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“…to furnish yourself with the knowledge of such things as may be serviceable to your country and fit for your calling": Reisen als adlige Erziehungspraktik im England des 16. Jahrhunderts

©2013 Bachelorarbeit 50 Seiten

Zusammenfassung

“Your purpose is, being a Gentleman born, to furnish yourself with the knowledge of such things as may be serviceable to your country and fit for your calling." Diesen mahnenden Ratschlag schrieb der englische Adlige Sir Philip Sidney an seinen, sich momentan auf seiner Kavalierstour durch Europa befindenden jüngeren Bruder Robert Sidney. Das Zitat illustriert eindringlich, welchem übergeordneten Zweck die Reise des Bruders dienen sollte und was auf ihr primär erlernt werden musste. Als Mitglied des Adelsstandes sollte der junge Robert Sidney durch und auf seiner Reise hauptsächlich für seine zukünftige Karriere bei Hofe ausgebildet werden. Um den für ihn von Geburt an vorgezeichneten Lebensweg erfolgreich beschreiten zu können, war es notwendig, die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Höflings und Staatsmannes zu erwerben. Robert Sidney sollte seine Reise dazu nutzen, um sich auf sein „calling“, also seine Berufung, nämlich seinen zukünftigen Dienst am elisabethanischen Königshof, vorzubereiten und sich für diese Rolle „passend“ zu machen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Einleitung

“Your purpose is, being a Gentleman born, to furnish yourself with the knowledge of such things as may be serviceable to your country and fit for your calling."[1]

Diesen mahnenden Ratschlag schrieb der englische Adlige Sir Philip Sidney an seinen, sich momentan auf seiner Kavalierstour durch Europa befindenden jüngeren Bruder Robert Sidney. Das Zitat illustriert eindringlich, welchem übergeordneten Zweck die Reise des Bruders dienen sollte und was auf ihr primär erlernt werden musste. Als Mitglied des Adelsstandes sollte der junge Robert Sidney durch und auf seiner Reise hauptsächlich für seine zukünftige Karriere bei Hofe ausgebildet werden. Um den für ihn von Geburt an vorgezeichneten Lebensweg erfolgreich beschreiten zu können, war es notwendig, die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Höflings und Staatsmannes zu erwerben. Robert Sidney sollte seine Reise dazu nutzen, um sich auf sein „calling“, also seine Berufung, nämlich seinen zukünftigen Dienst am elisabethanischen Königshof, vor­zu­bereiten und sich für diese Rolle „passend“ zu machen.

Diese, in der Forschungsliteratur meistens unter dem Terminus „Grand Tour“[2] subsumierte, spezielle Praktik der männlichen Adelserziehung stellte im 16. Jahrhundert keineswegs ein Spezifikum des englischen Adels dar. Sie war, ganz im Gegensatz dazu, in der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert eine euro­pa­weit verbreitete kulturelle Erziehungspraxis und wesentlicher Bestandteil der Ausbildung des wohlhabenden europäischen Adels.[3] Paravicini bezeichnet den Grand Tour der Frühen Neuzeit gar als ein „gesamteuropäisches Kultur­muster“[4]. Hervorgegangen war der Grand Tour aus der Tradition der spät­mittel­alterlichen Adelsreise, die allerdings in erster Linie dem Erwerb von militärischen Fähigkeiten gediehnt hatte. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts kamen neue Bildungs­inhalte hinzu.[5] So wurde nun auf das „Erlernen fremder Sprachen, besonders der in der höfischen Welt vorherrschenden wie Italiensich und Französisch“[6], sehr viel Wert gelegt. Desweiteren wurde „auch der Aufbau eines Netzwerkes von Beziehungen, auf das man später etwa während einer diplomatischen Tätigkeit oder auch im Kriege zurückgreifen konnte“[7], als Ziel einer solchen Reise erachtet.

In der älteren Forschungsliteratur lässt sich eine eher negative Bewertung der Nützlichkeit des Grand Tours als geeignetes Erziehungsinstrument für die adlige Jugend erkennen. So kommt Wilhelm Waetzoldt zu dem Schluss, dass die Kavalierstour dem Reisenden nur zu einem „dünne[n] humanistische[n] Bildungs­firnis“[8] verhelfen würde. Die neuere Forschung kommt jedoch zu einem differen­zier­teren Ergebnis. So fordert Antje Stannek in ihrer Dissertation Telemachs Brüder ein, bei dem Phänomen Grand Tour eine andere, insbesondere von dem amerikanischen Anthropologen Clifford Geertz[9] vertretene, Unter­suchungs­per­spek­tive einzunehmen. Sie weist darauf hin, dass adliges Reisen in der Frühen Neuzeit „nicht aus der Perspektive der modernen bildungs­bürgerlichen Leistungs­gesellschaft betrachtet werden“[10] dürfe. Ein solcher veränderter Blickwinkel würde verhindern, den Terminus Bildung zu eng an den heutigen eher huma­nistisch geprägten und mit Gelehrtenwissen assoziiertem Bildungsbegriff zu koppeln und die gegenwärtige Erwartungshaltung auf die Adelsreise der Frühen Neuzeit zu projezieren. Auch Paravicini merkt an, dass darauf zu achten sei, dass der „Begriff Bildungsreise […] für uns Heutige stets mit klassischer, jedenfalls literarischer Bildung verbunden“[11] sei. Diese Fertigkeiten standen bei der Adels­reise der Frühen Neuzeit jedoch nicht unbedingt im Fokus. Mathis Leibetseder macht in seiner Monographie Die Kavalierstour gleichfalls darauf aufmerksam, wie schwierig es sei, einen passenden Bildungsbegriff für die Praktik des adligen Reisens in der Frühen Neuzeit zu finden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass man das Phänomen Grand Tour eher als „Reise zum Erwerb von Alltagswelt-Wissen“[12] bezeichnen könnte, um zu vermeiden, dass der Eindruck entstehe, „dass man rein akademisches oder technisches Andwendungswissen im Sinn habe“[13]. Denn: der zukünftige Höfling „lernte grundsätzlich nicht aus dem Buch, sondern aus dem Buch der Welt“[14]. Vielmehr musste der junge Adlige eine gewisse „Hofeszucht“[15] über sich ergehen lassen. Diese definiert Paravicini als eine „eminent soziale, lange einzuübende Fertigkeit des Umgangs mit den Mächtigen, Seinesgleichen und Untergeordneten am Zentrum der Politik, das heißt am Hof“[16].

