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Grenzwissenschaften: Neuromarketing in Bezug auf die AIDA Formel

©2009 Diplomarbeit 45 Seiten

Zusammenfassung

Unsere Welt ist voll mit Werbung, denn mittlerweile haben sich alle Produkte in ihrem Nutzen soweit angenähert, dass oft nur noch die Art der Werbung den Unterschied macht. Auffallen um jeden Preis ist somit umso mehr das Schlüsselwort für die Kommunikationsbranche geworden, so dass Extreme mittlerweile zum Werbealltag gehören. Doch genau hier klafft immer noch eine große Lücke, denn hohe Aufmerksamkeit verspricht nicht immer auch hohe Gewinne. Empirische Studien konnten beweisen, dass der immer kognitiv handelnde Konsument eine Illusion gewesen ist. Mit Hilfe des Phänomens implizites Lernen, eine Sonderform des unbewussten Lernens, sollen folgende Fragen, die aufkommen, wenn man an die Grenzen des AIDA-Modells stößt, beantwortet werden
Warum kann Werbung auch ohne Aufmerksamkeit wirken? Wieso kann Werbung auch bei geringem Produktinvolvement (Interesse und persönliche Wichtigkeit für eine Produktkategorie) Erfolg haben? Und warum können starke und bekannte Marken nicht aufhören zu werben, wenn nach AIDA eine Überzeugungsleistung stattgefunden hat?

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

„Wir nehmen zwar nicht alles wahr, aber wir sind

nicht in der Lage, unser Wahrnehmungssystem daran zu hindern, immer so viel wie möglich wahrzunehmen.“6

1 .1 Das menschliche Gehirn

Unser Gehirn ist auf Kommunikation angelegt und muss ständig mit Reizen gefüttert werden. Was jedoch passiert, wenn man Versuchspersonen für längere Zeit einer nahezu reizlosen Umge- bung aussetzt, konnte Salomon und seine Mitarbeiter 1961 in so- genannten Deprivationsexperimenten verdeutlichen. Obwohl dieses Experiment auf 48 Stunden angesetzt wurde, konnten schon nach circa 10 Minuten erste Reaktionen an den Versuchs- personen beobachtet werden. Sie wurden von einer großen Un- ruhe ergriffen, die sich immer mehr steigerte und nach wenigen Stunden zu Schweißausbrüchen, Herzrasen und Halluzinationen führte. Der Versuch musste abgebrochen werden.7

1970 entwarf der kanadische Hirnforscher Paul MacLean das Mo- dell des „dreieinigen Gehirns“, das bis heute seine Gültigkeit nicht verloren hat. Es besteht aus dem "Reptiliengehirn" (Hirn- stamm), dem Altsäugergehirn" (limbischen System) und dem "Neusäugergehirn" (Neokortex). „ Das menschliche Gehirn ist so- mit eine Zusammenfassung seiner evolutionären Vergangen-heit.“ 8

1.1.1 Hirnstamm (Reptiliengehirn)

Hierbei handelt es sich um den ältesten Teil des Gehirns, indem alle Verhaltensweisen ge- netisch vorhanden sind. Es handelt mit der Ab- sicht, dass eigene Überleben, sowie die Arterhaltung sicher zu stellen. Unbewusst und ge(Eigene Darstellung) fühllos arbeitet es wie ein Roboter sein Programm ab, dient aber gleichfalls als Kontrollinstanz für alle lebenswichtigen Funktionen des menschli- chen Körpers zur Aufrechterhaltung eines konstanten inneren Milieus im Organismus (Homöostase)9. Dazu zählen unter ande- rem die Kontrolle der Atemgase und der Schlagfrequenz des Herzens.

