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Nordkorea: Eine perfekte Diktatur?

©2013 Studienarbeit 24 Seiten

Zusammenfassung

In der Vergangenheit bewies das nordkoreanische Regime, dass es über eine sehr hohe Stabilität verfügte, indem es den Zusammenbruch der Sowjetunion, den Tod zweier „geliebter Führer“ sowie den arabischen Frühling schadlos überstand. Dennoch stand nach dem jüngsten Führerwechsel die Frage im Raum, ob das nordkoreanische Regime auch unter dem noch sehr jungen und vergleichsweise unerfahrenen Kim Jong-Un Bestand haben wird. Um diese Frage zu beantworten, werden geschichtliche und aktuelle Geschehnisse sowie neueste Erkenntnisse der Systemtransformationsforschung herangezogen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsstand
1.3 Herangehensweise

2. Theoretische Überlebenschancen
2.1 Politische Strategie
2.2 Transformationsforschung

3. Nordkoreas Überleben in der Praxis
3.1 Geschichte und ideologischer Grundbau
3.2 Arabischer Frühling in Nordkorea
3.3 Kim Dynastie

4. Auswertung

5. Schlussbetrachtung

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

„Die rechtzeitige, richtige Entscheidung unserer Partei, die Gegen-Partei, anti-revolutionäre Elemente zu beseitigen, hat sehr geholfen, die Solidarität innerhalb der Partei zu festigen“[1], so Kim Jong Un bei seiner Neujahransprache 2014. Dieses Zitat zeigt zum einen, dass der derzeitige nordkoreanische Machthaber nur zwischen zwei Seiten unterscheidet – seiner und der anderen Seite – und zum anderen, dass die Hinrichtung seines Onkels das Kalkül verfolgte, die innere Stabilität des nordkoreanischen Regimes zu sichern. Die Geschichte Nordkoreas ist dahingehend beachtlich, dass es das einzig verbleibende stalinistische Regime darstellt und es damit geschafft hat, sowohl den Zusammenbruch der Sowjetunion als auch den arabischen Frühling zu überstehen.

Es stellt sich somit die Frage, mit welchen Mitteln Nordkorea diese Dominoeffekte unterbunden hat. Außerdem wird untersucht, welche Perspektiven das nordkoreanische Regime besitzt und welche Strategien angewendet werden, um auch das zukünftige Überleben des Regimes zu sichern.

1.2 Forschungsstand

Nordkorea ist ein zweischneidiges Schwert. Während die Geschichte des Landes sehr detailliert dokumentiert ist, war das Regime in den letzten Jahrzehnten darum bemüht, den Informationsfluss des Landes zu kontrollieren. Das Regime übernahm hierbei die Funktion eines Gatekeepers[2]. Die nordkoreanische Bevölkerung sollte nichts über die Außenwelt erfahren und gleichzeitig sollte die Außenwelt in Unwissenheit über das Innenleben Nordkoreas bleiben.

Demzufolge existiert genügend Literatur, die sich detailliert mit der Geschichte (Nord)Koreas befasst. Hierbei wird besonderes Augenmerk auf Rüdiger Franks Artikel „Nordkorea: Zwischen Stagnation und Veränderungsdruck“[3] gelegt, da dieser darauf fokussiert ist, welche Elemente beziehungsweise Einzelereignisse aus der Geschichte Nordkoreas für die heutige Logik und Vorgehensweise des Systems verantwortlich sind. Die Lerneffekte Nordkoreas aus der Geschichte werden dabei von theoretischen Grundlagen anderer Gebiete ergänzt, da das Überleben eines politischen Systems von vielen Elementen abhängt. Deshalb finden theoretische Grundlagen zur politischen Strategie[4], der Rolle von Massenmedien beziehungs­weise Medienkontrolle[5] sowie Grundlagen zur Systemtransformation[6] Beachtung. Darüber hinaus werden aktuelle Analysen und Einschätzungen des nord­koreanischen Systems und seiner Zukunft herangezogen, so z. B. der Sammelband „North Korea in Transition“[7] von Kyung-Ae Park und Scott Snyder.

1.3 Herangehensweise

Zunächst werden theoretische Grundlagen der Überlebenschancen untersucht. Hierbei wird geprüft, welche politischen Strategien Nordkorea im Allgemeinen beachten müsste und welche das Regime tatsächlich umsetzt. Danach werden Erkenntnisse der Transformationsforschung betrachtet, um herauszufinden, welche Faktoren zu einer Transformation führen könnten. Nur unter der Kenntnis dieser Faktoren ist die Zukunft Nordkoreas abschätzbar. Anschließend folgt der Praxisteil, indem die für heute wichtigsten Eckpunkte der nordkoreanischen Geschichte beleuchtet werden. Es wird die Frage gestellt, welche Schlüsse das Regime daraus gezogen hat und welche Auswirkungen dies auf den heutigen ideologischen Grundbau hatte. Danach erfolgt eine Einschätzung, wie wahrscheinlich ein arabischer Frühling in Nordkorea wäre und welche Rolle die Kim-Dynastie spielen kann oder wird.