Der Grand Tour fungierte folglich primär als Karriere-Platform für den künftigen Höfling. Er war gewissermaßen der Unterbau für einen erfolgreichen zukünftigen Aufstieg am jeweiligen Heimat-Hof und diente nicht nur der sozialen Distinktion gegenüber unteren Ständen, sondern wurde auch als Mittel zur Unterscheidung gegenüber den eigenen Standesgenossen, also der eigenen zukünftigen Konkurrenz bei Hofe, eingesetzt.[17] Auf seiner Reise sollte der junge Adlige in seiner Wahrnehmung geschult werden. Er sollte die von Hof zu Hof verschiedenen Sitten und Gebräuche, wie zum Beispiel die Sprache, die Art der Bewegung, die friedliche Konvesation und die Kriegsführung studieren und erlernen.[18] Der Höfling sollte es sich demnach zum Ziel machen, nach seiner Reise „allein an seiner Körperhaltung schon erkennbar [zu] sein“[19].

Antje Stannek kommt in ihrer Dissertation zu einem ähnlichen For­schungs­ergebnis. Laut Stannek sollte der Grand Tour dazu dienen, eine „Vertrautheit mit fernen höfischen Welten herzustellen“[20] sowie Kenntnisse im höfischen Zeremoniell vermitteln. Stannek bezeichnet die Adelsreise der Frühen Neuzeit als eine abgeschlossene „liminale Passage“[21], die einen Schwellen­charakter besitzen würde. Sie beschreibt den Grand Tour als eine Art Über­gangsritus, bei dem die Reisenden „bei einer erfolgreich abgeschlossenen Reise eine Verwandlung [unterliefen] und […] sich Verständnis für die Prinzipien der höfischen Lebenswelt [aneigneten]“[22]. Gemäß Stannek war „das Bestreben, sich durch ein besonderes Ethos von den übrigen Menschen abzusetzen“[23], ein konstitutives Charakteristikum der adligen Lebensführung in der Frühen Neuzeit. Aus diesem Grund sollten auf der Reise die speziellen Techniken vermittelt werden, die es dem zukünftigen Höfling erlauben würden, sich künftig am Hofe als ernstzunehmender Mitspieler zu positionieren und sich dort letztendlich zu etablieren. Das Wissen, welches auf Reisen erlernt werden sollte, sollte den jungen Adligen dazu verhelfen, „die Platzierungsmechanismen der höfischen Gesellschaft [zu] entschlüsseln“[24] und sich darüber bewusst zu werden, welcher Platz ihnen selbst in dieser Hierarchie zukommen würde. Der Grand Tour sollte vom zukünftigen Höfling demnach primär dazu genutzt werden, um sich die „richtigen Distinktionsstrategien“[25] anzueignen. Stannek zieht das Fazit, dass es sich bei dem adligen Reisen in der Frühen Neuzeit vermutlich um einen „Prozeß der Aneignung einer <<Identität>>“[26] gehandelt habe.

Die bisherigen Forschungsarbeiten zum Phänomen Grand Tour haben sich bis jetzt vorrangig auf die Hochzeit der Kavalierstour im 17. Und 18. Jahrundert konzentriert. So untersucht Stannek in ihrer Dissertation die adlige Erziehungs­reise in ihrer Aufstiegs- und Blütezeit im 17. Jahrhundert. Den Kern ihrer Studie bilden Stanneks elf Analysen des deutschen Adels anhand von Fallbeispielen. In elf Kurzdarstellungen werden die Grand Tours von vier reichsgräflichen und sechs herzöglichen Familien untersucht.[27]

Mathis Leibetseder analysiert in seiner Monographie die zentralen Aspekte der Kavalierstour im 17. Und 18. Jahrhundert.[28] Dabei setzt Leibetseder in seiner Arbeit einen anderen Schwerpunkt als Stannek. Im Gegensatz zu Stannek rekon­struiert er durch die Auswertung von Archivalien wie zum Beispiel Instruk­tionen, Briefen, Rechnungen und selbstverfassten Reisebeschreibungen den Reise­alltag der jungen Adligen in allen Einzelheiten.

Einzig der Sammelband von Rainer Babel und Werner Paravivini Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert[29] widmet sich auch in einzelnen Aufsätzen der Anfangszeit der Reiseform Grand Tour. In diesem finden sich die Aufsätze, die aus einer Doppeltagung her­vor­gegangen sind, welche sich mit der Grand Tour in der Zeit 1400 bis 1800 be­schäftigte und sich hauptsächlich auf die soziale Schicht des Adels konzentrierte. Der Sammelband bündelt sechzehn Aufsätze, die sich mit der Adelsreise und ihrer Entstehung befassen. Dabei liegt der Fokus der Aufsätze insbesondere auf den Fragen zur Funktion und Form der untersuchten Reisen. In unterschiedlichen Sektionen werden Fragen zur Genese des Grand Tours, die Elemente der Reisen, der Erziehung auf Reisen, zum Netzwerken auf Reisen und dem Untergang des Modells Grand Tour erörtert.