1.1.2 Limbisches System (Altsäugergehirn)

Seinen Namen verdankt dieser Teil seiner ana- tomischen Lage, denn es legt sich wie ein Saum (lat. Limbus) um den Hirnstamm. Mit seinen Funktionen verbindet es Reize aus der Umwelt mit körpereignen Informationen. Die-(Eigene Darstellung) ser Kombination aus Innen- und Außenwelt ist der Ursprungsort für emotionales Erleben. Die Natur hat mit dem Limbischen System, dem Reptiliengehirn eine „Denkkappe“ aufgesetzt.10 Hierdurch kann der Organismus bes- ser seine Umwelt in Abstimmung mit inneren Prozessen interpre- tieren und somit besser auf neue Situationen einstellen, bezie- hungsweise ihre Bedeutsamkeit besser bewerten. Diese werden gespeichert und sind so bei ähnlichen Situationen wieder abrufbar.

Abb . 2: Limb. System

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.1.3 Neocortex (Großhirn)

Dieser Gehirnteil entwickelte sich erst recht spät während der Evolution und ist somit der jüngste Teil des Gehirns, und wird deswegen auch oft Neusäugergehirn genannt. Es ist das

Kennzeichen höherer Säugetiere und arbeitet

(Eigene Darstellung) hauptsächlich unabhängig von Signalen aus dem Inneren des Körpers. Es kann verschie denartige Informationen verknüpfen, in dem es den großen Wirkzusammenhang erkennen kann. Dadurch ist es möglich neue Handlungsanweisungen zu entwickeln und somit seine Zukunft zu planen.

Abb . 3: Großhirn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 .2 Prozess der Wahrnehmung

Der Prozess ist die Übersetzung von Reizen aus der Außenwelt in Sinnesempfindungen. Er ist erst dann abgeschlossen, wenn diese körperfremden physikalischen Reize in körpereigene physiologi- sche Energie umgewandelt wurden. Prinzipiell handelt es sich hier somit lediglich um einen Umwandlungsprozess von Energie- formen.

Der Prozess der Wahrnehmung wird psychophysikalisch in drei Komponenten unterteilt. Eine Physikalische, beispielsweise Schall- intensität, eine Physiologische und eine Psychologische, die der Empfindung entspricht.11

Den Zusammenhang zwischen Reizintensität und Empfindung beschreibt das Webersche Gesetz: „Je höher die Intensität des Reizes ist, desto größer müssen auch Unterschiede sein, um eben noch wahrgenommen zu werden.“ 12 Die Unterschiedsschwelle ist zur Reizintensität konstant proportional. Unsere Wahrnehmung ist jedoch nicht frei von Interpretationen. So folgt Wahrnehmung automatisch und unbewusst den Gestaltungsgesetzen Figur und Grund, Ähnlichkeit, Geschlossenheit, Nähe, Kontinuität, sowie Erfahrungen und Erwartungen.

Unsere Wahrnehmung unterscheidet sich somit, durch den Grad unserer Aufmerksamkeit. Wir sehen nur das, was wir auch sehen wollen. Die altbekannte optische Täuschung in Abbildung 4 ver- deutlicht gut dieses Phänomen.

Abb . 4: Vase oder Gesichter

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(http://www.ghshauseniw.de/projekte/optillu/k%C3%B6pfe_vase2.jpg)

1.2.1 Beiläufige Informationsverarbeitung

In vielen Bereichen hat sich jedoch gezeigt, dass auch bei Tätig- keiten und Kommunikation neben den bewusst aufgenommen Reizen, unbewusste Anteile aufgenommen werden, die mit der verlangten Tätigkeit in keinem Zusammenhang stehen.13

Die Tatsache, dass hier wirklich unbewusst gelernt wurde, er- kennt man erst wenn spätere Handlungen durch diese aufge- nommenen Informationen beeinflusst werden. Auch dies ge- schieht unbewusst und wird auf Nachfrage sogar geleugnet. Ge- nau dieses Vorhanden sein von Informationen, die späteres Han- deln beeinflussen, ohne jedoch verbalisierbar zu werden nennt man implizites Lernen.

Dieser Begriff wurde von dem Psychologen Arthur S. Reber ein- geführt, der in Anlehnung an frühere Untersuchungen von George A. Miller (1958), mit seinem wegweisenden Experiment der künstlichen Grammatiken, 1967 eindrucksvoll den impliziten Wissenserwerb beschrieb.

