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Der Einsatz von Rollenspielen zur Förderung der kommunikativen Kompetenz im Englischunterricht

©2010 Examensarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Die moderne Fremdsprachendidaktik lässt die Forderung laut werden, den heutigen Englisch- bzw. Fremdsprachenunterricht durch den gezielten Einsatz von Rollenspielen handlungs- und alltagsorientierter auszurichten. Dies hat zum Ziel, den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler besser gerecht zu werden und die gezielte Förderung der sprachpraktischen Fertigkeiten stärker zu akzentuieren. Dieses Buch leistet einen Beitrag zu der bestehenden Forderung. Der Lehrer Herr Schachtebeck konzipierte eine Unterrichtseinheit zum Thema „Breakfast in a restaurant“, führte sie in einer 5. Klasse durch und wertete diese anschließend aus, um zu überprüfen, ob der Einsatz von Rollenspielen tatsächlich dazu geeignet ist, die Schülerinnen und Schüler zum freien Sprechen zu motivieren und ihre sprachpraktischen Fertigkeiten gezielt zu fördern.
Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um eine geringfügig überarbeitete und angepasste Version Thomas Schachtebecks Zweiten Staatsexamens, das er im Rahmen seines Referendariats an einer Berliner Grundschule im Juli 2010 bei der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung eingereichte.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


2 Bestimmung und Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes

2.1 Kommunikative Kompetenz und das Primat des Mündlichen – Begriffsklärung, theoretische Hintergründe und die Bedeutung des Sprechens für den Fremdsprachenunterricht

Der Begriff der kommunikativen Kompetenz stammt ursprünglich aus der Kommunikationssoziologie und fand durch den sozialisationstheoretischen Ansatz Eingang in die kommunikative Didaktik. Die kommunikative Didaktik versteht unter diesem Begriff ein kommunikatives Verhalten im umfassenden Sinn unter dem Stichwort der Identität. In der Fremdsprachendidaktik wurde der Begriff der kommunikativen Kompetenz durch Piepho eingeführt und im Rückgriff auf Habermas nach kommunikativen Handeln und Diskurs differenziert. Piepho definiert den Begriff der kommunikativen Kompetenz folgendermaßen: „Kommunikative Kompetenz ist die umfassende Fähigkeit eines Sprechers, kommunikativ zu handeln und sich im Diskurs zu äußern, d.h. die Bedeutung und die Absicht in oder hinter einer Äußerung […] aufzufassen und eigene Absichten in wirksamer Weise sprachlich auszudrücken“ [Piepho 1974: 132]. Darüber hinaus wird kommunikative Kompetenz gleichzeitig als ein System von Regeln verstanden, dass allen Bereichen übergeordnet ist, in denen oder über die Kommunikation stattfindet. Somit entgeht man einer umfassenden Auflistung einzelner, konkreter Teilfertigkeiten, wie es beispielsweise im RLP getan wird, da die kommunikative Kompetenz als ein Oberbegriff für alle Kompetenzen verstanden wird, die für die verbale Kommunikation erforderlich sind. Das Verständnis des Begriffs der kommunikativen Kompetenz schließt außerdem Aspekte der nonverbalen Kommunikation wie z.B. paralinguistische, mimische, gestische und motorische Kommunikationsmerkmale mit ein.

Dr. Ulrich Zeuner versteht ausgehend von Piephos Ansatz unter der kommunikativen Kompetenz die Fähigkeit, konstruktiv, effektiv und bewusst zu kommunizieren. Zeuner unterscheidet dabei in Anlehnung an Canale und Swain – im Gegensatz zum RLP – nicht zwischen einzelnen, konkreten Sprachfertigkeiten, sondern zwischen allgemeinen und auf allen Ebenen die Sprachhandlungsfähigkeit umfassende Kompetenzbereiche:

- grammatische Kompetenz, d. h. die Beherrschung von Wortschatz, Satzgrammatik, Wortbildungsregeln, Aussprache, Orthographie, usw., also Elemente des sprachlichen Codes;
- soziolinguistische Kompetenz, d. h. wie Sprecher Äußerungen in unterschiedlichen situativen und kulturellen Kontexten produzieren und verstehen, wobei Faktoren wie der soziale Status der Gesprächsteilhaber, die Rollenverhältnisse zwischen ihnen, das Ziel der Interaktion und die Situationsangemessenheit der Äußerungen in Bedeutung und Form eine Rolle spielen.
- Diskurskompetenz, d. h. wie Sprecher es schaffen, beim Sprechen und Verstehen grammatische Formen und Bedeutungen miteinander zu verbinden, damit Texte und Diskurse entstehen und
- strategische Kompetenz, also die Beherrschung derjenigen verbalen und nonverbalen Kommunikationsstrategien, die Sprecher verwenden, wenn die Kommunikation zwischen den am Gespräch Beteiligten zusammengebrochen ist, z. B. wegen mangelnder Kompetenz in einem der anderen Kompetenzgebiete [vgl. Canale/ Swain 1980].

Zeuner weist zusätzlich darauf hin, dass bei der Ausbildung der kommunikativen Kompetenz nicht nur die Kommunikationsfähigkeit[1], sondern auch die Bereitschaft[2] und der Wille des Sprechers zur Kommunikation eine entscheidende Rolle spielt.

Da der alltägliche Sprachgebrauch zu 95 Prozent über mündliche Kommunikation im Vergleich zur schriftlichen Kommunikation erfolgt, wird bezüglich des Fremdsprachenerwerbs in der Literatur immer wieder auf das sogenannte „Primat des Mündlichen“ [Schmid-Schönbein 2001: 66] verwiesen. Da sich „Sprache“ letztlich von „Sprechen“ ableitet, wird im Rahmenlehrplan für Englisch „insbesondere der Stellenwert der Mündlichkeit stärker akzentuiert“ [Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München 2008: 1] als noch vor einigen Jahren. Hughes beschreibt den Stellenwert des Sprechens im Fremdsprachenunterricht folgendermaßen:

„In the realm of second language teaching there is also

apparently high attention paid to the skill of speaking: to be

fluent in a language is the lay person’s goal; the source of

input in highly influential ‘communicative approaches’ is

largely the spoken form.” [Hughes 2002: 35]

Eine zentrale Aufgabe des Englischunterrichts besteht daher in der Förderung der kommunikativen Kompetenz im Hinblick auf eine sprachliche Bewältigung von „vielfältigen und motivierenden, zugleich repräsentativen und möglichst authentischen Themen und Alltagssituationen“ [Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München 2008: 1], in denen ein für die SuS persönlicher Bezug herzustellen ist und in denen persönliche Interessen der SuS herausgestellt werden können. Zu diesem Zweck sollen im modernen Fremdsprachenunterricht längere, zusammenhängende Gesprächssequenzen auf der Grundlage von Alltagssituationen, mit denen die SuS vertraut sind, geplant, angeboten und durchgeführt werden. Um der bei der Schaffung kommunikativer Sprechanlässe erforderlichen Authentizität und Schülerzentrierung nachzukommen, soll sich der Englischunterricht an den Prinzipien der Schüler-, der Prozess- und der Handlungsorientierung festhalten [vgl. Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport Berlin et al. 2006.: 51]. Bezüglich der dabei zu wählenden Sozialform sollen Partner- und Gruppenarbeit im Vordergrund stehen, da diese beiden Sozialformen am besten geeignet sind, um die SuS zu einer Kommunikation untereinander und mit anderen Personen zu ermutigen und zu befähigen. Durch die konsequente Schaffung kommunikativer Sprechanlässe soll sowohl schrittweise die Bereitschaft gefördert werden, sich überhaupt auf längere, von mehrfachem Sprecherwechsel geprägte Gesprächssequenzen einzulassen als auch die Vermittlung und Übung wesentlicher Merkmale der Interaktionsstruktur von Gesprächen geübt werden [vgl. Timm 1998: 246]. Bei der Ausbildung der kommunikativen Kompetenz ist stets zu beachten, dass dieser Übungsprozess ein langfristiger Lernprozess ist, der bereits ab dem 4. oder 5. Schuljahr relevant wird und erst in der Sekundarstufe 1 bzw. der Sekundarstufe 2 abgeschlossen werden kann.

