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Erziehung im Nationalsozialismus

©2003 Studienarbeit 29 Seiten

Zusammenfassung

Der Sinn aller deutschen Erziehung war das deutsche Volk, seine Größe, sein Leben und seine Veredelung. Die Familie galt als Keimzelle des deutschen Volkes, besaß jedoch, wie sich im Verlaufe der nationalsozialistischen Herrschaft zeigen sollte, keine tragende Rolle im Erziehungsgeschehen. Der Dienst im „Bund Deutscher Mädel“ oder der „Hitler Jugend“ galt als bedeutsamste Sozialisationsinstanz neben Schule und Familie. In diesen Institutionen zeigen sich die geschlechtsspezifischen Erziehungsprämissen deutlich. In der vorliegenden Arbeit werden die Erziehungsziele der Nationalsozialisten und die damit verbundenen Methoden, mit denen sie durchgesetzt wurden, aufgezeigt. Anschließend befasst sich die Autorin mit den verschiedenen Sozialisationsinstanzen, Schule, HJ und BDM und ihrer jeweiligen Bedeutung für die Erziehung. Die Betrachtung der Rolle der Familie in der Pädagogik des Dritten Reiches wird hierbei ausgeklammert, da sie nach Ansicht der Autorin keine tragende Rolle im Erziehungsgeschehen gespielt hat.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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2. Pädagogische Theorien im NS-Staat
Die Erziehung spielte eine große Rolle im NS-Staat, man sprach sogar von einer Revolution
der Erziehung. Doch zur Zeit der Machtergreifung lag noch kein konkretes Konzept zur nati-
onalsozialistischen Pädagogik vor, lediglich Hitlers Vorstellungen aus seinem Werk ,,Mein
Kampf" dienten als Grundlage. Die Aussage Hitlers, erst müsse man die Macht haben, dann
werde man weitersehen, war auch auf den Bereich Schule und Erziehung gerichtet. Nach der
nationalsozialistischen Machtergreifung war in der Erziehungswissenschaft ein Vakuum ent-
standen, bzw. herrschte große Unsicherheit, wie es weitergehen sollte. Ernst Krieck und Alf-
red Baeumler fühlten sich dazu berufen, dieses erziehungstheoretische Vakuum zu füllen. Sie
versuchten beide, unabhängig voneinander, eine originär nationalsozialistische Erziehungs-
wissenschaft zu entwickeln, bzw. ihre eigenen Konzepte mit der Programmatik der NSDAP
und Hitlers Vorstellungen zu vereinen. Durch ihre Arbeit konnten sie Einfluss nehmen auf die
Implementierung einer neuen gesellschaftlichen Aufgabe der Erziehung. Im Nationalsozia-
lismus gab es kein wirkliches Konzept für ein Erziehungsprogramm, die Eingriffe in das Er-
ziehungssystem hingen eng mit den wechselnden machtpolitischen Interessen zusammen.
Zunächst waren während der Zeit der Machtergreifung noch Ansätze einer sozialrevolutionä-
ren Erziehung auszumachen, doch in der Periode der Machtkonsolidierung und Kriegsvorbe-
reitung dominierte der Wille zu lückenloser Erfassung, Kontrolle und politischer Instrumenta-
lisierung der gesamten Generation. In diesem Kapitel möchte ich mich mit den drei pädagogi-
schen Chefideologen befassen, die mit ihren Schriften, Aussagen und Standpunkten die Er-
ziehung im Nationalsozialismus entscheidend geprägt haben. Beginnen möchte ich dabei mit
dem wohl einflussreichsten dieser Männer, Adolf Hitler.