Abb . 5: Regeln zur Erstellung von künstlicher Grammatik

(Bredenkamp, Jürgen, Lernen, Erinnern, Vergessen, C.H. BeckWissen, 1998)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der ersten Phase seines Experimentes sollten sich die Versuchs- personen mit auf den ersten Blick sinnlosen, wortähnlichen Buch- stabenreihen ohne Lernabsicht beschäftigen. Unerwähnt blieb zunächst, dass diese Buchstabenreihen nach zugrunde liegenden Regeln (Abbildung 5) konstruiert wurden.

Nach einiger Zeit wurden die Versuchspersonen, jedoch darüber aufgeklärt, dass die Sequenzen ganz bestimmten Regeln unter- liegen. Die zugrundeliegende Grammatik, sprich die Regelmä ßigkeit wurde jedoch nicht offengelegt. Um dieses Experiment wissenschaftlich auswerten zu können, musste natürlich eine Kontrollgruppe gebildet werden. Diese bekam eine nach dem Zu- fallsprinzip erzeugte Buchstabensequenz, hinter der keine Ge- setzmäßigkeit stand.

In der zweiten Phase bekamen die Versuchspersonen der Experi- mentalgruppe nun Sequenzen vorgelegt, die entweder zufällig oder jedoch nach den grammatikalischen Regeln erzeugt wur- den. Die Versuchspersonen wurden jetzt aufgefordert zu ent- scheiden, zu welcher Sorte Sequenz die Dargebotenen zählten. Dies konnten diese nicht hundertprozentig leisten, jedoch waren 69 Prozent der Urteile korrekt und somit weiter über der Rate- wahrscheinlichkeit. Eine genauere Spezifikation der Regeln war den Versuchspersonen nicht möglich. Das eigene Klassifikations- verhalten konnten die Versuchspersonen nicht erklären.

Natürlich blieb dieses Experiment nicht ohne Kritiker. Besonders wurde bei der Durchführung bemängelt, dass die Versuchsperso- nen während der Einschätzungsphase sich an ursprüngliche Bei- spielsequenzen erinnern könnten. Dazu wurden sie durch die In- struktionen im zweiten Teil des Experiments indirekt aufgefor- dert. Weiterhin hätten charakteristische Teile, wie Zweier- und Dreierbuchstabengruppen mehrfach vorkommen können, die dann das Erinnern erleichtern könnten. In Wirklichkeit besteht wohl keine vollständige Unabhängigkeit von expliziten und im- pliziten Prozessen.14

Abb . 6: Explizite und implizite Wahrnehmung

(Dr. Goode, Alastair; (Ad) Memories are made of this; S. 24)

Abbildung 6 zeigt die wesentlichen Unterschiede zwischen expli- ziter und impliziter Informationsverarbeitung. Dinge die wir be- wusst wahrnehmen erreichen zuerst unser Kürzzeitgedächtnis und bei Relevanz wird die enthaltene Information in Form von Fakten gespeichert, in der Abbildung 6 mit den schwarzen Pfei- len symbolisiert. Da dieses System jedoch relativ viel Zeit und Energie kostet, ist es in Situationen, die eine schnelle Entschei- dung erfordern, nicht brauchbar. Als Beispiel sei hier der nahen- de Säbelzahntiger genannt, der eine schnelle Entscheidung le- bensnotwenig machte.

Unser Gehirn ist nicht wie eine Videokamera aufgebaut, die alles perfekt aufzeichnet was wir wahrnehmen. Gleiches gilt auch für die daraus entstandenen Erfahrungen. Das System, welches die- sen Anforderungen gewachsen ist, wird in der Abbildung 6 von den weißen Pfeilen repräsentiert. Dieses System ist schnell und effektiv, denn es arbeitet wie ein mentaler Verdichter. Ankom- mende Informationen werden unbewusst mit gemachten Erfah- rungen aus dem bisherigen Leben verglichen. Dabei ist die Bezie- hung zwischen ähnlichen Situationen und dem was durch diese ausgelöst werden kann, von entscheidender Wichtigkeit.15

