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Spielen? Erzählen? Beides! Ein Blick auf das Erzählpotential von Computerspielen am Beispiel von „Starcaft 2: HotS“

©2013 Bachelorarbeit 75 Seiten

Zusammenfassung

Seit 2008 gehören PC-Spiele zum deutschen Kulturgut. Die ersten akademischen Forschungen rund um dieses noch relativ neue Phänomen beschränkten sich gerade in den Anfängen nur auf einige sozialwissenschaftliche Zweige wie z.B. die Pädagogik. Eine kulturelle Auseinandersetzung ließ noch bis ins Jahr 2000 auf sich warten. Daher ist die geisteswissenschaftliche Erforschung des Computerspiels also noch neu und stellt eine willkommene Alternative zu sozial- und marktwirtschaftlichen Zugängen dar.
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist zu zeigen, dass das PC-Spiel in der Lage ist, Geschichten zu erzählen, und dass besagte Fähigkeit aufgrund der Entwicklung des Mediums nicht mehr genregebunden ist. Mit Hilfe des computerbasierten Science-Fiction Strategiespiels "Starcraft 2: Heart of the Swarm" soll diese These gestützt werden.
Im ersten Teil der Arbeit wird der Leser einen einführenden Blick in die „Narrative Gaming Studies“ erhalten. Dieses Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Frage, was ein Computerspiel eigentlich zu einem Computerspiel macht. Hier spaltet sich die Forschung in 2 Gruppen: Die der Narratologie, welche behauptet, dass jedes Computerspiel eine Geschichte erzählen kann, und die der Ludologie, die die Meinung vertritt, dass eine Geschichte, selbst wenn sie tatsächlich in einem Computerspiel vorhanden ist, nichts zum Mehrwert des Mediums beiträgt. Diese Arbeit soll eine vermittelnde Position zwischen beiden Parteien einnehmen.
Im zweiten Schritt soll anhand der historischen Entwicklung des Computerspiels nachvollzogen werden, wie beide Parteien zu ihrem Standpunkt kommen. Beispielsweise sind beide der Meinung, dass das Adventuregenre sich am besten dazu eignet, eine Geschichte zu erzählen. Durch das Aufzeigen des immensen technologischen Fortschritts im Computerspielbereich und anhand eines Beispiels aus dem „Shootergenre“, soll diese Meinung jedoch in Frage gestellt werden.
Dies bildet auch gleichzeitig die Legitimation für den letzten Schritt der Arbeit: Auf welche Methoden greift das Computerspiel letztendlich zurück, wenn es eine Geschichte erzählen will? Hier wird sich anhand des Untersuchungsgegenstandes zeigen, dass das Computerspiel sowohl Zugriff auf die aristotelische Dramentheorie hat, als auch auf filmische Erzählmuster wie z.B. Vogler's Heldenreise. Abschließend werden die Wechselbeziehungen der verschiedenen Medien aufgezeigt, und wie diese sich gegenseitig beeinflussen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Interaktivität, als auch der Tatsache, dass das Computerspiel dazu benutzt werden
kann, diesen Mehrwert mit dem Erzählen einer Geschichte zu verbinden.
7
Besonders die Forschungsrichtung der sogenannten "narrative gaming studies"
widmet sich diesem Thema der Kategorisierung des Computerspiels und kommt
dabei zu zwei entgegensetzten Schlüssen: Während die Gruppe der Narratologen
versucht, das Computerspiel zu kategorisieren indem sie auf bereits bestehende
Paradigmen der Literatur- und der Filmwissenschaft zurückggreift und den
partizipatorischen Mehrwert lediglich als eine Erweiterung des eigenen Gegen-
standes betrachtet, sehen die sogenannten Ludologen eben diese neu eingeführte
Interaktivität als ausschlaggebendes Merkmal, welches das Computerspiel erst
zum Computerspiel macht.
8
E
SKELINEN
z.B. weißt auf diejenigen Elemente des
Computerspiels hin, die nicht mit narrativen Paradigmen erfasst werden können.
Dazu gehört unter anderem die Nichtlinearität des Spielens (allgemein) und die
Tatsache, dass eine bereits existierende (lineare) Geschichte nicht manipuliert
werden kann. Eine Diskrepanz zwischen beiden Qualitäten scheint somit vor-
geschrieben zu sein. Insgesamt sieht er erzählerische Elemente im Computerspiel
höchstens als "Verpackung" an, auf die keine wissenschaftliche Energie
verschwendet werden sollte, da Spiele auch ohne diese Elemente funktionieren.
9
Zusammenfassend scheint der inhärente Konflikt beider Parteien zu sein, dass es
unvereinbar ist, eine lineare, traditionelle Erzählung mit einem Computerspiel zu
vereinen. Wenn dies möglich sei, dann nur im sogenannten Genre des
Adventurespiels.
10
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist zu zeigen, dass das Computerspiel in der
Lage ist Geschichten zu erzählen und dass besagte Fähigkeit (des Erzählens)
aufgrund der Entwicklung des Mediums nicht mehr genregebunden ist. Mit Hilfe
des computerbasierten Science-Fiction Strategiespiels "Starcraft 2: Heart of the
Swarm" soll diese These gestützt werden. Aufgrund der begrenzten Länge der
7
Vgl. Backe 2008, S. 96 f.
8
Vgl. Hanke 2008, S. 10 f.
9
Vgl. Eskelinen, Markku 2001: The Gaming Situation. URL:
http://www.gamestudies.org/0101/eskelinen/ (Stand: 28.07.2013)
10 Aarseth, Espen J. 2004a: Genre Trouble: Narrativism and the Art of Simulation. In: Wardrip-
Fruin, Noah (Hrsg.); Harrigan, Pat (Hrsg.): First Person. New Media as Story, Performance and
Game. Cambrigde, S. 45-55, hier S. 51
4