2. Theoretische Überlebenschancen

2.1 Politische Strategie

„Die erste Aufgabe strategischer Führung ist die Sicherung der Führung selbst.“[8] Sogenannten Leadern droht ständig die Gefahr, dass ihnen die Führung durch andere streitig gemacht wird. Während in demokratischen Systemen vielfältige Möglichkeiten herrschen, um den Leader zu zermürben, scheint in totalitären Systemen lediglich ein Volksaufstand oder ein „Putsch“ wahrscheinlich zu sein.

Eine zentrale Komponente des strategischen Steuerungsprozesses ist die Richtungsnavigation, hier verstanden als „Gesamtheit der Maßnahmen zur Bestimmung der eigenen Position und des eigenen Kurses“[9]. Hierunter fällt auch die Möglichkeit zur „besondere[n] Einflussnahme in Fragen der politischen Aus­richtung“[10]. Eine positive Ausprägung der Richtungsnavigation ist folglich dann vorhanden, wenn der Leader die politische Richtung möglichst uneingeschränkt vorgibt. Wird der Leader darin eingeschränkt, dann muss er gegebenenfalls um seine Führungssicherung fürchten. Bisher erweckte Kim Jong Un den Eindruck, dass er die volle Kontrolle über die politische Richtung besitzt, womit ihm die Kompetenz der Richtungsnavigation zugesprochen werden kann.

Eine weitere Kernkomponente ist die Entscheidungsdurchsetzungskraft. Im Kern ist es hier für den Leader wichtig, zumindest an der Entscheidungsfindung beteiligt zu sein.[11] Im Idealfall hat der Leader die Macht, seine Entscheidungen auch gegen die Positionen anderer durchzusetzen. Auch diese Kompetenz scheint Kim Jong Un zu besitzen.

Hinzu kommt die Fähigkeit der Mobilisierung, hier als Tätigkeit des Organisierens von Unterstützung mit verschiedenen Überzeugungsmitteln verstan­den. Im Gegensatz zu Demokratien, in denen dies über den Versuch positiver Stimulation erfolgt, orientieren sich totalitäre Regime stärker an dem Prinzip von „Zuckerbrot und Peitsche“. Dies beinhaltet die Belohnung von Loyalität und die Bestrafung von (öffentlicher) Kritik. Die Hinrichtung seines Onkels bekräftigt in der Annahme, dass Kim Jong Un dieses Prinzip rigoros durchzieht. Die Mobilisierungs­kompetenz scheint vorhanden zu sein.

Weiterhin sollte ein Leader die Fähigkeit der Orientierung besitzen. Orientierung bedeutet, dass der Leader denjenigen, deren Zustimmung oder zumin­dest Wohlwollen (z. B. das Militär Nordkoreas) erforderlich ist, ein Sinnzusammen­hang, auch „Kontext“, getroffener Entscheidungen aufgezeigt wird, für den es sich lohnt, aktive Unterstützung beizupflichten. Hierfür ist es nötig, dass der Leader Visionen aufzeigt und erläutert, wie der Status Quo und der Zielpunkt aussehen.[12] Die Unterstützung seiner Gefolgsleute ist für Kim Jong Un unabdingbar. Immerhin ist Kim Jong Un allein nicht in der Lage, sämtliche Informationsflüsse zu kontrollieren und zu filtern. Auch in vielen anderen systemstabilisierenden Tätigkeiten ist er auf die Unterstützung anderer angewiesen. Da sich seit seinem Amtsantritt keine Schwächen in diesem System gezeigt haben, ist ihm auch die Orientierungs­kompetenz zuzuschreiben, womit Kim Jong Un sämtliche Leadership Kriterien erfüllt.

Ein weiteres zentrales Kriterium für das Überleben Nordkoreas ist der Aspekt der Macht. Zwar gibt es in totalitären Systemen stärkere Überschneidungen zwischen den Leadership Anfordernissen und den Aspekten der Macht, allerdings sind beide Analyseeinheiten nicht kongruent. Die Leadership Kriterien sind individuell und personell, während der Machtaspekt globaler und, auf das politische System bezogen, ganzheitlicher angelegt ist. Unter dem Begriff der Macht können allgemein die „aktive[n] Wirk- und Durchsetzungsmöglichkeiten in sozialen Interaktionen – auch und vor allem gegen Widerstand“[13] verstanden werden. Dies greift weiter als die Leadership Kompetenzen, da Kim Jong Un lediglich den Startpunkt einer Hierarchie darstellt. Er ist allerdings davon abhängig, dass sich die Durchsetzungskraft gegen Widerstände in sozialen Beziehungen auf allen(!) hierarchischen Ebenen abzeichnet, um die Stabilität des Systems zu gewährleisten. Das Machtkonzept kann hierbei in vier Machtkomplexe unterschieden werden, die de facto miteinander verschränkt sind: Organisations-, Problempolitik-, Konkurrenzpolitik- und Kommunikations­macht.[14]

