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Marketing: Wie fällen Konsumenten Kaufentscheidungen?

©2012 Diplomarbeit 47 Seiten

Zusammenfassung

Konsumenten sehen sich heute einer immer größer werdenden Auswahl an Kaufmöglichkeiten gegenübergestellt. Einhergehend mit der Angebotsvielfalt findet sich eine erhöhte Komplexität der Kaufentscheidung. Diese lässt es immer schwieriger werden, die Vorgänge nachzuvollziehen, die sich beim Kauf eines Produktes im Kopf des Konsumenten abspielen. Die seit Mitte des 20. Jahrhunderts stattfindende Erforschung des Gebiets der Kaufentscheidungstheorie von Privatpersonen soll nun in dieser Arbeit vorgestellt werden. Der Fokus wird dabei auf den betriebswirtschaftlichen, für das Marketing relevanten Zweig der Theorie gelegt.
Ziel ist zum Einen einen Überblick der vorhandenen Theorien zu geben, welche sich mit der Beschreibung der Vorgänge in der sogenannten black box des Konsumenten befassen. Zum Anderen geht es um die Beantwortung einer für die Betriebswirtschaft und insbesondere für das Marketing zentralen Fragestellung: Wie fällen Konsumenten Kaufentscheidungen?
Die Relevanz der formulierten Problemstellung ergibt sich für die Betriebswirtschaft aus zweierlei Hinsicht. Erstens erhöht eine Antwort die Planungssicherheit eines Unternehmens. Budgets lassen sich einfacher kalkulieren und allokieren, wenn eine fundierte Berechnung des Return on Investment der Marketingausgaben vorliegt. Begünstigt wird diese Berechnung dadurch, dass eine genauere Vorhersage getroffen werden kann, welches Produkt oder welche Marke in einem gegebenen Umfeld gekauft wird.
Zweitens ergibt sich durch das Verständnis über den Vorgang der Kaufentscheidung die Möglichkeit einer zielgerichteten Optimierung des Produktangebots auf Seiten des Unternehmens. Wissen über relevante Produktattribute sowie Vorgehensweisen bei ihrer Bewertung unterstützten Marketiers bei der Präsentation des Produktangebots.
Der Aufbau der Arbeit erfolgt in Anlehnung an Lye et al (2005) und unterteilt das Gebiet der Kaufentscheidungstheorie in behavioristische (Kapitel 2) und naturalistische (Kapitel 3) Forschungsrichtung. Kapitel 2 beinhaltet dabei neben der Darstellung grundsätzlicher Ziele einer Kaufentscheidung eine Kategorisierung behavioristischer Modelle, welche auf Basis vier zentraler Kriterien getroffen wird. Die darauffolgende detaillierte, verbale sowie grafische Darstellung der Modelle mündet in einem ersten Zwischenfazit, welches an die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung behavioristischer Kaufentscheidungsmodelle anknüpft. Aufbauend auf das zweite Kapitel wird in Kapitel 3 ein Überblick der […]