Arbeit kann auf erzählerische Elemente, über welche das Computerspiel als
einziges Medium vefügt (wie z.B. Die Avatarbindung), nur bedingt eingegangen
werden. Der Schwerpunkt liegt somit auf denjenigen Erzählelementen, welche das
Computerspiel aus anderen Erzählemdien übernommen hat. Dazu gehört u.a. das
Drama und der Film.
In dieser Arbeit wird das Computerspiel nach J
UUL
als sog. "state machine"
11
bezeichnet: Ein Computerspiel ist demnach in der Lage, auf den Input einer
Person verschiedene Zustände anzunehmen. Diese Zustände sind finit und
regelbasiert. Das bedeutet, dass gewisse Zustände nur durch gewissen Input
ausgelöst werden können. Dabei muss beachtet werden, dass es einen
zeitkritischen Unterschied macht, wann welcher Input welchen Output evoziert,
also eine Veränderung des Zustands auslöst. Der potenzielle Output ist somit
abhängig vom gegenwärtigen Zustand, in dem sich das Spiel gerade befindet.
12
R
YAN
argumentiert nun, dass dieses Regelsystem zwar keine Geschichte darstellt,
aber dazu benutzt werden kann, eine Geschichte zu erzählen.
13
An dieser
Grundüberlegung orientiert sich die vorliegende Arbeit.
Dieser Gedanke soll in drei aufeinander aufbauenden Schritten ausformuliert
werden: Im ersten Schritt soll das heterogene Feld der "Game Studies" beleuchtet
werden, welches aus Narratologen und Ludologen besteht. Es soll schlaglichtartig
Auf einzelne Vertreter der beiden Parteien eingegangen werden, an denen die
Ausrichtung der beiden Positionen in Bezug auf Geschichten im Computerspiel
am ersichtlichsten ist. Auf narratologischer Seite werden die Überlegungen
M
URRAYS
vorgestellt, während die ludologische Seite von A
ARSETH
vertreten wird.
M
URRAY
und A
ARSETH
lösten mit ihren Werken, die jeweils 1997 erschienen, den
Grundstein für die sogenannte Narratologen-Ludologen Debatte aus und legten
erstmals die Positionen der beiden verschiedenen Ansätze fest.
14
Sind diese beiden
Positionen dargestellt, soll eine Kompromisslösung zwischen den beiden Parteien
gefunden werden. Hierbei werden die Untersuchungsansätze von H
ARTMANN
11 Juul, Jesper 2011: Half ­ real, Video Games between Real Rules and Fictional Worlds.
Cambridge, Massachusetts, S. 60
12 Vgl. Juul 2011, S. 60 f.
13 Vgl. Ryan, Marie-Laure 2006: Avatars of Story. Minneapolis, London, S. 188 f.
14 Mäyrä, Frans 2008: An Introduction to Game Studies. Games in Culture. London, S. 8
5

herangezogen. H
ARTMANN
zeichnet sich dadurch aus, dass er versucht sowohl den
ludischen als auch den narratologischen Standpunkt auf einen gemeinsamen
Nenner zu bringen,
,,wobei er nicht verhehlt, dass er als Geisteswissenschaftler der narratologischen
Sichtweise näher als der ludologischen steht."
15
Die Arbeit von H
ARTMANN
gibt damit die grundlegende Richtung vor, die diese
Arbeit einschlägt, sein Ansatz wird hier jedoch in einem besonderen Punkt
aktualisiert: Er geht davon aus, dass sich nur spezielle "Genres"
16
für das Erzählen
im Computerspiel eignen. Die vorliegende Untersuchung basiert allerdings auf der
Annahme, dass dies aufgrund der historischen Entwicklung des Mediums nicht
mehr der Fall sein kann. Mithilfe der theoretischen Überlegungen von B
ACKE
, der
erzählerische Elemente als abgekoppelte Elemente vom Computerspiel versteht,
wird hier gezeigt, dass eine besondere Unterkategorie des Computerspiels
geschaffen werden kann, welche unabhängig vom Genre eine Geschichte erzählen
kann. Gemeint ist der sogenannte Kampagnenmodus, welcher gleichzeitig auch
als das "narrative Computerspiel" bezeichnet werden soll.
Adventurespiele eigneten sich zum kommerziellen Beginn des Mediums am
besten dafür eine Geschichte zu erzählen, was sich allerdings im Laufe der Zeit
änderte. Gründe dafür sind die technischen Verbesserungen des Mediums und die
historische Annäherung des Actiongenres an das Adventuregenre, welche die
Hauptthemen des zweiten Teils der Arbeit sind.
Dies stellt auch gleichzeitig die Legitimation für den letzten Schritt der Arbeit dar:
Der Untersuchung des Strategiespiels "Starcraft 2: Heart of the Swarm" nach
erzählerischen Elementen. Das Rüstzeug für die Untersuchung wird von
Aristoteles und darauf aufbauend von Gustav Freytag gestellt: Es wird festgestellt,
15 Kozlowski, Timo 2005: Geschichten erzählen mit dem Computerspiel. URL:
http://www.timokl.de/index.php/rezensionen-mainmenu-20/10-fachbr/24-bernd-hartmann?
showall=1 (Stand: 28.07.2013 )
16 Anm: Als Genre wird hier die Art der Aufgaben bezeichnet, die der Spieler während des Spiels
zu lösen hat. Grob unterscheidet man zwischen dem Actiongenre (reflexbetonte Aufgaben),
dem Adventuregenre (rätselbetonte Aufgaben und dem erleben einer fiktiven Welt) und dem
Strategiegenre. (taktische Aufgaben, meistens im Sinne der taktischen Kriegsführung und
Ressourcenmanagment) Für eine umfassende Übersicht mit sämtlichen Unterkategorien vgl.
hierzu: Dobrovka, Peter (Hg.) 2003: Computerspiele. Design und Programmierung. Paderborn
S. 26-82
6