Doch wie macht sich diese Zweiteilung in der Praxis bemerkbar? Bei der Begegnung mit neuen Situationen, kommt es zu einem spontanen Gefühl, was jedem als das Bauchgefühl bekannt ist. Dieses Gefühl, ausgelöst durch die implizite Wahrnehmung hat schon einen Weg für unsere zukünftige Entscheidung gebahnt. Erst jetzt kommt es durch das explizite System zu einem Abgleich mit relevanten Fakten. Diese sind jedoch kaum im Stande die eingeschlagene Richtung der Entscheidung noch zu ändern, viel- mehr dienen sie als Bestätigung der Entscheidung. Ein Sinn ist damit in der Art und Weise wie man entscheidet, gefunden.

Deutliches wird in diesem Zusammenhang, die enge Verknüp- fung des impliziten Systems mit Emotionen, da es gerade diese Verknüpfungen sind, die im impliziten Gedächtnis gespeichert werden. Somit kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass unse- re bewusste Wahrnehmung immer nur eine Interpretation unse- res emotionalen Gedächtnisses ist. Es ist somit eine selektive Wahrnehmung, denn der Mensch nimmt nur das wahr, was für ihn in emotionaler Hinsicht den meisten Sinn ergibt. „ Bewusst- sein ist für das Gehirn ein Zustand, der tunlichst zu vermeiden und nur im Notfall einzusetzen ist.16

Der Mere-exposure-Effekt ist ein ähnlich anspruchsloses Lernmu- ster, das wirkungsvoll auf Einstellungen einwirkt. Dieser Effekt geht zurück auf die Hypothese des Sozialpsychologen Robert B. Zajonc, die besagt, dass man einen Gegenstand umso positiver bewertet, je häufiger man ihn dargeboten bekommt. Durch em- pirische Untersuchungen konnte Zajonc feststellen, dass nur eine Darbietung ausreichte, um die Einstellung zu einem Gegenstand positiv zu verändern. Der Gegenstand wurde dann als sympathi- scher eingeschätzt.

Für Robert F. Bornstein galt im Jahr 1967 die Hypothese jedoch nur mit der Einschränkung, dass sie nur funktioniert, wenn keine enge Beziehung zwischen dem Darbietungsstimulus und anderen bereits positiv oder negativ belegten Objekten besteht.

Im Jahr 1972 schränkte F. Hansen die Hypothese noch weiter ein. Seiner Meinung nach funktioniert der Mere-exposure-Effekt nur bis zu einem gewissen Grad der Reizdarbietung. Danach treten seiner Meinung nach Reaktanz-Effekte (Widerstand gegen eine von anderen Personen ausgehende Beschränkung oder Bedro-

hung der Handlungsfreiheiten) auf. 17 .

Im Jahr 1980 konnte Zajonc belegen, dass seine Mere-exposure- Hypothese auch dann gilt, wenn die Versuchsperson keine Erin- nerung an die Reize hatte. Dies tritt besonders bei Low- Involvement-Stimuli ein.

Denn Nachweis lieferten schließlich Zajonc und Bornstein, zu- sammen im gleichen Jahr, durch eine mittlerweile klassische Stu- die. Die Beiden boten Testpersonen für 5 Millisekunden Gestalten am Bildschirm dar. Später sollten die Testpersonen vorher darge- botene und zuvor nicht gezeigte Gestalten auf ihre Sympathie hin bewerten. Hierbei wurde schnell deutlich, dass die zuvor ge- zeigten Gestalten deutlich besser abschnitten, als die komplett neu dargebotenen.

