetzen.
102
Es sollte jedoch nicht in ein bloßes manuelles Handeln verfallen, son-
dern vielmehr sollten ,,Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zu-
einander gebracht werden".
103
Die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung dieses Themas wird besonders durch die The-
menblöcke ,,Auge" und ,,Ohr" angesprochen, denn das sind die Sinnesorgane, die durch eine
falsche Lebensweise am stärksten beeinträchtigt werden. Der zunehmende Computer- und
Fernsehkonsum der Jugendlichen kann zu Fehlsichtigkeit, wie beispielsweise Hypermetropie
oder Astigmatismus führen.
104
Die Nutzung von Musikabspielgeräten via Kopfhörer und die Disco- und Konzertbesuche der
Jugendlichen beeinträchtigen das Gehör im starken Maße. Schallpegelmessungen in Disko-
theken ergaben Mittelungspegel zwischen 92 und 111 dB(A). Tragbare Abspielgeräte mit
Ohrhörern erreichen Mittelungspegel von 110 dB(A). Dies entspricht einer Lärmbelastung
durch einen Presslufthammer und geht sogar noch darüber hinaus.
105
Die Schüler sollten sich durch die Unterrichtseinheit der Sensibilität ihrer Sinnesorgane be-
wusst werden.
Im Sinne der Fachrelevanz sollten die Schüler Kenntnisse über Bau und Funktionen der Sin-
nesorgane und die Weiterleitung zum Gehirn, sowie über die dortige Verarbeitung erwerben.
Aufgrund der Komplexität der Sinnesorgane und dem gesamten Nervensystem musste unter
Berücksichtigung des entwicklungsbedingten Lernniveaus der Schüler einer achten Real-
schulklasse der fachwissenschaftliche Teil der Unterrichtseinheit didaktisch reduziert werden.
Diese Einheit stellte z. T. hohe Anforderungen an das Abstraktionsvermögen der Schüler, was
eine unterstützende konkret-gegenständliche Ebene erforderte, um den Schülern die Inhalte zu
verdeutlichen. Durch möglichst viele Versuche sollten die Schüler einen handelnden Zugang
zu dem Lerngegenstand finden und ihr Interesse geweckt werden. Hierdurch wurden sie zu-
sätzlich in die Arbeitsweisen eines forschenden Unterrichts und damit in naturwissenschaftli-
che Vorgehensweisen herangeführt. Durch das Ansprechen unterschiedlicher Sinne im Lern-
prozess sollten einerseits die verschiedenen Lerntypen angesprochen, andererseits aber über
die reine Wissensvermittlung hinaus auch ein Lernen mit allen Sinnen ermöglicht werden. Die
Schüler erhielten die Möglichkeit ihre Sinneswahrnehmungen durch direkten Einsatz der ent-
sprechenden Sinnesorgane zu schulen. Eine reine Faktenvermittlung wäre dem Ziel der Ei-
genverantwortlichkeit nicht gerecht geworden, weshalb die Unterrichtseinheit somit in einem
ganzheitlichen Sinne zu verstehen ist, in der es wichtig ist, die Sinnesorgane nicht nur kennen
zu lernen, sondern sie auch zu erfahren und zu schützen lernen.
102
vgl. Schmitt, T. 2000, 9; siehe Kapitel 5
103
vgl. Meyer 1987, 402
104
vgl.
http://www.netdoktor.at/frage_antwort/augen/computer_20010810.htm
;18.06.2006, 14:30
105
vgl.
http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Empfidx/Gehrsch.html#Freizeitlaerm
;
18.06.2006, 14:30

27
Die gesellschaftliche Relevanz zeigt die Notwendigkeit dieses Themas. Insbesondere die
Schwerhörigkeit nimmt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen stetig zu. Statistiken bele-
gen, dass mittlerweile jeder vierte Jugendliche zwischen 16 und 24 Jahren unheilbare Gehör-
schäden, hauptsächlich durch die o. g. Gründe, aufweist.
106
Wenn die Schule zur Gesundheits-
erziehung beitragen soll, ergibt sich hieraus die Konsequenz, dass zum einen ein Fachwissen
über Bau und Funktion der Sinnesorgane und zum anderen die Sensibilität für gesundheitliche
Zusammenhänge sowie die Eigenverantwortlichkeit der Schüler gefördert werden muss.
107
Wie könnte dieses besser erreicht werden, als dass die Schüler bereits im Unterricht selbst
Verantwortung übernehmen.