ob die aristotelische Dramentheorie auch für Geschichten in Computerspielen
verwendet werden kann. Einerseits wird z.B. der traditionelle Tragödienbegriff,
der dramaturgische Spannungsbogen benutzt, um die Handlung des
Computerspiels "Starcraft 2: Heart of the Swarm" herauszuarbeiten. Andererseits
soll selbiges Spiel auch nach aktuelleren Erzählmustern durchforstet werden, die
in heutigen Spielfilmen zum Einsatz kommen, namentlich der figurzentrierten
Heldenreise nach V
OGLER
. Letztere wird dabei behilflich sein, die Wandlung und
Reise der Hauptprotagonistin zu systematisieren.
Mit diesem Rüstzeug soll der Frage nachgegangen werden, ob das Medium
Computerspiel in der Lage ist, unabhängig vom Genre eine Geschichte zu
erzählen und ob es sich bei diesem Unterfangen auf bereits bestehende Erzähl-
weisen aus anderen Medien stützt. Es wird also nach einer vermittelnden Position
zwischen Narratologen und Ludologen gesucht.
7

2. Eignung des Computerspiels als Erzählmedium
Wie bereits erwähnt, scheint die eigentliche Diskrepanz der Game Studies darin
zu liegen, dass eine lineare Erzählung entweder keinen Platz in einem Computer-
spiel hat oder einfach unnötig für das Medium ist. Im Folgenden werden die
grundlegenden theoretischen Ansätze vorgestellt, die sich mit dieser Problem-
stellung der Game Studies befassen:
2.1 Narratologische Perspektive
Dominiert wurde der akademische Diskurs um das Computerspiel in den frühen
Jahren der Game Studies von zwei sich gegenüberstehenden Parteien: Der Narra-
tologie und der Ludologie. Das Computerspiel stellt für Narratologen eine
interaktive Erzählung dar, eine Geschichte die lediglich mit anderen Mitteln
wiedergegeben wird, als beispielsweise mit denen der Literatur: Stets lassen sich
ein Erzähler und eine handlungszentrierte Figur ausfindig machen. Für die
beinhaltete Geschichte selbst ergeben sich nur graduelle Unterschiede, ähnlich
einer Übertragung des Gegenstandes vom Roman zum Film.
17
Vertreten wird
diese Meinung unter anderem von M
URRAY
. In ihrem Buch, "Hamlet on the
Holodeck" versteht sie den Computer als Nachfolger der Printmedien
18
.
Weiter referiert sie, dass das Spiel und das Drama eine gemeinsame Wurzel in
dem altgriechischen Wort "agon" haben, welches entweder "athletischer
Wettkampf" oder "dramatischer Konflikt" bedeuten kann. Im weitesten Sinne
stellt sie damit Computerspiele (insbesondere das Shootergenre) sowohl auf die
Ebene des Boxkampfes, als auch auf die Ebene eines elisabethanischen Theater-
stücks.
19
Ihrer Annahme nach erzählen somit auch selbst die abstraktesten
Computerspiele eine Geschichte. Dies macht sie an ihren Überlegungen zu dem
Computerspiel "Tetris" deutlich: Der Spieler wird hier als ein "Held" dargestellt,
der sich gegen seine Umwelt behaupten muss.
20
17 Vgl. Günzel, Stephan 2012: Egoshooter. Das Raumbild des Computerspiels. Frankfurt S. 16
18 Vgl. Murray, Janet 1998: Hamlet on the Holodeck. The Future of Narrative in Cyberspace.
Cambridge, MIT Press S. 8
19 Vgl. ebd. S. 145
20 Vgl. Murray, Janet 2004: From Game-Story to Cyberdrama URL:
8

Diese Ansicht steht jedoch im deutlichen Kontrast zur sogennanten Gruppe der
Ludologen. Für Narratologen wie M
URRAY
ist die Tatsache, dass man von seiner
Spielsitzung eine Geschichte erzählen kann, also jemandem eine Nacherzählung
der Sitzung überbringen kann, Beweis genug um das Computerspiel als narratives
Medium zu identifizieren. Mit einem derartigen Statement, so die ludologische
Seite der Game Studies, könnte allerdings alles in eine Erzählung umgewandelt
werden. Das Argument, welches die ludologische Seite nun dagegenhält ist, dass
Spiele ähnlich dem Leben sind: Sie liefern zwar das Material für Geschichten,
sind in sich aber keine Geschichten.
21
2.2 Ludologische Perspektive
Erstmals wurde der Begriff Ludologie durch F
RASCAS
Artikel "Ludology meets
Narratology" (1999) vorgeschlagen. F
RASCA
gab mit diesem Begriff einen
Komplementärentwurf: Ähnlich wie die Narratologie ein Konzept für Forscher
darstellt, die sich mit "Erzählung" befassen (so weit oder eng dieser Begriff auch
in verschiedenen Ausführungen gefächert sein mag), sollte die Ludologie das
Konzept für all diejenigen darstellen, die sich mit dem
,,
Spiel
"
auseinander-
setzen.
22
Die Forschungsrichtung der Ludologie bildet zwar keine methodische Einheit,
aber das Ziel bleibt bei allen Ansätzen das gleiche: Eine eigenständige Theorie
bezüglich des Mediums "Computerspiel" zu entwickeln. Dabei wehrt sich die
Ludologie gegen die Übernahme der Theorien aus anderen Medien und explizit
gegen die Auffassung, dass sich etablierte erzähltheoretische Konzepte auf
Computerspiele übertragen lassen.
23
Ausschlaggebend für die unterschiedlichen Positionen gegenüber des Erzählens
im Computerspiel ist also die genaue Verwendung des Begriffes "Erzählung".
http://www.electronicbookreview.com/thread/firstperson/autodramatic (Stand: 30.06.2013)
21 Vgl. Ryan 2006, S. 191 f.
22 Vgl. Frasca, Gonzalo 1999: Ludology meets Narratology. URL:
http://www.ludology.org/articles/ludology.htm (Stand: 30.06.2013)
23 Vgl. Backe 2008, S. 101
9

