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Neologismen und deren Übersetzung ins Englische: Walter Moers’ Zamonien-Romane

©2013 Bachelorarbeit 49 Seiten

Zusammenfassung

Thema der Arbeit ist die Bildung von Neologismen im Deutschen und deren Übersetzung ins Englische am Beispiel von Walter Moers’ international erfolgreicher Zamonien-Reihe. Das Verfassen und Übersetzen von Fantasy-Literatur erfordert ein besonders hohes Maß an Vorstellungskraft und Kreativität. Neologismen spielen in dieser literarischen Gattung oft eine signifikante Rolle. In dieser Arbeit sollen zunächst die verschiedenen Formen von Neologismen vorgestellt sowie ein Einblick in die Wortbildungslehre gewährt werden. Anhand einer Korpusanalyse der Zamonien-Romane „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“, „Die Stadt der Träumenden Bücher“, „Das Labyrinth der Träumenden Bücher“, „Der Schrecksenmeister“ und „Rumo und die Wunder im Dunkeln“ und ihren jeweiligen englischen Übersetzungen werden anschließend Übersetzungsmethoden klassifiziert und analysiert. Ziel der Arbeit ist es, einen Überblick über die Bildung und Verwendung von Neologismen zu geben. Des Weiteren sollen die wichtigsten Strategien zur äquivalenten Darstellung in der englischen Sprache vorgestellt werden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2.3.3 Neubedeutungen

Das Gegenstück zu den Neuformativen bilden die Neubedeutungen. Wie bereits erwähnt, ist ihre Zugehörigkeit zur Gruppe der Neologismen umstritten. Neubedeutungen, oft auch als Neusememe bezeichnet, entstehen, wenn zu der bereits existierenden Bedeutung (Semem) eine weitere hinzukommt, die sich eindeutig vom Ursprungssemem unterscheiden lässt (vgl. Herberg/Kinne 1998:2). So bezieht sich der Begriff Maus heutzutage nicht mehr nur auf das Nagetier, sondern auch auf das Eingabegerät eines Computers. Selbst wenn sich eindeutig herleiten lässt, dass die Computermaus ihren Namen aufgrund ihrer Form und Größe erhielt, so hebt sich das Signifié doch klar vom Nagetier, dem ursprünglichen Semem, ab. Die Entstehung solcher Neubedeutungen ist auf zahlreiche Arten semantischer Entwicklung zurückzuführen. Sie können sich sowohl abrupt, wie im Falle der Computermaus durch Terminologiebildung, oder aber in einem langsamen Herausbildungsprozess entwickeln.

3. Arten der Wortneubildung

Neologismen können entsprechend der Wortbildungsregeln in vielfacher Weise entstehen. In diesem Zusammenhang ist nur sehr selten von Wortschöpfung die Rede. Diese tritt in der Regel nur in der Anfangsphase der Entwicklung einer Sprache auf, wenn neue Lautformen erstmals neuen Inhalten zugeordnet und Sprachzeichen konventionalisiert werden (vgl. Erben 2006:20). Die tatsächliche Neuschöpfung ist ein Prozess, der in der heutigen Entwicklungsstufe des Deutschen dementsprechend nur noch äußerst selten vorkommt, jedoch nicht komplett auszuschließen ist. Produktnamen oder sonstige Eigennamen werden hin und wieder mit unüblichen Lautkombinationen gebildet, da diese mit einer gewissen Signalwirkung verbunden sind (vgl. ebd.:20). Meist wird bei der Bildung neuer Worte jedoch auf bereits bestehende Formen zurückgegriffen. In einem solchen Falle spricht man von Wortbildung. Im Folgenden sollen die verschiedenen Wortbildungsprozesse genauer untersucht und dabei vor allem auf die zahlreichen morphologischen Vorgänge eingegangen werden.

3.1 Komposition

Eine der Wortbildungsformen, die in der deutschen Sprache am häufigsten auftreten, ist die Komposition, bei der mindestens zwei Grundmorpheme miteinander verbunden werden (vgl. zum Folgenden Elsen 2004:23ff.). Die Kombinationsmöglichkeiten sind in der Tat unerschöpflich, da man im Deutschen alle großen Wortklassen in gewisser Weise für die Kompositabildung verwenden kann. Somit kann nahezu jedes deutsche Wort Bestandteil eines zusammengesetzten Neuwortes werden und in unzähligen Variationen und Verbindungen auftreten.