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2.1 Hitlers Erziehungsvorstellungen
,,Was früher vorübergehend zwei Jahre lang eine Schulung der Nation war, um dann im
Leben und durch die politische Tätigkeit der Parteien wieder verloren zu gehen, das wird jetzt
treuen Händen übergeben und aufbewahrt werden für das deutsche Volk. Dann wird sich erst
der Kreis der Erziehung unseres Volkes schließen. Der Knabe, er wird eintreten in das Jung-
volk, und der Pimpf er wird kommen zur Hitlerjugend, und der Junge der Hitlerjugend, er
wird dann einrücken in die SA, in die SS und die anderen Verbände, und die SA-Männer und
die SS-Männer werden eines Tages einrücken zum Arbeitsdienst und von dort zur Armee;
und der Soldat des Volkes wird zurückkehren wieder in die Organisationen der Bewegung,
der Partei, in die SA und SS, und niemals mehr wird unser Volk dann so verkommen, wie es
einst leider verkommen war!" (Domarus, 1965, 723; zit. aus Steinhaus, 1981, 48).
Dieses Zitat Hitlers zeigt, dass die traditionelle Zuordnung des Begriffes Erziehung zu den
Lebensphasen Kindheit und Jugend aufgehoben wurde. Das Leben im Dritten Reich war eine
nicht abreißende Erziehungskette, die die Erwachsenen nicht ausschloss, sondern impliziert,
dass jeder als erziehungsbedürftig und lebenslang unmündig galt. Durch die Erziehung be-
zweckte man die totale Beeinflussung des Volkes, man sollte zu einem überzeugten National-
sozialisten heranwachsen. Die Frage der weiblichen Erziehung schloss Hitler aus seinen
Überlegungen weitgehend aus, von größerer Bedeutung war für ihn die Erziehung der Jungen.
Die Mädchen mussten in ihrer Erziehung auf ihre spätere Rolle als Mutter vorbereitet werden,
dies geschah unter anderem in der Schule und vor allem im ,,Bund Deutscher Mädel" (vgl.
Lingelbach, 1987, 31).
Hitler legte eine klare Rangfolge seiner Erziehungsziele fest. An erster Stelle stand im Gegen-
satz zur Bildung das Heranzüchten kerngesunder Körper (ebd., 29). Der Staat muss die Erzie-
hung so einteilen, dass die jungen Körper schon in frühester Kindheit zweckentsprechend
behandelt werden und die notwendige Stählung für das spätere Leben erhalten (vgl. Lingel-
bach, 1987, 29). Besonders begeistert war Hitler vom Boxsport, denn er fördere den Angriffs-
geist, die Entschlusskraft und stähle den Körper. Er sah in diesem Sport ein probates Mittel
für die Jungen Schläge ertragen zu lernen (vgl. Giesecke, 1993, 23)
Die körperliche Ertüchtigung war nicht Sache des Einzelnen, sondern eine Forderung der
Selbsterhaltung des gesamten Volkes (ebd.,23). Das Ziel der Leibeserziehung war nicht die
physische Ergänzung des Entwicklungsvorganges, sondern vielmehr die Vorbildung für den
späteren Heeresdienst, die letzte und höchste Stufe vaterländischer Erziehung (vgl. Steinhaus,
1981, 69).