Zugegebenermaßen wurde die erzählerische Dimension des Computerspiels
erstmals von Literaturwissenschaftlern untersucht, diese versäumten aber ,,das
Profil eines eigenständigen Erzählmediums herauszuarbeiten"
24
.
Diese unreflektierte Anwendung unmodifizierter Erzählkonzepte auf ein neues
Medium schürte unter anderem den Verdacht, dass die Literatur- und die Film-
wissenschaft versuche, das Computerspiel als eigenen Gegenstand etablieren zu
wollen.
25
Zudem untersuchte die Position der Narratologie bevorzugt das Adven-
ture- und das Rollenspielgenre und ließ andere Spiele beiseite, was zu einer ein-
seitigen Untersuchung des Mediums führte.
26
Die Folge war die Entstehung einer
Gegenposition in Form der Ludologen, welche nun darum bemüht war,
,,mit den ureigenen Mitteln der literaturtheoretischen Betrachtung zu zeigen, dass der
eingeschränkte Spielekanon sich selbst nicht hinreichend analysieren lässt."
27
Um diesen Beweis zu erbringen, verwenden Ludologen sehr eng gefasste Erzählde-
finitionen in denen mimetischen Erzählformen wie das Drama und der Film die
Fähigkeit zum Erzählen von Geschichten aberkannt wird. Eine unter Ludologen an-
erkannte Definition ist die von G
ERALD
P
RINCE
, welche natürlich auch dem Medium
Computerspiel besagte Fähigkeit, wenn wörtlich genommen, nicht anerkennt.
28
,,Narrative: the recounting (as product and process, object and act, structure and
structuration) of one or more real or fictious events communicated by one, two or several
(more or less overt) narrators to one, two, or several (more or less overt) naratees. A
dramatic performance representing [...] events does not constitute a narrative [...] since
these events, rather than being recounted, occur directly on stage."
29
Ludologen sehen das Computerspiel nicht als eine Evolutionsstufe der Literatur,
sondern als Umformung eines realen Spiels, welches auf den Computer über-
tragen wurde. Dies würde bedeuten, dass Computerspiele ihren Ursprung aus den
Regeln bereits existierender Spiele wie Brett-, Karten- oder Denkspielen be-
ziehen.
30
Somit steht der Spielcharakter und die Interaktivität eines Spiels, und
nicht die erzählte Geschichte im Vordergrund.
24 Backe 2008, S. 101
25 Vgl. ebd.
26 Vgl. Günzel 2012, S. 19 f.
27 Günzel 2012, S. 20
28 Vgl. Ryan 2006, S. 184
29 Prince, Gerald 1987: A dictionary of narratology. Lincoln, S. 58
30 Vgl. Günzel 2012, S. 16
10

Ein Vertreter der Ludologen ist A
ARSETH
, der in seinem Werk
,,
Cybertext,
Perspectives of Ergodic Literature
"
von 1997 unter anderem den interaktiven
Charakter von Cybertexten betont, indem er zwischen der Rolle des traditionellen
Lesers und der des Cybertextlesers unterscheidet. Der traditionelle Leser ist laut
ihm wie ein Zuschauer bei einem Fußballspiel: Ein Voyeur, der zwar emotional
mitfühlen kann, aber keinen Einfluss auf das Ergebnis der Partie hat. Im Cybertext
kommt dem Leser nun eine aktive Rolle zu und wird daher von A
ARSETH
als ein
Spieler identifiziert, da er hier direkten Einfluss auf den
,,
Text
"
nehmen kann.
31
,,The cybertextreader is a player, a gambler; the cybertext is a game-world or worldgame;
it is possible to explore, get lost, and discover secret paths in these texts, not
metaphorically, but through the topological structures of the textual machinery."
32
Was A
ARSETH
beschreibt, ist das Modell der
,,
ergodic Literature
"
33
in der, ent-
gegengesetzt zum normalen Lesen, ein nicht-trivialer Aufwand nötig ist, um den
Text "durchqueren" zu können.
34
In diesem Zusammenhang definiert er das
Computerspiel als dem Bereich der Kybernetik zugehörend, mit der Begründung,
dass nicht dem Text, sondern dem Leser (in diesem Fall: Spieler) mehr Ge-
wichtung zukommt, da dieser durch subjektive Entscheidungen eine Wandlung
des Textes (oder Spielwelt) herbeiführen könne.
35
Noch genauer ordnet er
Computerspiele dem Bereich der Simulation zu. Dabei sieht A
ARSETH
die Simu-
lation in direkter Gegenposition zur Erzählung.
,,Simulation is the hermeneutic Other of narratives; the alternative mode of discourse,
bottom up and emergent where stories are top-down and preplanned. In simulations,
knowledge and experience is created by the player's actions and strategies, rather than
recreated by a writer or moviemaker"
36
Zum Erzählen von Geschichten eignen sich Computerspiele demnach nicht. Im
Adventuregenre sieht er jedoch die Möglichkeit, narrative Elemente in Form einer
Geschichte mit einem Computerspiel zu verbinden. Das gleichnamige textbasierte
Computerspiel "Adventure" (1976) stellt den Anfang des Adventuregenres dar und
31 Vgl. Aarseth, Espen J. 1997: Cybertext. Perspectives on Ergodic Literature. Baltimore S. 4
32 Aarseth 1997, S. 4 (Hervorhebungen im Original)
33 Aarseth leitet diesen Begriff aus der Physik ab, der sich wiederum aus den griechischen Worten
"ergon" (Arbeit) und "hodos" (Weg) zusammensetzt. Vergleiche hierzu Aarseth 1997, S. 1
34 Vgl. ebd., S. 1
35 Vgl. Longerich, Tim 2009: Lies es zwischen den Pixeln. Prototypische Textualität in
Computerspielen. <http://www.medienimpulse.at/articles/view/137 > Stand: 30.06.2013
36 Aarseth 2004a, S. 52
11