„Organisation kann als bloßes Instrument zur Ausführung von Strategien gesehen werden.“[15] Darunter ist zu verstehen, dass politische Systeme verschiedene Akteure auf unterschiedlichen Ebenen mit jeweils eigenen strategischen Vor­stellungen beinhalten. Somit ist die Steuerungsfähigkeit zur Strategieumsetzung innerhalb eines politischen Systems von zentraler Bedeutung. Das nordkoreanische System hat hierbei allerdings große Vorteile gegenüber anderen Systemen, da Vetospieler faktisch nicht vorhanden sind. Zudem werden die Medien vollständig kontrolliert. Darüber hinaus bestehen zentrale Charakteristika totalitärer Systeme darin, auch das Privatleben der Bevölkerung zu penetrieren und diese zu mobili­sieren. Die Organisationsmacht ist dementsprechend in Nordkorea besonders hoch ausgeprägt.

Bei dem Aspekt der Problempolitikmacht geht es darum, dass strategische Akteure die ihnen wichtigen Themen im politischen Willensbildungsprozess durch­setzen können. In diesem Kontext sind Kalkulationen zu „Vetospielern“ zentral.[16] So einer Kalkulation könnte auch Kim Jong Uns Onkel zum Opfer gefallen sein, den er im Rahmen einer Kalkulation als Störfaktor betrachtet haben könnte. Besonders in totalitären Systemen müssen alle Ebenen, besonders der Leader, darauf bedacht sein, das Aufkommen von Vetospielern präventiv zu unterbinden. Da sich derzeitig der Status quo nicht ändert, was ganz im Sinne Kim Jong Uns und des Militärs ist, scheint auch dieser Machtaspekt gegeben zu sein.

[...]


[1] O.A.: Nordkorea: Kim Jong Un rechtfertigt Hinrichtung seines Onkels, unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/nordkorea-kim-jong-un-begruendet-hinrichtung-seines-onkels-a-941391.html (Stand: 25.02.2014).

[2] Unter dem Begriff Gatekeeper werden hier diejenigen verstanden, die dem Zugang zu Informationen oder der Berichterstattung des In- und Auslandes vorgeschaltet sind.

[3] Vgl.: Rüdiger Frank: Nordkorea: Zwischen Stagnation und Veränderungsdruck, in: Thomas Heberer/Claudia Derichs (Hrsg.): Einführung in die politischen Systeme Ostasiens. VR China, Hongkong, Japan, Nordkorea, Südkorea, Taiwan, Wiesbaden 2008, S. 351-416.

[4] Vgl.: Joachim Raschke/Ralf Tils: Politische Strategie. Eine Grundlegung, Wiesbaden 2013.

[5] Vgl. Gerd Strohmeier: Politik und Massenmedien. Eine Einführung, Baden-Baden 2004.

[6] Vgl. Wolfgang Merkel: Systemtransformation. Eine Einführung in die Theorie und Empirie der Transformationsforschung, Wiesbaden 2010.

[7] Vgl. Kyung-Ae Park/Scott Snyder: North Korea in Transition. Politics, Economy, and Society, Maryland 2013.

[8] Joachum Rasche/Ralf Tils: Politische Strategie. Eine Grundlegung, Wiesbaden 2013, S. 398.

[9] Ebd.

[10] Ebd.

[11] Vgl. ebd., S. 399.

[12] Vgl., ebd., S. 401.

[13] Ebd., S. 403.

[14] Vgl., ebd., S. 404.

[15] Ebd., S. 405.

[16] Vgl. ebd., S. 407.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2013
ISBN (PDF)
9783958207325
ISBN (Paperback)
9783958202320
Dateigröße
2.1 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1,3
Schlagworte
Arabischer Frühlung Kim Jong-Un stalinistisches System Kim Dynastie Diktator

Autor

Thomas Meißner, B.A., wurde 1990 in Berlin geboren und studierte Politikwissenschaft an der TU Chemnitz. Neben dem Studium lehrte er jahrelang als Tutor und Lehrbeauftragter an der Universität. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Wahl-, Parteien- und Regierungssysteme. Bereits während des Studiums entwickelte sich ein besonderes Interesse für Nordkorea, das Meißner nun auch an Andere vermitteln möchte.
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