Hierbei bleibt festzuhalten, dass eine Analyse zu englischen Reisenden auf dem europäischen Kontinent in der Anfangsphase des Grand Tours bis jetzt gänzlich fehlt. Die vorliegende Arbeit soll daher die kulturelle Erziehungspraxis der adligen Länderreise in seiner Anfangszeit im 16. Jahrhunderts in den Fokus stellen. Dabei soll der Fragestellung nachgegangen werden, welche Funktion das Reisen auf dem europäischen Kontinent speziell für den adoleszenten englischen Adligen während der Herrschaft Elisabeths I. hatte. Wie sah nun speziell der englische Grand Tour im Elisabethanischen Zeitalter aus? Was erachteten die englischen Adligen im 16. Jahrhundert als nützliches Wissen, das auf jeden Fall erlernt werden musste, um die zukünftige Karriere ihrer Kinder bei Hofe zu fördern und sie als ernstzunehmende Akteure am elisabethanischen Königshofe zu etablieren? Welche Fähigkeiten sollten unbedingt erlernt, welches „Wisssen“ musste vermittelt werden, um dem Anforderungsprofil des elisabethanischen Höflings zu entsprechen? Welche Länder, Höfe und Personen sollten besucht werden?

Um diese Fragen zu beantworten möchte ich als Quellenmaterial die umfangreichen Korrespondenzen des englischen Adligen Sir Philip Sidney, welche er auf seiner eigenen Grand Tour unterhielt, auswerten. Insbesondere der zum größten Teil erhaltene Briefwechsel zwischen Sidney und seinem Tutor Hubert Languet bietet dabei einen hervorragenden Einblick in die Ausbildung eines englischen Höfllings in spe.

In der Forschung ist Sidneys Grand Tour im Speziellen bis jetzt nur in den in jüngster Zeit erschienenen Biographien zu Sir Philip Sidney[30] abgehandelt worden. Diese gehen zwar durchaus systematisch und mit wissenschaftlichem Anspruch vor, können jedoch aufgrund des begrenzten zur Verfügung stehenden Raumes innerhalb einer Lebensbeschreibung Sidneys natürlich thematisch nicht in die Tiefe gehen. Philip Sidneys Reise eigenet sich aus unterschiedlichen Gesichts­punkten besonders gut für eine exemplarische Analyse einer idealtypischen eng­lischen Grand Tour. So handelt es sich bei Sidney zum einen um den am weites­ten und am längsten durch Europa gereisten englischen Adligen seiner Zeit. Zum anderen wurde Sidney schon zu Lebzeiten geradezu als Verkörperung des per­fekten Höflings angesehen, galt gar als Inkarnation von Castigliones Ideal[31] und wurde aus diesen Gründen von seinen Zeitgenossen geradezu verehrt.[32] Darüber­hinaus wird Philip Sidneys Grand Tour in der Forschung als „the first fully fledged ‚Grand Tour‘ by an Englishman for which we have substantial docu­men­tary records”[33] betrachtet. Zudem liegt die gesamte erhaltene und überwiegend auf Latein verfasste Korrespondenz Sidneys seit kurzem in edierter und ins Englische übersetzte Form in zwei Bänden vor.[34]

Um die oben aufgeführten Fragestellungen zu beantworten, soll nun methodisch wie folgt vorgegangen werden: Im ersten Teil meiner Arbeit soll das gängige Erziehungsideal des frühneuzeitlichen Englands zur Zeit Elisabeths der Ersten erschlossen werden. Um die Frage beantworten zu können, welche Fähig­keiten und Fertigkeiten unbedingt erlernt werden mussten, um dem Anforderungs­profil eines Höflings im elisabethanischen England zu entsprechen, soll ein gän­giges Erziehungsmanual der Zeit bezüglich der idealen Tugenden, die den Hof­mann ausmachen sollten, ausgewertet werden. Als das populärste und am weitesten verbreitete Anstandsbuch des Adels kann dabei Baldassare Castigliones Hofmannstraktat Il Libro del Cortegiano gelten. Dieses 1528 erstmals in Italien gedruckte Erziehungsmanual normierte „den Verhaltenskodex des idealtypischen Hofmannes der Epoche der Renaissance“[35] und sollte nicht nur einen grundlegenden Einfluss auf die Formierung eines ganz bestimmten Idealtypus des Höflings im Bewusstsein des italienischen Adels nehmen, sondern auch konstitutiv für die Bildung eines idealtypischen englischen Hofmannes während der Regentschaftszeit Königin Elisabeths I. wirken.[36]

Im zweiten Teil meiner Arbeit soll die Frage beantwortet werden, mit welchen Praktiken das erwünschte, in den Verhaltensbüchern vorgeführte Erziehungsziel, erreicht werden konnte und welche Rolle dabei das Phänomen des Grand Tours einnahm. Dabei soll der Grand Tour in Anlehnung an Antje Stannek als „initiatorische Anverwandlung mit der höfischen Lebenswelt“[37] interpretiert werden. Es soll eine exemplarische Analyse einer Erziehungsreise unternommen werden. Anhand von Philip Sidneys Korrespondenzen soll die Frage beantwortet werden, was die adligen Engländer im 16. Jahrhundert als nützliches Wissen erachteten. Wel­che Fähigkeiten mussten unbedingt erlernt werden um dem Anforderungs­profil des Höflings zu entsprechen? Durch eine detaillierte Analyse der Bildungsinhalte, die das Ausbildungsprogramm von Philip Sidneys Grand Tour enthielt, soll die Frage nach der Funktion des Phänomens Grand Tour für die künftigen Höflinge des elisabethanischen Hofes beantwortet werden.

Dabei sollen die Ergebnisse des ersten Teils der Arbeit berücksichtig werden. Es soll, soweit dies möglich ist, abgeglichen werden, inwieweit Baldassare Castigliones Hofmannstraktat Il Libro del Cortegiano überhaupt Eingang in die Erziehungspraktiken des frühneuzeitlichen englischen Adels gefunden hat. Wurde Castigliones Ideal als Exemplum eines perfekten Höflings betrachtet und eine Annäherung der jungen Adligen an dieses Beispiel während des Grand Tours aktiv angestrebt? Oder standen die Vorgaben des Il Libro del Cortegiano gar in einem Spannungsverhältnis zu den tatsächlichen Bildungsinhalten der kontinen­talen Reisen des jungen englischen Adels? Abschließend soll ein Fazit zu den Inhalten und zu der Bedeutsamkeit des Phänomens Grand Tour in der Erziehungs­biographie eines frühneuzeitlichen englischen Adligen gezogen werden.