4.5 Lern- und Erziehungsziele
Aus den bisherigen Überlegungen ergeben sich für die Unterrichtseinheit bestimmte Lern- und
Erziehungsziele.
Aufgrund meines Untersuchungsinteresses und der damit zusammenhängenden Methoden-
wahl gingen die Lernziele dieser Unterrichtseinheit über die rein kognitiven hinaus.
So sollte insbesondere das Interesse und die Motivation an biologischen Themen gefördert
werden. Diese sozial-affektiven Lernziele bedingen die Verbesserung der Selbstständig- und
Selbsttätigkeit. Die Schüler konnten frei über die Bearbeitung der Stationen entscheiden,
mussten dafür aber den selbstständigen Umgang mit den Materialien und der Zeit üben. Sie
sollten sich in die Planung des Unterrichtsverlaufs einbringen und konnten und mussten sich
gleichzeitig für eine Sozialform entscheiden. Letzteres förderte die soziale Kompetenz, denn
die Zusammenarbeit zwischen den Schülern erforderte Kooperation und Kommunikation, da
die Aufgaben z. T. nur gemeinsam lösbar waren. Die Vorgehensweise musste gemeinsam ge-
plant, sowie auf die Gruppenmitglieder eingegangen werden. Dazu zählte die Rücksichtnahme
und ein friedliches Austragen von Konflikten, genauso wie die Fähigkeit konstruktiv Kritik zu
äußern. Die Schüler sollten lernen ihre Schwierigkeiten zu formulieren, um von den ,,Exper-
ten" bei der Lösungsfindung unterstützt zu werden. Außerdem sollte in den Gesprächsrunden
von den gemachten Erfahrungen und Schwierigkeiten berichtet und das Lernen und Arbeiten
reflektiert werden. Gemeinsam sollten Verbesserungsvorschläge entwickelt und damit die Un-
terrichteinheit von den Schülern mitgestaltet werden. Darüber hinaus sollten die Schüler ihr
Lernen und Arbeiten an Stationen mit Hilfe eines Fragebogens reflektieren.
Die sozial-affektiven Lernziele stehen in meiner Unterrichtseinheit zwar im Vordergrund, las-
sen sich jedoch, objektiv nur schwer überprüfen. Allerdings lassen die Auswertung des ab-
106
vgl.
http://www.tk-online.de/centaurus/generator/tk-
on-
line.de/m02__landesvertretungen/0860/02__pressemitteilungen/02__2005/0419__hoerschaeden__pm.h
tml
; 18.06.2006; 17:00
107
vgl. Wagner; Wurr, 1995, 10

28
schließenden Fragebogens
108
und meine Beobachtungen zum Verhalten der Schüler während
der Arbeitsphasen Rückschlüsse zu.
Des Weiteren wurden durch die Verwendung von Arbeitsweisen eines forschenden Unter-
richts an den überwiegenden Stationen auch psychomotorischen Lernziele verfolgt. Die mo-
torische Fertigkeit der Schüler wurde durch den Umgang mit den Materialien und der Durch-
führung von Versuchen gefördert.
Bezüglich der kognitiven Lernziele sollten die Schüler durch die unterschiedlichen Arbeits-
aufträge zum Thema optimal gefördert werden und einen gemäß ihrer Leistungsfähigkeit indi-
viduellen Lernerfolg erreichen. Dieser sollte mittels eines Portfolios dokumentiert und ab-
schließend in einer Klassenarbeit überprüft werden. Es ging um die selbstständige Erarbeitung
von Kenntnissen über den Aufbau und die Funktion der Sinnesorgane. Sie sollten die Sensibi-
lität der Sinnesorgane erfahren und sich dadurch ihrer Empfindlichkeit, insbesondere der Au-
gen und Ohren, bewusst werden.
Auf die spezifischen kognitiven Lernziele der einzelnen Stationsblöcke möchte ich in den je-
weiligen Kapiteln
109
detailliert eingehen.
4.6 Methodische Analyse der Unterrichtseinheit
Wie eingangs dieses Kapitels beschrieben besteht diese Unterrichtseinheit aus Stationsblöcken
­ Stunden in den zu einem Themenbereich an Stationen gearbeitet wird ­ und gelenkten Un-
terrichtsphasen, welche diese Stationsblöcke verbinden.