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1
1. Problemstellung
Konsumenten sehen sich heute einer immer größer werdenden Auswahl an Kauf-
möglichkeiten gegenübergestellt. So stieg laut einer Studie der Gesellschaft für
Konsumforschung (Gfk) aus dem Jahr 2007 das Angebot bedarfsoptimierter Produkte
im deutschen Food Bereich seit 2003 um 33% an
1
. Diese Erkenntnis wird in weiteren
Studien auch für andere Länder und Industrien bestätigt
2
.
Einhergehend mit der Angebotsvielfalt ist eine erhöhte Komplexität der
Kaufentscheidung. Diese lässt es immer schwieriger werden, die Vorgänge
nachzuvollziehen, die sich beim Kauf eines Produktes im Kopf des Konsumenten
abspielen. Die seit Mitte des 20. Jahrhunderts stattfindende Erforschung des Gebiets der
Kaufentscheidungstheorie von Privatpersonen soll nun in dieser Arbeit vorgestellt
werden. Der Fokus wird in diesem Zusammenhang auf den betriebswirtschaftlichen, für
das Marketing relevanten Zweig der Theorie gelegt.
Ziel ist dabei, zum Einen einen Überblick der vorhandenen Theorien zu geben, welche
sich mit der Beschreibung der Vorgänge in der sogenannten black box des
Konsumenten befassen. Zum Anderen geht es um die Beantwortung einer für die
Betriebswirtschaft und insbesondere für das Marketing zentralen Fragestellung: Wie
fällen Konsumenten Kaufentscheidungen?
Die Relevanz der formulierten Problemstellung ergibt sich für die Betriebswirtschaft
aus zweierlei Hinsicht. Erstens erhöht eine Antwort die Planungssicherheit eines
Unternehmens. Budgets lassen sich einfacher kalkulieren und allokieren, wenn eine
fundierte Berechnung des Return on Investment der Marketingausgaben vorliegt.
Begünstigt wird diese Berechnung in diesem Fall dadurch, dass eine genauere
Vorhersage getroffen werden kann, welches Produkt oder welche Marke in einem
gegebenen Umfeld gekauft wird.
3
Zweitens ergibt sich durch das Verständnis über den
Vorgang der Kaufentscheidung die Möglichkeit einer zielgerichteten Optimierung des
Produktangebots auf Seiten des Unternehmens. Wissen über relevante Produktattribute
1
Vergleiche Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (2008), S. 12.
2
Vergleiche Shao et al (2009), S. 495.
3
Eine in der Literatur oftmals zu findende Abgrenzung zwischen Produkt und Marke soll in dieser Arbeit
dennoch nicht vorgenommen werden. Die Entscheidung zwischen verschiedenen Produkten ist also
gleichbedeutend mit der Entscheidung alternativer Marken zu verstehen.

2
sowie Vorgehensweisen bei ihrer Bewertung unterstützten Marketiers bei der
Präsentation des Produktangebots.
Der Aufbau der Arbeit erfolgt in Anlehnung an Lye et al
4
und unterteilt das Gebiet der
Kaufentscheidungstheorie in behavioristische (Kapitel 2) und naturalistische (Kapitel 3)
Forschungsrichtung. Kapitel 2 beinhaltet dabei, neben der Darstellung grundsätzlicher
Ziele einer Kaufentscheidung, eine Kategorisierung behavioristischer Modelle, welche
auf Basis vier zentraler Kriterien getroffen wird. Die darauffolgende detaillierte, verbale
sowie grafische Darstellung der Modelle mündet in einem ersten Zwischenfazit,
welches an die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung behavioristischer Kauf-
entscheidungsmodelle anknüpft. Aufbauend auf das zweite Kapitel wird in Kapitel 3 ein
Überblick der naturalistischen Kaufentscheidungstheorie gegeben. Dieser erfolgt auf
Basis des zentralen Modells besagter Forschungsrichtung, der sogenannten Image
Theory. Die in Kapitel 4 dargestellten empirischen Ergebnisse dienen der Validierung
der zuvor im Rahmen der behavioristischen und naturalistischen Kauf-
entscheidungstheorie entwickelten Erkenntnisse. Kapitel 5 dient der Bildung eines
abschließenden Fazits.
Der dargestellte Aufbau der Arbeit spiegelt hierbei, neben seiner chronologischen
Entstehung, auch die Weiterentwicklung des Forschungsstandes wider.
4
Vergleiche Lye et al (2005), S. 218-219.