2 Die Eigenschaften und Fertigkeiten des idealen Höflings

Um das erwünschte Erziehungsziel des Elisabethanischen Zeitalters zu ermitteln, eignet sich insbesondere eine Analyse der sogenannten Hofliteratur, eine im 16. Jahrhundert neu entstandene Literaturgattung, die speziell das korrekte Verhalten des Höflings bei Hofe thematisiert.[38] Diese sogenannten Verhaltensbücher der Zeit bezeichnet Antje Stannek als „Vorläufer heutiger Lifestyle-Magazine“[39], da sie „in vergleichbarer Weise Verhaltensmuster und Distinktionsstrategien eines spezifischen Habitus“[40] für den adligen Nachwuchs in der Frühen Neuzeit lieferten.

Ronald Asch beschreibt den Lebensentwurf eines Hofmannes als ein exaktes Gegenbild des bis dahin herrschenden Ideals des adligen Kriegers. Im Gegensatz zu dem Lebensideal des letzteren sei der Höfling ein „Mensch, für den die Kontrolle der Affekte bis hin zur konsequenten Verstellung Priorität“[41] habe und „für den die Höfliche Konversation die Auseinandersetzung mit dem Schwert“[42] ersetzen würde.

Als das populärste und am weitesten verbreitete Anstandsbuch des Adels kann dabei der bereits erwähnte von Baldassare Castigliones verfasste Hofmannstraktat Il Libro del Cortegiano gelten. Dieses 1528 erstmals in Italien gedruckte Erziehungsmanual sollte nicht nur einen grundlegenden Einfluss auf die Formierung eines ganz bestimmten Idealtypus des Höflings im Bewusstsein des italienischen Adels nehmen, sondern auch konstitutiv für die Bildung eines idealtypischen englischen Hofmannes während der Regentschaftszeit Königin Elisabeths I. wirken.[43]

Hinweise darauf, dass das Libro del Cortegiano im Vergleich mit der übrigen Hofliteratur eine ganz besondere Wertschätzung in elisabethanischer Zeit erfuhr, liefern dabei unter anderem eindringliche Lektüreempfehlungen anerkannter englischer Gelehrter. So weist zum Beispiel Roger Ascham, Lehrer der späteren Königin Elisabeth I., in seinem pädagogischen Traktat The Scholemaster darauf hin, dass “Conto Baldesar Castiglione in his booke, Cortegiano, doth trimlie teache: which booke, aduisedlie read, and diligentlie folowed, but one yeare at home in England, would do a yong ientleman more good, I wisse, then three yeares trauell abrode spent in Italie.”[44] Ascham vergleicht hier die passive Lektüre des Libro del Cortegiano mit der aktiven Tätigkeit des Reisens auf dem Kontinent und kommt zu dem Schluss, dass ein kurzes intensives Studium des Libro del Cortegiano sogar von größerem Nutzen für die Ausbildung eines jungen Adligen sei als ein längerer Aufenthalt in Italien, dem Ursprungsland des Buches.

Als weitere Quelle für den besonderen Stellenwert des Libro del Cortegiano innerhalb der englischen Gesellschaft kann Thomas Hobys 1561 angefertigte Übersetzung[45] des Werks zu Rate gezogen werden. Hierbei ist festzustellen, dass Hoby nicht nur den gesamten Text des Cortegiano in die englische Sprache überträgt, sondern darüber hinaus auch noch eine eigenständig verfasste „breef rehersall of the chiefe conditions and qualities in a courtier“[46] an den Schluss der ersten englischsprachigen Druckausgabe des Werks setzt. Diese zur schnelleren Auf­findbarkeit an das Ende des Buches gesetzte Zusammenfassung der im Text enthaltenen idealtypischen Tugenden eines Höflings deutet darauf hin, dass unter der englische Leserschaft durchaus ein gesteigertes Interesse an dem speziellen Lebensideal des von Baldassare Castiglione entworfenen Höflings bestand. Um den Lesern ein mühsahmes Nachlesen im Gesamttext zu ersparen bot Hoby nun seiner Leserschaft eine kompakte Zusammenschau der für Castiglione essentiellen Eigenschaften und Fertigkeiten des perfekten Hofmannes an, die als Gedächtnis­stütze, als Vorlage zum Memorieren oder auch nur als Kurzeinführung in die Thematik genutzt werden konnte.

Als einen anderen Beleg für den großen Bekanntheitsgrad des Libro del Cortegiano im England Elisabeths I. wertet Peter Burke die Tatsache, dass sich schon in den siebziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts Professoren an der Universität Oxford in ihren Vorlesungen ganz selbstverständlich auf Castigliones Buch bezogen. Dies, so folgert Burke, würde darauf schließen lassen, dass die Lektüre und Kenntnis des Libro del Cortegiano als selbstverständlich vorausgesetzt wurde.[47]

Schon in seinem Vorwort zum Libro del Cortegiano macht Baldassare Castiglione dem Leser deutlich, mit welcher Thematik er sich in seinem Buch hauptsächlich auseinandersetzen möchte. Er stellt sich selbst die Aufgabe zu erörtern “what is (to my thynkynge) the trade and manner of Courtyers, whyche is most fyttynge for a Gentilman that lyveth in the Court of Princes.”[48] Castiglione möchte demnach aufzeigen, was seiner Meinung nach die adäquaten Geschäfts­praktiken für die Rolle des Höflings bei Hofe sind. Sein Bestreben ist es “to shape in woordes a good Courtyer, specifying all suche condicions and particuler qualities, as of necessitie must be in hym that deserveth this name.”[49] Seine Ausführungen sollen dazu dienen, den Leser mit einer Anzahl von Idealtugenden bekanntzumachen und auszustatten. Dabei ergänzt Castiglione sogleich, dass es sich bei der Einverleibung dieser Verhaltenstugenden keineswegs um einen puren Selbstzweck handele, sondern dass dieses ange­mes­sene Verhalten vielmehr dazu führen solle, die Gunst des Regenten zu gewinnen um daraus letztentlich einen Vorteil für sich selbst ziehen zu können. Durch die Einübung dieser von Castiglione vorgestellten Eigenschaften und Fertigkeiten wird es dem Höfling ermöglicht, seinem Prinzen in jeder Hinsicht perfekt zu dienen.[50] Darüberhinaus sollte der Hofmann durch dieses Lebensideal auch zu Ansehen und Geltung bei anderen Männer am Hof kommen. Castiglione schreibt sein Buch also, damit seine Leserschaft “maye have the knoweleage howe to serve them [the Princes] perfectlye in everye reasonable matter, and obtaine thereby favour of them and prayse of other men.”[51]