Die umfangreichste Gruppe der deutschen Komposita bilden die Determinativkomposita, deren erstes Wortglied das zweite näher bestimmt, wie zum Beispiel bei dem Wort Vergnügungspark. Ein solches primäres Kompositum kann durch das Voranstellen weiterer Grundmorpheme präzisiert werden und ein sogenanntes Dekompositum (vgl. Grimm 1878:902ff) gebildet werden. Das mehrgliedrige Determinativdekompositum Wasserrutschenvergnügungspark ließe sich aus vier Grundmorphemen wie folgt zusammensetzen: Wasser-Rutschen-Vergnügungs-Park oder G4+G3+G2+G1. „Die paarweise Zusammengehörigkeit der Grundmorpheme im Gesamtkomplex lässt sich durch Klammern symbolisieren“ (Erben 2006:35): (G4+G3)+(G2+G1). Es handelt sich also um einen Vergnügungspark (G2+G1) mit vielen Wasserrutschen (G4+G3). Die Zusammensetzung dieses Determinativkompositums lässt sich anhand eines Baumdiagramms besonders gut veranschaulichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Zusammensetzung eines Determinativdekompositums

Solche Determinativkomposita mit vier Grundmorphemen treten vergleichsweise selten auf. Am häufigsten sind zwei- und dreigliedrige Komposita wie zum Beispiel Handyhülle, Fußhocker, Plastikklappstuhl oder Grünteepflanze.

Eine Subgruppe der Determinativkomposita bilden die Possessivkomposita. Sie verfügen über das gleiche hierarchische Verhältnis von Grund- und Bestimmungs­wort und setzen sich meist aus nur zwei Elementen zusammen. Possessivkomposita sind „ idiomatisierte Bildungen, die sich nicht aus ihren Teilen erklären lassen, wie: Milchgesicht, Schafskopf, Lästermaul“ (Kühn 1994:25). Die Bedeutung dieser Zusammensetzungen weicht insofern von den Formativa ab, als dass sich die Bezeichnungen auf eine ganze Person und nicht nur auf das genannte Körperteil (in diesem Falle Gesicht, Kopf oder Mund) beziehen.

Die nun folgende Art der Komposition dient sehr häufig der Okkasionalis­men­bildung. Es handelt sich hierbei um Sonderkomposita, die wie auch die Possessiv­zusammensetzungen zu den Determinativkomposita gezählt werden. Sie setzen sich aus ganzen Wortgruppen zusammen, die mittels Bindestrich eine lexikalische Einheit bilden. Die entstehenden Worte sind meist spontane Einmalbildungen, die oftmals sehr stark vom jeweiligen Kontext abhängen: Halt-den-Mund-Blick, Face-to-face-Gespräch, Wir-haben-geschlossen-Schild (vgl. Elsen 2004:25).

Ebenfalls zur Gruppe der Determinativkomposita gehören verdeutlichende Kom­posita. Diese zeichnen sich durch eine meist aus einer anderen Sprache entlehnte Wurzel aus, die aus Verständnisgründen mit Hilfe einer inhaltlich ähnlichen heimischen Wurzel genauer erklärt wird (vgl. ebd.:24), wie in Prozessablauf oder Grundprinzip. Dass es sich bei dem näher beschriebenen Element nicht zwangsweise um ein Fremdwort handeln muss, zeigen verdeutlichende Komposita wie Haifisch oder Eichbaum.

Im Gegensatz zu den bisher untersuchten Determinativkomposita verbinden Ko­pulativ­komposita zwei oder mehrere gleichwertige Elemente miteinander. Die einzelnen Wortglieder stehen nicht in einem determinierenden Verhältnis, sondern er­gän­zen sich gegenseitig: blaugrün, süßsauer, feuchtwarm, deutsch-türkisch, Hosenrock, Hassliebe. Wie an den Beispielen zu erkennen ist, nehmen Kopulativ­komposita fast immer die Form von Adjektiven oder Nomen an. Auch wenn sich der Unterschied zwischen Determinativ- und Kopulativkomposita leicht erklären lässt, so ist doch die Bestimmung sehr stark subjektiv (vgl. Donalies 1996:173ff.). So ließe sich das oben genannte Beispiel feuchtwarm auch als determinativ intepretieren. Aus dieser Perspektive würde es sich um eine feuchte Art von Wärme handeln.