3
2. Behavioristische Entscheidungstheorie
Aufbauend auf den Ansatz der normativen Entscheidungstheorie, welche ein
vollkommen rationales, nutzenmaximierendes Entscheidungsverhalten von Kon-
sumenten unterstellt, entwickelte sich Mitte des 20. Jahrhunderts die behavioristische
Entscheidungstheorie. Als Ausgangspunkt für diesen Ansatz gilt die Arbeit von Simon,
5
welcher argumentierte, dass Konsumenten sich limitiert rational verhalten und
hinsichtlich ihrer kognitiven Fähigkeiten teilweise eingeschränkt sind.
Die Auswahl einer Produktalternative ergibt sich im Rahmen des behavioristischen
Ansatzes zumeist auf Basis eines Gesamtwerts, welcher durch die Wertausprägungen
der einzelnen Produktattribute ermittelt wird (siehe Kapitel 2.3.). Der Begriff
Gesamtwert ist in diesem Zusammenhang nicht mit dem normativ geprägten (Gesamt-)
Nutzen zu verwechseln. Erst genannter dient der Bestimmung der ,,besten"
6
Alternative
und nicht der Ableitung eines sich aus dem Produkt ergebenden Nutzenniveaus.
Kennzeichnend für alle behavioristischen Ansätze ist dabei, dass es sich immer um
sogenannte Choice- bzw. Singlephasenmodelle handelt. Der Begriff Choice-Modell
beschreibt dabei den Fokus auf das Verständnis der Beziehung zwischen Attributen und
Kaufentscheidung.
7
Singlephasenmodell hingegen beschreibt die Anwendung einer
einzigen Entscheidungsregel zur Darstellung des Kaufverhaltens.
Trotz der Annahme eingeschränkter Rationalität kann der behavioristischen
Entscheidungstheorie ein gewisser normativer Charakter jedoch nicht abgesprochen
werden. Dies ist darin begründet, dass viele der entwickelten Modelle auf die
Grundprinzipien von Nutzen- und Entscheidungstheorie aufbauen, welche meist ein
bestimmtes Sollverhalten in das Zentrum ihrer Ausarbeitungen stellen.
8
Im nächsten Kapitel werden zunächst vier Fundamentalziele aus Sicht der Konsumenten
vorgestellt, welche die Basis einer jeden Kaufentscheidungsüberlegung bilden. Die
anschließende Entwicklung von vier zentralen Kriterien der Kaufentscheidung (Kapitel
2.2.) dient der Abgrenzung behavioristischer Modelle und bildet die Grundlage ihrer
Kategorisierung. Darauffolgend werden die wichtigsten Modelle vorgestellt, welche die
Kaufentscheidungstheorie in einem marketingbezogenen Kontext bis heute beeinflussen
5
Vergleiche Simon (1955), S. 99-102.
6
Wie in Kapitel 2.3. deutlich wird, geht das ausgewählte Produkt je nach angewandter
Kaufentscheidungsregel nicht zwangsläufig mit dem höchsten Gesamtwert einher.
7
Vergleiche Kivetz und Simonson (2000), S. 427.
8
Vergleiche Beach (1998), S. ix-x.

4
(Kapitel 2.3.). Ein Blick auf die Weiterentwicklung der behavioristischen
Entscheidungstheorie (Kapitel 2.4.) zeigt den Übergang von einem Choice-
/Singlephasenmodell zu einem Choice & Screening-/Zweiphasenmodell auf.
2.1. Ziele der Kaufentscheidung
Zurückgehend auf Bettman et al
9
lassen sich vier Fundamentalziele definieren, welche
Konsumenten im Rahmen eines Kaufentscheidungsprozesses anstreben: maximale
Entscheidungsgenauigkeit, Minimierung des kognitiven Aufwandes, Minimierung mit
der Kaufentscheidung einhergehender negativer Emotionen sowie Maximierung der
Einfachheit der Entscheidungsbegründung. Eine zusätzliche Abgrenzung ist nicht
zweckmäßig, da einerseits weitere Sub-Ziele in den Fundamentalzielen bereits enthalten
sind und eine zu spezifische Definition eine universelle Anwendbarkeit verhindern
würde.
10
Bei Applikation der Ziele ist es dabei nicht notwendig, dass alle vier innerhalb einer
Kaufentscheidung auch erfüllt werden. Vielmehr ist die beliebige Kombination und
Anwendung direkt von den spezifischen Charakteristika eines Kaufentscheidungs-
problems abhängig, wie beispielsweise Wichtigkeit und Unwiderruflichkeit des Kaufs.
11
So spielt maximale Entscheidungsgenauigkeit insbesondere bei teuren und vor allem
irreversiblen Käufen eine entscheidende Rolle (zum Beispiel Auto- oder
Wohnungskauf). Dagegen kommt eine Kombination aus maximaler
Entscheidungsgenauigkeit und Minimierung des kognitiven Aufwandes dann zur
Geltung, wenn aufgrund der vorliegenden Produktkategorie nur ein geringes
emotionales Involvement sowie niedriger Rechtfertigungsbedarf vorliegt.
12
Dies ist zum
Beispiel bei Lebensmitteln der Fall. Eine Minimierung negativer Emotionen wird vor
allem dann angestrebt, wenn es sich um ein stark emotionsbeladenes Kaufproblem
handelt. Die Ursache der starken Emotionsassoziationen liegt dabei zumeist in der
Tatsache, dass sich der Konsument einem Auswahlproblem mit zwei sich
entgegengesetzt entwickelnden Attributen gegenübergestellt sieht. Das Mehr eines
Attributs bedingt dabei immer das Weniger eines anderen, wie beispielsweise Komfort
9
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 192-193.
10
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 192.
11
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 193.
12
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 194-196.