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Erst in zweiter Linie sollten die geistig-seelischen Fähigkeiten ausgebildet werden, die Beto-
nung hierbei lag auf der Charaktererziehung, die Hitler im wesentlichen als Förderung der
Willens- und Entschlusskraft auffasste, verbunden mit der Erziehung zur ,,Verantwortungs-
freudigkeit" (Lingelbach, 1987, 29). Tugenden, die seiner Meinung nach zu fördern waren,
sind Treue, Opferbereitschaft und Verschwiegenheit. Diese Eigenschaften sollen unter ande-
rem in der Schule anerzogen werden, denn sie seien wichtiger als andere Dinge, die in den
Lehrplänen vorgesehen waren (vgl.Giesecke, 1993, 23). Hitler war der Annahme, dass die
wesentlichen Charaktermerkmale genetisch bedingt seien.
,,...Der geborene Verbrecher wird Verbrecher sein und bleiben; aber zahlreiche Menschen,
bei denen bloß eine gewisse Hinneigung zum Verbrecherischen vorhanden ist, können durch
richtige Erziehung noch zu wertvollen Gliedern der Volksgemeinschaft werden; während um-
gekehrt durch schlechte Erziehung aus schwankenden Charakteren wirklich schlechte Ele-
mente werden können." (Steinhaus, 1981, 71 f.).
Die Charaktererziehung sollte folgende Eigenschaften fördern und anerziehen: Gehorsam,
Treue, Opferwilligkeit, Verschwiegenheit, völkisches Selbstbewusstsein, Verzicht auf Weh-
leidigkeit, Verantwortungsfreude sowie Willens- und Entschlusskraft (ebd., 72). Selbstver-
trauen muss schon von frühester Kindheit her anerzogen werden, die gesamte Erziehung soll
darauf ausgerichtet sein, dass man den Glauben hat anderen, insbesondere anderen ,,Rassen",
gegenüber überlegen zu sein (vgl. Lingelbach, 1987, 31). Die moralische Charaktererziehung
wird völlig ausgeklammert, die Charakterbildung ist lediglich eine Fortsetzung der körperli-
chen Ertüchtigung, beide haben zum Ziel einen gesunden Soldaten hervorzubringen.
Erst an dritter und letzter Stelle sah Hitler die wissenschaftliche Schulung (ebd., 29). Seiner
Meinung nach war die Schule zu sehr auf das bloße Eintrichtern von Wissen zugeschnitten,
dieses Wissen sei zu 95% überflüssig und werde daher auch wieder vergessen (ebd.). Man
solle lieber ein allgemeines in großen Zügen gehaltenes Wissen vermitteln, welches als
Grundlage für das spätere Leben dienen soll.
Der Staat hat die Verpflichtung aus dem gesamten Volk das von Natur aus befähigste Materi-
al auszusieben und dieses für den Dienst an der Allgemeinheit zu nutzen (vgl. Lingelbach,
1987, 30). In dieser Aussage zeigt sich der von Hitler vertretene sozialdarwinistischer Ansatz
ganz deutlich, der Stärkere ist grundsätzlich der Höherwertige. Er überträgt hierbei die Theo-
rie von Darwin, die sich ausschließlich auf Pflanzen und Tiere bezieht, auf den Menschen und

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ging davon aus, dass es eine natürliche Auslese im Kampf ums Dasein gebe, bei der sich die
rassisch wertvollste durchsetzt (ebd., 27).
Der Lehrplan der Schulen wurde zu Gunsten der Ausbildung des Körpers, des Charakters und
der Willens- und Entschlusskraft verändert, doch dazu später.
Adolf Hitlers Erziehungsvorstellungen müssen zweifellos vor ihren biologisch-rassistischen
Hintergrund betrachtet werden, durch die intensive ideologische Beeinflussung soll das rassi-
sche Ziel der Erziehung erreicht werden. Sinn aller deutschen Erziehung war das deutsche
Volk, seine Größe, sein Leben und seine rassische Veredelung. Die erste Aufgabe des Staates
ist demnach den rassisch wertvollsten Kern des Volkes und seine Fruchtbarkeit zu steigern.
Erziehen heißt also die besten rassischen Elemente zu entwickeln, die Tatsache, dass jemand
einer anderen ,,Rasse" angehört, schloss ihn aus der sogenannten Volksgemeinschaft von vor-
neherein aus (vgl. Giesecke, 1993, 25).
Bereits in ,,Mein Kampf" nennt Hitler als wesentliches Merkmal der nationalsozialistischen
Jugend ihre ,,rassische Qualität" und ihr ,,Rassebewusstsein", beides mache sie zum ,,wertvol-
len Glied" für eine spätere Weitervermehrung (vgl. Keim, 2001, 7). Dementsprechend hatte
die Indoktrination der rassischen Prinzipien oberste Priorität in allen Erziehungsinstanzen des
Dritten Reiches.
Nachfolgend befasse ich mich mit den Ansätzen der Pädagogik Ernst Kriecks, ich werde nur
die Richtung seiner Erziehungstheorie aufzeigen, im Rahmen dieser Arbeit wäre es ansonsten
zu umfangreich.
2.2 Ernst Krieck und sein völkischer Erziehungsstaat
Krieck wurde 1882 geboren, er besuchte die Realschule und ließ sich danach zum Lehrer aus-
bilden. Er stammte aus einer bürgerlichen Familie und konnte aus finanziellen Gründen nicht
studieren, daher war dies die einzige Möglichkeit für eine höhere Ausbildung. Im Alter von
18 Jahren war er bereits Junglehrer, bis 1928 war er Volkschullehrer. In diesem Beruf fühlte
er sich jedoch unterfordert, daher bildete er sich fort und publizierte für den Deutschen Leh-
rerverein. In seinen Veröffentlichungen beschäftigte er sich vornehmlich mit den Fragen der
Konfessionalität und Chancengleichheit in Volksschulen.