Die letzte Gruppe von Wortzusammensetzungen, die an dieser Stelle aufgegriffen werden soll, sind die Reduplikativkomposita, welche eine „ganz[e] oder teilweise Verdopplung und damit Verstärkung eines Elements“ (Elsen 2004:24) herbeiführen. Als Beispiele wären hier die Worte zackzack, hophop, Schnickschnack, Pingpong oder Yoyo zu nennen. Reduplikativkomposita gehen sehr häufig fließend in onomatopoetische Ausdrücke über: dingdong, kuckuck, ritschratsch. Es lassen sich dementsprechend nicht immer klare Grenzen zwischen den Wortbildungsformen definieren.

Diese Einteilung von Komposita findet in den meisten Werken zu Lexikologie und Wortbildung Anwendung. Irmhild Barz jedoch verwendet in ihrer Abhandlung „Neologie und Wortbildung“ eine andere interessante Art der Klassifizierung. So teilt sie Zusammensetzungen nach ihrem Neuheitseffekt in unauffällige Komposita (Tierart), auffällige Komposita (Igeldesinfektion) und indifferente Komposita (Igelspezialist) ein (vgl. 1998:20ff.).

3.2 Derivation

Die Derivation, auch als Ableitung bezeichnet, stellt ebenfalls eine sehr häufig angewandte Form der Neologismenbildung dar. Man unterscheidet zwischen zwei Derivationstypen: der expliziten und der impliziten Ableitung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Schematische Übersicht der Derivation (Kühn 1994:30)[1]

Die explizite Ableitung bezeichnet eine Morphemkonstruktion aus mindestens einem freien Morphem, das durch Derivationsaffixe erweitert wird. Zu diesen Affixen gehören Präfixe, Suffixe und Zirkumfixe. Es ist hierbei anzumerken, dass nicht alle Sprachwissenschaftler mit dieser Auffassung übereinstimmen. So führt Kühn zufolge nur das Anhängen von Suffixen oder Zirkumfixen zur externen Derivatbildung (vgl. 1994:27). Sie betrachtet die Präfixbildung als gesonderte Wortbildungskategorie.

Die Suffixe -schaft, -heit, -keit oder -nis kennzeichnen die Ableitung hin zu Substantiven, wie Feind-schaft, Dankbar-keit und Ärger-nis. Das Suffix -keit kann nur an Adjektive, welche sich durch Suffixe wie zum Beispiel -ig, -lich oder -bar auszeichnen, angehängt werden: neuart-ig (Neuart-ig-keit), freund-lich (Freund-lich-keit), erkenn-bar (Erkenn-bar-keit). Es gibt also Kombinationsrestriktionen. Durch beispielsweise das Hinzufügen des Suffixes -eln lassen sich Verben wie kränk-eln bilden.

Als Beispiel für die Existenz von Derivationspräfixen verweist Elsen auf das Partizip ab-genervt (2004:29). Analog dazu lassen sich weitere Präfixderivate wie ver-geigt oder an-gefressen finden. Präfixe im Allgemeinen lassen sich selbstverständlich nicht nur auf Partizipen, sondern auch auf Substantive, Verben und Adjektive wie Un-mut, ent-wöhnen oder miss-trauisch anwenden. Sie lassen sich einteilen in untrennbare Präfixe wie be-, ent-, ver-, zer- oder un- und trennbare Präfixe wie ab-, an-, bei-, auf-, nach - und über- (vgl. Kühn 1994:30).

Zirkumfixe umrahmen ein bestimmtes Grundmorphem. Dabei treten Präfix und Suffix in untrennbarer Kombination auf. Bei der Ableitung können sie zur Substantivierung eines bestimmten Verbstammes (Ge-schrei-e, Ge-renn-e, Ge-dröhn-e) verwendet werden (vgl. ebd.:29). Auch lassen sich mithilfe von Zirkumfixen Adjektive wie be-brill-t formen. Diese erscheinen auf den ersten Blick wie Partizipien, werden jedoch nicht von Verben sondern von Substantiven abgeleitet und zählen deshalb zu den Adjektiven.

Die zweite Art von Derivation ist die implizite Ableitung. Sie bezeichnet ein einzelnes freies Morphem oder eine freie Morphemkonstruktion, die durch den Wortartenwechsel ohne das Hinzufügen von Derivationsaffixen ihre semantische oder formale Beziehung ändert: glauben - Glaube, besuchen - Besuch. Dabei ist die Bedeutung des jeweiligen Nomens von semantischen Merkmalen des Verbs abhängig, welches demnach als Ausgangsform der substantivierten Ableitungsform gilt. Einen solchen Vorgang bezeichnet man als Rückbildung (vgl. Kühn 1994:29).