beinhaltet eine geschichtsartige, episodische Struktur. Der Spieler bewegt sich
dabei in einer linearen Weise durch ein Labyrinth, in dem er Rätsel zu lösen hat.
Diese lineare Spielstruktur ist ebenfalls in Spielen wie "Half-Life" (1997) und
"Myst" (1993) vorhanden, obwohl das klassische Textadventure in den 80er
Jahren aufgrund des Aufkommens der bildbasierten Computerspiele ausstarb.
Auch andere Genres, wie das Strategiespiel, können Geschichten auf episodische
Art und Weise erzählen. A
ARSETH
argumentiert jedoch, dass die Erzählungen in
solchen Arten von Computerspielen nicht das ausschlaggebende Merkmal sind,
welches sie zu Spielen mache, sondern die Simulation. Es ist dennoch möglich,
eine Geschichte mit einem Computerspiel zu verbinden, jedoch nur dann, wenn
schon eine Simulation in Form einer regelbasierten Spielwelt vorhanden ist, in die
eine Geschichte gelegt werden kann.
37
Allerdings meint A
ARSETH
, dass der eigentliche Spaß am Spielen nicht visuell,
sondern kinästhetisch und kognitiv begründet ist: Man wird für gemeisterte
Situationen belohnt und für Misserfolge bestraft. Die Geschichte, wenn vor-
handen, sieht er eher als ein
,,
Mitbringsel
",
welches lediglich die Aufgabe hat, den
Spieler auf eine nächste spielerische Einlage vorzubereiten.
38
Zudem sieht er diese linear strukturierten Computerspiele, welche durch
Geschichten motiviert werden, als keine wahren Spiele an, da es in Spielen immer
um Entscheidungen gehen sollte, die auch Konsequenzen haben. Führt jede
Entscheidung des Spielers aber zum selben Ergebnis (Ende), handelt es sich um
eine Geschichte, da im Grunde keine Interaktivität gegeben ist. Solche Spiele sind
laut A
ARSETH
wie eine Perlenkette aufgebaut, die man nur Perle nach Perle
ablaufen kann, da das Spiel sonst zu einem Stopp kommt.
39
Solch ein Computer-
spiel verliert nach einmaligen Durchspielen sämtlichen Spielreiz, da die Ge-
schichte, die das Spiel vorantreibt und welche die Rätsel vorgibt bereits bekannt
ist, also keinen neuen Anlass zum Spielen mehr für den Spieler bietet.
40
37 Vgl. ebd., S. 51 f.
38 Vgl. ebd., S. 52
39 Vgl. Aarseth, Espen J. 2004b: Quest Games as Post-Narrative Discourse. In: Ryan, Marie-
Laure (Hg.) Narrative across Media. The Languages of Storytelling. London, S.361-376, hier:
S. 366
40 Vgl. Aarseth 2004a, S. 51 f.
12

Insgesamt ist die finale Aussage A
ARSETHS
, dass ein Computerspiel einen linearen
Ablauf und eine fiktionale Welt beinhalten muss, um eine Geschichte erzählen zu
können. Das Genre des Adventures führt er hierfür als Paradebeispiel an.
41
2.3 Vermittelnder Ansatz
Ungleich den Auffassungen von A
ARSETH
und M
URRAY
unterscheidet H
ARTMANN
zwischen unterschiedlich ausgeprägten Graden der Narrativik im Computerspiel.
Er argumentiert zwar, dass fast jedes Computerspiel eine Hintergrundgeschichte
besitzt, diese ist aber in bestimmten Szenarien austauschbar, da diese zum
Spielerlebnis nichts beiträgt. Er begründet dies mit dem Umstand, dass das
Spielprinzip immer noch das Gleiche bleibt. Diese Art von Computerspielen
besitzen laut ihm wenige narrative Merkmale.
42
Seine Auffassung ähnelt der von
Narratologen wie K
ÜKLICH
, der ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass das Genre
bestimmt, wie narrativ ein Computerspiel ist.
43
Für H
ARTMANN
ergeben sich zwei Grundfragen in Bezug auf die Narrativität des
Mediums Computerspiel: Auf welche Weise kann ein Computerspiel eine
Geschichte vermitteln und ,,was [lässt] sich überhaupt in das neue Medium
transferieren bzw. adaptieren"
44
?
Um diese Fragen zu beantworten, bedient er sich der Literatur und des Films und
versteht diese als Medien, die das Computerspiel maßgeblich beeinflusst haben
(und andersherum). Er kann somit Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Me-
dien nachweisen.
45
Insbesondere wird die Tatsache betont, dass Computerspiele auf
bekannte dramaturgische Arten des Geschichtenerzählens aus den Medien Film und
Literatur zurückgreifen, wenn sie denn eine Geschichte erzählen wollen.
46
41 Vgl. ebd., S. 52
42 Vgl. Hartmann, Bernd 2004: Literatur, Film und das Computerspiel. Münster. S. 61 f.
43 Vgl. Kücklich, Julian 2009: Narratologische Ansätze ­ Computerspiele als Erzählungen. In:
Bevc, Tobias (Hg.): Wie wir spielen, was wir werden. Computerspiele in unserer Gesellschaft.
Konstanz, UVK-Verl.-Ges., S. 27-48, hier: S. 27
44 Hartmann, 2004: S. 43
45 Vgl. ebd. S. 25
46 Vgl. ebd., S. 22
13