2.2 Rollenspiele – Begriffsklärung, Ablauf und Formen der Unterrichtsmethode

Wie eingangs bereits erwähnt, ist das Rollenspiel eine im RLP für Englisch vorgeschlagene, handlungs- und schülerorientierte Unterrichtsmethode zur Förderung und Ausbildung der kommunikativen Kompetenz. Unter dem Begriff Rollenspiel versteht man dabei eine spielerische Auseinandersetzung mit Lebenssituationen in der die SuS sich in die Gedanken, Gefühle und Situationen Anderer hineinversetzen sollen. Anders als im reinen Spiel wird hier allerdings ein didaktischer Zweck verfolgt. Das Rollenspiel im Englischunterricht schafft fremdsprachliche Kommunikationssituationen, die modifiziert, beliebig oft reproduziert und an gegebene Inhalte angepasst werden können. Dabei ist es möglich, alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und zu entwickeln. So ist das Rollenspiel im Englischunterricht eine gute Trainingsmethode, die auf den „echten“ Gegenstand – die Kommunikation in der englischen Sprache in der realen Welt – vorbereitet. Timm sieht im Rollenspiel eine handlungs- und prozessorientierte Unterrichtsform zur systematischen Vorbereitung des dialogischen Sprechens [vgl. Timm 2007: 244]. Rollenspiele können dabei „vom Nachspielen vorgegebener Sequenzen bis zum Entwerfen […] und Durchspielen von Szenen mit weitgehend offenem Handlungsrahmen“ reichen [ebd.].

Der Ablauf eines Rollenspieles wird in drei verschiedene Phasen unterteilt: die Anfangs- bzw. Vorbereitungsphase, die Spielphase und die Auswertungsphase [vgl. Schaller 2006; van Ments 1985]. Reich verweist zwischen der Spiel- und Auswertungsphase auf eine zusätzliche Entlassungsphase, bei der die SuS gezielt aus ihrer Rolle herausgeführt werden sollen, um eine Distanz zur gespielten Rolle zu gewinnen und dadurch eine reflektierte Metaebene einnehmen zu können [vgl. Reich 2008]. Schaller und van Ments zählen diese Entlassungsphase allerdings bereits zur Auswertung, was mir ebenfalls logischer erscheint und weshalb im Rahmen dieser Arbeit von drei Phasen ausgegangen wird.

In der Vorbereitungsphase des Rollenspiels geht es zunächst darum, den SuS den Zugang zum Rollenspiel nicht aufzuzwingen, sondern ihn stufenweise und natürlich „aus den Problemen heraus erwachsen zu lassen“ van Ments 1985: 63], an denen die SuS interessiert sind. Falls die SuS jedoch zu wenig über das anstehende Problem oder Thema wissen, um eine solche stufenweise Annäherung sinnvoll nutzen zu können, empfiehlt es sich, zunächst zu versuchen, eine entspannte Atmosphäre herzustellen, als eine theoretische Einführung durchzuführen. Beispiele für geeignete Aufwärmspiele sind Das Unterhaltungsgespräch, Die Überredung, der Wortkreisel oder Die Advokaten [van Ments 1985: 67]. Solche Aufwärmspiele sind „ein gutes Mittel, um das Eis zu brechen und den Wechsel von üblichem Klassenunterricht zum Rollenspiel zu markieren“ [ebd.: 66]. Nachdem die SuS an das Rollenspiel herangeführt worden sind, müssen sie nun mit dem inhaltlichen Hintergrund des Spiels vertraut gemacht werden. Dies erfolgt durch das Abfassen eines Rollenspielszenarios – „eine Aufgabe, die erstens die Schaffung eines Hintergrundes, zweitens eine Beschreibung und drittens die Erstellung von Informationen für jeden Teilnehmer bedeutet“ [ebd.: 68]. Nach Abfassung des Szenarios müssen den SuS die zu spielenden Rollen vorgestellt und beschrieben werden. Van Ments betont, dass das Abfassen der Rollenanweisungen „das bedeutendste Element in der Organisation von Rollenspielen“ ist, wodurch die „Struktur von Rollenspielen bestimmt wird“ [ebd.: 70]. Er unterscheidet zwischen Schlüssel-, Stütz- und Nebenrollen [vgl. ebd.: 70f.]. Die Charaktere dienen in Rollenspielen zahlreichen Zwecken. Die Hauptcharaktere sorgen dabei für das zentrale Problem, sie haben aber auch die Gelegenheit, ihre eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Stützrollen können dazu genutzt werden, um Informationen einzubringen, Probleme aufzuwerfen oder die Tätigkeit zu überprüfen. Wenn ein Spielleiter die Rollen entwirft, sollte er berücksichtigen, dass die SuS zwischen unterschiedlichen Rollen wählen können und dass es frustrierend sein kann, wenn die SuS Rollen übernehmen, die keinen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen können. Sind die Rollenanweisungen geklärt, können als nächstes die Rollen verteilt werden. Die Rollenverteilung kann auf unterschiedliche Art und Weise durchgeführt werden und ist davon abhängig, welchen Zweck das Rollenspiel verfolgt und wie die Beschaffenheit der Lerngruppe ist, mit der das Rollenspiel durchgeführt wird:

1. Blindlings
2. Die Schlüsselcharaktere werden verteilt, und der Rest wird blindlings vergeben.
3. Zuordnung von Spielern zu Rollen, die ihnen nahtlos passen.
4. Es werden ausdrücklich solche Spieler gewählt, deren Charakteristika gerade im Gegensatz zu den Rollen stehen.
5. Der Spielleiter überlässt es der Gruppe, in einer Diskussion die Rollenverteilung vorzunehmen.
6. Rotierender Wechsel der Rollen zwischen allen Teilnehmern.

[van Ments 1985: 75].

Bevor die Rollenspiele nun geübt und präsentiert werden können, ist es gerade bei Rollenspielen mit dem Ziel, spezielle Fertigkeiten zu üben, besonders sinnvoll, Beobachter festzulegen. Dabei kann der Spielleiter selbst als Beobachter fungieren oder es können in anderen Fällen Gruppenmitglieder ihn dabei unterstützen. Beobachter können dabei durchaus als Handelnde im Rollenspiel teilnehmen, allerdings sollte der Spielleiter vorher sicherstellen, dass die ausgewählte Person mit der „Doppelbelastung“ als Spieler und Beobachter nicht überfordert wird. Außerdem sollte der Spielleiter darauf achten, dass „die Beobachtungen sowohl zu den Inhalten (was im Rollenspiel aktuell vor sich geht) als auch zum Prozess (wie es vor sich geht) den richtigen Bezug haben“ [ebd.: 77].

In der anschließenden Spielphase geht es darum, dass Rollenspiel zu üben und aufzuführen. Nachdem in der Vorbereitungsphase alle notwendigen Rahmenbedingungen für das Rollenspiel geklärt worden sind, muss den SuS zunächst genügend Zeit zur Verfügung gestellt werden, um das Rollenspiel sorgfältig und genau zu üben. Schaller weist darauf hin, dass gerade „Rollenspiele in Kleingruppen ohne die ständige Kontrolle durch die Leitung […] meistens sehr lerneffizient“ sind, da der „intime Rahmen […] vielfach Blockierungen und Hemmungen abbauen und die Spontaneität und Kreativität enorm fördern“ kann [Schaller 2006: 142]. Der Spielleiter sollte in dieser Phase daher hauptsächlich eine beratende Funktion haben, allerdings nur dann, wenn dies von der Gruppe erwünscht ist. Für den Rollenspielverlauf werden in der Regel je nach Intention des Spielleiters zwei verschiedene Grundverfahren angewandt: das »Fischteich-« und das »Multiples«-Verfahren. Beim »Fischteich«-Verfahren wird die Lerngruppe in zwei Gruppen eingeteilt: in eine Spielgruppe und eine Beobachtergruppe. Die Spielgruppe repräsentiert dabei die Fische in einem Teich, die von den Menschen, die um den Teich herum stehen, beobachtet wird. Beim »Multiples«-Verfahren dagegen werden die SuS in viele kleine Gruppen von je zwei oder drei SuS eingeteilt. In der Spielphase spielen dabei alle Gruppen gleichzeitig, wobei einer aus jeder Gruppe die Rolle des Beobachters übernimmt.