Die implizite Ableitung bringt häufig eine Ablautbildung, eine Veränderung des Stammvokals, mit sich. Als Beispiel können an dieser Stelle die Wortartenwechsel von binden zu Band / Bund oder werfen zu Wurf angeführt werden (vgl. Erben 2006:31).

Einen besonderen Fall der impliziten Ableitung stellt die Konversion oder auch Nullableitung dar, bei der es zum Wortartenwechsel ohne Wortbildungselemente kommt (vgl. Kühn 1994:29): ernst (Adjektiv) wird zu Ernst (Substantiv) oder leben (Verb) zu Leben (Substantiv).

Wie mit den in diesem Kapitel genannten Beispielen lässt sich auch mit Neologismen verfahren. So wurde vor einigen Jahren aus dem ursprünglich englischen Wort to check das deutsche Verb checken, welches sich sogar zum Partizip gecheckt und zum Substantiv Checker ableiten lässt. Letzteres bezeichnet eigentlich eine Person die immer den Überblick behält, gilt inzwischen aber auch als Synonym für Frauenheld. Vom Verb checken gibt es inzwischen Ableitungen wie abchecken im Sinne von überprüfen, klären und verchecken, was so viel bedeutet wie verplanen oder vergessen.

3.3 Affixoid- und Konfixbildung

Affixoid- und Konfixbildungen sind zwischen Komposita und Derivaten anzusiedeln. Es handelt sich um reihenbildende bedeutungstragende Einheiten, die weder zu den Affixen noch zu freien Morphemen gezählt werden (vgl. zum Folgenden Elsen 2004:29ff.).

Affixoide existieren in ihrer Form auch als freie Morpheme, haben sich jedoch von diesen semantisch entfernt und können somit nicht mit ihnen gleichgesetzt werden. In ihrer affixoiden, meist abstrakten Bedeutung müssen sie an ein anderes Grundmorphem gebunden werden. Man unterscheidet zwischen Präfixoiden und Suffixoiden.

Das erste Glied eines Determinativkompositums bestimmt, wie bereits erwähnt, das zweite Element. Im Vergleich dazu übernehmen Präfixoide in der Regel eine abstrakte, intensivierende beziehungsweise steigernde Funktion und können somit auch als Vergrößerungsbildungen bezeichnet werden (vgl. Kühn 1994:28). Worte wie saucool, saubillig oder Saukälte lassen sich semantisch nicht gleichsetzen mit cool/billig/kalt wie eine Sau. Die Bedeutung des Präfixoides sau- ist also deutlich abzugrenzen von der des freien Morphems. Gleiches gilt für die Bedeutung der Präfixoide affen-, haupt- oder riesen-. Das heißt natürlich nicht, dass alle Zusammensetzungen mit sau-, affen-, haupt- oder riesen- automatisch als Präfixoidbildungen angesehen werden können. Im Gegensatz zu Affenhitze oder Hauptproblem beziehen sich beispielsweise die beiden Substantive Affenfutter und Haupthaar tatsächlich auf das Futter eines Affen und das Haar auf dem Haupt (Kopf) eines Menschen.

Diese Charakteristika gelten auch für Suffixoide wie zum Beispiel -artig, -schwer oder -werk (maskenartig, bedeutungsschwer, Uhrwerk). „Zwischen Prä- und Suffixoiden kommt es [dennoch] zu Unterschieden [...]. Suffixoidbildungen behalten das Akzentmuster des Determinativkompositums bei, Präfixoidbildungen verändern es“ (Elsen 2009:326). Auch die Produktivität ist unterschiedlich. Suffixoide treten weitaus seltener auf, was Elsen zufolge darauf zurückzuführen sein könnte, dass sich ihre Bedeutung als Grundwort in einem Kompositum weniger schnell abnutzt (vgl. ebd.:326).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Zusammenfassung der Merkmale von Affixoiden (Elsen 2009:326)

Konfixe sind Morpheme, die nicht wortfähig, dafür aber basis- und/oder kompositionsgliedfähig sind (vgl. Schmidt 1987:50). Im Gegensatz zu den Affixoiden haben Konfixe oft eine sehr präzise Bedeutung. Weitere Merkmale sind eventuelle formgleiche Pendants, Gebundenheit, Positionsfestigkeit und die Fähigkeit zur Reihenbildung (vgl. Grimm 1997:277ff.). Man kann Konfixe in die Kategorien heimisch und fremd einteilen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 4: Konfix-Schema (Schu zit. nach Ebert/Gehlen 2010:2)

Als heimische Konfixe gelten offiziell bisher nur Schwieger- und Stief-. Über die meisten anderen möglichen Konfixe wie -wart wird noch diskutiert, da das entsprechende freie Morphem – wenn auch selten – in der Alltagssprache noch Verwendung findet und als vollständiges Wort gilt (vgl. Ebert/Gehlen 2010:1).