Indirekt widerspricht diese Annäherung an die Literatur und den Film dem oben
vorgebrachten Argument, dass Spiele wie das Leben seien. Dieses Argument wird
jedoch von R
YAN
entkräftet, welche behauptet, dass Computerspiele zwischen
Leben und verschiedenen Modi der Imitation stehen. Zu diesen würden das
mimetische Schauspiel des Dramas, die interaktive Simulation von Spielen
(allgemein) und die diegetische Natur der Literatur gehören. Begründet wird
dieser Standpunkt mit der Aussage, dass auch wenn es in Spielen (wie von
A
ARSETH
beschrieben) um den Moment der Entscheidung und das Gewinnen oder
Verlieren geht, diese keinen Einfluss auf die reale Welt haben. Zudem sei der
eigentlich
,,
Erlebende
"
der Avatar und nicht der Spieler selbst. Der Spieler
gewinnt, wenn der Avatar sein Ziel erreicht. Auch ist der Spieler, entgegengesetzt
zum Leben sowohl Zuschauer als auch Akteur seiner ausgeführten fiktiven
Handlungen. Dies bringt den Spieler in eine Position, die sich zwischen Film und
Leben befindet.
47
H
ARTMANN
untersucht die medienspezifische Narrativik des Computerspiels durch
den Medienwechsel und benutzt folgerichtig für seinen Untersuchungsgegenstand
nur eben solche Computerspiele, in denen die Geschichte zum Spielinhalt ge-
macht wird.
48
Mit anderen Worten ist ein Computerspiel genau dann als hoch-
gradig narrativ einzustufen, wenn die beinhaltete Erzählung ähnliche Merkmale
wie in der Literatur und im Film aufweist.
,,Neben einem Setting sind dies Charaktere als Handlungsträger sowie Ereignisse und
Kardinalpunkte, die der Geschichte eine Gestalt geben."
49
H
ARTMANN
orientiert sich damit an der Erzähldefinition C
HATMANS
, welcher die
Gesamtheit einer Geschichte in dynamische und statische Elemente unterteilt:
Kardinalpunkte werden als dynamische Elemente einer Geschichte identifiziert,
die diese von Zustand zu Zustand bewegt. Die Kardinalpunkte sind also die-
jenigen Ereignisse, die die Geschichte vorantreiben. Bleiben die Kardinalpunkte
in einer Geschichte aus, kommt diese zu einem Stillstand. Sogenannte Satelliten
gehören dagegen zu den statischen Elementen. Diese treiben die Geschichte zwar
47 Vgl. Ryan 2006 S. 189 ff.
48 Vgl. Hartmann 2004, S. 64
49 Hartmann 2004, S. 64
14

nicht voran, schmücken diese aber aus. Zu den statischen Elementen gehört unter
anderen das Setting, also der Ort der Geschichte.
50
H
ARTMANN
folgt somit ungleich M
URRAYS
und A
ARSETHS
Auffassungen einer
vermittelnden Position: Er geht davon aus, dass das jeweilige Genre des
Computerspiels den Grad der Narrativität vorgibt. Um dieser Überlegung Gestalt
zu verleihen, erstellt er ein genrespezifisches Modell und klassifiziert ausgewählte
Spiele in einem ersten Schritt danach, ,,ob in ihnen eher Reflexe oder Reflexion
im Mittelpunkt stehen."
51
Bei reflexorientierten Spielen kommt es auf die Reaktions- und Entscheidungs-
geschwindigkeit des Spielers an. Hand-Augen-Koordination steht hier im
Vordergrund, da der Spieler versuchen muss, seine Spielfigur an das Ende jedes
Levelabschnitts zu bringen. Dies geschieht durch diverse Eingabegeräte (Tastatur,
Maus, Joystick), welche die Spielfigur z.B. zum Springen bringt. Sogenannte
Egoshooter, Actionspiele und Jump 'n' Runs fallen in diese Kategorie. Bei
reflexionsorientierten Spielen kommt es dagegen auf die Kombinationsgabe des
Spielers an.
52
Adventurespiele stellen ein Paradebeispiel solcher Spiele dar. Meist
muss zu einem Rätsel eine originelle Lösung gefunden werden, was vom Spieler
eine Denkleistung abverlangt.
Da sich aber im Laufe der Jahre Mischformen zwischen den einzelnen Spiele-
gattungen entwickelt haben (Beispiel: Action-Adventure), reicht diese Unter-
teilung allein nicht aus. H
ARTMANN
schlägt daher eine weitere Unterteilung vor:
,,Es muss daher auch gefragt werden, wie narrativ die Spiele sind, das heißt wie sehr sie
über das Spiel eine Geschichte mit einer Handlung in einer Erzählwelt und mit
Charakteren vermitteln."
53
Aus diesen Vier Polen ,narrativ', ,nicht-narrativ', ,Reflexe' und ,Reflexion' erstellt
er nun eine Matrix, in die er genrestellvertretende Spiele einteilt:
50 Vgl. ebd., S. 35 f.
51 Hartmann 2004, S. 65
52 Vgl. ebd., S. 65
53 Hartmann 2004, S. 66
15