Die abschließende Auswertungsphase ist „die bedeutsamste aller Rollenspiel-Aktivitäten“ [van Ments 1985: 111]. Hierbei erfolgen die bereits angesprochene Entlassung der Spieler aus ihrer Rolle, eine Selbst- und Fremdeinschätzung über die gespielten Rollen und die Darstellungsweise, eine Diskussion über die erreichten Lernziele, eine Auswertung über die Einhaltung des durch den Spielleiter vorgegebenen Erwartungshorizontes und eine Diskussion über alternative Lösungsmöglichkeiten. Van Ments fasst die Zielsetzungen der Auswertungsphase folgendermaßen zusammen:

Die Auswertungsphase soll

1. Die Spieler aus der Rolle herausführen
2. Das Geschehene (auf der faktischen Ebene) klären
3. Missverständnisse und Fehler korrigieren
4. Spannungen und Ängstlichkeit zerstreuen
5. Voraussetzungen, Gefühle und Veränderungen, die sich während des Spielverlaufs einstellten, herausarbeiten
6. den Spielern Gelegenheit geben, ihre Selbstbeobachtungsfähigkeit weiterzuentwickeln
7. Beobachtungsfertigkeiten entwickeln
8. tatsächliche Ereignisse zu den beabsichtigten Zielen in Beziehung setzen
9. Ursachen für die Geschehnisse analysieren
10. helfen, Schlussfolgerungen aus dem Verhalten zu ziehen
11. Lernergebnisse verstärken oder korrigieren
12. neue überlegenswerte Aspekte herausstellen
13. Überprüfungsmöglichkeiten für Verhalten ableiten
14. die Anwendung auf andere Situationen ermöglichen
15. Verbindungen zu früherem Lernen knüpfen
16. einen Plan für ein zukünftiges Lernen aufstellen.

[van Ments 1985: 112]

In Anlehnung an van Ments unterscheidet Schaller zwischen der Auswertung von psychodramatischen, erlebnisorientierten und inhaltsorientierten Rollenspielen. Die für den Fremdsprachenunterricht bedeutendste Auswertungsform ist die inhaltsorientierte Auswertung. Diese läuft in drei Phasen ab:

Phase 1: Erleben

Die Mitspieler werden nach ihren Erfahrungen befragt.

Die Zuschauer berichten, was sie gesehen haben.

Die Mitspieler und Zuschauer geben ein Sharing (»An was hat mich das Spiel erinnert?«).

Der Protagonist wird nach seinen Reaktionen befragt.

Phase 2: Analyse

Mögliche Situationszusammenhänge werden beschrieben.

Schlüsse über menschliches Verhalten werden gezogen.

Verschiedene Veränderungsmöglichkeiten werden aufgezählt.

Neues Rollenverhalten wird thematisiert.

Phase 3: Transfer

Das Rollenspiel wird verglichen mit realen Lebenssituationen.

Generelle Schlüsse können gezogen werden.

Folgeaktionen werden geplant.

[Schaller 2006: 152f.]

Werden Rollenspiele eingesetzt, um fachspezifisches Wissen und Fertigkeiten zu vermitteln, so muss die Auswertung sich in erster Linie auf die Transferphase beziehen. Hauptinhalt der Auswertung ist demzufolge die Frage nach der Lernzielerreichung bzw. die Frage nach der Erfüllung des Erwartungshorizontes.