Fremde Konfixe sind weitaus häufiger. Sie sind zumeist aus dem Griechischen oder Lateinischen entlehnt, wie biblio-, aer-, nutri- aber auch -log, -thek oder -ident. In Verbindung mit einem freien Morphem oder einem anderen Konfix bilden sie Zusammensetzungen wie Bio-laden oder Biblio-thek. Aus einem Konfix mit Affix entsteht ein Derivat: Thermik wird zu thermisch (vgl. ebd.).

3.4 Zusammenrückung und Zusammenbildung

Zusammenrückungen und -Bildungen sind ebenfalls Wortbildungsformen, die zwischen Komposition und Derivation liegen.

Man spricht von Zusammenrückung, wenn eine „syntaktische Gruppe [...] unter Beibehaltung der Wortfolge und eventueller flexivischer Relationsmorpheme [...] zu einem Wort bzw. zum Kompositionsglied eines neuen Wortes ‘zusammengerückt’ worden ist“ (Erben 2006:37). Es handelt sich dabei meist um substantivierte Wortgruppen oder substantivierte Imperativsätze. Das vermeintliche Grundwort (Grundmorphem an hinterster Position) ist in der Regel nicht wortartbestimmend für die gesamte Konstruktion wie zum Beispiel in Vergissmeinnicht, Taugenichts oder Stelldichein (vgl. Kühn 1994:26).

Zusammenbildungen werden oft als Ableitungen einer Wortgruppe bezeichnet. Dabei werden die einzelnen Konstituenten teilweise verkürzt, wie bei einem Kompositum zusammengezogen und um Affixe erweitert (ebd.:27). Bekannte Zusammenbildungen sind die Worte zwischenstaatlich (von zwischen Staaten), grünäugig (von grüne Augen) oder Liebhaber (von lieb haben). Auf diese Weise entstehen auch zahlreiche Neologismen wie Schnellchecker, Zuspätkommer oder Schenkelklopfer.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Zusammenbildung der Wortes Liebhaber (Erben 2006:38)

3.5 Wortgruppenlexembildung

Wortgruppenlexeme, auch bekannt als Mehrworttermini, bestehen aus mindestens zwei getrennt geschriebenen Wörtern, die zusammen einen feststehenden Begriff bilden (vgl. zum Folgenden Elsen 2004:27f.). Die beiden nicht austauschbaren Konstituenten sind gemeinsamer Träger einer sehr speziellen Bedeutung, die sich anhand der Einzelbegriffe problemlos herleiten lässt. Aufgrund ihrer hohen Präzision verfügen sie kaum über konnotatives Potential. Beispiele für sehr bekannte Wortgruppenlexeme sind Schwarzwälder Kirschtorte, gebrannte Mandeln oder kinetische Energie. Im Gegensatz zu Phraseologismen können sie als Basis für Kürzungsvorgänge stehen, wie in MDR – Mitteldeutscher Rundfunk (vgl. Römer/Matzke 2003:104).

Wortgruppenlexeme finden aufgrund ihrer Eindeutigkeit und Herleitbarkeit verstärkt in der Fachsprache Anwendung. Sie werden außerdem häufig zur Bildung von Eigennamen genutzt: Rotes Kreuz, Weißes Haus, Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Oftmals werden Wortgruppenlexeme mit gängigen Wendungen beziehungsweise festen Kollokationen verwechselt. Letztere besitzen jedoch keinen Lexemäquivalenzstatus.

[...]


[1] Die in dieser Übersicht aufgeführte Zusammenbildung wird von vielen Sprachwissenschaftlern gesondert gehandhabt und nicht direkt zur Derivation gezählt. Auch diese Arbeit widmet sich ihr in einem anderen Kapitel (3.4 Zusammenrückung und Zusammenbildung).

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2013
ISBN (PDF)
9783956849404
ISBN (Paperback)
9783956844409
Dateigröße
3.6 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Wortbildung Wortschöpfung Neuwort Korpusanalyse Neologismus
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing
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