Um meinem Ziel der Einheit, das in der Förderung eines motivierten und selbstständigen Ler-
nens bestand, eine entsprechende Ausgangslage zu schaffen, wurde mit der Metaplanmethode
in die Unterrichtseinheit eingestiegen Dadurch wurden die Schüler an der Planung des Unter-
richts beteiligt und dort abgeholt wo sie (mit ihrem Vorwissen) stehen, um sie für das Thema
der Unterrichtseinheit zu motivieren. Neben dem bisherigen Kenntnisstand konnten die Schü-
ler Fragen zum Thema formulieren, die dann von mir bei der Planung der Stationen beachtet
wurden. So war es möglich die Schülerinteressen mit einzubeziehen, was sich äußerst positiv
auf die Motivation auswirkte, denn durch die Bearbeitung der Stationen beantworten die
Schüler ihre Fragen selbstständig. Der Neurobiologe F. VESTER beschreibt sogar, dass es
nichts motivierenderes als das eigene Interesse an einem Thema gibt.
110
Im Anschluss an den
Stationsblock werden die Fragen in einer Auswertungsstunde erneut aufgegriffen und können
dann von den Schülern mit ihrem neu erworbenen Wissen beantwortet werden.
111
108
siehe Kapitel 3.6 und
Anhang A68
109
Die einzelnen Stationsblöcke greifen die kognitiven Lernziele in den Kapitel 5.1.2, 5.3.2 und 5.5.2
detailliert auf.
110
(siehe auch Bauer 1997, 35)
111
siehe hierzu Kapitel 5.2

29
Durch den Einsatz der Metaplanmethode erhalten die Schüler zudem einen Überblick über den
gesamten Inhalt der Einheit, was ebenfalls nach. VESTER unabdingbar für ein motiviertes
Lernen ist und zu einem besseren Behalten führt.
112
Dem fachwissenschaftlichen Einstieg in die Unterrichtseinheit folgte eine Einführung in die
Methode des Lernens an Stationen, woraufhin die Schüler vor der eigentlichen Arbeitsphase
die Möglichkeit erhielten sich mit den Stationen vertraut zu machen.
113
Dem folgte dann in vier Blöcken die Arbeit an den Stationen. Diese waren nach einem einheit-
lichen Schema, wie in Kapitel 3.3 beschrieben, aufgebaut. Dem Anfangsgespräch folgten Er-
läuterungen anhand des Laufzettels, dann die eigentliche Arbeitsphase an den Stationen und
einer abschließenden Gesprächsrunde. Die Stationen wurden auf die beiden Fachräume ver-
teilt. Die Anzahl variierte zwischen den einzelnen Blöcken, da das Lernen an Stationen je-
weils auf zwei Stunden begrenzt war, und somit eine gewisse Anzahl nicht überschritten wer-
den durfte. Gleichzeitig mussten aber die Lernangebote entsprechend der Anforderungen der
Stationen den unterschiedlichen Lerntypen und ­wegen, sowie den unterschiedlichen Leis-
tungsständen Rechnung tragen.
114
Unterstützt wurden diese Anforderungen durch die Einteilung in Pflicht- und freiwilligen Sta-
tionen, so dass alle Schüler entsprechend ihrem eigenen Tempo arbeiten konnten. An den Sta-
tionen waren die Sozialformen größten Teils freigestellt, so dass sie auch hier frei wählen
konnten. Um aber meine sozialen Ziele zu erreichen, war neben den Gesprächsrunden an eini-
gen Stationen u. a. die Gruppenarbeit vorgegeben.
Die Verbindungsstunden zwischen den Stationsblöcken dienten zum einen dem Vortragen der
Arbeitsergebnisse, was mir einen Überblick über den individuellen Lernzuwachs und Lerner-
folg lieferte und zum anderen konnten aufgetretene Probleme und ihre Lösungsmöglichkeiten
diskutiert, sowie positive Kritik und Verbesserungsvorschläge an den Stationen geübt werden.
Hierdurch hatten die Schüler die Möglichkeit direkt am Entwicklungsprozess der Unterrichts-
einheit mitzuwirken. Hieraus ergaben sich auch Abweichungen in den einzelnen Stationsblö-
cken, auf die ich jedoch im Kapitel 5 detaillierter eingehen werde.
Dem letzten Stationsblock folgte wieder eine gelenkte, aber dennoch handlungsorientierte Un-
terrichtsphase zum Thema Nervensystem, damit die Schüler die Funktion der Sinnesorgane in
einen Gesamtzusammenhang bringen konnten.
Die Unterrichtseinheit schloss mit einer Befragung mittels eines Fragebogens ab, in dem die
Schüler anonym Stellung zur Methode nehmen und gleichzeitig ihr eigenes Arbeiten und Ler-
nen reflektieren sollten. Neben den von mir vorgegebenen Fragen, hatten die Schüler die
Möglichkeit sich frei zur Unterrichtseinheit zu äußern.