Im reflexbetonten Spiel "Pong" geht es darum, mit einem Schläger einen Ball zu
treffen, während der Spielinhalt von "The Incredible Machine" darin besteht, eine
Maschine aus Einzelteilen zusammenzusetzen. Da es keinen Zeitdruck gibt, wird
dieses Spiel als ein reflexives behandelt. "Tetris" dagegen stellt eine Mischform
aus beiden Polen dar, da es hier darum geht, unter Zeitdruck verschiedenartig
geformte Blöcke so zu ordnen, dass sie horizontale Linien bilden, die daraufhin
verschwinden. Die eben genannten Spiele sind hochgradig abstrakt und gelten als
nicht-narrativ.
54
Weiter folgende Einteilungen sind ebenfalls einleuchtend: Sowohl in "Sim City"
(Ein Simulationsspiel in dem man die Rolle des Bürgermeisters einer wachsenden
Stadt übernimmt und deren Entwicklung lenkt), als auch in "Doom" (Ein
Egoshooter, in dem man sich als Soldat gegen mutierte Menschen und Dämonen
auf einer Marsstation wehren muss) und "Space Invaders" (Ein Actionspiel, in
dem feindliche Schiffe im Weltraum abgeschossen werden müssen) sind zwar
Hintergrundgeschichten vorgegeben, diese werden aber durch den Verlauf des
jeweiligen Spiels nicht weiter vorangetrieben. "Doom" nimmt eine Position
zwischen Reflexiv und Reflexion ein, da hier sowohl strategische Überlegungen
54 Vgl. ebd., S. 67 f.
16

im Kampf, wie auch die Wegfindung durch die jeweiligen Spielabschnitte im
Vordergrund steht.
55
Weitaus mehr narrative Elemente weisen die Spiele in der Mitte des Rasters auf:
Im rundenbasierten Strategiespiel "Civilisation" wird nichts Geringeres als die
Menschheitsgeschichte zum Spielanlass. In einzelnen Abschnitten wird diese
Geschichte erzählt. Ansatzweise gibt es mit Königen und Generälen Haupt-
handlungsträger. Ebenfalls lassen sich auch kardinalpunktähnliche Ereignisse
identifizieren, jedoch argumentiert N
EITZEL
, dass bei dieser Art von Spielen die
narrative Gattung gewechselt wurde: Anstatt einer fiktionalen Erzählung ist man
Zeuge einer Geschichtsschreibung, welche narrativ verläuft. Aus diesem Grund
ist die Erzählung solcher Strategiespiele stets auf einer übergeordneten Ebene
angesiedelt.
56
In einem rundenbasiertem Strategiespiel wie "Civilisation" hat der
Spieler keinen Zeitdruck und kann seine Entscheidungen ohne Zwischenfälle
abwägen. In sogenannten Echtzeitstrategiespielen wie "Command & Conquer"
dagegen werden mehr Reflexe benötigt. Für die übergeordnete Erzählung macht
es jedoch keinen Unterschied, welches Prinzip genau verwendet wird. Auch ob
nun eine fiktionale Welt projeziert oder die Menscheitsgeschichte nachgespielt
wird, ändert nichts am besagten Erzählprinzip.
57
"Tomb Raider" fällt nun in das Genre des sogenannten Action-Aventures. In
diesem Spiel geht es um die fiktive Archäologin Lara Croft, welche verschiedene
Abenteuer erlebt und dabei Rätsel löst. Eine Geschichte ist zwar im Spiel
vorhanden und mit der Figur der Lara Croft wird ebenfalls eine Handlungsträgerin
gestellt, jedoch liegt der Hauptreiz des Spiels darin, Gegner zu besiegen und
Räume zu durchsuchen.
58
Weiter rechts befinden sich Spiele mit einem hohen Anteil an narrativen
Elementen. Darunter die reinen Adventures "Zork" und "Indiana Jones and the
Last Crusade". Letztendlich macht H
ARTMANN
mit seiner Einteilung Aussagen
55 Vgl. ebd., S. 68
56 Vgl. Hartmann 2004, S. 69 (nach Neitzel, Britta 2001: Die Frage nach Gott, oder: Warum
spielen wir eigentlich so gerne Computerspiele? In: Ästhetik und Kommunikation, H. 115, 32.
Jhg. Frankfurt am Main, S. 61-67, hier, S. 66
57 Vgl. ebd., S. 68 f.
58 Vgl. ebd., S. 69
17