5
und Sportlichkeit beim Autokauf. Zur Lösung dieses Konflikts ist dann unter anderem
eine emotionale Reaktion möglich, in deren Folge bestimmte Aspekte des Kaufs
ausgeblendet werden.
13
Hinsichtlich Maximierung der Einfachheit der
Entscheidungsbegründung kann bis heute nur eine unzureichende empirische
Validierung festgehalten werden, weshalb dieses Ziel eher spekulativer Natur ist.
14
2.2. Kriterien der Kaufentscheidung
Eine sinnvolle Abgrenzung von Kaufentscheidungsmodellen bietet ihre Unterscheidung
nach den Dimensionen kompensatorisch vs. nicht-kompensatorisch und Alternativen-
basiert vs. Attribut-basiert.
15
Kompensatorisch bedeutet, dass der Nachteil eines Produktattributs durch den Vorteil
eines anderen Attributs kompensiert werden kann, da sich der Gesamtwert des
Produktes aus der Summe seiner einzelnen Attributwerte ergibt. Hingegen muss bei
nicht-kompensatorischen Entscheidungsmodellen ein Produktattribut eine im Voraus
bestimmte Mindestgrenze
16
hinsichtlich seiner Ausprägung erreichen, um als
Gesamtprodukt weiterhin in der Kaufentscheidung berücksichtigt zu werden. Während
bei kompensatorischen Modellen die Kaufentscheidung mit einem erheblichen Such-
und Informationsaufwand zur Bestimmung aller relevanten Produktattribute verbunden
ist, konzentriert sich die Kaufentscheidung bei nicht-kompensatorischen Modellen auf
einige wenige K.o.-Kriterien und ist deutlich weniger aufwendig.
Von Alternativen-basierten Modellen ist zu sprechen, wenn ein Konsument zunächst
alle relevanten Attribute eines zuerst betrachteten Produkts untersucht, bevor weitere
Produktalternativen berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu wählt ein Konsument
bei Attribut-basierten Modellen zu Beginn ein Produktattribut aus, welches mit den
wahrgenommenen Attributausprägungen aller relevanten Produkte verglichen wird. Erst
nachdem der Vergleich eines Attributs mit allen Produkten abgeschlossen ist,
wiederholt sich der Prozess für alle weiteren relevanten Produktattribute.
13
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 196-197.
14
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 197-199.
15
Vergleiche Payne et al (1993), S. 29-34.
16
Diese Mindestgrenze kann abhängig vom Konsumenten ordinal oder kardinal skaliert sein.

6
Einen Überblick über die Gliederung behavioristischer Modelle nach den genannten
Dimensionen ist Grafik 1 zu entnehmen.
17
Grafik 1: Klassifizierung behavioristischer Modelle
Quelle: eigene Darstellung
Abgesehen von den hier diskutierten lassen sich in der Literatur noch eine Reihe
weiterer möglich Abgrenzungskriterien finden. So schlägt Payne
18
unter anderem eine
zusätzliche Unterscheidung von Kaufentscheidungstheorien hinsichtlich Konsistenz
sowie quantitativer vs. qualitativer Vorgehensweise vor. Konsistenz beschäftigt sich
dabei mit der Frage, ob bei der Entscheidungsfindung alle vorhandenen Informationen
über alle Alternativen und Attribute hinweg konsistent oder selektiv herangezogen
werden. Die Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Vorgehensweise
bezieht sich hingegen auf einen eher mathematisch- vs. verbal-logischen Ansatz bei der
Entscheidungsfindung. Während Konsistenz bereits durch eine Abgrenzung hinsichtlich
kompensatorisch und nicht-kompensatorisch berücksichtigt wird,
19
liefert eine
Unterscheidung bezüglich quantitativ und qualitativ an dieser Stelle keinen Mehrwert
17
Weitere, in dieser Arbeit nicht behandelte behavioristische Kaufentscheidungsmodelle sind majority of
confirming decisions (Russo und Dosher, 1983) und affect referral (Wright, 1975).
18
Vergleiche Payne (1993), S. 30-31.
19
Es kann generell angenommen werden, dass bei einem kompensatorischen Ansatz über alle
Alternativen und Attribute hinweg das gleiche Ausmaß an Informationen herangezogen wird, während
eine selektive Vorgehensweise eng mit nicht-kompensatorischen Modellen in Verbindung steht.
Vergleiche Payne (1976), S. 369-370.