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Kriecks Hauptanliegen war politischer Natur, durch eine Aufarbeitung der deutschen Ge-
schichte versuchte er die ,,Eigenart der Deutschen" aufzuzeigen und dementsprechende Vor-
schläge für die Neuformierung von Volk und Staat zu entwickeln.
Im Jahre 1922 erschien sein pädagogisches Hauptwerk ,,Philosophie der Erziehung", seine
Thesen waren für die damalige Zeit ungewöhnlich, denn er vertrat die Ansicht, dass die inten-
tionale Erziehung einzelner Personen, wie beispielsweise von Eltern und Lehrern, nicht die
Entscheidende sei, sondern vielmehr die funktionale Erziehung der sozialen Gemeinschaft.
Dadurch werden keine Individuen geformt, es entstehen Typen, die nach einem kollektiven
Leitbild geprägt sind, d.h. von den Sitten und Normen der jeweiligen Gesellschaft beeinflusst
(vgl. Giesecke, 1993, 35; Lingelbach, 1987, 73). Die funktionale Erziehung ereignet sich nach
Krieck in drei Schichten.
Die unterste Schicht erzieherischer Faktoren besteht aus den unbewussten Wirkungen,
Bindungen und Beziehungen von Mensch zu Mensch und bildet die Grundlage des Gemein-
schaftslebens.
Die zweite Schicht spielt sich auf der Ebene des bewussten sozialen Handelns in der Familie
usw. ab, jede soziale Interaktion übt eine erzieherische Wirkung auf die Beteiligten aus.
Erst der dritte Bereich ist für Krieck die rational organisierte Erziehung, d.h. die intentionale
Erziehung, die bestimmte Absichten und Ziele verfolgt.
Alle drei Ebenen sind aufeinander aufbauend und angewiesen, und nicht von den anderen
abgelöst zu betrachten (vgl. Giesecke, 1993, 35).
Krieck unterscheidet vier gleichberechtigte Formen der Erziehung:
,,1. Die Gemeinschaft erzieht die Gemeinschaft.
2. Die Gemeinschaft erzieht die Glieder.
3. Die Glieder erziehen einander.
4. Die Glieder erziehen die Gemeinschaft.." (Lingelbach, 1987, 68).
Diese Formen der Fremderziehung werden ergänzt durch zwei Formen der Selbsterziehung,
der Einzelne sowie die Gemeinschaft erziehen sich auch selbst. Man sieht also die Erziehung
ist hierbei ein Komplex von Wirkung und Gegenwirkung.
Seine wichtigste These war, dass Erziehung ein soziales Phänomen ist, welches schon immer
vorhanden ist, sie ist keine kulturelle Erfindung der Menschen (vgl. Giesecke, 1993, 39).
Am 1. Januar 1932 tritt Krieck in den nationalsozialistischen Lehrerbund und damit automa-
tisch in die NSDAP ein. Bis zur Machtergreifung im Jahre 1933 war das Programm der Be-
wegung ideologisch wenig festgelegt, darin sah Krieck seine Chance. Er war der Meinung,