Um die Frage zu beantworten, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten unbedingt erlernt werden mussten, um dem Anforderungsprofil des Höflings im 16. Jahrhundert zu entsprechen, möchte ich nun im Folgenden die von Baldassare Castiglione im Libro del Cortegiano beschriebenen Idealtugenden auswerten. Dabei soll auf die von Thomas Hoby verfasste englische Übersetzung des Buches zurückgegriffen werden, da diese für den englischen Adel maßgebend ist.

Sydney Anglo beschreibt den von Castiglione im Libro del Cortegiano entworfenen Idealtypus des Hofmanns anschaulich als ein „exquisite Frankenstein monster, pieced together from the choicest parts of divers chivalric and humanistic cadavers.“[52] Castigliones Höfling ist demzufolge mit den erlesensten Charaktereigenschaften aus den Traditionen des Humansimus und des mittelalterlichen Rittertums ausgestattet. Spezifisch für Castigliones Hofmann ist darüber hinaus die Tatsache, dass dieser sich in der ständigen Interaktion mit seiner Umwelt fortlaufend als eine Art eigenes Kunstwerk selbst kreieren muss. Laut Sydney Anglo ist Castigliones Cortegiano „constantly engaged in the act of self-creation. This courtier is always aware of an audience, admiring, criticizing, and judging him; and he is expected to fashion himself like a work of art.”[53]

Die erste Grundvoraussetzung, die Castiglione als unbedingten Bestandteil eines idealtypischen Höflings nennt, ist zugleich auch eine Eigenschaft, die sich dadurch auszeichnet, dass sie eben nicht durch persönlichen Einsatz und Ausbildung allein erreicht werden könnte. Castiglione macht deutlich, dass sein Höfling auf jeden Fall von adliger Abstammung sein müsse: “I wyll have this our Courtyer therfore to be a Gentleman borne and of a good house.”[54] Er begründet dies mit dem Argument, dass nur ein Adliger ein besonderes Interesse daran haben würde, sich selbst als Höfling zu vervollkommnen. Castiglione meint: “the noble of birth counte it a shame not to arrive at the leaste at the boundes of their predecessors.”[55] Angespornt durch die Leistungen seiner Vorfahren und der eigenen Sorge darum, diese vorgelegten Errungenschaften selbst erreichen oder gar noch übertreffen zu müssen, könnte nur ein Adliger die nötige Motivation dazu aufbringen, sich in den Praktiken des Hofmannes zu üben und letztendlich Perfektion darin erreichen.

Für Castiglione ist die unverzichtbarste Eigenschaft des perfekten Höflings seine natürliche Grazie, die jede seiner Ausführungen begleiten soll. Diese Anmut des Hofmannes “shall make him at the first sight acceptable and lovyng unto who so beholdeth him.”[56] Um diesen Zustand zu erreichen müsse der Höfling “eschew as much as a man may, and as a sharp and dangerous rock, Affectation”[57] Der vollkommene Hofmann muss gemäß Castiglione alle Künstlichkeit vermeiden und “use in every thyng a certain Reckelessness, to cover art withall, and seeme whatsoever he doth and sayeth to do it wythout pain, and (as it were) not myndyng it.”[58] Ronald Asch folgert daraus, dass Castigliones Höfling unter allen Umständen die Anstrengungen, unter denen er seine Fertigkeiten erlernt hat, vor der Öffentlichkeit verbergen solle: “The courtiers behaviour was not to appear laboured and contrived“[59]. Stattdessen sollte der Höfling seine Eigenschaften und Fertigkeiten als ihm schon von Geburt an innewohnende Gaben erscheinen lassen, als ob diese das Ergebnis von „birth and breeding and not of conscious self-education and laborious learning“[60] seien.

Besonders viel Gewicht legt Castiglione auf die physische Ausbildung des künftigen Hofmannes. Ein Höfling sollte Kenntnisse “in all exercises of the bodie, that belonge to a man of warre”[61] besitzen. Sportliche Betätigungen und vielfältige Leibesübungen werden als unbedingte Vorraussetzung für die Entwicklung hin zu einem perfekten Hofmann angesehen, da Castiglione der Ansicht ist, dass “the principall and true profession of a Courtyer ought to be in feates of armes, the which above all I will have hym to practise lively.”[62] Im Speziellen sollte der ideale Höfling folglich sowohl Geschicklichkeit im Umgang mit den unterschiedlichsten Waffen erwerben als auch in diversen Sportarten ausgebildet sein.

Castiglione spezifiziert, dass ein Hofmann nicht nur den Umgang mit den diversen Waffen, „both for the footeman and horseman“[63], erlernen müsse, sondern sich selbst auch darin schulen sollte, welche Vorteile ihm die geschickte Handhabung dieser Gerätschaften verschaffen könnten.[64] Aus diesem Grund empfiehlt Castiglione auch eindringlich das Erlernen der Technik gerade derjenigen Waffen, die für gewöhnlich von seinesgleichen, also den Gentlemen, genutzt würden, um auf diese Weise für eine mögliche Auseinandersetzung vorbereitet zu sein.