Diese Untersuchungen wurden immer weiter verfeinert und mit Produktanzeigen kombiniert. Schließlich konnte man mit Ge- wissheit sagen, dass die Produktsympathie in engem Zusammen- hang mit dem was an Eindrücken unbewusst im Gedächtnis ge- speichert ist steht. Dabei schien auch eine positive Korrelation zwischen dem Ausmaß impliziter Erinnerung und einer Steige- rung der Produktsympathie zu bestehen.18

1 .3 Wo entstehen Emotionen?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb . 7: Limbisches System mit angrenzenden Strukturen

(http://www2.uni-wuppertal.de/FB4/anglistik/multhaup/brain_language_learning/; 15.2.09)

Der amerikanische Universitätsprofessor der Psychologie Joseph LeDoux entdeckte während seiner fächerübergreifenden For- schungen, dass der Mandelkern (Corpus amygdaloideum) die ent- scheidende Struktur für die Auslösung von Emotionen ist. Diese Struktur gilt hauptsächlich für Emotion Furcht. Diese, dem Limbi- schen System zugerechnete Struktur, konnte schon im Tierver- such bei Reizung Starre-, Flucht- und defensive Angriffsreaktio- nen auslösen. Abbildung 8 visualisiert die am Reiz-Flucht-Schema beteiligten Strukturen im menschlichen Gehirn.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb . 8: Reiz-Flucht-Schema

(http://www.cns.nyu.edu/ledoux/; 15.2.09)

Ein großer Vorteil bei der Erforschung des Mandelkerns beim Menschen ist, dass Gehirnoperationen bei vollem Bewusstsein er- folgen. Die Patienten können bei Reizung des Mandelkerns Aus- sagen über ihre Gefühle machen. Das Ergebnis, dass am häufig- sten genannt wurde, war ein Gefühl drohender Gefahr, ein Ge- fühl der Furcht. „ Furcht ist auch das am häufigsten gemeldete Erlebnis bei epileptischen Anfällen, die praktisch nichts anderes sind als spontane Reizungen, die im Mandelkern entspringen“ 19

Auswirkungen von Schädigungen an beiden Mandelkernen konnte der Neurowissenschaftler António R. Damásio erstmalig beschreiben. Den Patienten war es unmöglich geworden, Flucht- reaktionen in den Gesichtern anderer Menschen abzulesen. Es fehlten ihnen auch die Emotionen wie Furcht und Zorn, was sich sehr negativ in ihrem sozialen Umfeld auswirkte. Diese Menschen hatten alle eine normale Intelligenz, jedoch war es ihnen nicht mehr möglich Probleme die viele Situationen mit sich bringen, richtig zu erleben und ein zu schätzen.

LeDoux unterscheidet auch ganz klar zwischen Emotionen und Gedanken, die unterschiedlichen Gehirnregionen zugeordnet werden. Zu erwähnen wäre hier noch, dass Emotionen viel mehr Gehirnsysteme beanspruchen. Als mögliche Erklärung, warum emotionale Erregungen auch das Denken dominieren können, erkennt man recht gut an der Tatsache, dass der Einfluss des Mandelkerns auf den Kortex größer ist als umgekehrt. Für diese Tatsache sprechen auch die sehr stark ausgeprägten Nervenbah- nen die diese beiden Strukturen verbinden.

Wie bei allen Säugern sind die verbindenden Nervenbahnen bei den Primaten besonders stark ausgeprägt. Hierbei sind die vom Mandelkern hin zum Kortex viel ausgeprägter als die Bahnen in umgekehrter Richtung. Dies ist in sofern sinnvoll, da zwar Emotionen durch die Reizung des Mandelkerns ausgelöst werden können, jedoch das willentliche Abschalten von Emotionen nur sehr schwer, durch die Deaktivierung des Mandelkerns durchzu- führen ist. Die rationale Willensäußerung, sich jetzt nicht mehr über eine bestimmte Situation zu ärgern, hilft nicht viel weiter. Eine partielle Steuerung durch Emotionen ist hier nicht von der Hand zu weisen.