115
112
vgl. Bauer 1997, 37
113
siehe Kapitel 3.3
114
siehe Kapitel 3.1 und 3.3
115
Der Fragebogen befindet sich im Anhang (A68), während die Auswertung im Kapitel 6 stattfindet.

30
5. Planung, Durchführung und Reflexion
In diesem Kapitel soll es um die praktischen Erfahrungen mit der Methode des Lernens an
Stationen gehen, welche die Schüler und ich im Laufe der Unterrichtseinheit gemeinsam
sammeln konnten. Da sich meine Arbeit mit der zentralen Fragestellung, ob ein motiviertes
und selbstständiges Arbeiten durch das Lernen an Stationen bei den Schülern erreicht werden
kann, beschäftigt, sollen in diesem Kapitel nur ausgewählte Stationsblöcke
116
mit anschließen-
der Reflexion dargestellt werden. Die Stationsblöcke werden dementsprechend besonders im
Hinblick auf Erreichung der sozial-affektiven Lernziele betrachtet. Doch anhand der Darstel-
lung der Arbeitsphasen, der anschließenden Auswertungsstunde, sowie durch die Auswertung
der Klassenarbeit wird auch ein Einblick über den kognitiven Lernzuwachs gegeben. Darüber
hinaus werde ich meine Rolle als Lehrkraft beim Lernen an Stationen reflektieren, um sie ent-
sprechend der Theorie zu überprüfen.
117
Im ersten Stationsblock (Kapitel 5.1) werden die bei-
den Stunden in ihrer Durchführung und Reflexion einzeln für sich beschrieben, da es hier
noch zu großen Abweichungen innerhalb der beiden Stunden kam. Bei den weiteren Stations-
blöcken (Kapitel 5.3 und 5.4) werde ich die beiden Stunden jedoch gemeinsam beschrieben
und reflektieren, wodurch die Kapitel wesentlich kürzer ausfallen werden, aber sich so Wie-
derholungen vermeiden lassen. Ebenso verfahre ich mit den Auswertungsstunden, die ähnliche
didaktisch-methodische Vorüberlegungen haben. Da es mir, wie beschrieben weniger auf die
kognitiven als auf die sozial-affektiven Lernziele ankommt, und erstere zudem über die Klas-
senarbeit überprüft werden, soll es bei der Darstellung des Verlaufs der Unterrichtseinheit
hauptsächlich um den Entwicklungsprozess bezogen auf mein Untersuchungsinteresse gehen.
5.1 Der Stationsblock ,,Sehen"
Die Schüler arbeiten nach der Einführung in das Thema und der Methode das erste Mal an
Stationen. Um ihren Lernprozess zu dokumentieren, ist es somit sinnvoll mit der Darstellung
des ersten Stationsblocks zu beginnen.
Ich fange mit meiner Analyse der Darstellung der didaktisch-methodischen Überlegungen
(5.1.1) zu diesem Stationsblock an, stelle die verfolgten kognitiven Lernziele im darauf fol-
genden Kapitel (5.1.2) dar und beschreibe abschließend die Durchführung und meine Reflexi-
on (5.1.3).
5.1.1 Didaktisch-methodische Überlegungen
Die zeitliche Vorgabe der Stationsblöcke betrug in meiner Planung zwei Schulstunden. Damit
die Schüler aufgrund der schulischen Vorgaben genügend Freiraum hatten, wurden für die
Stationsarbeit, wie im Kapitel 4.1 schon erwähnt, die beiden benachbarten Fachräume der
116
Im Anhang (A5- A63) finden sich die einzelnen Stationen der aufgeführten Stationsblöcke doku-
mentiert.
117
siehe Kapitel 3.5

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2006
ISBN (PDF)
9783956848070
ISBN (Paperback)
9783956843075
Dateigröße
23.5 MB
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Heterogenität Differenzierung Pädagogik Lernstationen aktiver Unterricht
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

János Lilienthal, M.A., Jahrgang 1977 studierte Lehramt sowie Schulmanagement und Qualitätsentwicklung an den Universitäten Oldenburg und Kiel. Nach langjähriger Lehrtätigkeit an Schulen in Niedersachsen und Hamburg arbeitet der Autor nun in der Hamburger Schulinspektion. Sowohl während der Zeit als Lehrer als auch im Bereich der externen Evaluation widmete sich der Autor dem Thema „binnendifferenzierter Lernumgebungen“.
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