Für Castiglione beschränkt sich daher der Nutzen, den ein routinierter Umgang mit den Waffen mit sich bringen würde, nicht nur auf die Anwendung dieser Fertigkeiten im Kriegsfall. Auch im Alltag bei Hofe sei dieses Wissen von großem Wert, denn „beside the use that he shall have of them in warre, where peradventure nedeth no great connyng, there happen often times variaunces betwene one gentleman and another, whereupon ensueth a combat.[65] Außerdem befürwortet Castiglione das Erlernen des Ringens als eine Art Kampfsportart, die die Waffenbeherrschung des Höflings ergänzen soll: “I think also it will serve his turne greatly, to know the feate of wrastling, because it goeth much together with all weapon on foote.”[66]

Darüber hinaus könnte der kundige und bereits erprobte Umgang mit Waffen in Friedenszeiten auch noch in einem anderen, für das Hofleben typischen Bereich, nämlich den der Festivitäten, lohnenden Einsatz finden: “gentlemen are seen in open showes in the presence of people, women and Princes”[67] konstatiert Castiglione. Um einen galanten Anblick im Turnierhof zu bieten, sollte der ideale Hofmann daher die geschickte Handhabung diverser Waffen trainieren. Aus dieser Gegebenheit lässt sich auch Castigliones nächste Forderung an den Idealtypus des Höflings ableiten. “Therefore will I have our Courtyer a perfecte horseman for everye saddle […] and in whatsoever belongeth to a horseman.”[68] Der perfekte Höfling muss laut Castiglione demnach ein technisch virtuoser und vollendeter Reiter sein, der die Reitkunst in all ihren einzelnen Facetten beherrscht.

Überdies sollte Castigliones idealer Höfling diverse andere Sportarten beherrschen, die zwar keinen direkten Bezug zur Kriegskunst hätten, aber dennoch „muche manlye activitie“[69] besitzen würden. Zu diesen zählt Castiglione die Jagd, das Schwimmen, das Springen, das Laufen, das Werfen und das Tennisspiel.[70] Von diesen Sportarten hält Castiglione das Jagen für die wichtigste Leibesübung, denn „it hath a certaine lykenesse with warre”[71] und sei “truelye a pastyme for great men, and fitte for one lyvyng in courte.“[72] Desweiteren hebt Castiglione das Tennisspiel als eine Sportart hervor, die der perfekte Höfling beherrschen müsse, denn bei diesem Spiel könne der Höfling die natürlichen Fähigkeiten seines Körpers besonders gut zur Schau stellen: „it is a noble exercyse and meete for one lyvyng in courte to play at tenyse, where the disposition of the bodye, the quickenesse and nimblenesse of everye member is much perceyved.“[73] Und obwohl diese Sportart doch sehr schmerzhaft und schwierig zur erlernen sei, würde sich der Aufwand doch besonders lohnen, denn das Tennispiel „maketh a man more light and quicker then any of the rest […] yf that lightnesse be accompanyed with a good grace, it maketh (in my judgemente) a better showe then anye of the reste.“[74] Das Tennisspiel ist somit gemäß Castiglione diejenige Sportart, die am ehesten dem galanten Lebensideal eines Höflings entsprechen würde, da es bei ihrer Ausführung möglich sei, ein elegantes, leichtes und graziöses Auftreten zu verwirklichen, welches für den idealen Hofmann unbedingt erwünscht sei.

Eine weitere Fertigkeit, die Castiglione seinem perfekten Höfling auferlegt ist das Tanzen. Dieses sollte insoweit beherrscht werden, dass der Höfling sich würdevoll dabei verhalten könne: „ yf he daunseth in the presence of many and in a place ful of people, he must (in my mind) keepe a certain dignitie.”[75] Die Aufforderung, das Tanzen zu erlernen, wird von Castiglione allerdings mit der Auflage verbunden, alle Bewegungen mit „a handsome and sightly sweetnesse of gestures“[76] auszustatten. Castiglione hebt hervor, dass alle Leibesübungen, die nicht mit der Handhabung von Waffen in Verbindung stehen, zwar bis zur Perfektion beherrscht werden sollten; dies solle aber nicht lobsuchend nach außen getragen werden. Der Höfling soll “not seeme to seeke or loke for any praise for it, nor be acknowen that he bestoweth much study or time about it, although he do it excellently well.”[77]

Eine weitere Grundvoraussetzung für Castigliones idealtypischen Höfling sind profunde Kenntnisse „in those studyes, which they call Humanitie“[78]. Dazu zählt Castiglione nicht nur das Beherrschen der lateinischen Sprache, darüber hinaus sollte der perfekte Höfling auch noch des Altgriechischen mächtig sein. Diese altsprachliche Ausbildung sollte den Hofmann zur Lektüre antiker Schriften befähigen „because of the many and sundrye thinges that with greate excellencye are written in it.”[79] Castiglione empfiehlt dem Hofmann, sich bei der Lektüre der antiken Autoren hauptsächlich mit den Texten zu beschäftigen, die sich mit der Poetik, der Geschichtsschreibung und der Rhetorik befassen: “let him much exercise hym selfe in poets, and no lesse in Oratours and Historiographers”[80].

Darüberhinaus solle sich der perfekte Höfling auch dem Erlernen verschiedener moderner Sprachen widmen. „[T]he knowleag of sundrie tunges“[81] wird von Castiglione eindringlich empfohlen. Dabei betont Castiglione das Beherrschen der spanischen und französischen Sprache, da diese Sprachen dem Italienischen am Ähnlichsten seien und die Regenten dieser Nationen ihre Höfe immer mit Nobelmännern ausgestattet hätten, welche „are disperesed throughout the world, and againe we must needes practise with them.“[82] Der Spracherwerb der modernen Sprachen hat folglich einen diplomatischen Nutzen und wird demnach dringend für die Kommunikation mit den Kavalieren ausländischer Höfe benötigt.