7
bei der Erklärung und Darstellung von Kaufentscheidungsverhalten, und soll deshalb
nicht weiter berücksichtigt werden.
2.3. Behavioristische Modelle der Kaufentscheidung
Welcher der nachfolgend dargestellten Kaufentscheidungsansätze in der Praxis zur
Anwendung kommt, wird im Wesentlichen durch die in Kapitel 2.1. definierten Ziele
bestimmt. Je nach angestrebtem Fundamentalziel wählt der Konsument denjenigen
Ansatz aus, welcher sich mit den gesetzten Zielen am besten vereinbaren lässt und diese
bestmöglich erreicht. So würden zum Beispiel bei einem Autokauf und damit
verbundenem Ziel maximaler Entscheidungsgenauigkeit kognitiv aufwendige Verfahren
wie das gewichtete additive Modell herangezogen werden.
20
Neben einer verbalen Beschreibung der Modelle erfolgt im folgenden Abschnitt auch
jeweils eine grafische Darstellung der Vorgehensweise. Hierbei ist anzumerken, dass
die Darstellung der Kaufentscheidung immer exemplarisch für einen ersten Durchlauf
der hierfür notwendigen kognitiven Struktur erfolgt. Die etwaige weitere
Vorgehensweise wird dann im unteren Teil der Grafik erläutert. Die Auswahl einer
zuerst betrachteten Alternative aus dem relevant set
21
erfolgt stets zufällig.
2.3.1. Additive Modelle
Das additive oder auch lineare Modell unterstellt, dass ein Produkt durch verschiedene
Attribute und deren Ausprägungen beschrieben wird, welche in Summe den
Gesamtwert eines Produktes ergeben. Bei der Kaufentscheidungsfindung geht der
Konsument wie folgt vor: Zunächst werden die Werte aller Attribute eines Produktes
bestimmt und deren Summe gebildet. Dann wird der Prozess für alle sich im relevant
set des Konsumenten befindenden Produkte wiederholt und das Produkt mit dem
höchsten Gesamtwert gewählt (vergleiche Grafik 2).
20
Vergleiche Bettman et al (1998), S. 195.
21
Ist desweiteren von relevant set die Rede, so sind hierunter alle für einen Konsumenten im Rahmen
eines spezifischen Kaufentscheidungsproblems in Frage kommenden Produkte gemeint.

8
Grafik 2: Entscheidungsansatz des additiven Modells
Quelle: eigene Darstellung
Die additive Verknüpfung der einzelnen Attribute sorgt dabei für eine kompensatorische
Wirkung, wohingegen der Vergleichs- und Auswahlprozess zwischen den
verschiedenen Produkten ein Alternativen-basiertes Modell zu Grunde legt.
22
Eine
weitere in der Literatur oftmals dargestellte Form des additiven Modells ergibt sich,
wenn die einzelnen Produktattribute nach ihrer Wichtigkeit durch den Konsumenten
bewertet werden. Der Gesamtwert des betrachteten Produktes ergibt sich in diesem Fall
durch die Summe aller multiplikativen Verknüpfungen aus Wichtigkeit mal
Attributwert. In diesem Fall ist dann von einem gewichteten additiven Modell zu
sprechen.
Eine Weiterentwicklung der oben beschriebenen Kaufentscheidungsregel liefert
Tversky mit seinem additive difference Modell.
23
Dieser ebenfalls kompensatorische
Ansatz unterstellt im Gegensatz zu der Grundform der additiven Modelle eine Attribut-
basierte Vorgehensweise. Ein Konsument wählt hierbei zunächst ein Produktattribut
aus und bildet durch direkten Vergleich zweier Produkte die Differenz der
wahrgenommenen Attributausprägungen. Durch Anwendung einer Gewichtungs-
funktion für jede der ermittelten Differenzen mit anschließender Addition über alle
Attribute hinweg wird die Gesamtdifferenz zwischen den beiden Produkten bestimmt,
auf deren Basis dann die Kaufentscheidung gefällt wird (vergleiche Grafik 3).
22
Vergleiche Payne (1976), S. 367.
23
Vergleiche Tversky (1969), S. 33-44.