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dass die Nazis als Führer einer völkisch-revolutionären Bewegung, etwas Großes bewegen
könnten, den politischen Aspekt ließ er bei seiner Betrachtung außen vor. Kriecks Übertritt
zur Partei wurde freudig begrüßt, denn er galt als bedeutender Wissenschaftler (ebd., 42).
Im Jahr seines Eintritts in die Partei veröffentlichte er schon sein erstes Buch ,,Nationalpoliti-
sche Erziehung", diese Schrift war jahrelang die bedeutendste politisch-pädagogische Veröf-
fentlichung für Nationalsozialisten, die im pädagogischen Bereich tätig waren. In diesem
Werk geht es vornehmlich um die Stellung des Menschen in der Gesellschaft, die Rolle des
individualistischen, isolierten Subjektes soll eingetauscht werden gegen den Einzelnen, der
sich als ,,Glied" der höchsten Gemeinschaft, des Volkes, versteht.
,,Der Nationalsozialismus hat also die aus den Instinkten seiner Führer in Anwendung
gebrachten Elementarmittel und Methoden der Massenerregung und Massenbewegung auszu-
bauen zu einer allgemeinen Zuchtform, einem Übungssystem, das im Volk und in den einzel-
nen Volksgenossen die Rassewerte weckt, die Rasseeigenschaften und das Rassebewusstsein
zum Höchstmaß entfaltet, womit nicht nur die einzelnen Volksgenossen geformt, sondern
auch die Volkseinheit ins Bewusstsein gehoben, also die gemeinschaftlichen Querverbindun-
gen gefestigt werden: aus Masse wird Volk, aus Volk rassebewusste Nation mit geschlossener
Macht, mit einheitlicher politischer Haltung und Willensrichtung." (Giesecke, 1993, 49).
Im darauffolgenden Jahr erscheint der Versuch einer Präzision seines Erziehungskonzeptes
,,Nationalsozialistische Erziehung, begründet aus der Philosophie der Erziehung", in dieser
Schrift betont Krieck noch einmal den Einfluss verschiedener Teilbereiche auf die Sozialisa-
tion des Einzelnen.
Die Idee des Erziehungsstaates von Hitler, findet sich auch in den Vorstellungen von Krieck
wieder, nur bezweckte er damit nicht eine rassische Erneuerung Deutschlands, sondern viel-
mehr eine Umwälzung der Gesellschaft, diese könne jedoch nur erreicht werden, indem man
das gesamte Leben pädagogisiere.
Krieks ideologischer Konkurrent war Alfred Baeumler, auch er gehört zu den führenden Pä-
dagogen im Nationalsozialismus, auch wenn er keine geschlossenen Schriften zu diesem
Thema veröffentlichte. Im nächsten Kapitel werde ich in Ansätzen seine Theorie darstellen.