Vergleicht man die evolutionäre Entwicklung der verschiedenen Arten, erkennt man schnell, dass bis hin zu den Primaten, die Verbindungen zwischen kortikalen Gehirnregionen und den Mandelkernen immer ausgeprägter geworden sind. Vermutet wird in diesem Zusammenhang, dass der Kortex immer mehr Kontrolle über den Mandelkern erhält. Nicht ausgeschlossen werden kann eine Entwicklung zu einer Gleichberechtigung zwi- schen Mandelkern und Kortex. „..., könnte der Kampf zwischen Denken und Fühlen letztlich im Sinn einer harmonischen Integra- tion von Vernunft und Leidenschaft entschieden werden.“ 20 Dies ist jedoch nur eine Mutmaßung und somit Zukunftsmusik. Einen Konflikt zwischen Ratio und Emotionen kann mit folgendem Ex- periment in Abbildung 9 leicht ausgelöst werden, indem man nicht die Wörter vorliest, sondern deren Farben laut nennt.

Abb . 9: Experiment Ratio versus Emotionen

(Scheier, Christian; Held, Dirk, Wie Werbung wirkt, 2008, Haufe)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Neurowissenschaftler Damásio fasst diese vorhandenen Be- funde in seinem Buch Damásio 1999 wie folgt zusammen. Klar ist, dass das Gehirn mit Hilfe weniger Gehirnregionen Emotionen er- zeugen kann. Für besonders wichtig hält Damásio in diesem Zu- sammenhang, Regionen die sich in subkortikalen Zentren befin- den. Dies sind im Hirnstamm, im Hypothalamus, im basalen Vor- derhirn und im Mandelkern. Diese Regionen sind an der Entste- hen von Emotionen maßgeblich beteiligt, jedoch haben Untersu- chungen mit bildgebenden Verfahren gezeigt, dass die verschie- denen Emotionen sich durch ihr Aktivierungsmuster unterschei- den. Bevorzugt wird hier auf die Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT) oder die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zurück- gegriffen. In der Marketingliteratur wird hier auch oft vom Hirn- scanner gesprochen. Die nachfolgende Abbildung 10 zeigt ein fMRT-Bild, bei dem die Aktivitäten verschiedener Gehirnregionen während des Betrachtens von Marken, gemessen wurden.

Abb . 10: fMRT-Bild

(Häusel, Hans-Georg, Neuromarketing, 1. Auflage, Haufe, 2008, S. 149)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch der Ort der Entstehung der verschiedenen Emotionen ist nicht einheitlich. So werden beispielsweise bei Traurigkeit Teile des Stirnlappens des Großhirns, der Hypothalamus und der Hirn- stamm aktiviert, während die Aktivität in Hypothalamus und dem Stirnlappen bei Zorn oder Furcht fehlt. Alle Emotionen sind je- doch Resultate einer Aktivierung im Hirnstamm. Auch eine Betei- ligung einiger dieser Regionen findet man bei der Reizerken- nung. Hier werden äußere Umstande als eine bestimmte Emotion erkannt. So wie oben schon erwähnt die Erkennung von Furcht im Gesichtsausdruck durch den Mandelkern.

Doch kann man noch nicht jeder Gefühlsqualität ein spezifisches neuronales Aktivitätsmuster zuordnen. Die Frage wie aus neuro- nalen Aktivitätsmustern erlebbare Gefühle entstehen können, bleibt unbeantwortet. Momentan werden nur die bewusst erleb- ten Gefühlserlebnisse mit bestimmten hirnorganischen Vorgän- gen verbunden. Doch sagen diese nüchternen naturwissenschaft- lichen Forschungsergebnisse nichts über die gefühlte Qualität von Emotionen aus.

1 .4 Einfluss von Emotionen

Wie auf der letzten Seite beschrieben ist die Wissenschaft noch nicht soweit, Emotionen greifbar zu machen. Messbar ist jedoch die körperliche Reaktion auf eine Emotion.