9
Grafik 3: Entscheidungsansatz des additive difference Modells
Quelle: eigene Darstellung
Der direkte Vergleich wirft Fragen hinsichtlich der Bildung einer Entscheidung bei
mehr als zwei Produkten auf. Payne
24
schlägt hierzu die Bildung einer Benchmark vor,
bei welcher ein Konsument ein neu zu betrachtendes Produkt nur mit der besten
Alternative aller zuvor betrachteten Produkte vergleicht. Wird das neue Produkt
gegenüber dem Alten bevorzugt, wird es zum neuen Vergleichsstandard für alle
weiteren Entscheidungen.
Wie die beschriebene Vorgehensweise des additiven Verfahrens bereits andeutet, ist die
Entscheidungsfindung in diesem Fall mit einem hohen Informations- und Suchaufwand
für den Konsumenten verbunden. So muss nicht nur eine ausreichend große Anzahl an
Produktattributen gewählt und bewertet werden, um eine umfassende Beschreibung des
Produktes zu erlangen. Es ist außerdem von zentraler Bedeutung, dass sich der
Konsument über beide Produkte im gleichen Ausmaß, das heißt hinsichtlich einer
identischen Auswahl von Produktattributen, informiert.
Ein Vorteil der Kaufentscheidung auf Basis eines additiven Modells liegt in der
umfassenden und detaillierten Betrachtung aller zur Auswahl stehenden
Produktalternativen. So führt unter anderem der kompensatorische Charakter dieses
Ansatzes zu der Vermeidung eines ,,conflict among values". Mögliche wechselseitige
Beziehungen zwischen zwei Attributen werden also bewusst adressiert und nicht etwa
24
Vergleiche Payne (1976), S. 368.

10
ausgeblendet (vergleiche Kap. 2.4. bis 2.7.).
25
Als Beispiel können an dieser Stelle die
sich normalerweise entgegengesetzt aufbauenden Attribute Sparsamkeit und Leistung
bei einem Autokauf genannt werden. Durch den bereits erwähnten kompensatorischen
Modellcharakter wird die vorliegende Wechselbeziehung der Attribute in die
Kaufentscheidung mit einbezogen.
2.3.2. Satisficing
Ein nicht-kompensatorisches Entscheidungsmodell ist das auf Simon zurückgehende
Satisficing. Zentral für diesen Ansatz ist die bereits in der Einleitung beschriebene
Überlegung, dass Konsumenten nur limitiert rational und kognitiv eingeschränkt
handeln. In diesem Zusammenhang konnte Simon feststellen, dass sich Konsumenten
zur Reduzierung des kognitiven Aufwands oftmals mit einer Lösung zufriedengeben,
welche nicht optimal ist. Dies bedeutet, dass lediglich ein bestimmtes ,,minimum
aspiration level", also ein Mindestanforderungsniveau oder Schwellenwert erreicht
werden muss, um als Lösung für ein Kaufentscheidungsproblem akzeptiert zu werden.
In der Praxis wird unterstellt, dass ein Konsument im Rahmen dieses Alternativen-
basierten Ansatzes für ein zufällig ausgewähltes Produkt aus seinem relevant set alle
relevanten Ausprägungen der zuvor als wichtig bestimmten Attribute ermittelt. Erreicht
oder überschreitet das ausgewählte Produkt sein festgelegtes Mindestanforderungs-
niveau, so gibt er sich mit der erstbesten betrachteten Produktalternative zufrieden und
wählt diese aus. Sollte dies nicht der Fall sein, beginnt der beschriebene Prozess von
Neuem. Konnte nach Betrachtung aller im relevant set vorhandenen Produkte keine
Kaufentscheidung gefällt werden, passt der Konsument das Mindestanforderungsniveau
nach unten an (vergleiche Grafik 4).
26
25
Vergleiche Payne (1993), S. 23-24.
26
Vergleiche Simon (1955), S. 99-112.

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Jahr
2012
ISBN (PDF)
9783863417307
ISBN (Paperback)
9783863412302
Dateigröße
1.4 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Universität Passau
Erscheinungsdatum
2013 (Juli)
Note
2,3
Schlagworte
Konsum Werbung Kaufentscheidung Konsumforschung Kaufentscheidungstheorie behavioristisch
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