Beim Rollenspieleinsatz im Fremdsprachenunterricht und der Kategorisierung in unterschiedliche Rollenspieltypen wird grundsätzlich zwischen den Ebenen der pädagogischen Anleitung und der Intention differenziert. Auf der Ebene der pädagogischen Anleitung unterscheidet man zwischen freien, nicht angeleiteten und gelenkten bzw. angeleiteten Rollenspielen [vgl. Warm 1981: 91ff.]. Bei freien, nicht angeleiteten Rollenspielen entscheiden die SuS selbst über die Form und den Inhalt des Rollenspiels. Dabei sollen die SuS Rollen übernehmen, die ihnen spontan aus ihrem eigenen Erfahrungsbereich einfallen [vgl. ebd.]. Die SuS beginnen von sich aus, erfinden selbst und sind frei von jeglicher pädagogischen Steuerung. Beim gelenkten bzw. angeleiteten Rollenspiel dagegen verfolgt ein Pädagoge mit den SuS eine spezielle Absicht bzw. ein präzisierbares Lernziel. Angeleitete Rollenspiele bedürfen einer Vorbereitung, Strukturierung und Nachbereitung durch oder mit Hilfe des Spielleiters. Auf der Ebene der Intention unterscheidet van Ments prinzipiell zwischen „solchen Rollenspielen, die sich mit der Übung von Fähigkeiten und Fertigkeiten befassen, und solchen, in denen es um Änderungen im Verständnis, von Gefühlen und Einstellungen geht“ [van Ments 1985: 44]. Bei Rollenspielen mit dem Ziel der Übung von Fähigkeiten und Fertigkeiten muss der Spielleiter sicherstellen, dass die SuS „eine ungefähre Vorstellung vom richtigen Weg der Problembewältigung haben. Er muss Umgebung und Rollenanweisungen sorgfältig gestalten, um die tatsächlichen Zwänge und Probleme zu simulieren, für die die Fertigkeit ausgebildet werden soll. Der Trainierte muss durch eine Reihe sorgfältig abgestufter Situationen gehen, die ihn mit zunehmenden Schwierigkeiten des Problems konfrontieren. Nach Abschluss des Spiels wird in der Auswertungsphase eine Analyse seines gezeigten Verhaltens vorgenommen, indem es mit dem vorher durch den Leiter gezeichneten Rahmen verglichen wird“ [ebd.]. Bei den Rollenspielen mit der anderen Zielstellung ist die erforderliche Leitung völlig anders: „Die Einführung muss mehr Beschreibung eines Problems als das Angebot von Lösungen bieten. Der Rahmen ist weniger streng vorzugeben, damit die Spieler größeren Spielraum für die Vertiefung in das Spiel und für die Erprobung ihrer eigenen Persönlichkeit erhalten. Während des Spiels können unterschiedliche Verfahren genutzt werden“ [ebd.]. Tendenziell lässt sich festhalten, dass nicht angeleitete Rollenspiele das Ziel verfolgen, Änderungen im Verständnis, von Gefühlen und Einstellungen zu erreichen, während angeleitete Rollenspiele darauf abzielen, spezielle Fähigkeiten und Fertigkeiten zu üben. Für die Zielstellung der vorliegenden Arbeit – die Förderung der kommunikativen Kompetenz - wurde daher auf das Konzept des angeleiteten Rollenspiels zurückgegriffen.

2.3 Ziele und Vor- bzw. Nachteile des Rollenspieleinsatzes im Fremdsprachenunterricht

Wie bereits erwähnt wurde, ist es das wichtigste Ziel des Rollenspieleinsatzes im Fremdsprachenunterricht, einen geeigneten, handlungsorientierten Rahmen für echte, authentische Sprechanlässe zu bieten, um das mitteilungsbezogene Sprechen in vollständigen, interaktiven Sprechakten [vgl. Haß 2006] zu fördern. Entscheidend für die Tatsache, dass dieses sinnbehaftete Sprechen und somit letztlich auch die kommunikative Kompetenz der SuS gefördert werden kann, ist, dass beim Rollenspieleinsatz alltägliche Situationen immer in einen für die SuS vertrauten Kontext eingebettet werden und in der Regel gleichzeitig gesprochen und gehandelt wird. Werden Redemittel situationsentbunden präsentiert, so können die SuS nicht auf situativ motivierte Merkhilfen zurückgreifen, die das episodische Gedächtnis ansprechen, wodurch ihnen der Spracherwerb erschwert wird. Durch handlungsorientierte Unterrichtsmethoden wie das Rollenspiel, die in entsprechende Lernszenarien eingebettet sind, kann dagegen eine ganzheitliche Sprachaufnahme und anschließende Sprachproduktion ermöglicht werden. Haß spricht in diesem Zusammenhang von der „Einbettung des Sprechaktes in ein Handlungskontinuum“ [ebd.: 94]. Weitere, untergeordnete Ziele des Rollenspieleinsatzes im Fremdsprachenunterricht können sein:

- eine ernsthafte Auseinandersetzung und Verständnis mit der Rolle
- Bewusstmachen eigener Erfahrungen und Einstellungen
- eventuell neue Verhaltensmuster entwickeln und Meinungsänderungen bewirken
- Äußerung der eigenen Gefühle und evtl. Einstellungsänderungen
- Kooperations- und Problemlösefähigkeit entwickeln
- Förderung der Eigen- und Fremdbeobachtung
- Unterstützung der eigenen Kreativität durch die Rollenübernahme
- Sichtbarmachen der verschiedenen Perspektiven anderer
- Entwicklung und Förderung zwischenmenschlicher Beziehungen und sozialer Handlungskompetenz

[vgl. Bachorz 2005].