Erstmalig wurde der Einfluss von Emotionen im Zusammenhang mit Werbung von Robert Lavidge und Gary Albert Steinerim Jahr 1961 beschrieben. Sie erstellten ein Modell, wonach drei Kompo-nenten die Effektivität von Werbung beeinflussen. Diese sind Kognitiv (Welt der Gedanken), Affektiv (Welt der Emotionen) und Konativ (Welt der Motive). Hieraus beschrieben sie das 6- Stufen-Modell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb . 11: 6 Stufen-Modell von Lavidge und Steiner

(Evelin Baszczyk: Werbung. Frau. Erotik S.28)

Kritikpunkte an diesem Modell sind, dass es sich ähnlich wie bei dem AIDA-Modell um ein hierarchisches Modell handelt, was be- deutet, dass das Erreichen der nächsten Stufe abhängig vom Er- reichen der vorigen Stufe ist. Vor allem jedoch klammert dieses Modell die Möglichkeit, dass menschliches Verhalten durch Wer- bemaßnahmen direkt beeinflusst werden kann, aus.21

Die Grundlagen welchen Einfluss Emotionen haben, legten dann 1967 Schachter und Singer eindrucksvoll mit ihrem mittlerweile klassischen Adrenalin-Experiment. Hier wurden den Versuchsper- sonen Adrenalin, das eine unspezifische körperliche Erregung er- zeugt, gespritzt. Während ein Teil der Versuchspersonen über die Substanz aufgeklärt wurde, erhielt der andere Teil der Versuchs- personen die Information, dass keine Erregung zu erwarten sei.

Im Verlauf des Experiments begegneten die Probanden einer weiteren Person, die sich in einer euphorischen oder einer ärger- lich-gereizten Stimmung befand. Während die Probanden, die über das Adrenalin aufgeklärt wurden, sich nicht beeinflussen

ließen, wurde der unaufgeklärte Teil der Probanden von der Stimmung angesteckt. Die Erklärung dieser Reaktionen fanden Schachter und Singer, darin, dass die unaufgeklärten Probanden eine Erklärung ihrer Erregung aus der Situation zogen. Der ob- jektiv gleiche Aktivierungszustand wird demnach situationsbe- dingt als Freude oder Ärger interpretiert.22

So postulierte der Neurowissenschaftler Damásio 1995, dass Emo- tionen als integraler Bestandteil von Denk- und Emotionsprozes- sen anzusehen sind. Als Beweis berichtet er von Untersuchungen an Patienten die in Folge einer Läsion (Verletzung eines Körper- teils) im Bereich des Stirn- und Scheitellappens des Großhirns be- stimmte Emotionen verloren hatten, was jedoch mit einer Unfä- higkeit vernünftige Entscheidungen zu treffen, einher ging. Die- se Menschen waren nicht mehr in der Lage einen Tagesplan zu erstellen.

Dies lässt den Schluss zu, dass ein Verlust von Gefühlen irrationa- les Verhalten zur Folge haben kann. Hier wird also besonders deutlich, wie Emotionen das Denken unterstützen, besonders wenn es um persönliche Belange geht, die risikobehaftet oder konfliktbeladen sind. Damásio entwickelte daraus seine Hypothe- se der „somatischen Marker“. Diese Körpersignale bewerten ein bestimmtes Szenario als gut oder schlecht. Es findet somit eine Interaktion zwischen Kognition und Emotion in Situationen bei denen es um Entscheidungsfindung geht, statt „... emotions and feelings ... connected by learning to preticated future outcomes of certain scenarios“ 23

Diese somatischen Marker werden durch Erfahrungen erworben, indem Dinge und Ereignisse mit bestimmten Körpergefühlen ver- knüpft werden. Diese können angenehm, aber auch unange- nehm sein. Handlungen die somit bedeutende emotionale Kon- sequenzen nach sich ziehen, werden kognitiv mit somatischen Reaktionen verbunden, die dann beispielsweise als feuchte Hän- de bewusst werden.