über die einzelnen Quadranten: Actionspiele und Sportspiele finden sich unter
Reflexe/nicht­narrativ. Simulationsspiele und reine "Denkspiele" sind im
Reflexions/nicht-narrativen Abschnitt einzuordnen, während Adventures oder
Spiele mit Adventureelementen wie "Ultima" in den Reflexion/Narrativ­Qua-
dranten eingeteilt werden. Da kein Spiel im Reflex/Narrativ-Quadranten
vorkommt, kommt H
ARTMANN
zu der Vermutung, ,,dass sich Narrativität und
Reflexe gegenseitig ausschließen."
59
Zusammenfassend lässt sich bei der Betrachtung von H
ARTMANNS
Untersuchung
die parallele Betrachtungsweise zu A
ARSETH
herausarbeiten, dass Geschichten am
Besten durch das Genre des Adventures erzählt werden können. Zudem zeichnet
sich das Adventuregenre dadurch aus, dass es sich an Medien wie Film und
Literatur orieniert. Actionspiele orientieren sich dagegen eher an Sport und
Wettkampfstrukturen. Der Spieler spielt also eher im Adventure meistens, eine
Geschichte voranzutreiben.
60
Dieser Meinung schließt sich R
YAN
ebenfalls an, allerdings bezeichnet sie das
Genre des Adventures als sogenannte "Mystery Games" und traditionelle Action-
spiele wie Doom fallen in ihrer Untersuchung in die Kategorie der "Adventures".
Es herrschen jedoch keine strukturellen Unterschiede zwischen den Spielarten vor.
R
YAN
benutzt lediglich andere Namen, als sie von der Mehrheit der Forscher
benutzt wird. Die Mystery Games werden in ihrer Untersuchung hervorgehoben,
da praktisch zwei narrative Ebenen in dieser Art von Spiel existieren: Einerseits
ist eine Geschichte bereits im Spiel vorhanden, die der Spieler durch bestimmte
Aufgaben rekonstruieren muss, andererseits konstruiert der Spieler durch seine
Aktionen eine eigene Geschichte. Auf die zu rekonstruierende Geschichte hat der
Spieler allerdings keinen Einfluss, da diese bereits vom Autor/Entwickler vor-
gegeben wurde.
61
59 Hartmann 2004, S. 70
60 Vgl. ebd., S. 70 f.
61 Vgl. Ryan, Marie-Laure 2004: Will New Media Produce New Narratives? In: Ryan, Marie-
Laure: Narrative across Media. The Languages of Storytelling. London, S. 337-357, hier S. 350
ff.
18

Auch wenn sich das Adventuregenre also auf den ersten Blick am besten dafür
eignet, eine Geschichte zu erzählen, gibt H
ARTMANN
jedoch keine Erklärung dafür,
warum genau diese Art von Spiel zu dieser Hybridleistung fähig ist. Ein erster
Anhaltspunkt wurde zwar von A
ARSETH
gegeben, dieser reicht aber für eine
wissenschaftliche Auseinandersetzung nicht aus. Zudem bleibt die Frage offen,
warum gerade in jüngster Zeit Computerspiele aus dem Actiongenre mit einer
Geschichte beworben werden, die aufregend und packend ist,
62
obwohl dieses
Genre laut H
ARTMANN
eigentlich nicht in diesem Maße dazu fähig sein sollten,
eine Geschichte zu beinhalten.
2.4 Ein Actionspiel mit einer Geschichte: The Darkness
Obwohl H
ARTMANN
mit seinem Raster einen guten Überblick darüber gibt, ob ein
Spiel nun reflexlastig oder denkorientiert ist und welchen narrativen Gehalt von
diesen Spielen zu erwarten ist, läuft man mit diesem Raster Gefahr zu pauschali-
sieren, da eben nur einzelne Spiele und nicht ganze Genres untersucht werden
können. Auch setzt er keine Kriterien für die einzelnen Pole fest, was zu der
Annahme führen könnte, dass H
ARTMANN
aus einer subjektiven Sichtweise heraus
die einzelnen Einteilungen vornimmt. Auffällig wird dies bei dem Genre des
Action-Adventures, da er dieses recht vage zuordnet und "einfach" in die Mitte
des Rasters setzt.
,,Interkativität definiert er in Anlehnung an Brenda Laurel sehr pragmatisch, indem er die
Entscheidung nach dem Grad der Interaktivität dem jeweiligen Benutzer zukommen
lässt."
63
Zudem unterlag das Medium Computerspiel in den letzten Jahren einer enormen
Wandlung. War H
ARTMANNS
Modell im Jahr 2004 noch aktuell, muss nun erneut
geprüft werden, ob seine Überlegungen noch Bestand haben. Für diesen Zweck
soll die Geschichte des im Jahr 2007 erschienenen Actionspiels "The Darkness"
62 Brems, Matthias 2007: Ab heute im Handel, URL: http://www.xboxfront.de/news-697-7728-
The_Darkness.html (Stand: 30.06.2013)
63 Kozlowski, Timo 2005: Geschichten erzählen mit dem Computerspiel, URL:
http://www.timokl.de/index.php/rezensionen-mainmenu-20/10-fachbr/24-bernd-hartmann?
showall=1 (Stand: 30.06.2013)
19

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783958207172
ISBN (Paperback)
9783958202177
Dateigröße
1.5 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
FernUniversität Hagen
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
2
Schlagworte
Game Studies Narratologie Ludologie Neue Medien Computerspieldebatte

Autor

Arthur Zwetzich wurde 1987 in Augsburg geboren. Schon zur Schulzeit zeichnete sich bei ihm eine Begeisterung für Schauspiel, Literatur und Computerspiele ab, was ihn schließlich dazu veranlasste, Kulturwissenschaften an der Fernuniversität Hagen zu belegen, wo er auch 2013 für das vorliegende Werk den Bachelor of Arts verliehen bekam. Insbesondere beschäftigte ihn die Frage, ob die Medien einen Einfluss auf das Selbstbild einer Gesellschaft haben, wobei er hier den Schwerpunkt auf das Medium des Computerspiels legte. Nach seinem jetzigem Abschluss ist der Autor nicht mehr damit zufrieden, „nur“ die theoretischen Grundlagen des Computerspiels zu erforschen, und studiert seit 2014 Informatik und Multimedia an der Universität Augsburg.
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Titel: Spielen? Erzählen? Beides! Ein Blick auf das Erzählpotential von Computerspielen am Beispiel von „Starcaft 2: HotS“
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