In Anlehnung an van Ments bestehen die Vorteile des Rollenspieleinsatzes aus folgenden Aspekten:

Das Rollenspiel

1) befähigt SuS, verborgene Gefühle zu äußern
2) befähigtSuS, eigene Absichten und Probleme zu erörtern
3) befähigt SuS zu Mitgefühl und zum Verständnis der Beweggründe anderer
4) bietet Übung verschiedener Verhaltensweisen
5) porträtiert generalisierte soziale Probleme und Beziehungen informeller und formeller Gruppeninteraktionen
6) verleiht fremdsprachlichen Inhalten Leben und Unmittelbarkeit
7) bietet schweigsamen SuS Gelegenheit zur Interaktion und betont die Bedeutung nicht-verbaler und emotionaler Antworten
8) ist motivierend und effektiv, weil es Aktivität beinhaltet
9) sorgt für schnelle Rückantwort bei SuS und Spielleiter
10) ist schülerorientiert und richtet sich an Wünschen und Bedürfnissen der SuS aus
11) überwindet Trennung von Ausbildung und realen Lebenssituationen
12) verändert Einstellungen
13) gestattet Übung in der Kontrolle von Gefühlen und Meinungen

[van Ments 1985: 22].

Die eben genannten Vorteile fasst van Ments unter drei Hauptgesichtspunkten zusammen:

Das Rollenspiel ist vorteilhaft und zuverlässig in der Behandlung von Haltungen/ Einstellungen und Gefühlen.

Das Rollenspiel schafft eine enge Verbindung zur Außenwelt.

Das Rollenspiel vermittelt höchste Motivation.

[van Ments 1985: 21f.].

Die möglichen Nachteile des Rollenspiels konzentrieren sich auf drei Bereiche:

1. Es existiert die Befürchtung, dass der Spaß, der bei den SuS durch den spielerischen Aspekt des Rollenspiels hervorgerufen wird, negative Auswirkungen auf die Ernsthaftigkeit des regulären Unterrichts haben könnte.
2. Es besteht die Besorgnis um die Akkuratheit und Relevanz der Lerninhalte, weil angenommen wird, dass der Spielleiter auf Grund der Komplexität des Rollenspiels schnell den Überblick darüber, was eigentlich gelernt wird., verlieren könnte.
3. Für die Durchführung von Rollenspielen bedarf es eines relativ hohen Aufwandes zur Beschaffung von Materialien und Requisiten, um das Setting des Rollenspiels möglich realistisch wirken zu lassen. Darüber hinaus benötigen Rollenspiele auch sehr viel Zeit und mitunter auch sehr viel Raum [vgl. van Ments: 1985].

[...]


[1] Kommunikationsfähigkeit bedeutet, dass man sich verständlich und empfängerorientiert ausdrücken kann.

[2] Kommunikationsbereitschaft bezieht sich auf den eigenen Willen, sich mit anderen auszutauschen, Dinge verbal zu klären und Wissen durch Kommunikation weiterzugeben.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2010
ISBN (PDF)
9783958205482
ISBN (Paperback)
9783958200487
Dateigröße
5.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
2. Schulpraktisches Seminar (S) Treptow-Köpenick
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,6
Schlagworte
Rahmenlehrplan Standard Unterrichtseinheit Sprechfertigkeit Fremdsprachenunterricht

Autor

Thomas Schachtebeck wurde 1982 in Berlin geboren. Sein Lehramtsstudium in Englisch und Grundschulpädagogik an der Freien Universität Berlin schloss er im Jahre 2008 mit dem akademischen Grad Master of Education (M.Ed.) erfolgreich ab. Bereits vor und während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Einsatz von Rollenspielen als Leiter einer Arbeitsgemeinschaft an einer Berliner Europaschule und als privater Nachhilfelehrer von Kleingruppen mit bis zu fünf Teilnehmern. Fasziniert von seinen Erfahrungen, die er während dieser Zeit sammelte, widmete er sich diesem Thema daher auch in seinem Zweiten Staatsexamen, das er im Rahmen seines Referendariats im Jahre 2010 ablegte.
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