Diese Markierungen werden nun implizit gespeichert und kön- nen bei späteren und ähnlichen Entscheidungsprozessen reakti- viert werden und übermitteln später in ähnlichen Situationen die gleichen diffusen positiven oder negativen Gefühle. Sie bilden also für die Entscheidungsfindung eine wichtige Grundlage denn sie erhöhen Präzision und die Geschwindigkeit von Entscheidun- gen, wodurch sie der Suchraum für die Entscheidung einge- schränkt wird. Das Denken wird dadurch jedoch nicht überflüssig, sondern die Entscheidung erleichtert. Bewusst wird dies meist als das „ungute Gefühl“ beschrieben und wirkt somit unbewusst oft als eine Art Alarmglocke. "Auch wenn die Rationalität die erha- bensten Unterscheidungen trifft und entsprechend handelt, wird sie wahrscheinlich durch Körpersignale beeinflusst und ge- prägt" 24

6 Sp it ze r , Manfred, aus Scheier, Christian; Held, Dirk, Wie Werbung wirkt, Haufe

7 Vgl. Salomon, Philip et al., Sensory Deprivation, Cambridge, 1961

8 Go ll e r Hans, Hirnforschung und Menschenbild, September 2000, Heft 9.

9 The w s , Gerhard; Mutschler, Ernst; Vaupel, Peter, Anatomie Physiologie Pa- thophysiologie des Menschen, 5. Aufl., 1999, S. 80

10 Vgl. MacLean, Paul, http://www.kheper.net/topics/intelligence/MacLean.htm,30.1.2009

11 Vgl. Felser, Georg, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl., 2007, S.

12 Wagners Handwört. d. Physiol. II, 1854, S. 559 ff.

13 S c h il andu s , André, Inzidentelles Lernen bei Werbung, o.J., S. 5

14 Vgl. Bednorz, Peter; Schuster, Martin, Einführung in die Lernpsychologie, 4. Aufl., Reinhardt UTB, 2002, S. 115

15 Vgl. Dr. Goode, Alastair, Ad Memories are made of this

16 P r o f e ss o r Roth, Gerhard

17 http://lexikon.meyers.de/wissen/Reaktanz, 19.02.2009

18 D r. Goode, Alistair, Unbewusst wirkt´s besser!, Vierteljahresheft für Werbe wissen, 01/2002

19 Go ll e r , Hans, Hirnforschung und Menschenbild, http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/107.html?print=1

20 Vgl. Goller, Hans, Joseph, Hirnforschung und Menschenbild, http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/107.html?print=1

21 Vgl . Lavidge, Robert J.; Steiner, Gary A., A Model For Predictive Measure- ments of Advertising Effectiveness, Advertising & Society Review , Volume 1, Issue 1, 2000

22 Vgl. Felser, Georg, Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Aufl., 2007, S.

23 Da m á si o , António R. ,A Hierarchy-of-Processing Model, 1994,

24 Da m á si o , António R., 1995, Goller, Hans, Joseph, Hirnforschung und Men schenbild, http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/107.html?print=1

Details

Seiten
Erscheinungsform
Erstausgabe
Erscheinungsjahr
2009
ISBN (PDF)
9783956845727
ISBN (Paperback)
9783956840722
Dateigröße
3.2 MB
Sprache
Deutsch
Institution / Hochschule
Institut für Marketing Kommunikation GmbH Wiesbaden
Erscheinungsdatum
2015 (Februar)
Note
1
Schlagworte
Neuromarketing Werbung Implizites Lernen Wahrnehmung Konsument
Produktsicherheit
BACHELOR + MASTER Publishing

Autor

Peter Busch, geboren 1974 in der Goethestadt Frankfurt am Main, studierte nach Studien in den Fachbereichen Medizin und Philosophie an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz am Privaten Institut für Marketing und Kommunikation in Wiesbaden Marketing und Kommunikation. Dieses Studium schloss er mit der Diplomnote von 1,0 ab. Danach folgten Ausbildungen zum NLP Practitioner und NLP-Master DVNLP zertifiziert an der Explorers‘ Akademie in Frankfurt. Bei Katia Görmer absolvierte der Autor den Reiki Grad I und ist zudem ausgebildeter Hypnotiseur und ausgebildeter Blitzhypnotiseur. Mittlerweile arbeitet er als freiberuflicher Mental Coach sowie als Senior Consultant im Bereich Onlinemarketing und Concept bei der Agentur buschschuetze.
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