Eine weitere Fertigkeit, die Castiglione als signifikant für den idealen Hofmann hält, ist der hervorragende mündliche und schriftliche Ausdruck. Als Grundvoraussetzung für diese Fertigkeit sieht Castiglione allerdings den Erwerb von Wissen als unverzichtbar, denn „he that hath not knowledge and the thing in his minde that deserveth to be understood, can neither speak nor write it.“[83] Ein besonderes Augenmerk legt Castigilione dabei auf das Erlangen von Kenntnissen in den Staatsgeschäften anderer Länder, er müsse „in discourses uppon states, wise and expert“[84] sein. Ferner sollte der ideale Höfling auch derart gründlich in den Normen und Bräuchen anderer Länder geschult sein, so dass er sich mühelos an diese, von dem Hofmann als fremd erachtete Sitten anpassen könne, wann immer er davon Gebrauch machen müsse. Der Höfling solle sein Urteilsvermögen in dieser Angelegenheit so weit schulen, so dass „he maye frame himselfe to the manners of the countrey where ever he commeth.”[85]

Zum Ausdruck fügt Castiglione ergänzend an, in welcher Art und Weise ein perfekter Höfling sprechen oder schreiben sollte: “Then must he couch in a good order that he hath to speake or to write, and afterward expresse it wel with words”[86] Nicht nur soll der Hofmann, der besseren Verständlichkeit halber, seine Sätze geordnet konstruieren, darüber hinaus sollte dieser auch noch auf eine angemessene Wortwahl achten. Die Wörter, die der ideale Höfling benutzen sollte „ought to be apt, chosen, clere, and wel applyed, and (above al) in use also among the people.”[87] Demnach sollte der Hofmann also antiquierte Formulierungen unterlassen und sich bemühen, sich äußerst klar und deutlich auszudrücken. Die vom idealen Höfling verwendeten Worte sollten gemäß Castiglione „fair, witty, subtil, fine and grave according to the mater”[88] sein.

Weiterhin spezifiziert Castiglione auch, worüber sich der Höfling austauschen sollte. Für Castiglione ist es besonders wichtig, dass der Hofmann nicht nur über ernsthafte Themen kommunizieren sollte. Stattdessen müsste der idealtypische Höfling durchaus auch über angenehme Dinge reden. Dem Hofmann wird auferlegt, auch von “pleasant matters, and of mery conceits, of honest divises, and of jestes according to the time”[89] zu sprechen. Ein perfekter Höfling sollte sich nach Castiglione auf keinen Fall humorlos und allzu trocken geben. Stattdessen sollte er “laugh dalie, jest, and daunce, yet in such wise that he maie alwayes declare himselfe to bee wittie.”[90]

Eine weitere unverzichtbare Eigenschaft des perfekten Höflings ist für Castiglione dessen Musikalität, denn “musicke is not onelye an ornament, but also necessarie for a Courtyer.”[91] Gemäß Castiglione sollte der ideale Hofmann auch ein virtuoser Musiker sein und mehrere Instrumente, insbesondere Streichinstrumente wie Zum Beispiel die Laute und die Viola[92], beherrschen. Denn laut Castiglione gäbe es kein besseres Heilmittel für einen kraftlosen Geisteszustand als das Hören von Musik.[93] Und “beside the refreshing of vexacyons that musike bringeth unto eche man”[94] könne die musikalische Darbietung auch dazu genutzt werden, um Frauen, „whose tender and softe breastes are soone perced with melody and fylled with swetenesse“[95], zu beeindrucken, da jene laut Castiglione ganz besonders sensibel auf den speziellen Reiz der Musik reagieren würden, und diese als „a moste acceptable foode of the mynde“[96] betrachten würden. Überdies sollte Castigliones idealer Höfling das Zeichnen und Malen erlernen. Denn diese Kunst sei sehr nützlich im Kriegsfall, um Länder, Flüsse, Brücken, Kastelle, Forts etc. graphische festzuhalten und auf diese Weise andere darüber zu informieren.[97]

[...]


[1] The Correspondence of Sir Philip Sidney. Volume 2, hg. und übers. v. Roger Kuin, Oxford 2012, S. 878.

[2] Zur Schwierigkeit einer befriedigenden Begriffsfindung für das Phänomen Adelsreise in der Frühen Neuzeit und Diskussion der gängigen Termini Kavalierstour, Grand Tour und Länderreise siehe: Leibetseder, Mathis: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. Und 18. Jahrhundert, Köln 2004, S.18-23.

[3] Für einen ersten Überblick zur Genese des Modells Grand Tour in Europa siehe: Paravicini, Werner: Der Grand Tour in der europäischen Geschichte: Zusammenfassung, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 657-674.

[4] Ebd., S.673.

[5] Paravicini konstatiert, dass die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts als Zeit des größten Wandels der Adelsreise gelten kann. Vgl. Ebd., S.673.

[6] Asch, Ronald G.: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, Köln 2008, S.152.

[7] Ebd.

[8] Waetzhold, Wilhelm: Das klassische Land. Wandlungen der Italiensehnsucht, Leipzig 1927, S.11.

[9] Vgl. Geertz, Clifford: Aus der Perspektive des Eingeborenen. Zum Problem des ethnologischen Verstehens, in: ders.: Dichte Beschreibung. Beiträge zum verstehen kultureller Systeme, Frankfurt 1978.

[10] Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt 2001, S.8.

[11] Paravicini, Werner: Der Grand Tour in der europäischen Geschichte: Zusammenfassung, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 662.

[12] Leibetseder, Mathis: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. Und 18. Jahrhundert, Köln 2004, S.18-19.

[13] Ebd., S.19.

[14] Ebd.

[15] Ebd.

[16] Paravicini, Werner: Der Grand Tour in der europäischen Geschichte: Zusammenfassung, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 662. Vgl. auch Ranft, Andreas: Die Hofesreise im Spätmittelalter, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 89-104.

[17] Vgl. Keller, Katrin: Von der Nützlichkeit des Reisens. Bemerkungen zu Erscheinungsbild und Konsequenzen der Kavaliertour am Beispiel kursächsischer Befunde, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 429-454.