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2.3 Alfred Baeumler und seine politische Pädagogik
Alfred Baeumler wurde 1887 geboren, machte im Jahre 1908 sein Abitur und studierte an-
schließend in verschieden Städten zuerst Kunstgeschichte, dann Philosophie und Ästhetik.
Erst im Jahre 1933 trat Baeumler in die NSDAP ein, Motivation dafür war ein Gefühl etwas
verändern zu müssen, statt zuzusehen wie andere etwas tun. Alfred Rosenberg, der auf
Baeumlers Arbeiten aufmerksam geworden war, versuchte ihn zu werben und übertrug ihm
sein erstes Amt in der Dienststelle Rosenberg.
,,Baeumlers politische Vision war ein neues deutsches Reich, das auf germanischer Tradi-
tion basierte, d.h. darauf, dass es getragen wird von den Wehrbünden der Männer und geglie-
dert ist durch
persönliche Führer-Gefolgschafts-Beziehung in wechselseitiger Treue."
(Giesecke, 1993, 80).
Er weist den Männerbünden eine zentrale Bedeutung in der Erziehung zu, sie sind seiner
Meinung nach der einzig legitime Ort einer staatsbezogenen Erziehung (vgl. Lingelbach,
1987, 84).
In Baeumlers Schriften findet man auch Ansätze der geschlechtsspezifischen Erziehung,
Männer und Frauen haben unterschiedliche soziale Bestimmungen, die durch die Erziehung
unterstützt werden müssen, die Welt der Frau sei Haus und Familie, die des Mannes Politik
und Staat (ebd., 85).
Im Gegensatz zu Ernst Krieck hat Alfred Baeumler bis 1945 keine gesamte Schrift zur natio-
nalsozialistischen Erziehung veröffentlicht, sein Interesse galt vor allem der Schule, der Leh-
rerbildung und dem Sport (vgl. Giesecke, 1993, 95).
Er widerspricht dem Vorwurf, dass die Schule weltfremd sei und befürwortet die allgemeine
Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr, denn Leben und Schule ergänzen sich. In der Schule soll
nicht ein bestimmtes Handeln anerzogen werden, das Kind soll lernen, dass es handeln kann.
Bildung, Bildbarkeit und Allgemeinbildung sind die Aufgaben der Schule, besonders die
Bildbarkeit ist ein Grundproblem der Erziehungswissenschaft, denn sie ist die Voraussetzung
für Erziehung (ebd., 113). Den Bildungsbegriff interpretiert Baeumler nicht klassisch als Wis-
sen, sondern er bezieht ihn auf das sich bildende Objekt.
In seinem Aufsatz ,,Jugenddienstpflicht, Hitler-Jugend und Schule" wird ersichtlich welche
Bedeutung er dem jeweiligen Teilbereich zumisst. Die Schule hat die Aufgabe zu unterrich-
ten, die Selbstbildung des Schülers nimmt dabei einen hohen Stellenwert ein. Laut Baeumler

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ist die Hauptaufgabe des Lehrers jeden Schüler nach seinen Bedürfnissen zu behandeln, ihn
entsprechend zu fördern und falls dazu notwendig auch zu bestrafen. Die Individualisierung
des Schülers wurde also hervorgehoben.
Die wesentlichen Unterschiede zwischen Schule und Hitlerjugend sah Baeumler folgender-
maßen, in der Schule arbeite man und sie wirke ,,mittelbar" erzieherisch während man in der
HJ diene und unmittelbar erzogen werde. Aus ebendieser Erklärung folgert er, dass die Schule
zukunftsorientiert sei und die Hitlerjugend gegenwartsorientiert (vgl. Giesecke, 1993, 115).
Baeumler sprach auch das an was wir heute unter pluralistischer Erziehung verstehen, Erzie-
hung sei kein einheitliches Geschehen, sie läuft auf verschiedenen Ebenen ab. Die einzelnen
pädagogischen Faktoren haben nur begrenzte Einflussmöglichkeit, daher muss das Kind auch
teilweise Eigenverantwortung übernehmen (ebd.,119).
,,Indem Baeumler nun die Erziehungsfunktionen von Familie, Schule und Jugendverband
strikt voneinander unterschied mit der zutreffenden Begründung, sie seien nicht auseinander
ableitbar, machte er den Weg frei für eine pluralistische Betrachtung des Erziehungsprozes-
ses." (Giesecke, 1993, 119).
Wie Hitler und Krieck war auch Baeumler der Meinung, dass der Charakter anlagebedingt
und nicht einfach aus Umwelteinflüssen erklärbar sei. Der Charakter gebe eine Grundrichtung
an, zeige aber auch die Grenzen der Bildbarkeit auf (vgl. Giesecke, 1993, 98).

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Erstausgabe
Jahr
2003
ISBN (eBook)
9783958209114
ISBN (Paperback)
9783958204119
Dateigröße
294 KB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Erscheinungsdatum
2015 (Oktober)
Schlagworte
erziehung nationalsozialismus
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