[18] Vgl. Heiss, Gernot: Bildungs- und Reiseziele österreichischer Adeliger in der Frühen Neuzeit, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 217-236.

[19] Paravicini, Werner: Der Grand Tour in der europäischen Geschichte: Zusammenfassung, in: Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005, S. 662.

[20] Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt 2001, S.13.

[21] Ebd., S.20.

[22] Ebd.

[23] Ebd.

[24] Ebd., S.13.

[25] Ebd.

[26] Ebd., S.14.

[27] Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt 2001.

[28] Leibetseder, Mathis: Die Kavalierstour. Adlige Erziehungsreisen im 17. Und 18. Jahrhundert, Köln 2004.

[29] Babel, Rainer/Paravicini, Werner (Hrsg.): Grand Tour. Adeliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, Ostfildern 2005.

[30] Hierbei sind vor allem drei Biographien zu nennen, die der Reisetätigkeit Sidneys auf dem europäischen Kontinent größere Aufmerksamkeit widmen: Duncan Jones, Kathrine: Philip Sidney. Courtier Poet, London 1991. und Stewart, Alan: Philip Sidney. A Double Life, London 2001 sowie Osborne, James Marshall: Young Philip Sidney 1572-1577, New Haven 1972.

[31] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561.

[32] Burke, Peter: Die Geschicke des Hofmanns. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, Berlin 1996, S.115.

[33] Brennan, Michael G. (Hg.): The Origins of the Grand Tour: The Travels of Robert Montagu, Lord Mandeville (1649-1654), William Hammond (1655-1658), and Banaster Maynard (1660-1663), London 2004, S. 16.

[34] The Correspondence of Sir Philip Sidney. Volume 1, hg. und übers. v. Roger Kuin, Oxford 2012. und The Correspondence of Sir Philip Sidney. Volume 2, hg. und übers. v. Roger Kuin, Oxford 2012.

[35] Müller, Rainer A.: Hofstaat-Hofmann-Höfling. Kategorien des Personals an deutschen Fürstenhöfen der Frühen Neuzeit, in: Malettke, Klaus/Grell, Chantal (Hrsg.): Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.-18. Jh.), Münster u.a. 2001, S.50.

[36] Zur Rezeption des Libro del Cortegiano in Europa siehe Burke, Peter: Die Geschicke des Hofmanns. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, Berlin 1996, S.71-90.

[37] Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt 2001, S.21.

[38] Müller, Rainer A.: Der Fürstenhof in der frühen Neuzeit, München 1995, S.82.

[39] Stannek, Antje: Telemachs Brüder. Die höfische Bildungsreise des 17. Jahrhunderts, Frankfurt 2001, S.55.

[40] Ebd.

[41] Asch, Ronald G.: Europäischer Adel in der Frühen Neuzeit, Köln 2008, S.218.

[42] Ebd.

[43] Zur Rezeption des Libro del Cortegiano in Europa siehe Burke, Peter: Die Geschicke des Hofmanns. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, Berlin 1996, S.71-90.

[44] The scholemaster or plaine and perfite way of teachyng children, to vnderstand, write, and speake, the Latin tong but specially purposed for the priuate brynging vp of youth in ientlemen and noble mens houses, and commodious also for all such, as haue forgot the Latin tonge. By Roger Ascham., London 1570, S.21.

[45] Da die englische Druckausgabe des „Courtiers“ keine Seitenzählung enthält, wird im Folgenden die Nummer der entsprechenden Bilddokumente aus der Datenbank Early English Books Online als Quellennachweis verwendet.

[46] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.191.

[47] Burke, Peter: Die Geschicke des Hofmanns. Zur Wirkung eines Renaissance-Breviers über angemessenes Verhalten, Berlin 1996, S.92.

[48] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.13.

[49] Ebd., S.21.

[50] Ebd., S. 13.

[51] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.13.

[52] Anglo, Sydney: The Courtier. The Renaissance and Changing Ideals, in: Dickens, A.G. (Hg.): The

Courts of Europe. Politics, Patronage and Royalty. 1400-1800, London 1977, S.42.

[53] Ebd.

[54] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.23.

[55] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.23.

[56] Ebd.

[57] Ebd., S.30.

[58] Ebd.

[59] Asch, Ronald G.: Nobilities in Transition. 1550-1700. Courtiers and Rebels in Britain and Europe, London 2003, S.82.

[60] Ebd., S.83.

[61] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.27.

[62] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.25.

[63] Ebd., S.27.

[64] Ebd.

[65] Ebd.

[66] Ebd.

[67] Ebd., S.28.

[68] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.28.

[69] Ebd.

[70] Ebd.

[71] Ebd.

[72] Ebd.

[73] Ebd.

[74] Ebd..

[75] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.59.

[76] Ebd.

[77] Ebd., S.27.

[78] Ebd., S.44.

[79] Ebd.

[80] Ebd., S.44.

[81] Ebd., S.76.

[82] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.76.

[83] Ebd., S.36.

[84] Ebd., S.66.

[85] Ebd.

[86] Ebd., S.36.

[87] Ebd.

[88] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.36.

[89] Ebd.

[90] Ebd., S.28-29.

[91] Ebd., S.47.

[92] Ebd., S.60-61.

[93] Ebd., S.46.

[94] Ebd.

[95] Ebd.

[96] Ebd.

[97] The Courtyer of Count Baldessar Castilio divided into foure books. Very necessary and profitable for yonge Gentilmen and Gentilwomen abiding in Court, Palaice or Place, done into Englyshe by Thomas Hoby, London 1561, S.49.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783956848650
ISBN (Paperback)
9783956843655
Dateigröße
765 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Sprachkenntniss Sprache Sir Philip Sidney Grand Tour Hofzeremoniell
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Titel: “…to furnish yourself with the knowledge of such things as may be serviceable to your country and fit for your calling": Reisen als adlige Erziehungspraktik im England des 16. Jahrhunderts
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